11. Das römische Epos - UniFr Web Access
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Survol de la littérature antique XXXII Die antike Literatur von den Anfängen bis zur Spätantike<br />
Cours SE 2007 Vorlesung SoSe 2007<br />
80<br />
85<br />
Sanctius his animal mentisque capacius altae<br />
deerat adhuc et quod dominari in cetera posset:<br />
natus homo est, sive hunc divino semine fecit<br />
ille opifex rerum, mundi melioris origo,<br />
sive recens tellus seductaque nuper ab alto<br />
aethere cognati retinebat semina caeli.<br />
quam satus Iapeto, mixtam pluvialibus undis,<br />
finxit in effigiem moderantum cuncta deorum,<br />
pronaque cum spectent animalia cetera terram,<br />
os homini sublime dedit caelumque videre<br />
iussit et erectos ad sidera tollere vultus:<br />
sic, modo quae fuerat rudis et sine imagine, tellus<br />
induit ignotas hominum conversa figuras.<br />
<strong>11.</strong>2.3. Ovid, Metamorphosen 10,1–77<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
Inde per inmensum croceo velatus amictu<br />
aethera digreditur Ciconumque Hymenaeus ad oras<br />
tendit et Orphea nequiquam voce vocatur.<br />
(Hymenaeus [Hochzeitsgott] hatte mit Venus und Iuno am Hochzeitsfest<br />
von Iphis und Ianthe teilgenommen. – Cicones: thrak. Volk)<br />
adfuit ille quidem, sed nec sollemnia verba<br />
nec laetos vultus nec felix attulit omen.<br />
fax quoque, quam tenuit, lacrimoso stridula fumo<br />
usque fuit nullosque invenit motibus ignes.<br />
exitus auspicio gravior: nam nupta per herbas<br />
dum nova Naïadum turba comitata vagatur,<br />
(Naïades: Fluss-, Quell- und Seenymphen)<br />
occidit in talum serpentis dente recepto.<br />
quam satis ad superas postquam Rhodopeius auras<br />
deflevit vates, ne non temptaret et umbras,<br />
(Rhodope: thrakisches Gebirge [Thrakien = Heimat des O.)<br />
ad Styga Taenaria est ausus descendere porta<br />
(Tainaron, südliches Vorgebirge Lakoniens, Eingang zur Unterwelt)<br />
perque leves populos simulacraque functa sepulcro<br />
Persephonen adiit inamoenaque regna tenentem<br />
(Persephone, Tochter des Iuppiter und der Ceres, von Pluto geraubt)<br />
umbrarum dominum pulsisque ad carmina nervis<br />
sic ait: 'o positi sub terra numina mundi,<br />
in quem reccidimus, quicquid mortale creamur,<br />
si licet et falsi positis ambagibus oris<br />
vera loqui sinitis, non huc, ut opaca viderem<br />
Tartara, descendi, nec uti villosa colubris<br />
(Tartaros: Totenreich)<br />
terna Medusaei vincirem guttura monstri:<br />
(Cerberus, der dreiköpfige Höllenhund, Urenkel der Medusa)<br />
causa viae est coniunx, in quam calcata venenum<br />
vipera diffudit crescentesque abstulit annos.<br />
posse pati volui nec me temptasse negabo:<br />
Noch fehlte ein Lebewesen, heiliger als diese,<br />
fähiger, den hohen Geist aufzunehmen, und imstande,<br />
die übrigen zu beherrschen. Es entstand der<br />
Mensch, sei es, dass ihn aus göttlichem Samen jener<br />
Weltschöpfer schuf, der Ursprung der besseren<br />
Welt, sei es, dass die junge Erde, erst kürzlich vom<br />
hohen Äther getrennt, (80) noch Samen des verwandten<br />
Himmels zurückbehiehlt; diese mischte<br />
der Sproß des Iapetus mit Regenwasser und formte<br />
sie zum Ebenbild der alles lenkenden Götter. Und<br />
während die übrigen Lebewesen nach vorn geneigt<br />
zur Erde blicken, gab er dem Menschen ein nach<br />
oben schauendes Antlitz, gebot ihm, den Himmel<br />
zu sehen (85) und das Gesicht aufrecht zu den<br />
Sternen zu erheben. So nahm die Erde, die eben<br />
noch roh und gestaltlos gewesen war, verwandelt<br />
die bisher unbekannten menschlichen Formen an.<br />
(Übersetzung M. v. Albrecht)<br />
Von dort schreitet Hymenaeus in seinem Krokusgelben<br />
Gewand druch den unermesslichen Äther; er<br />
eilt zu den Gestaden der Ciconen; dorthin ruft ihn<br />
Orpheus' Stimme, doch vergebens. Anwesend war<br />
er zwar, (5) doch brachte er nicht die gewohnten<br />
Segensworte, keine fröhlichen Gesichter, kein<br />
glückliches Omen; auch die Fackel in seiner Hand<br />
zischte immerfort; nur tränenerregender Rauch,<br />
keine Flamme entstieg ihr, mochte man sie noch so<br />
sehr schwingen. Der Ausgang war schlimmer als<br />
das Vorzeichen; denn während die Neuvermählte,<br />
von der Schar der Naiaden begleitet, durch die<br />
Wiesen streifte, (10) starb sie, weil eine Schlange sie<br />
in die Ferse gebissen hatte. Nachdem sie der Seher<br />
vom Rhodopegebirge an den Lüften des Himmels<br />
zur Genüge beweint hatte, wollte er es auch noch<br />
mit dem Schattenreich versuchen. So wagte er durch<br />
die taenarische Pforte zur Styx hinabzusteigen.<br />
Mitten durch die schwerelosen Völker und die<br />
Schattenbilder der Bestatteten (15) kam er bittend zu<br />
Persephone und zu dem König im unwirtlichen<br />
Reich, dem Herrn der Schatten. Dann schlug er zum<br />
Liede die Saiten und sang: »O ihr Gottheiten der<br />
unterirdischen Welt, in die wir zurückfallen, wir,<br />
alles Sterbliche, was entsteht! Ist es erlaubt und<br />
gestattet ihr mir, ohne Trug und Umschweife (20)<br />
die Wahrheit zu sagen, so wisst: Ich bin nicht hier<br />
herabgestiegen, um den finsteren Tartarus zu sehen,<br />
nicht, um die drei Hälse des medusischen Höllenhundes<br />
zu fesseln, an denen Schlangen als Zotteln<br />
hängen. Der Grund meiner Fahrt ist meine Gattin;