01.12.2012 Aufrufe

11. Das römische Epos - UniFr Web Access

11. Das römische Epos - UniFr Web Access

11. Das römische Epos - UniFr Web Access

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Survol de la littérature antique XXXIII Die antike Literatur von den Anfängen bis zur Spätantike<br />

Cours SE 2007 Vorlesung SoSe 2007<br />

30<br />

35<br />

40<br />

45<br />

50<br />

55<br />

60<br />

65<br />

vicit Amor. supera deus hic bene notus in ora est;<br />

an sit et hic, dubito: sed et hic tamen auguror esse,<br />

famaque si veteris non est mentita rapinae,<br />

vos quoque iunxit Amor. per ego haec loca plena timoris,<br />

per Chaos hoc ingens vastique silentia regni,<br />

Eurydices, oro, properata retexite fata.<br />

omnia debemur vobis, paulumque morati<br />

serius aut citius sedem properamus ad unam.<br />

tendimus huc omnes, haec est domus ultima, vosque<br />

humani generis longissima regna tenetis.<br />

haec quoque, cum iustos matura peregerit annos,<br />

iuris erit vestri: pro munere poscimus usum;<br />

quodsi fata negant veniam pro coniuge, certum est<br />

nolle redire mihi: leto gaudete duorum.<br />

Talia dicentem nervosque ad verba moventem<br />

exsangues flebant animae; nec Tantalus undam<br />

(Tantalus: Büssergestalt der Unterwelt)<br />

captavit refugam, stupuitque Ixionis orbis,<br />

(Ixion: König der Lapithen; in der Unterwelt an ein Rad geschmiedet,<br />

weil er sich der Iuno bemäChtigen wollte)<br />

nec carpsere iecur volucres, urnisque vacarunt<br />

Belides, inque tuo sedisti, Sisyphe, saxo.<br />

(Belides: Enkelinnen des Königs Belus von Ägypten, nach ihrem<br />

Vater Danaos auch Danaiden genannt. Sie töteten ihre Männer in<br />

der Hochzeitsnacht und mussten ewig Wasser in ein leckes Fass<br />

schöpfen. – Sisyphus: Sohn des Aeolus, des Königs der Winde; König<br />

von Korinth, verschlagen und gewalttätig, von Theseus getötet und<br />

in der Unterwelt verdammt, einen Felsblock bergauf zu rollen, der<br />

stets kurz vor dem Gipfel zurückrollt.)<br />

tunc primum lacrimis victarum carmine fama est<br />

Eumenidum maduisse genas, nec regia coniunx<br />

(Eumenides: Erinnyen, die Bluträcherinnen)<br />

sustinet oranti nec, qui regit ima, negare,<br />

Eurydicenque vocant: umbras erat illa recentes<br />

inter et incessit passu de vulnere tardo.<br />

hanc simul et legem Rhodopeius accipit heros,<br />

ne flectat retro sua lumina, donec Avernas<br />

exierit valles; aut inrita dona futura.<br />

(der Averner See in Campanien, ein Eingang zur Unterwelt)<br />

Carpitur adclivis per muta silentia trames,<br />

arduus, obscurus, caligine densus opaca,<br />

nec procul afuerunt telluris margine summae:<br />

hic, ne deficeret, metuens avidusque videndi<br />

flexit amans oculos, et protinus illa relapsa est,<br />

bracchiaque intendens prendique et prendere certans<br />

nil nisi cedentes infelix arripit auras.<br />

iamque iterum moriens non est de coniuge quicquam<br />

questa suo (quid enim nisi se quereretur amatam?)<br />

supremumque 'vale,' quod iam vix auribus ille<br />

acciperet, dixit revolutaque rursus eodem est.<br />

Non aliter stupuit gemina nece coniugis Orpheus,<br />

quam tria qui timidus, medio portante catenas,<br />

colla canis vidit, quem non pavor ante reliquit,<br />

quam natura prior saxo per corpus oborto,<br />

(unbekannte Sage)<br />

eine Viper, auf die sie trat, hat Gift in ihr Blut<br />

gespritzt und ihr die jungen Jahre geraubt. (25) Ich<br />

wollte es ertragen und bekenne: Ich hab's versucht;<br />

doch Amor hat gesiegt. In der Oberen Welt ist dieser<br />

Gott wohlbekannt; ob er es auch hier ist, weiss<br />

ich nicht. Doch ich vermute, dass er es auch hier ist;<br />

denn, sofern die alte Sage von dem Raub nicht<br />

erlogen ist, hat auch euch Amor vereint. Bei diesen<br />

Gefilden voller Angst, (30) bei diesem riesigen<br />

Chaos und dem Schweigen des öden Reiches bitte<br />

ich euch: Macht Eurydikes übereilten Tod rückgängig!<br />

Alles ist euch verfallen, und nach kurzem<br />

Aufenthalt eilen wir früher oder später zu ein und<br />

demselben Wohnsitz. Wir alle streben hierher; dies<br />

ist unser letztes Heim, (35) und ihr herrscht am<br />

längsten über das Menschengeschlecht. Auch Eurydike<br />

wird euch gehören, wenn sie die Jahre, die ihr<br />

zustehen, vollendet hat und reif ist. Ich bitte euch<br />

nicht, sie mir zu schenken, nur zu leihen. Verweigert<br />

aber das Geschick meiner Gattin die Gnade,<br />

bin ich fest entschlossen, nicht zurückzukehren:<br />

Freut euch dann über den Tod zweier Menschen!«<br />

(40) Während er so sang und zu seinen Worten die<br />

Saiten schlug, weinten die blutlosen Seelen, Tantalus<br />

griff nicht nach der fliehenden Welle, staunend<br />

stand Ixions Rad still, die Vögel zerfleischten nicht<br />

die Leber des Tityos, die Beliden liessen ihre Krüge<br />

stehen, und du, Sisyphus, sassest auf deinem Stein.<br />

(45) Damals sollen zum ersten Mal die Wangen der<br />

Eumeniden von Tränen feucht geworden sein, weil<br />

der Gesang sie überwältigte. Weder die Königin<br />

noch der Herrscher der Untertwelt bringen es über<br />

sich, die Bitte abzuschlagen, und sie lassen Eurydike<br />

rufen. Sie befand sich unter den neuangekommenen<br />

Schatten, kam heran, und die Wunde<br />

erlaubte ihr nur langsam zu schreiten. (50) Orpheus<br />

vom Rhodopegebirge erhält sie unter der Bedingung,<br />

nicht zurückzublicken, bevor er die Täler des<br />

Avernus verlassen habe – sonst werde das Geschenk<br />

zunichte.<br />

Der Pfad führte sie durch die Totenstille bergan;<br />

steil ist er, dunkel und in dichten Nebel gehüllt. (55)<br />

Schon waren sie nicht weit vom Rand der Erdoberfläche<br />

entfernt _– besorgt, sie könne ermatten,<br />

und begierig, sie zu sehen, wandte Orpheus voll<br />

Liebe den Blick, und alsbald glitt sie zurück. Sie<br />

streckt die Arme aus, will sich ergreifen lassen, will<br />

ergreifen und erhascht doch nichts, die Unselige, als<br />

flüchtige Lüfte. (60) Schon starb sie zum zweiten<br />

Mal, doch mit keinem Wort klagte sie über ihren<br />

Gatten – denn worüber hätte sie klagen sollen als<br />

darüber, dass sie geliebt wurde? –, sprach ein letztes

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!