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Mitteilungen des Institutsfür aktuelle Kunst im SaarlandSonderheftLEBENSWERKEKünstlernachlässein der GroßregionSymposionSaarlouis, Kaserne VIAlte BrauereistraßeSamstag 25. Oktober 2008SchirmherrschaftAnnegret Kramp-KarrenbauerMinisterin für Bildung, Familie, Frauenund Kultur des Saarlandes


INHALT4681218243538424652BegrüßungRoland HenzLebenswerke – KünstlernachlässeJo EnzweilerAufgaben von Kunst-InstitutenLorenz DittmannKünstlernachlässe und Archive, Bibliotheken,Dokumentationen und Museen –Das Beispiel des Projekts des Landesarchivs SaarbrückenMichael Sander»Prüfet aber alles, und das Gute behaltet.«Zur Problematik der Selektion der WerkeHans M. SchmidtKünstlerarchive als Herausforderung für die KulturwissenschaftenGertrude Cepl-KaufmannBiographische Künstlernachlässe im Rheinlandals Desiderat archivarischer AktivitätenDaniel SchützStrategien im Umgang mit dem künstlerischen NachlassBen MuthoferNachlässe, was tun? Aus der Praxis eines StadtmuseumsElisabeth DührSein oder Nicht-Sein –Von der freudigen Mühe ein Kunst-Dach zu schaffenPaul BertemesBiografien der Autoren


BEGRÜSSUNGRoland HenzGuten Morgen, meine Damen und Herren, liebe Künstlerinnenund Künstler, werte Sammler, und wie ich eben gehört habe,liebe Betroffene, die Sie ein Erbe betreuen und nicht so genauwissen, was sie damit machen sollen - wenn ich Sie heute begrüßendarf, so darf ich das auch im Namen von Prof. Jo Enzweilerund des Teams des Instituts für aktuelle Kunst tun. Ich freuemich, dass trotz dieser frühen Zeit die Teilnehmerzahl so groß ist.Früh deshalb, weil wir heute in Saarlouis noch weitere Veranstaltungenhaben und wir ausreichend Zeit für Sie haben wollten,denn ich denke, dass zu diesem spannenden Thema einiges zusagen ist.Ich freue mich, dass Kulturamtsleiter Walter Birk und unsereMuseumspädagogin, Dr. Claudia Wiotte-Franz, heute Morgenhier sind, ich freue mich ebenso, als Vertreterin der MinisterinFrau Christa Matheis begrüßen zu dürfen. Das zeigt, dass es einInteresse gibt, und wir in Ihnen immer eine verlässliche Ansprechpartnerinhaben und das soll auch so bleiben. Ich freue michauch, dass die Architektenkammer mi Ihrem Präsidenten HerrnKiefer vertreten ist und ich möchte stellvertretend auch für dieKulturpolitik Herrn Dr. Kurt Bohr ganz herzlich begrüßen. Ichbegrüße auch als eine ständige Wegbegleiterin unserer Arbeithier in Saarlouis Frau Dr. Sabine Graf. Ich freue mich sehr, dassSie da sind. Ebenso freue ich mich, dass der Saarländische Rundfunkhier heute Morgen live dabei ist und auch eine Aufzeichnungmacht. Vielen Dank Frau Barbara Renno, die Sie das mitmachen,und dem Team, das all das, was wir hier diskutieren, dokumentiert.Ich danke auch allen andern, die diese Veranstaltungmit fördern.Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Saarlouis ist dasThema Kultur, Kunst, Architektur sehr stark in der Diskussion.Das hat unterschiedliche Gründe: Zum einen liegt es wohl daran,dass wir in den letzten Monaten und Jahren ein bisschen Drive indie ganze Sache hineingebracht haben, weil wir der Meinungsind, dass Kultur, Kunst, Architektur mittlerweile Wirtschafts-,Standortfaktoren sind, die nicht unterschätzt werden dürfen.Der Besuch unserer Veranstaltungen zeigt, dass wir hier richtigliegen. Egal, wo wir etwas zu diesem Thema machen, es wirdangenommen, es gibt ein Interesse, es gibt eine rege Diskussionund das zeigt uns auch, dass wir wirklich auf dem richtigenWeg sind.


Wir haben wieder eine Kunstkommission eingerichtet, die jahrelangdanieder lag. In dieser Kunstkommission werden wir Belangediskutieren, die vorher vielleicht keine Rolle gespielt haben. Somithaben wir eine viel breitere öffentliche Diskussion in diesen Bereichen.Wir haben diese Kunstkommission nicht politisch besetzt.Und ich glaube, das, was wir bisher gemacht haben, ist richtig.Wir haben beispielsweise den Bereich Kunst im öffentlichenRaum auf eine Art und Weise analysiert, wie es das in Saarlouisnoch nie gegeben hat. Ich denke, dass Ihre hervorragende Dokumentationzur Kunststadt Saarlouis, Herr Professor Enzweiler,etwas Einmaliges ist. Wir werden in der nächsten Woche dieseDokumentation der Kunstkommission vorstellen, mit dem Ziel,aus dem, was erfasst wurde, Schlüsse für die Zukunft zu ziehen.Ein weiteres Beispiel ist der Ort dieser Veranstaltung: In diesemGebäude befand sich ein Möbelhaus. Kurz nach meinem Amtsantritt,war das Möbelgeschäft weg, und die Kunst und die Kulturhaben diese Räumlichkeiten in Besitz genommen, als ob es dasnormalste der Welt sei. Jetzt will jeder diesen Ort für Veranstaltungenhaben. Wir diskutieren darüber, wie es mit diesemGebäude zukünftig weitergeht.Wir diskutieren darüber, was wird mit der Kulturmeile in Saarlouis:Haus Ludwig, Kaserne VI, Bibliothek, Museum, Theater. Wirhätten gerne auch noch den Teil der Kaserne, in dem die Polizeisitzt, aber die Polizei geht nicht raus. Ich verstehe es nicht, dennwir haben an einer anderen Stelle in der Stadt ein Hauptzollamt,das leer steht und es wäre eigentlich gar nicht schlimm, ich würdenoch beim Umzug helfen, es sind 500 m von hier. Aber das istpolitisch gesehen eine Kiste, die nicht so einfach ist. Aber unserTraum ist es, diese Kulturmeile mit Leben zu füllen, alles, was mitKunst und Kultur in dieser Stadt zusammenhängt, unmittelbarauf dieser wunderbaren Fläche, die an die Altstadt angrenzt, diedie historischen Wege mit beinhaltet, die große Plätze um sichherum hat, die Einkaufsmeile nah, das Theater am Ring, dessenUmbau und Sanierung ansteht, all das zentral hier mit Kunst undKultur zu besetzen: Das ist die Vision, an der wir arbeiten. Überall dies bin ich mit der Landesregierung im Gespräch.müssen, hausieren müssen, damit die Arbeit dieses Institutesnach vorne gebracht wird. Ich wäre sehr froh, wenn wir diesesInstitut auf feste Beine stellen könnten. Das würde unsere Aufgabesehr erleichtern und auch die Aufgabe derer, die Tag täglichdort hervorragende Arbeit leisten. Deshalb freue ich mich auf dieweitere ZusammenarbeitDas Thema des heutigen Tages, meine sehr verehrten Damenund Herren, hat mich unmittelbar nach meinem Amtsantritt, imMai 2005, schon erreicht. Damals ging es um den Nachlass einesKünstlers, der unbedingt wissen wollte, wie geht es weiter geht,wenn er nicht mehr da ist. Herr Prof. Enzweiler, ich bin meinerNot zu Ihnen gekommen, und Sie haben gesagt, oh Gott, ohGott, Herr Henz, ich weiß nicht, lassen sie die Finger da weg, wasmachen wir denn mit dem ganzen Lebenswerk dieses Künstlers.Wie stellen wir es sicher? Wie verwahren wir es? Wie betreuenwir es? Da gibt es sovieles, auf das ich im Moment keine Antworthabe, sind Sie vorsichtig, was Sie da machen, und machen Siekeine Versprechungen. Das war mein erstes Zusammentreffenmit diesem Thema. Mittlerweile sagt Herr Enzweiler, dass er ständigdamit konfrontiert ist, was letztendlich zu diesem Symposiongeführt hat.Ich möchte an dieser Stelle sagen, die Stadt Saarlouis ist bereit,dieses Thema nicht nur hier zu diskutieren, sondern ist auchbereit zu der notwendigen Hilfe. Aber ich sage auch ganz klar,dass das eine Stadt nicht allein bewältigen kann, dies ist auchAufgabe eines Landes. An dieser Stelle bringe ich erneut meineKulturmeile ins Spiel, da ist sehr viel Platz, da gibt es Möglichkeiten,es gibt vielleicht auch andere Möglichkeiten, über die diskutiertwerden muss, da gibt es an der einen oder anderen Stelleeine kleine Diskrepanz zwischen dem Professor und mir, aber wirdiskutieren das in aller Freundschaft, weil wir wissen, dass dasThema es wert ist, und weil wir wissen, dass es auf diese Frageneine Antwort geben muss. In diesem Sinne wünsche ich Ihneneine gute Veranstaltung.Die heutige Veranstaltung hat einen besonderen Hintergrund:Das Institut feiert seinen 15. Geburtstag und als Präsident desFördervereins, möchte ich mich sowohl bei all denen bedanken,die dieses Institut seit 1992/93 unterstützen, aber auch bei Prof.Enzweiler und seinem Team, die es immer wieder schaffen, solchwunderschöne Ausstellungen zu machen.Mir hat ein Satz von Professor Ben Muthofer in diesem Zusammenhangbesonders viel Spaß gemacht: Er hat gesagt: »Die Bayernhaben die Alpen, die Saarländer haben ein Institut für aktuelleKunst.« Das hat mir besonders gut gefallen, weil es ausdrückt,dass wir hier etwas Außergewöhnliches in Saarlouis haben,wobei ich eindeutig und klar sage, dieses Institut ist ein An-Institutder Hochschule, das muss ganz klar sein und es ist nicht nuretwas, was Saarlouis angeht, sondern es geht das ganze Landan, und deshalb sage ich auch mit ein bisschen Kritik, da könnteich mir die eine oder andere Unterstützung schon mehr vorstellen.Denn eins geht mir auf die Nerven, dass wir oftmals betteln- 5 -


EINFÜHRUNGJo EnzweilerDas Institut für aktuelle Kunst hat im Oktober 2008 aus Anlassseines fünfzehnjährigen Bestehens ein Symposion durchgeführtunter dem Motto »Lebenwerke – Künstlernachlässe in der Großregion«.Die Veranstaltung hatte zum Ziel, Perspektiven für dieEinbeziehung breiter Gesellschaftsschichten zum zukünftigemUmgang mit Nachlässen aufzuzeigen.Insbesondere sollte die Vision einer spezifischen Definition desMuseumsgedankens unter Einbeziehung der alten Vorstellung derStifteridee erörtert werden. Mit Künstlern, Kunst experten, Erben,Sammlern, politischen Entscheidungsträgern und Bürgern diskutiertenExperten Ideen und Maßgaben für eventuell notwendigeszukünftiges Handeln.Die Kulturjournalistin Adrienne Braun aus Stuttgart moderierteim Auftrag es Saarländischen Rundfunks die Veranstaltung, die inder Sendung »Diskurs« von SR 2 Kulturradion am 28. Dezember2008 ihren Niederschlag fand.Nach dem Zweiten Weltkrieg hat parallel zur wirtschaftlichenEntwicklung auch die Kultur in Deutschland in einem bis dahinso nicht bekannten Umfang an Bedeutung gewonnen und innerhalbdes zivilisatorischen Gefüges einen besonderen Stellenwerterobert. Insbesondere auf dem Gebiet der Bildenden Kunst entstandein neues Bewusstsein, wesentlich bedingt dadurch, dierepressive Phase des Nationalsozialismus zu überwinden undAnschluss zu finden an die Entwicklungen der übrigen Welt.Diese Feststellung trifft in besonderem Maße für das Saarland zu,das in der Folge der eigenen politischen Entwicklung der Nachkriegsjahreunter dem Einfluss Frankreichs – insbesondere durchdie damalige kulturpolitischen Absichten – gefördert wurde. Fürdie Bildende Kunst fand dies einen unübersehbaren Niederschlagin der Gründung des »Centre de métiers d‘Art Sarrois«. Befördertdurch diese neue Einrichtung bildete sich in den kommendenJahren eine neue Schicht Bildender Künstler im Saarland, die imkulturellen Leben verankert ist und wesentlich zur Bildung einerIdentität beiträgt. Durch die Gründung der HBK Saar vor nunmehr20 Jahren hat der »Bildende Künstler« als wesentlicher Teileiner ausgeglichenen sozialen Struktur der Gesellschaft einenfesten Platz eingenommen. Eine immer größer werdende Zahlvon jungen Menschen geht das Wagnis eines »Künstlerlebens«


ein und bereichert so nachhaltig das kulturelle Leben. Im offensichtlichenGegensatz dazu steht die Tatsache, dass an keinerStelle des Landes in repräsentativer Form Beispiele der regionalenKunst, z.B. nach 1945, öffentlich zugänglich sind. Im Gegenteil:Seit Schließung der Landesgalerie in Saarbrücken ist kein Ansatzerkennbar, wie in Zukunft eine Abhilfe geschaffen werden könnte.Hinzu kommt, dass zwangsläufig derzeit eine große Anzahlvon Künstlern ein hohes Alter erreichen oder schon verstorbensind. Immer häufiger wird das Institut für aktuelle Kunst vonKünstlern höheren Alters oder Erben angesprochen, die sich mitder Verwahrung- oder Verwaltung eines Kunstbestandes odereinem gesamten Nachlass konfrontiert sehen. Fast immer sinddie entsprechenden Personen von dieser Aufgabe überfordertund häufig – oft in kürzester Zeit – wird das vorher geschaffeneMaterial, sei es durch Missachtung, falsche Behandlung, Gleichgültigkeitoder auch Unwissen, zerstört und geht so verloren.Eine Gesellschaft jedoch, die nach zivilisatorischer Stabilität undkultureller Identität sucht, darf solche Zustände nicht hinnehmen– Zustände im übrigen, die nicht saarlandspezifisch sind, sondernähnlich gelagert überall festzustellen sind. Die Ergebnisse einesanerkannt bedeutenden Lebenswerkes haben Anspruch darauf,auch posthum für die Gesellschaft präsent zu sein – dies um somehr, als ein entstandenes OEuvre meist nicht in unerheblichemMaße durch offizielle Unterstützung in seiner Entstehung gefördertworden ist. Wenn nun außer Frage steht, dass bedeutende,anerkannte künstlerische Leistungen einer dauerhaften Pflegeund Vermittlung bedürfen, so ist es eine gesellschaftliche Verpflichtung,über die Lösung dieses sicher nicht einfachen Problemsnachzudenken und schließlich Mittel und Wege zu finden,geistige Erkenntnisse der Vergangenheit in die Gegenwart zuintegrieren.SicherstellenNicht jeder Nachlass ist von vornherein von allgemeinem Interesse,d.h. es müssen Strukturen entwickelt werden, die im Einzelfalldie Entscheidung ermöglichen, welcher Nachlass und in welchemUmfang im Interesse des Künstlers, aber auch der Allgemeinheit,für die Zukunft sicher gestellt werden soll. Hier ist die Möglichkeitgegeben, sich die Erfahrungen nutzbar zu machen, die andernortsschon gemacht worden sind.VerwahrenNachlässe Bildender Künstler schaffen in der Regel besondereProbleme hinsichtlich der Bereitstellung geeigneter Räumlichkeitenmit entsprechender Grundvoraussetzung. Eine sachgerechteVerwahrung setzt u.a. entsprechende Lagerung und jederzeitgeordneten Zugang zu den Objekten des Nachlasses voraus.BetreuenEin einmal übernommener künstlerischer Nachlass ist nur dannauch für die Öffentlichkeit interessant und wirksam, wenn erzielgerichtet und kontinuierlich betreut wird. Das vorhandeneMaterial muss wissenschaftlich aufgearbeitet werden und derallgemeinen Forschungsarbeit zur Verfügung gestellt werden.Dies bedeutet aber auch, dass die jeweiligen Ergebnisse durchPräsentationen für eine breite Öffentlichkeit in Form von Vor -trägen, Diskussionsrunden und Ausstellungen zugänglichgemacht werden.Grundsätzlich lassen sich alle Fragen, die sich bei Bemühungenum den Erhalt künstlerischer Nachlässe (hier der BildendenKünstler) ergeben unter drei Begriffen zusammen fassen:Sicherstellen – Verwahren – Betreuen- 7 -


»UND ZU DIESEM GANZEN GEHÖRT AUCH, DASDEM IRDISCHEN LEBENSZUSAMMENHANGENTSCHWUNDENE, ABER IN WERKEN UNDDOKUMENTEN ERHALTENE ZU BEWAHREN«Lorenz Dittmann, Kunsthistoriker, Saarbrücken


AUFGABEN VON <strong>KUNST</strong>-<strong>INSTITUT</strong>ENLorenz DittmannDie geplante Einrichtung eines Ortes zur Sicherstellung, Ver -wahrung und Betreuung bedeutender Künstlernachlässe in derSt. Ludwigsschule (ehemalige Volksschule 1) in Saarlouis ist aufdas nachdrücklichste zu begrüßen und zu fördern. Das künstlerischeSchaffen einer Region trägt entscheidend bei zur kulturellenIdentifikation und zur Gedächtnisstiftung eines Landes.Die nachfolgenden Ausführungen sollen die Aufgaben bestehenderKunst-Institutionen im Hinblick auf die erwähnte Einrichtungskizzieren.Eine Professur für Kunstgeschichte an der Universität des Saarlandesübernimmt die Verpflichtung, »das Fach Kunstgeschichte in derForschung, in der Lehre, hinsichtlich des Studiums und des Prüfungswesensund in der Selbstverwaltung angemessen zu ver -treten«. Zum »Fach Kunstgeschichte« gehört auch die »regionaleKunst«. So publizierte ich über Albert Weisgerber, Boris Kleint,Leo Erb, Oskar Holweck, Paul Schneider, Jo Enzweiler, Lukas Kramer,Werner Bauer, August Clüsserath, u.a. Dissertationen entstandenam Kunsthistorischen Institut der Universität des Saarlandes u.a.über Oskar Holweck, Jean Schuler, Sakralbauten des Klassizismusund des Historismus an der Saar, Studien zur Baugeschichte vonSchloss Karlsberg, die Gartenanlagen am Ludwigsberg in Saarbrücken;– Magisterarbeiten über August Clüsserath, Willi Spiess,Leo Kornbrust, Wolfram Huschens.Die Erwähnung von drei baugeschichtlichen Dissertationen erinnertdaran, dass zur »Kunstgeschichte« nicht nur die »BildendenKünste« gehören, sondern auch die »Architektur«, – und darausergibt sich die dringende Forderung, nicht nur Künstlernachlässezu schützen und zu bewahren, sondern gleichfalls die Nachlässevon Architekten, und zwar hier Fotos von Bauten, Entwurfs-Skizzen, freie Zeichnungen und vor allem auch Dokumentationenvon Bau-Veränderungen.Zwar ist an der Universität des Saarlandes die Professur mit Schwerpunkt»Architekturgeschichte« mit Emeritierung des Inhabersersatzlos gestrichen worden – doch liest im Magisterstudiengangdes Wintersemesters Prof. Henry Keazor, der neue Institutsdirektor,über »Jean Nouvel«, Frau Petra Tücks hält ein Proseminarüber den »Kirchenbau in Deutschland im 19. Jahrhundert« ab,Frau Kristine Marschall über »Angewandte Denkmalpflege«, zumBeweis, wie sehr »Architektur« zur »Kunstgeschichte« gehört.Ein Ort zur Sicherstellung, Verwahrung und Betreuung bedeutenderKünstler- und Architektennachlässe könnte das Institut fürKunstgeschichte jedoch niemals sein. Die anfallenden wissenschaftlichenArbeiten aber sollten von sorgfältig ausgebildetenKunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern durchgeführt werden.Es geht ja bei deren Ausbildung nicht nur um Tatsachenwissen,auch nicht nur um Methodenwissen, sondern um die Ausbildungeines Bewusstseins für das historisch Andersartige früherer Epochen,das sich unmittelbar, in Dokumenten, nicht mehr fassenlässt. Und das historisch Andersartige macht sich in unsererschnell-lebigen Zeit schon im Zeitraum von etwa zwei Generationenbemerkbar.Der große Kunsthistoriker Erwin Panofsky trennte in seinemAufsatz von 1931 »Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutungvon Werken der bildenden Kunst« drei Sinnebenenvon Kunstwerken: den Phänomensinn (das Anschauliche), denBedeutungssinn (das Ikonographische) und den »Wesenssinn«und charakterisierte diesen als die »ungewollte und ungewussteSelbstoffenbarung eines grundsätzlichen Verhaltens zur Welt,die für den individuellen Schöpfer, die individuelle Epoche, dasindividuelle Volk, die individuelle Kulturgemeinschaft in gleichemMaße bezeichnend ist; - und wie die Größe einer künstlerischenLeistung letzten Endes davon abhängig ist, welches Quantumvon ‚Weltanschauungs-Energie’ in die gestaltete Materie hineingeleitetworden ist und aus ihr auf den Betrachter hinüberstrahlt.[...] Und es ist die höchste Aufgabe der Interpretation, in jeneletzte Schicht des ‚Wesenssinnes’ einzudringen.« (In der späteren,amerikanischen Fassung dieses Aufsatzes heißt es hier:»intrinsic meaning« und »iconological interpretation.«). SoweitPanofsky. Dazu aber ist eine Voraussetzung, die eigene, punktuelleGegenwart nicht absolut zu nehmen, sondern andere Möglichkeitender Weltauffassung und Weltdarstellung als prinzipiellgleichberechtigt zu respektieren. Es gibt keinen »Fortschritt« inder Kunst.Ein Kunst-Museum hat die Aufgabe, wichtige Werke der Kunst zusammeln, zu bewahren, in Ausstellungen mit anderen zu zeigen.Auf Rudolf Bornschein geht die »Moderne Galerie Saarbrücken«zurück. Seiner kenntnisreichen Sammeltätigkeit verdanken sichihre wesentlichen Bestände. Bornschein sammelte aber auchimmer »regionale Kunst«, z. B. Bilder von Richard Becker,- 10 -


Fritz Berberich, August Clüsserath, Helmut Collmann, Hans Dahlem,Leo Erb, Will Faber, Edvard Frank, Fritz Grewenig, Leo Grewenig,Wolfram Huschens, Edgar Jené, Willi Kirchen, Boris Kleint, Karl Kunz,Max Mertz, Liselotte Netz-Paulik, Alois Ohlmann, Hans Schröder,Jean Schuler, Albert Weisgerber, Richard Wenzel, Fritz Zolnhofer.(Diese Liste entstammt dem Katalog der »Modernen Galerie«von 1976, in dem Bornschein Rechenschaft gab über seineErwerbungen seit 1952.)Gemäß Bornscheins vorbildlicher Sammlungstätigkeit hätte dasSaarlandmuseum wohl auch der Ort für die Bewahrung bedeutenderKünstlernachlässe werden können. Unter späterenMuseumsdirektoren verlagerte sich die Gewichtung und dieregionale Kunst wurde zu einer Randerscheinung, die in der»Landesgalerie« ein mehr oder minder bescheidenes Daseinfristete. Auch die Landesgalerie ist nun geschlossen, und überdie Zukunft einer Repräsentation regionaler Kunst ist nichtsbekannt.Das Werk Albert Weisgerbers war ein Sammelschwerpunkt auchfür Rudolf Bornschein. Es gehörte (neben Bildern von Slevogtund Purrmann) gleichfalls zu den Schwerpunkten der SammlungKohl-Weigand. Diese Sammlung wurde 1979 durch das Landerworben und 1980 in die neu gegründete »Stiftung Saarlän -discher Kulturbesitz« eingebracht, die ihre Existenz nicht un -wesentlich dem Erwerb der Sammlung Kohl-Weigand verdankte.– Es ist immer wieder aufschlussreich, sich des Ursprungs der»Stiftung Saarländischer Kulturbesitz« zu erinnern.Ein anderer Teil des Weisgerberschen Schaffens verblieb demMuseum St. Ingbert. Vom 4.5. bis 3.8.2003 veranstaltete dasMuseum St. Ingbert eine Jubiläumsausstellung zu dessen 125.Geburtstag: »Albert Weisgerber. Grenzgänger zwischen Traditionund Moderne«. Unter dem Titel »Grußwort und Dank« schriebDr. Winfried Brandenburg: » Der 125. Geburtstag von AlbertWeisgerber, der am 21. April 1878 in der damals bayerischpfälzischenStadt St. Ingbert/Saar geboren wurde, bot Anlass,dem Werk dieses in seiner Bedeutung überregional nicht aus -reichend gewürdigten Malers in einer Ausstellung erneutGeltung zu verschaffen.Albert Weisgerber gehörte zu den großen künstlerischen Be -gabungen zu Beginn des 2O. Jahrhunderts. In München, woer studierte und bis zu seinem frühen Tod lebte, errang er alsMaler und Grafiker bereits früh einen herausragenden Namen.Dennoch prägte Paris als Kristallisationspunkt der Moderne seinWerk nachhaltig und gab ihm wesentliche Impulse. Mit derErnennung zum Vorsitzenden der 1913 gegründeten ‚NeuenMünchner Sezession’ stand Albert Weisgerber an der Spitze einerder fortschrittlichsten Künstlervereinigungen zu Anfang des vergangenenJahrhunderts. Die Albert Weisgerber Stiftung sieht inder Vorbereitung und Realisierung dieser Jubiläumsausstellungeine weitere Chance, ihr Engagement und ihre Wertschätzung,die sie dem großen Sohn der Stadt in der Vergangenheit durchdie verschiedensten Initiativen erwies, erneut in angemessenerWeise zu unterstreichen .« (etc.)Zu den erwähnten Initiativen gehört seit 1958 auch die Einrichtungund Verleihung des »Albert-Weisgerber-Preises für BildendeKunst«, der Künstlerinnen und Künstlern vorbehalten ist, dieeinen Bezug zum Saarland oder dessen näherer Umgebung aufweisen.Ich gehe nicht weiter ein auf eine verwirrende Notiz der »SaarbrückerZeitung« vom 29. September 2008 über den künftigenUmgang mit den St. Ingberter Weisgerber-Werken und auchnicht auf die Geschichte des Weisgerber-Preises, sondern be -merke nur, dass die St. Ingberter Weisgerber Stiftung aus derTradition des Weisgerber-Preises die Verpflichtung und denAnspruch ableiten kann oder könnte, die Nachlässe derWeisgerber-Preisträger zu sammeln und zu pflegen. SolcheBewahrung und Betreuung sollte in enger Zusammenarbeitmit dem von Prof. Enzweiler in Saarlouis zu gründenden Nachlass-Zentrumerfolgen.Jo Enzweiler, nun selbst Weisgerber-Preisträger, 1989 Gründungsrektorder Hochschule der Bildenden Künste Saar, bis 1999Professor an der HBKsaar, hat durch das von ihm 1993 gegründeteAn-Institut für aktuelle Kunst im Saarland »Laboratorium«für die Sammlung von Wissen über die Kunst des SaarlandesEntscheidendes geleistet sowie durch das von ihm eingerichtete»Kunstlexikon Saar« und das »Künstlerlexikon Saar« für die Verbreitungdieses Wissens gesorgt, durch sein eigenes Schaffenund die von ihm 1969 mitbegründete »Galerie St. Johann« fürdie Eingliederung der saarländischen Kunst nach einer ihrerHauptrichtungen, der konkreten Kunst, in den europäischenZusammenhang Grundlegendes vollbracht. So ist es alles andereals ein Zufall, dass nun Jo Enzweiler die Idee der Rettung vonregionalen Künstlernachlässen mit aller Entschiedenheit vorantreibt.Er hat stets das Ganze der saarländischen Kunst im Blickbewahrt, und zu diesem Ganzen gehört auch, das dem irdischenLebenszusammenhang Entschwundene, aber in Werken undDokumenten Erhaltene zu bewahren. Auf der Einladungskarteerscheint das Atelier von Boris Kleint, Träger des Kunstpreises desSaarlandes 1990 für Bildende Kunst, ein Hinweis darauf, welcheSchätze es hier zu bewahren gibt.- 11 -


»BEI DEN <strong>KUNST</strong>WERKEN STELLT SICHDIE FRAGE: WELCHE <strong>KUNST</strong>WERKESIND ES WERT, DAUERND AUFBEWAHRTZU WERDEN?«Michael Sander, Archivoberrat, Saarbrücken


KÜNSTLERNACHLÄSSE UND ARCHIVE,BIBLIOTHEKEN, DOKUMENTATIONEN UND MUSEEN –DAS BEISPIEL DES PROJEKTS DES LANDESARCHIVS SAARBRÜCKENMichael SanderIm Bereich der Bewahrung von beweglichen Kulturgütern undInformationen gibt es vier Formen von Organisationen, diejeweils für bestimmte Arten von Kulturgütern zuständig sind unddie bestimmte Techniken zu deren Erschließung und Aufbewahrungentwickelt haben: Bibliotheken, Archive, Museen undDokumentationsstellen. Ich will hier nicht den Fachleuten deranderen drei Sparten vorgreifen, sondern nur die einzelnen Aufgabenbereicheund ihre besonderen Fähigkeiten aus der Sichtdes Archivwesens darstellen.BibliothekenDie Bibliotheken sind vor allem zuständig für veröffentlichteInformationen, die in der Regel mehrfach existieren. Dies beginntbei den Handschriften des Mittel alters, geht über die Bücher undZeitschriften seit Erfindung des Buchdrucks bis zu den elektro -nischen Veröffentlichungen der Gegenwart. PI – PreußischeInstruktionen – und RAK – Regeln für die alphabetische Katalo -gisierung - wurden in der Zeit vor der elektronischen Datenver -arbeitung als Regelwerke entwickelt für die alphabetischeKatalogisierung dieser Werke. Ihre Exaktheit sollte Grundlagedafür sein, dass in allen Bibliotheken die Karteikarten der Katalogein gleicher Reihenfolge geordnet waren. Hinzu kam später einesachliche Erschließung, die allerdings erst mit der Zeit ihre heutigeBedeutung gewann. Das meist aus Papier bestehende Bibliotheksgutist unter bestimmten Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsbedingungenzu lagern. Bei dem elektronischen Material derGegenwart stellt sich eine Fülle von Problemen bei der langfristigenAufbewahrung, die heute nicht unser Thema sind.ArchiveDie Archive sind zuständig für Schriftgut, das bei der Erledigungeiner Aufgabe entstanden ist und das im Prinzip in der jeweiligenZusammenstellung nur einmal existiert. Zu seiner Verzeichnunghat die Archivwissenschaft bestimmte Regeln entwickelt. DerArchivar muss dabei Grundkenntnisse in sehr verschiedenenWissensgebieten erwerben, da die Archivalien nach der gesetz -lichen Zuständigkeit von allen Behörden, in unserem Falle desLandes, stammen. Spezialkenntnisse sind vor allem für die Aktenvon Behörden im Bereich der Medizin, der Naturwissenschaften,im Bereich des Umweltschutzes, der Lebensmittelkontrolle oderÄhnlichem notwendig. Grundlegend für die Ordnung der Archivalienist die Erhaltung des Zusammenhangs, innerhalb dessendas Schriftgut entstanden ist. Jede Recherche muss diese Zusammenhängebeachten. Hier wäre zum Beispiel die Frage zu stellen,mit wem ein bildender Künstler Briefbeziehungen unterhielt undin wessen Nachlass daher mit Briefen des mich interessierendenKünstlers zu rechnen ist. Das Material aus Pergament oder Papierist unter bestimmten Bedingungen – einer bestimmten Temperaturund einer bestimmten Luftfeuchtigkeit - aufzubewahren.MuseenDie Museen enthalten Gegenstände, die auch dreidimensionalsein können. Auch Gemälde gehören dazu. Ihre Erfassung folgtwieder eigenen Regeln. Von besonderer Bedeutung ist ihre Aufbewahrung,die besonderen Ansprüchen genügen muss, da allediese Gegenstände besondere Forderungen an ihre -Lagerungs -bedingungen stellen, wenn sie für spätere Generationen erhaltenwerden sollen. Textilien, Gegenstände aus Holz, Metall oder Steinund anderen Materialien erfordern jeweils besondere Aufbewahrungsbedingungen.In der Regel gibt es keine bezahlbarenReproduktionsmöglichkeiten, die das Weiterexistieren der Informationengarantieren könnten, wie es etwa bei einer Kopie einesBuches der Fall wäre.DokumentationenEine Dokumentation sammelt Informationen unabhängig vonihrer materiellen Form. Das Institut für aktuelle Kunst ist einesolche Dokumentationsstelle. Es sammelt zum Beispiel Informationenüber saarländische Künstler aus allen öffentlich zugäng -lichen Informationsmaterialien und stellt diese in Sammelmappenoder Dateien zusammen. Dieses Material ist natürlich auch soaufzubewahren, dass es erhalten bleibt, aber es vermindertseinen Wert nicht, wenn zum Beispiel Zeitungsausschnitte mikroverfilmtoder digitalisiert werden.Schriftliche Nachlässe von Personen zu übernehmen, diewichtige Informationen über ihre Gegenwart für kommendeGenerationen ent halten, ist zuerst Aufgabe von Archiven undvon Bibliotheken. Dazu gehören in jedem Falle auch die Nach -lässe von Künstlern. 1987 wurde durch einen gemeinsamenErlass von Staatskanzlei und Kultusministerium (»GemeinsamerErlass des Ministerpräsidenten und des Ministers für Kultus,Bildung und Wissenschaft über die Zuständigkeit für das Sammelnschriftlicher Nachlässe vom 30. Oktober 1987, GMBl.SAL«,- 14 -


Gemeinsames Ministerialblatt des Saarlandes, S. 353) demLandesarchiv die Zuständigkeit für die Sammlung aller Nachlässeerteilt: »Das Sammeln schriftlicher Nachlässe und Nachlaßteilevon Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, insbesondere Politikern,Wissenschaftlern, Gewerkschaftlern, Schriftstellern, Publizisten,Wissenschaftlern, bildenden Künstlern und Komponistengehört zu den Aufgaben des Landesarchivs.« Dies wurde durchzwei Absätze ergänzt: »Andere Dienststellen und Einrichtungendes Landes haben auf die Zuständigkeit des Landesarchivs zu verweisen,wenn ihnen schriftliche Nachlässe zum Erwerb angebotenwerden. In begründeten Einzelfällen können Nachlässe imEinvernehmen mit dem Landesarchiv auch bei anderen Dienststellenund Einrichtungen des Landes aufbewahrt werden.« Inder Begründung folgte folgende Abgrenzung: »Nicht berührtvon diesem Erlaß werden Nachlässe, die nicht aus Schriftgutbestehen, wie z. B. Werke der bildenden Kunst, Zeugnisse dermateriellen Kultur, Mineralien-, Fossilien- und Münzsammlungen.Ihre Bearbeitung und Betreuung liegt außerhalb der Fachkenntnissedes Archivars. Sie sind Museumsgut.« Diese rechtlicheRegelung wurde damals unterstützt durch die befristete Abordnungeines Gymnasiallehrers an das Landesarchiv, der die Verzeichnungvon Nachlässen zur Aufgabe hatte. Im Übrigen bliebdie rechtliche Regelung – was ihre organisatorische Seite betrifft -ohne praktische Folgen.Um die Nachlässe von Schriftstellern kümmerte sich bereits seit 1985ein Archiv für die Literaturen der Grenzregionen Saar-Lor-Lux-Elsass.1996 wurde das Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass unter der Leitungvon Prof. Scholdt gegründet, das der Saarländischen Universitäts-und Landesbibliothek angegliedert ist und inzwischen seineRäume auf dem Dudweiler Campus gefunden hat.Ab 1987 wurden im Landesarchiv verschiedene Musikernachlässeübernommen und von einem Musiklehrer verzeichnet. In diesemFalle bestanden die Nachlässe im Wesentlichen aus den Werkender Künstler, aus musikalischen Handschriften und Drucken. DerBearbeiter plädierte damals dafür, die Nachlässe in musikalischeFachinstitutionen zu geben, da er da ihre Auswertung undBenutzung in besseren Händen glaubte.Bei den Nachlässen bildender Künstler, von denen hier heute dieRede sein soll, muss zwischen einem schriftlichen Nachlass unddem Werk unterschieden werden.Bei Archivgut gibt es mehrere Kategorien der Bewertung. Archivgutmuss »archivfähig« sein. Dies galt und gilt nicht für bildendeKunstwerke wie Plastiken und Gemälde. Ihre besonderen Aufbewahrungsbedingungenkönnen in Museen garantiert werden,aber nicht in einem Archiv. Daher wurde bei dem gleich zubeschreibenden Projekt des Landesarchivs aus dem Bereich derKunst nur Grafik vom Archiv übernommen, ebenso Planzeichnungenfür Gemälde und Glasfenster in Kirchen. Allerdingsmachte deren Format bereits Schwierigkeiten. Für die Nachlassgeberstellte sich in mehreren Fällen aber die Frage, wie mit demkünstlerischen Nachlass zu verfahren sei.Außerdem muss Archivgut »archivwürdig« sein. Das Materialmuss die dauernde Aufbewahrung rechtfertigen. Dies bedeutet,dass nicht alle Dokumente sich lohnen, ins Archiv aufgenommenzu werden. Wenn bei der Übernahme von Nachlässen schon einegewisse Zeit nach dem Tode des Künstlers vergangen ist, ist zuerwarten, dass das nicht wertvolle Material bereits entsorgt wurde.Bei den Kunstwerken stellt sich die große Frage: WelcheKunstwerke sind es wert, dauernd aufbewahrt zu werden? WelcheVorarbeiten zu welchen Kunstwerken sind es ebenfalls wert,dauernd aufbewahrt zu werden? Dies scheint meiner Ansichtnach eine sehr schwierige Entscheidung zu sein. Diese Entscheidungist aber auch notwendig, da sonst die Fülle des Materialsalle denkbaren Institutionen überfordern würde.Im Folgenden werde ich die Erfahrungen des Landesarchivs Saarbrückenaus einem Projekt der zweiten Hälfte der 1990er Jahremitteilen. Im Jahre 1994 wurde vom Kultusministerium die Ideean das Landesarchiv herangetragen, eine systematische Sammlungvon schriftlichen Nachlässen saarländischer bildender Künstlerdes 19. und 20. Jahrhunderts vorzunehmen. Das Projekt wurdedurch eine in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme angestellteKunsthistorikerin durchgeführt. Die Arbeit an dem Projekt erfolgtein folgenden Schritten:- 15 -


- Aufbau einer Dokumentation der saarländischen Künstlerseit Ende des 19. Jahrhunderts (Kartei)- Aufbau einer Personalbibliographie, die insbesondereAusstellungskataloge und Aufsätze umfasst- Ermittlung von Nachkommen und anderen Besitzern vonNachlässen- Anschreiben an die Besitzer von Nachlässen- Gespräche und Verhandlungen über die Überlassung vonNachlässen im Original an das Landesarchiv oder dieReproduktion von Unterlagen durch das Landesarchiv- Übernahme von Nachlässen als Eigentum oder als Depositumin das Landesarchiv- Ordnung und Verzeichnung der dem Landesarchiv überlassenenNachlässe, einschließlich der archivtechnischen Behandlung(Einlegen in Archivmappen, Fototaschen usw. und Beschriftung)Dazu sollte zuerst eine listenmäßige Erfassung der bekanntenKünstler, die aus dem Saarland in seinem heutigen Umfangstammten oder im Saarland gearbeitet hatten, erfolgen. DieseArbeit konnte auf der Basis der Informationen von drei Einzelpersonen(Josef Gros, Dr. Günther Scharwath, Dr. Dieter Staerk)durchgeführt werden, die jeweils einzeln in Privatinitiative dieHerausgabe eines Saarländischen Künstlerlexikons planten. Ineinem zweiten Schritt wurden Informationen über die Nachkommenoder Erben aller Künstler gesammelt. In einem drittenSchritt wurden diese Erben angeschrieben, über das Projekt informiertund um Kontaktaufnahme mit dem Landesarchiv gebeten.Danach sollten die Erben Unterlagen aus dem Nachlass derKünstler dem Landesarchiv entweder als Geschenk übergebenoder als Depositum im Landesarchiv hinterlegen. In diesem Fallewurde ein Vertrag geschlossen, nach dem das Eigentum an denUnterlagen bei der abgebenden Person verblieb und die Materialienim Archiv bearbeitet und der Öffentlichkeit zugänglichgemacht wurden. Diese Zugänglichkeit konnte für bestimmteZeiten beschränkt oder an Genehmigungen geknüpft werden.Solche Verträge waren unter Wahrung bestimmter Fristen kündbar.Die Übernahme von Nachlässen bedeutete in der Regel, dassdie bildenden Künstler, von denen die Materialien stammten,bereits verstorben waren. Dieses Kriterium diente auch zurAbgrenzung der Arbeit des Landesarchivs von der des Institutsfür aktuelle Kunst.Bei der Aufgabe des Landesarchivs ging es darum, während derkünstlerischen Tätigkeit des Nachlassers entstandene schriftlicheUnterlagen zusammenzustellen. Die Kunstwerke – außer derGrafik – konnte das Landesarchiv wegen der besonderen Anforderungenan die Aufbewahrung – wie oben bei den Museengeschildert – nicht übernehmen. Auch sollte keine Dokumentationüber die Künstler angelegt werden, weil dies schon Aufgabedes Instituts für aktuelle Kunst ist. Als Grenze zu dessen Tätigkeitwurde die Tatsache genommen, dass der entsprechende Künstlerverstorben war und somit bereits ein Nachlass im eigentlichenWortsinne existierte. Die Arbeit war sehr kompliziert, da viele derKünstler vor längerer Zeit verstorben und ihre Nachlässe auf verschiedeneEigentümer verteilt waren. So waren alle Töchter undSöhne, manchmal auch schon Enkel, anzusprechen. In zahlreichenFällen waren Materialien auch an verschiedene Lebensgefährtinnenverteilt worden. Außerdem wurden Briefe der Künstlerbei den Adressaten gesucht, die sich nur dann im eigenen Nachlassbefinden, wenn der Künstler Abschriften oder Kopien seinerausgehenden Briefe anfertigte. Kataloge und Einladungen zuAusstellungen wurden aus verschiedenen Quellen zusammengestellt.Es entstand daher eine Arbeit, die nicht eine rein archivischewar, sondern die sich immer mehr einer Dokumentationnäherte.An Materialien wurden übernommen: Dokumente zum Lebender Künstler, wie Geburtsurkunden, Zeugnisse u. ä., Briefwechselmit Familienmitgliedern, Briefwechsel mit Künstlerfreunden,Schriftwechsel zu Ausstellungen und anderen künstlerischenAktivitäten, Presseausschnittsammlungen zur eigenen künstlerischenTätigkeit, Ausstellungskataloge, Rechnungsbelege, Fotografienzum privaten Leben und zur künstlerischen Tätigkeit. Daeinige Erben nicht bereit waren, ihre Dokumente aus der Handzu geben, wurden in verschiedenen Fällen Kopien oder Mikrofilmeder Dokumente oder Kunstwerke hergestellt und ins Landesarchivübernommen. Allerdings sollte diese Art der Archivierungnur im äußersten Notfall genutzt werden.Die im Landesarchiv vorhandenen Materialien sind in 34 Beständevon Künstlernachlässen gegliedert. In einem Sammelbestand sindaußerdem die Materialien von 42 Künstlerinnen und Künstlernzusammengefasst. Dabei handelt es sich oft nur um Einzelstücke.- 16 -


Nur in einigen wenigen Fällen war das Landesarchiv bereit für dieÜbernahme von Dokumenten einen Preis zu zahlen. Archivgutgilt allgemein als »extra commercium«, also außerhalb des Handelsexistierend. Heutzutage werden allerdings sogar öffentlicheArchive im Rahmen moderner Buchhaltungsmethoden als Ganzesbewertet. Diese Tatsache, dass Archivgut nicht gehandeltwird, zeigt auch die Grenze gegenüber den Kunstwerken. Kunstwerkehaben einen Marktwert. Die Übergabe an ein Museum hatdaher für den Eigentümer mehrere Aspekte. Sie kann bedeuten,dass einem Kunstwerk damit ein hoher öffentlicher Wert zugesprochenwird. Man verzichtet wegen der öffentlichen Anerkennungaber auch auf die Realisierung des materiellen Wertesdurch einen Verkauf.Kollege Dr. Wolfgang Müller vom Archiv der Universität desSaarlandes hat mich auf zwei Vorträge hingewiesen, die im März2006 auf der Frühjahrstagung der Fachgruppe 8 des Verbandesdeutscher Archivarinnen und Archivare – nämlich der Archivarean Hochschularchiven und Archiven wissenschaftlicher Institutionen– in Saarbrücken gehalten wurden und unter dem Titel»Dokumentationsziele und Aspekte der Bewertung in Hochschularchivenund Archiven wissenschaftlicher Institutionen« als Band73 der Universitätsreden erschienen sind.gegenstände, Originale, Modelle, Pläne, Zeichnungen und Entwürfe,die im Wesentlichen während des Aufenthaltes von Lehrkräften,Studenten und Schülern an der Schule entstanden sind.«Auch nach dieser klaren Eingrenzung sind wohl noch Einzelbewertungenvorzunehmen. Dazu äußert sich die Autorin aber nicht.Für ein Projekt eines Museums der saarländischen bildendenKünstler lassen sich aus den Erfahrungen des Landesarchivsfolgende Erkenntnisse gewinnen:- Es sollte zwischen den schriftlichen Nachlässen und den künstlerischenNachlässen unterschieden werden. Der künstlerischeNachlass hat in der Regel einen Marktwert.- Auch für die künstlerischen Nachlässe ist eine Bewertung aufihre Archivwürdigkeit notwendig.- Die Aufbewahrung künstlerischer Nachlässe bedarf bestimmterBedingungen bei der Lagerung, da nur so die Erhaltung derWerke für spätere Generationen gesichert werden kann.Dietmar Schenk berichtet dabei über die Entwicklung des Archivsder Universität der Künste in Berlin, das auf die Angebote vonmeist als Lehrende mit der Institution verbundenen Persönlichkeitenreagieren musste, die ihre Nachlässe anboten. Er äußert sichallerdings nicht über die Problematik der Materialien, die nichtals archivfähig anzusehen sind. Angela Dolgner berichtet von derSammlung der Burg Giebichenstein der Hochschule für Kunstund Design Halle. Sie beschreibt die »Kunst- und Designsammlung(Kustodie)«, die dem Archiv angegliedert ist. Sie umfasstPlakate, Grafiken und Gemälde, Holzstöcke und Druckplatten,Arbeiten aus dem Bereich Schrift, Buchdruck und Bucheinband,eine Textilsammlung, Metall-, Email- und Schmuckarbeiten,Gefäße aus keramischem Material und Porzellan, Bildhauerkunst,Möbel und Holzarbeiten, eine Sammlung zum Design der DDRund eine Fotosammlung. Auch sie berichtet nicht über die Problemeder Aufbewahrung von Gegenständen so vielfältigerMaterialien. Dafür ist die Sammlung klar begrenzt: »Zum Kunstgutder Hochschule zählen Kunst- und Designobjekte, Sach -- 17 -


»NUN KANN ES GAR KEINE FRAGE SEIN,DASS DIE BEMÜHUNG UM DIE BEWAHRUNGUND SICHERUNG KÜNSTLERISCHER LEBENS-WERKE DIE ABWÄGENDE UND SICHERLICHNICHT EINFACHE SELEKTION VORAUSSETZT«Hans M. Schmidt, Kunsthistoriker, Bonn


»PRÜFET ABER ALLES, UND DAS GUTE BEHALTET.«ZUR PROBLEMATIK DER SELEKTION DER WERKEHans M. Schmidt1. Allgemeine ErfahrungenDas aus anderem Zusammenhang vertraute Wort des Paulus(1. Thessalonicherbrief, 5, 21): »Prüfet aber alles, und das Gutebehaltet.« habe ich wegen seiner weiten Offenheit über meinekurzen Erörterungen gestellt. Natürlich wird niemand in der Lagesein, in den künstlerischen Bewertungsfragen, um die es hiergeht, alles zu prüfen. Wir wollen uns besonders mit der Problematikder Selektion solcher künstlerischer Lebenswerke befassen,die zumeist als Nachlass auf uns kommen und für die mit derspezifischen, öffentlich wirksamen Archivierung eine eigene Aufmerksamkeitgewährleistet sein soll.Wer als Künstlerin oder Künstler nicht rechtzeitig selbst den künftigenNachlass, vielleicht sogar als Vorlass, in einer öffentlichenGalerie, einem passenden Archiv oder in einem angemessenenMuseum unterbringt, wer zudem keinen Markt für seine Produktiongefunden oder sich geschaffen hat, der dürfte es schließlich schwerhaben, seine restlichen Arbeiten auf eine vertretbare Weise zu platzierenbzw. gar zu präsentieren. Viele Künstlerinnen und Künstlerneigen dazu, durchaus verständlich, die Vorstellung vom Ende ihrestief im Leben verwurzelten kreativen Daseins auszublenden. Ichkonnte in dieser Hinsicht einschlägige Erfahrungen sammeln.(Auch Goethe ging, wann immer er konnte, dem Tod aus demWeg.) Die Nachwelt ist meist radikal und unerbittlich mit dem,wozu sie keinen Bezug und keine Verpflichtung mehr erkennt.Mit einem anderen Wort: Kunst, ein Lebenswerk, wird schlichtwegentsorgt. Solcher Hilflosigkeit und Barbarei entgegenzuwirken, sindwir zusammengekommen. Derartige Barbarei kennt verschiedeneFormen und Ebenen, was hier keiner weiteren Ausführung bedarf.Idealiter gibt es das in eine verlässliche Trägerschaft (Stiftung,Kommune, Staat) gestellte Künstler-Museum (ich denke an Rodinin Paris, Max Klinger in seinem Weinberg an der Unstrut beiNaumburg, an Tinguely in Basel oder Klee in Bern), ggf. auch dasöffentlich zugängliche Atelier, z.B. Brancusi beim Centre Pompidou.Entsprechende Beispiele sind auch die Garten-Anlagen, selbst -geschaffene Paradiese, etwa von Niki de Saint-Phalle undDaniel Spoerri in Italien oder Erwin Heerich auf der MuseumsinselHombroich.»Kunst ist Luxus«, so lautete ein Transparent über dem Fridericianumbei einer documenta (wenn ich mich recht erinnere der 6.)in Kassel, und Kunst tritt selbst, zumindest aus dem Blickwinkelmancher Ateliers und Galerie-Angebote, im Überfluss auf; sierichtet sich nur bedingt, wenn sie als Ware auf den Markt kommt(sprich: Galerien, Messen, Auktionen), nach dem ökonomischenGesetz von Angebot und Nachfrage.Seit den späten 80er Jahren, sogar noch vor der politischenWende, hörte man zuweilen die Feststellung: «Es gibt zuvielKunst, zu viele Künstler.« Das Angebot an Ausstellungen, anMessen und Medieninformation mit arrivierter und wenigerarrivierter Kunst vermittelt für viele Menschen – ohne hilfreicheVerständnisvoraussetzungen – nur eine verwirrende Vielfalt undlässt gerade auch durch die Internationalisierung und Globalisierungder Künste Desorientierung und grundsätzliches Desinteresseaufkommen.Demgegenüber zeigen viele Sammlungen öffentlicher Ausstellungsinstitutezwischen Hamburg und München, Köln, Berlin undLeipzig immer wieder eine ähnliche Palette kanonisierter Namen,ob Kirchner, Beckmann, Baselitz, Kiefer, Gerhard Richter usw.Nicht zu vergessen die Amerikaner Pollock, Carl Andre,Donald Judd etc., Namen, die unter der Flagge »Weltkunst«segeln (deren Bedeutung im Einzelnen unbestritten sei, wodurchjedoch in dieser Uniformität zuweilen der eher langweilige Eindruckeiner Jeanshosen-Kultur erzeugt wird). Im Übrigen geht esvielen Museen in der Art ihrer Präsentation noch immer vorrangigum Verklärung statt um Aufklärung.Was nun allerdings an »Lebenswerken«, an Nachlasskomplexen,oft mehr zufällig als geplant bei Museen und Archiven »angelandet«und deponiert wird, hat mit jener »Weltkunst« qualitativ und imBedeutungshorizont zumeist nicht viel zu schaffen. Dominantsind dabei, was im Prinzip nicht falsch ist, die regionalen, verschiedentlichauch – was nicht unbedingt ein Gefälle meint – dielokalen Größen. Und diese finden, wenn es hochkommt, in demeinen oder anderen Museum in bescheidener Auswahl gelegentlichund kurzfristig Platz in einer Nische oder im Foyer neben denPostkartenständern.Das von Herrn Enzweiler angesprochene Ziel einer, wenn man sowill, Aufwertung der guten Kunst (es gibt ja auch schlechte) ausder weiträumig aufgefassten Region halte ich bei sorgfältiger- 20 -


Auswahl für unbedingt erstrebenswert. Dass diese Kunst, wennsie tatsächlich gut ist, einen weiteren Bezugsrahmen hat, einenvielleicht sogar befremdlichen, der nicht die Enge des Provinziellenzulässt, das versteht sich von selbst.Einen solchen Mut zum Regionalen ohne Beschränktheit findetman auffällig in den Sammlungen mancher niederländischerMuseen. Vermutlich Ausdruck eines guten Selbstbewusstseins.Im Rahmen der 2005 durchgeführten Ausstellungsveranstaltung»Crossart« (»Van Gogh bis Beuys«, 21.8.-6.11.), woran auch dieBonner Bundeskunsthalle beteiligt war, konnte ich dazu eine vergleichendeUntersuchung zwischen deutschen und niederländischenMuseen entlang der Rheinschiene hinsichtlich ihres Sammlungsprofilsmachen. Es gibt dazu einen Aufsatz in dem betreffendenKatalog.Zum Schluss der Vorbemerkungen noch dies: Wenn wir über denUmgang mit Künstlernachlässen nachdenken, was vereinzelt erstin den 90er Jahren beginnt (als Museumsmann hatte ich so um1990 einmal in dieser Hinsicht ein Gespräch mit meinem Dezernentengesucht), so bedeutet das im geschichtlichen Prozessnicht gerade das Normale, setzt sich doch zumeist eine verein -seitigende Aktualität, die viele ältere Themen, Inhalte undHaltungen übergeht bzw. ausblendet, in einem geradezu ab -soluten Anspruch gegenüber dem schon Historischen durch.Und bei den meisten Nachlässen geht es nicht wirklich umGegenwartskunst, geschweige denn lebendige Avantgarde.Erst mit dem »Ende der Geschichte«, um den bekannten Buch -titel von Francis Fukuyama von 1992 zu nennen (die Literatur -geschichte kennt den Begriff »Post-Histoire«), eröffnete sich dieMöglichkeit für eine Art geschichtlicher Offenheit und Toleranz.Ich meine damit nicht jene postmoderne Geschichtssehnsucht,die womöglich in einen zweiten Historismus mündet, der beiunseren Überlegungen keine Rolle spielen kann. Wir kommenauf diesen Aspekt später noch einmal zurück.Hier bleibt aber noch hinzuzusetzen, was Hans-Georg Gadamereinmal so formuliert hat: »Hegel sieht in der Kunst die Gegenwartder Vergangenheit. Das ist die große neue Auszeichnung,die die Kunst in unser aller Bewusstsein in der Tat gewonnenhat.« Und an anderer Stelle schreibt er: »Doch vielleicht ist derUnterschied zwischen heutiger und früherer Kunst nicht so groß,wie er meistens dann erscheint, wenn eine Gegenwart über ihreGegenwart oder ihre jüngste Vergangenheit nachdenkt.« 1Nun kann es gar keine Frage sein, dass die Bemühung um dieBewahrung und Sicherung künstlerischer Lebenswerke die ab -wägende und sicherlich nicht einfache Selektion voraussetzt.2. Notwendigkeit der SelektionAllein schon aus Raum- und Finanzgründen ist es in der Regelunmöglich, alle nach »Verewigung« drängenden (schließlich einnatürliches menschliches Verlangen) »Lebenswerke« zu sichern,zu erschließen, zu dokumentieren und nach Möglichkeit in denlebendigen Kreislauf eines allgemeineren Bewusstseins zu bringen.Hier gibt es eindeutig auch moralische Gründe der Selektion,die in der Verpflichtung der Kunst selbst gegenüber wie natürlichauch gegenüber der Gesellschaft bestehen. In beiderlei Hinsichtkann nur der sorgfältig ausponderierte Pegel des anerkennenswertGuten zur Geltung kommen. Von Gottfried Benn wissenwir, dass das Gegenteil von Kunst das Gutgemeinte sei. Es istnicht alles gleichermaßen erhaltenswert, womit ich allerdingsnichts gegen familiäre Pietätsgründe einzuwenden habe. Manwird leicht unter den Entscheidenden ein Einverständnis darübererzielen können, dass unschöpferisch Dilettantisches, allzu sehrin solipsistischen Vorstellungen Befangenes oder die Produktevorgestrig ausgetretener Pfade (im Readertext habe ich absichtlichden Begriff der »verschollenen Generation« gebraucht) fürein lebendiges, auch auf Zukunft hin gerichtetes Archiv nicht inFrage kommen, ein Archiv (kein Widerspruch seiner selbst), daswir als ein geistiges Reservoir und nicht als eine belangloseRequisitenkammer verstehen wollen.Es geht um das noch verfügbare Gesamt eines »Lebenswerkes«,nicht um die oft allzu vereinzelt und verloren wirkenden »Belegstücke«im Museum, die zwangsläufig immer »membra disiecta«sind. Durch die Selektion soll das künstlerisch, sinnlich undgeistig wertvoll Vorhandene, in öffentlichen, privaten Samm -lungen und anderswo zusammen mit den »Lebenswerk«-Komplexen zu einem umfassenden Pool der Modelle (wenn Sieso wollen der »Gene«) des zeitgemäß Schöpferischen verfügbarund wirksam werden können. Das wäre kein unmöglicher Traumvon einer universalen Glypto- und Pinakothek. Nach Malrauxsprach man gerne von dem »Musée Imaginaire«. Unsere Vor -stellung greift letztlich darüber hinaus. Anders als Museen, diebei ihren Erwerbungen ein ideales Konzept der Sammlungen(der Gemälde, Skulptur, Grafik, Photographie usw.) verfolgen,also Einschränkung und Konzentration zugleich, und für die ausdiesem Grunde Nachlässe meistens nur störender Ballast sind,könnte ein solches Archiv der »Lebenswerke« sich relativ frei entfalten.Es kommt darauf an, dass die Maßstäbe der Selektion für einderartiges Archiv weder zu weit, also keinesfalls zur Beliebigkeitim Bedeutungslosen, noch zu eng, also nur im Rahmen klassischerAusdrucksformen, gefasst sind. Vielfältige Zeugnisse ausZeiten des erweiterten Kunstbegriffs sollten im Bereich des Möglichenliegen, ob wir an »art brut«, Produkte aus zufälligen Fundgegenständen,an Möglichkeiten der »concept art« oder naiveKunst (etwa vom Rang eines Rousseau) denken, gar auch ankünstlerisch bemerkenswerte Arbeiten von psychisch Kranken(man erinnere sich an die Prinzhorn-Sammlung oder an denbekannten Schweizer Adolf Wölfflin); all solche Lebensspuren,wenn sie der besonderen Beachtung wert sind, dürften nichtdurch’s Raster fallen.Extreme Beispiele eines kenntnislosen Umgangs mit Kunst imFalle von Beuys-Werken gingen seiner Zeit genüsslich durch diePresse: die Entsorgung einer Kinderbadewanne in Leverkusenoder einer seiner Fettecken. Aber das sind natürlich Episoden amRande. Zweifellos wird es strittige Positionen geben, da wärewohl zunächst eine raumsparende exemplarische Dokumentation(ohne Übernahme des Nachlasses) angezeigt; à la longue kannman sich dann eventuell noch anders entscheiden. Zu den strittigenFällen können zumal auch jene Auftragskünstler gehören,- 21 -


die im Bereich der Kirchen oder der öffentlichen Platzgestaltungen,weil ihre Arbeiten gefällig und angepasst sind, oft angetroffenwerden. Leicht kommt einem in solchen Fällen das Wort»Gunstgewerbe« in den Sinn. Von Karl Friedrich Schinkel gibt esjene apodiktische Feststellung: »Kunst ist nur Kunst, wenn siewirklich neu ist.«Die Entscheidungen sollten von einem verantwortungsbewusstenmehrköpfigen Gremium mit reichem Erfahrungshintergrundgetroffen werden. Diese Praxis hat kürzlich in einem Gesprächauch Prof. Gerhard Pfennig von der Stiftung Kunstfonds in Bonnhinsichtlich des Nachlass Archivs in der Abtei Brauweiler umrissen.Ideal wäre m.E. ein Kuratorium aus Künstlerinnen undKünstlern (3), Museumsleuten, d.h. Kunsthistorikerinnen /Kunsthistorikern(2), einer Galeristin/Galerist und einer Kunstkritikerinoder einem Kritiker. Natürlich könnte die persönliche Kenntnisdes Künstlers bzw. der Künstlerin für die Entscheidungsfindungvon Nutzen sein. Auch um zu wissen, warum der Betreffendeeinen Markt hatte oder nicht. Wohl niemandem in diesem Raumsagt man mit der Behauptung »Kunst entzieht sich jeder Normierung«etwas Neues. Und doch wollen wir versuchen, einigewesentliche Kriterien, die mehr oder weniger substantiell fürunser Verständnis von Kunst sind, hier zusammenzutragen.3. Kriterien der SelektionDer prominente französische Schriftsteller und KunstkritikerÉmile Zola formulierte einige seiner Erkenntnisse, die man inden Rezensionen der Pariser Salons aus der zweiten Hälfte des19. Jahrhunderts findet, quasi gesetzmäßig: »Die Bewunderungder Masse steht immer im umgekehrten Verhältnis zu demindividuellen Genie.«. »Ein Bild wird umso mehr geschätzt, jeunpersönlicher es ist.« Während Zola ein untrügliches Gespürfür die Größe von Delacroix, Courbet, Édouard Manet wieClaude Monet besaß, versagte er völlig – aus welchen Gründenauch immer – bei seinem Freund und »Bruder«, wie er sagte,Paul Cézanne. So schreibt er in seinem Salon-Bericht von 1896»bei dem (also Cézanne, Verf.) man erst heute darauf kommt,die genialen Züge eines gescheiterten großen Malers zu entdecken.«2 Ein eklatanter Irrtum, der uns zu denken geben sollte.Solche und ähnliche Erfahrungen kennt vielleicht jeder, der sichdem Risiko ungewohnt neuer Kunst aussetzt. Nur als ein Beispielfür viele andere: Als ich 1969/70 die ersten Arbeiten von Palermosah, habe ich diese nur als etwas karg und dürftig empfunden. Dasschlug allerdings ins Gegenteil um, als ich in seinem DüsseldorferAtelier 1975 die in jeder Hinsicht präzisen Gemäldereihen be -trachten konnte, die er gerade aus USA mitgebracht hatte. Erst dawurde mir sein Ansatz zu einem wirklich neuen ganzheitlichenBildverständnis klar.In der heutigen Situation wird man oft bedenken müssen, wasLothar Romain – der übrigens lieber von der Zweiten Moderne alsvon der Postmoderne sprach – in dem Katalog der documenta 8,1987, geschrieben hat: »Der Pluralismus der Modernen kommtwieder zur Geltung, was die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigeneinschließt. Aber Pluralismus meint nicht Be liebigkeit, sondernAuseinandersetzung, ja Konkurrenz verschiedener Modelle undderen Ausdruckspotential.« 3 Die »Konkurrenz verschiedenerModelle« wird man gewiss auch bei den verschiedenen Kriteriender Selektion nicht außer Acht lassen dürfen.Von der Ironie der neo-expressiven sog. Jungen Wilden um 1980hatten die Künstler des Expressionismus um den Ersten Weltkriegnoch keine Ahnung. Manches, was heute so selbstverständlich»sophisticated« daherkommt, hat sich erst in den letzten Jahrzehntendes vorigen Jahrhunderts etabliert. Was ich im Folgendenaufliste, lässt sich wirklich überzeugend nur am konkreten Beispieldemonstrieren. Worte sind hier ein Notbehelf. Als vorrangigeKriterien im Selektionsprozess wären m.E. zu berücksichtigen:– ganzheitliche Originalität des individuellen Werks, also keinVirtuosentum; eng damit verknüpft ist der Begriff bzw. dergestalterische Wert der Innovation;– geistige und handwerkliche Qualität, anders ausgedrückt: dieÜbereinstimmung von Wollen und Können;– werkimmanente Logik, Sensibilität und Intensität, Dichte,Komplexität; unter Komplexität könnte man auch den Reichtumder Bezüge verstehen, was Werner Hofmann im Rahmen seinerHamburger Ausstellung von 1977 »Kunst – was ist das?«besonders herausgearbeitet hatte;– zeitspezifische Aktualität des jeweiligen Mediums (Malerei, Skulptur,Zeichnung, Collage, Fotografie, Video, Installation etc.); alsonicht die Botschaft von heute in der Verpackung von vorgestern;– Verhältnis des Werks zum Betrachter und vice versa; andersgesagt: nicht ein hermetisches Gegenüber, kein simples Subjekt-Objekt-Schema, sondern die Möglichkeit zur offenen Interferenz.Dieser Katalog ließe sich natürlich noch um einige Punkte er -weitern, doch erlauben Sie mir hier nur die fast naiv klingendeFeststellung: »Gute Kunst lebt aus der Energie des Hier und Jetzt,mit einem Wort: aus ihrer Präsenz.«. Karl Kraus kam zu der un -widerleglichen Einsicht: »Kunst ist etwas, das so klar ist, dass esniemand versteht.« Und zweifellos könnte mancher KünstlerUlrich Rückriem beipflichten, der einmal sagte: »Wenn ich wüsste,warum ich das mache, würde ich sofort damit aufhören.«Der Kölner Galerist, Kunsthistoriker und ehemalige Museumsmann,Heinz Holtmann schreibt in seinem Buch »Keine Angst vorKunst« 4 : »Setzen sich Experten und erfahrene Sammler mit denArbeiten eines bestimmten Künstlers auseinander, so wird es fastimmer zu einer 90- bis 100-prozentigen Übereinstimmung kommen,was Qualität und Wichtigkeit betrifft.« Das kann ich auseigener Arbeit in mancher Jury nur bestätigen. Insofern wäreauch eine gut ausgewählte Kommission für die Auswahl der zubewahrenden »Lebenswerke« nicht auf falschem Posten.4. ParameterBekanntlich verschieben und verlagern sich über die Jahrzehntehin und mit der Folge der Generationen die kulturellen Vorlieben,Fragen und Skalen der künstlerischen Wertschätzung. Temporamutantur ... . In Qualitätsfragen findet Kunst, deren Entstehungszeitweiter zurückliegt, der daher fast schon ein exotischesMoment anhaftet, leicht ein milderes Urteil – oder auch ein ganz- 22 -


falsches. Man verliert aus dem Blick und entdeckt aufs Neue.Grünewald und El Greco sind berühmte Beispiele. Oder denkenwir an die allenthalben, ob in München, Stuttgart, Köln oderbeim Bonner Kanzleramt aufgestellten Bronzeplastiken vonHenry Moore. Was uns heute fast unverständlich ist. Doch esgehört dazu die Sehnsucht nach Internationalität und nichtzuletzt das mythische Geraune der späten Nachkriegszeit. Folglichist es unerlässlich, die Kriterien der Selektion und damit dasProfil einer Sammlung oder die Konzeption für ein Archiv der»Lebenswerke« immer wieder aufs Neue zu reflektieren und zuüberprüfen.Der weit über 90jährige Maler K. O. Götz, nicht nur bekannt alsein Mann der Frankfurter »Quadriga« von 1952, regt sich höllischauf, wenn er wieder einmal, wie jüngst in der FAZ (5.06.08),das blödsinnige Wort vom »Diktat der unverbindlichen Ungegenständlichkeitder Nachkriegszeit« liest, gemeint ist zumal das vonihm entscheidend mitentwickelte Informel.Ein anderes Beispiel, eines von vielen möglichen, zum Themades kulturellen Umwertungsprozesses ist etwa die Geschichte desNachlasses von Lotte B. Prechner, einer Düsseldorfer Malerin derersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, im Rheinischen LandesmuseumBonn. Dieser Nachlass (Gemälde und Druckgrafik) warohne besondere Beachtung in den 70er Jahren im Depot desMuseums schlecht und recht untergebracht worden. In einenBestandskatalog der Grafik des Museums wurde dann 1997eine Auswahl ihrer Blätter aufgenommen. Bereits 1994 hatteMargarete Jochimsen, damals Direktorin des Bonner Mackehauses,nicht ganz ohne feministischen Impuls, ein Werkverzeichnis derKünstlerin vorgelegt.Die ständige Überprüfung der Parameter sollte vor allem durchpraktischen Umgang mit den betreffenden »Lebenswerken«geschehen, so durch temporäre Ausstellungen (nicht nur monografischerArt, sondern auch thematisch und konzeptionell übergreifend),durch wissenschaftliche Arbeiten, Publikationen undzumal durch einen Artothek-Leihverkehr (z.B. an Schulen, Behörden,Banken, Firmen und private Haushalte – und was wichtig ist– bei angemessener konservatorischer Beratung). Das könnte miteinem entsprechenden Informationsangebot über die betreffendenKünstler und ihr »Lebenswerk« generell manche Fenster undTüren für die Kunst als »Lebensmittel« öffnen. Kunst, ich meinevor allem die des 20. und 21. Jahrhunderts, bedarf der Privatisierung(ideell verstanden), so wichtig die Bühne der öffentlichenMuseen auch sein mag.Auf jeden Fall wird durch die Zugänglichkeit und Verfügbarkeitdieser regionalen Kunst aus einem derartig lebendigen Archiv,womit zugleich ein wertvoller kultureller Identifikationsfaktor fürdie Region und darüber hinaus gewonnen wäre, ein auch fürKünstler und Wissenschaftler nicht unbedeutender ikonologischerHorizont bereitgestellt, der schließlich manches Werk ausseiner missverständlichen Isolation befreit und in seinen spezifischenweiten Kontext bringt. Das auf solche Weise nachdrücklichvermehrte Angebot einer »nahen« und »privaten« Kunst dürfteden nützlichen Effekt eines differenzierten Umgangs mit derKunst im Sinne einer bereichernden und erkenntnisträchtigenFreude sinnlicher Wahrnehmung ermöglichen. Diesmal nichtjenes bekannte »less is more«, sondern eher das Gegenteil. Dennein spürbarer Zuwachs in der Souveränität des eigenen Urteilsder Kunstbewahrer, -vermittler und nicht zuletzt der Kunstfreunde,der Rezipienten, dürfte die Folge sein – gerade wegen einessolchermaßen erweiterten und verantwortlich gehüteten Kreisesder Künstlerinnen und Künstler und wegen des unverzichtbarenreichen Potenzials ihrer Werke.Wäre das nicht auch ein wünschenswertes, ja notwendigesGegengewicht, wiewohl proportional in bescheidenem Maße,zur unaufhörlich wachsenden Warenwelt, deren Müllproblemewir – mit und ohne Mafia – mehr und mehr zu spüren bekommen?Anmerkungen1) Hans-Georg Gadamer: Ende der Kunst. In: Ende der Kunst – Zukunft der Kunst.Hg. v. d. Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München 1985, S. 19, 32-332) Émile Zola: Schriften zur Kunst. Die Salons von 1866 bis 1896. Frankfurt a.M.1988, S. 36, S. 2783) Katalog documenta 8. Kassel 1987, Bd. 1, S. 954) Heinz Holtmann: Keine Angst vor Kunst. Moderne Kunst erkennen, sammeln undbewahren. Düsseldorf und München 1997, S. 27- 23 -


»KÜNSTLERARCHIVE GELTEN UNS ALSSPEZIFISCHES SPEICHERMEDIUM. IN IHNENLEGT SICH DAS ERINNERTE AB,AUS IHM KANN DIESES ERINNERBAREABGERUFEN WERDEN.«Gertrude Cepl-Kaufmann, Literaturwissenschaftlerin, Düsseldorf


»DIE ERFAHRUNG HAT GEZEIGT, DASSBEURTEILUNG UND UMGANG MITKÜNSTLERNACHLÄSSEN BESONDEREKOMPETENZEN VERLANGEN.«Daniel Schütz, Kunsthistoriker, Bonn


KÜNSTLERARCHIVE ALS HERAUSFORDERUNG <strong>FÜR</strong> DIE KULTURWISSENSCHAFTENGertrude Cepl-KaufmannIm August 2008 ist die Stiftung öffentlichen Rechts »RheinischesArchiv für Künstlernachlässe« an die Presse gegangen, um ihrenSammlungsauftrag bekannt zu machen. Die große Resonanzzeigte, dass mit diesem Archiv offenbar ein Desiderat erfülltwurde: die in großer Zahl anfallenden Bestände der Künstler derNachkriegszeit, die es drängt, als Vor- oder Nachlass in die Obhuteines öffentlichen Archivs zu gelangen, wahrzunehmen und eineLösung für den rheinischen Raum zu finden. Doch damit ist nurein erster Schritt getan, denn die Bearbeitung dieser Nachlässemuss ebenfalls gewährleistet sein, damit die Schätze, die einemArchiv anvertraut werden, nicht im Dunkel der Magazine vor sichhin dämmern, sondern wieder ans Licht kommen. Sie müssenerschlossen werden, um der Forschung zur Verfügung stehen zukönnen. Das Kunsthistorische Institut der Friedrich-Wilhelms-UniversitätBonn und das Institut »Moderne im Rheinland« an derHeinrich-Heine-Universität Düsseldorf haben im Vorfeld gemeinsammit dem Initiator Daniel Schütz und dem Stadtarchiv Bonn,in dem das Archiv eine Heimat finden wird, an der Konzeptionierungdes »Rheinischen Archivs für Künstlernachlässe« mitgewirkt,um diese wissenschaftliche Nutzung des entstehendenArchivs von Anbeginn an mit in den Blick zu nehmen. Damitwird, so meinen die Initiatoren und ihre Mitstreiter, auch im Sinnezukünftiger Wissenschaftsentwicklung gearbeitet. Die nachfolgendenBetrachtungen versuchen für dieses zu etablierende Feldeinige Überlegungen anzustellen und in Vorbemerkungen zu vermitteln.Künstlerarchive im WissenschaftsdiskursMit der Realisierung der in unterschiedlichen Regionen zurzeit imAufbau befindlichen Sammlungen von Nachlässen der Künstlerder Region wächst auch der Wissenschaft ein Forschungsbereichvon besonderem quantitativem und qualitativem Format zu.Damit ergeben sich theoretische und methodische Fragen, diehier, im Gespräch mit vergleichbaren Aktivitäten im Saarland,ausgetauscht werden sollten. Meine Vorüberlegungen setzen anunser aller Erfahrung an, stehen aber im Kontext einer Sammlungsidee,die sich von der Initiative des »Instituts für aktuelleKunst« unterscheidet. Das in Bonn ansässige »Rheinische Archivfür Künstlernachlässe«, kurz »RAK« genannt, das der Initiatorund Leiter Daniel Schütz in einem eigenen Beitrag vorstellt, hates sich zur Aufgabe gemacht, die privaten Nachlässe als Pendantzum Werknachlass, der in einem anderen Archiv zu deponierenist, zu sammeln. Damit werden für die Bearbeitung und wissenschaftlicheAuswertung ganz andere Probleme virulent undFragen wichtig. Sie stehen aber zweifelsfrei im unmittelbarenZusammenhang mit den Werknachlässen. Im Folgenden wird esin erster Linie um die Bonner Sammlungsidee und ihre wissenschaftstheoretischenund –praktischen Implikationen gehen.Nicht von ungefähr sind Kassationen das Eingemachte für jedeArchivlehre und erst recht für die Praxis! Sie setzen, ebenso wiedie Bewahrung, einen Entscheidungsprozess voraus. Dies implizierteine theoretische Fundierung, die den Sammelauftrag legitimiert,ihm aber auch eine differenzierte Struktur verpasst. Diesenzu füllen, bedarf es der fachspezifischen Absicherung, in unseremFall einer kunstästhetischen und kunsthistorischen Reflexion.Die gilt besonders für die Werknachlässe. Für beide aber bedarfes darüber hinaus einer metadiskursiven Ebene, die wir in unserenZeiten nicht der Geschichte oder der Soziologie alleine überlassensollten, sondern für den in besonderer Weise eine theoretischeAbsicherung durch die Kulturwissenschaft sinnvoll ist. DerDiskurs um Fragen der Identität und Alterität, um GedächtnisundErinnerungstheorien, nicht zuletzt die Aktualität des Archivbegriffslässt sich in besonderer Weise zur Fundierung der Anlagevon Nachlasssammlungen nutzen. Zur Relevanz der Archivarbeitim Kontext der Gedächtnis- und Erinnerungstheorien lassen sichArgumente und Überlegungen zusammentragen. Nicht zuletzt istzu fragen, welche Ebenen der Öffentlichkeit mitbedacht werdenmüssen. Im Fall einer Kooperation mit Universitäten und Akademienist dies, so zeigt sich, im Besonderen die Lehre mit einergezielten Anleitung zur Nutzung der Archive durch Studierende.- 28 -


Zwölf Aspekte für eine wissenschaftlichangemessene Fundierung von Künstlerarchiven1.Der Begriff »Archiv« lässt sich heute nicht mehr positivistischgebrauchen. Der Begriff »Bewahren« etwa ist in diesem Kontextzwangsläufig obsolet, setzt er doch eine Sicherheit über dasBewahrenswerte und das, was es bedeutet, voraus, die wir garnicht mehr haben können. »Was ist Wahrheit« können wir mitPilatus fragen und wie er den impliziten Zweifel nähren und seineempiriokritizistische Grundhaltung wiederholen, dass uns dieSicherheit über die Kenntnis vom »Wahren« des »Bewahrten«nicht geboten ist und nicht gut ansteht. Im besten Falle müssenwir den Zweifel und die Skepsis zur Methode machen und immerwieder neu überprüfen und fragen, was wir denn da machen,wenn wir Entscheidungen treffen, etwas zu kassieren oder zubewahren.2.Pierre Nora hat uns klargemacht, dass das Verständnis vonGeschichte vom »Geschehenen« auf die Totalität des gesellschaftsgebundenen»Erinnerten« verlagert werden muss. Wirwissen, dass das, was wir in unseren Archiven gehortet habenoder horten wollen, uns zwar die Wahrheit der Geschichte nichtmehr sichert, aber wir wissen stattdessen, dass wir mit einersolchen Sammeltätigkeit eine vorweg gedeutete Geschichte weg -geschlossen haben. Wie der Konstruktcharakter für die Ent -stehung von Geschichte gilt, muss diese Vorstellung bei derretrospektiven Suche nach dem, was im Archiv lagert, ebensogelten. Mit Nora hat sich der Begriff von den »lieux de mémoire«durchgesetzt. Sie sagen uns, dass Geschichte in einer spezifischenWeise nicht nur konstruiert ist, sondern auch als Konstruktaufzufinden ist. Hagen Schulze und Étienne François haben 2001solche Erinnerungsorte gleich dreibändig für die Deutsche Identitätausgemacht und analysiert, was sich mit ihnen aufsuchen lässt.Archive sind in einem besonderen Maße Quellen einer solchen»mémoire«, weil sie ein höheres und differenzierteres Maß anEntdeckbarem aufweisen als die steinernen Monumente, auf diesich die lieux de mémoire-Forschung zunächst bezog. In diesemSinne erfüllt das Archiv selbst auf einer Metaebene alle Anforderungeneines Symbolkonstrukts: Es ist ein »lieu de mémoire«.Wir können ihn nutzen, müssen ihn aber auch immer hinter -fragen, welcher intendierte Ort in ihm begegnet.Auch für die Arbeit mit Künstlernachlässen können wir dieErkenntnisse der lieux de mémoire-Forschung fruchtbar machen,eo ipso für ihre intendierte Sicherung, nicht zuletzt aber für dieDeutung durch Forschung. Erst hiermit gilt die Aufwertung, diewir heute im Begriff »Archiv« mitdenken. Nur durch die aktualisierbarenSymbole der Vergangenheit lässt sich überhaupt etwasvom Ereignis Geschichte fixieren und etwas über ihr Zustandekommenaussagen.3.Daraus folgt: Künstlerarchive gelten uns als spezifisches Speichermedium.In ihnen legt sich das Erinnerte ab, aus ihm kann diesesErinnerbare abgerufen werden. Damit verlagern wir jede Frageder Wertung, strenger und rigider Kassationsgesetze, auf eineandere Ebene als die der qualitätswertenden Urteile, die über dieAufnahme oder Ablehnung eines Nachlasses bestimmen dürfen.Konkret: Gänzlich unabhängig von der Qualität eines Künstlerserlauben Briefe, Tagebücher, die in der Nachlassbibliothek zuerkundenden Lesefrüchte und Formen der Intertextualität,Erkenntnisse z.B. über produktionsästhetische Zusammenhänge.Sie sind wiederum, in statistisch sinnvoller Menge, z.B. Ausgangspunktzur Erforschung von Epochenwechseln, unabhängigvon der Kunst- und Kulturgeschichtsschreibung und, zumindestpartiell, unabhängig vom ästhetischen Urteil. Ja, hier kommt denArchiven eine herausragende Aufgabe zu: um mit Peter Sloterdijkzu sprechen: jedes Archiv bekundet Geschichte, zählt aber nichtnur die Siege, sondern grundsätzlich das Gesamt von Ereignissen,um »geistesgegenwärtig zu bezeugen, was ihm begegnet ist«.4.Archive leisten potentiellen Widerstand und bilden einen entscheidendenLatenzfaktor für die Umdeutungen von Geschichte. Inihnen wird im besten Falle auch das aufbewahrt, was nicht deraktuellen Mode und dem herrschenden System folgt, sondern das,was möglicherweise gegen die geltenden Normen gerichtet ist. AlsBeispiel ließe sich die konkrete Kunst nennen, die z.B. in der DDRin Zeiten des Sozialistischen Realismus einen schlechten Stand hatte.Dazu gehören im Bereich der Ideologien etwa auch anarchistischeStrömungen, deren Denkbilder und die sie tragenden Persönlichkeitenaußer Mode gekommen zu sein scheinen. Die Geschichteder Archive ist voller Wiederentdeckungen, die diese definitivePotenz bestätigen. Es ließe sich auch ein durchaus aktuelles Problemnennen: im Umgang mit Nazikünstlern haben wir uns anmoralische Urteile gewöhnt. Tatsächlich aber haben wir es in dergesamten Moderne der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wasdie Weltanschauungen der Künstler angeht, mit einem Spektrumvon antiaufklärerischen Tendenzen zwischen rechts und links zutun. In der Expressionismusforschung und ihren irrationalen Denkbildernsind wir noch nicht sehr weit gekommen und die Band -breite im Spannungsfeld von Avantgarde und völkischen Mustern,die sich zwischen dem Proletkult und der Massenästhetik der Nazisausmachen lässt, werden wir niemals differenzierter analysierenkönnen, wenn wir nach der Methode »Die Guten ins Töpfchenund die Schlechten ins Kröpfchen« verfahren.5.Künstler-Archive, die auch die privaten Nachlässe meinen, sind,anders als für die Literatur und ihre Wissenschaft, für die Kunstgeschichteunabdingbar, sichern sie doch auch die Politizität derKunst, die im Bild selbst nur bedingt aufbewahrt werden kann;z.B. kann der Diskurs um die Gegenständlichkeit in der unmittelbarenNachkriegszeit nur angemessen aufgearbeitet werden,wenn über die Werke hinaus andere Quellen zur Verfügungstehen. Hier ist aber grundsätzlich die gesamte kultursoziologischeForschung auf den Plan gerufen, ihre Interessen an einermöglichst weitläufigen Anlage solcher Archive einzuklagen.In diesem Sinne tragen Archive, die sich auch solche Beständein ihren Kompetenzbereich wünschen, zur Fundierung einerGegenwartsanalyse bei, die sich den Maximen der KritischenTheorie nicht verschließt. In diesem Sinne, und nur in diesem,haben Archive auch eine moralische Funktion.- 29 -


6.Der Wandel von einer historisierenden zur substantialistischenAuffassung von Archiven unterlegt jeder Kunst eine virtuelle Zeitachse.In ihr sind die Vergangenheit wie die Zukunft gleichrangig.Die Neuentdeckung des Archivs durch die Gedächtnisforschungeröffnet entsprechend Fragen nach der kulturellen Mittlerleistungfür künftige Generationen. Das Augenmerk richtete sich zunehmendvon der Anlage von Archiven auf deren immanenten Sinnund die Möglichkeit der Partizipation, gleich ob in kritischer oderakklamativer Absicht. Auch mit einer solchen Sichtweise wird dieBedeutung des Archivs erhöht. Es geht nun nicht mehr um einezufällige und letztlich austauschbare Erforschung von Archivbeständen,sondern, um einmal eine umgangssprachliche, dennochins Problem passende Metapher zu verwenden, um das »Eingemachte«selbst. Die Konstruktion von Erinnerung vermittels einerSuche nach Archivalien zielt in Zeiten einer zunehmenden Globalisierungund Nivellierung nationaler und individueller Selbstverständnisseauf eine Sicherung von Identität, wie sie dem Archivbisher nicht zugekommen ist. Hier sei an große Umbruchzeitenerinnert, die immer auch dem Archiv eine besondere Funktionzugewiesen haben: sei es der seit Friedrich II. sich anbahnendeÜbergang zur Renaissance, die ohne die Reaktivierung der antikenund arabischen Archivbestände und Bibliotheken nicht stattgefundenhätte oder die Französische Revolution, in der die Forderungnach einer Öffnung der Archive mit zu den politischenZielen und neuen Grundrechten zählte.7.Archive haben teil am Konstruktionscharakter von Erinnerung,ebenso aber sind Archivalien in der Lage, deren Beliebigkeit zubegegnen. Waren Archive gerade im Zeichen eines Prozesseszunehmender Nationalisierung nicht selten Diener einer Vorstellungvon kulturell stabilen Erinnerungsgemeinschaften, wie etwaan der Genese des Goethe- und Schiller-Archivs im 19. Jahrhundertabzulesen wäre, werden sie im Zeichen der Kulturtransferforschungund ihrem Anteil am Fremden im Eigenen zu Zeugeneines übernationalen Kulturgedächtnisses mit ihren implizitenÜberschreibungen. Walter Benjamins »Passagen« als Denkbildtreffen die Identität eines jeden heutigen Archivverständnisses.Archive sind eben nicht eindeutig und sie dürfen auch keineSchönschreiberei betreiben. Auch hierfür hat Benjamin ein tragfähigesBild gewählt, wenn er dem »Lumpensammler« einenhohen gesellschaftlichen Stellenwert zuweist. So ist die Offenheiteines Archivs gerade darin zu suchen, dass es sich auf Ab -weichungen von einer auf Herrschaftslegitimation basierendenSammelidee übertragen lässt.8.Archive sind das Gehirn jeder Form kultureller Öffentlichkeit,ihr Erkenntnisort. Sie generieren kulturelle Identität, weil siedie Regeln kennen und wissen wie man neue findet. Ohne einLexikon des Archivs kein Bewusstsein! Das Archiv kennt dieRegeln des Systems der Erkenntnis, weil es keine Erkenntnis jenseitsdes Archivs gibt. Sie sind die langue, für die jede Künstlerpersönlichkeit,eingebracht durch einen Nachlass, ein Stück parolebietet.9.Museen und Ausstellungen sind selber Archivgut. Archive lebenerst dann, wenn sie sich im Öffentlichkeitsdiskurs zwischenMuseen und Ausstellungen platzierten. Damit erwächst geradeder Kunstgeschichte ein interessanter Raum. Die Künstler derDresdner »Brücke« haben in ihren frühexpressionistischen Paradiesbildernebensoviel an unmittelbarer Naturerfahrung in derIdylle der Moritzburger Seen verarbeitet, wie aus der Begegnungmit dem dortigen Völkerkundemuseum, das sie wie ihr eigenesWohnzimmer betrachteten. Die Suche nach Ursprünglichkeit,dem adamitischen Menschen und der Restitution der Kunst alskultisches Ereignis zehrte von der Begegnung mit dem Fremden,das sie in Museum und Archiv fanden. Der Exotismus der Zeitbasierte also nur zu einem geringen Teil auf konkreter Erfahrung.Von Döblin bis Kirchner haben die Sammlungen und Erinnerungenihre Wirkung gezeigt.10.Bemerkenswert für die Konstruktion von Geschichte ist eben, ander Künstlervereinigung »Brücke« ebenso wie an Carl Einsteinablesbar, der Übergang von der rituell-kultischen Vermittlung vonSinn zur Textkultur. Diese exorbitante Kulturleistung erst ermöglichtdie Herstellung kultureller Kohärenz, durch die sich Gesellschaftenim besten Falle auszeichnen. Sie setzen eine intakte undeinsetzbare Mnemotechnik voraus, also die Speicherung, Reaktivierungund Vermittlung von Erinnerungs-Sinn. Erst diese Ge -dächtnisleistung sichert die Kontinuität und damit die Identität.Identität ist abhängig von Gedächtnis und Erinnerung. KulturelleGedächtnisse leben solange von rituellen Praktiken, wie dieseGültigkeit haben und in der Wiederholung ihre Berechtigunglegitimieren. Aus dieser schriftlosen Kultur aber müssen sie ineine textuelle Praxis übergehen, um nach Ablösung ihrer Ritualitätals Erinnerung übrig zu bleiben.11.Archive sind als kulturtragendes Aussagesystem zu sehen. MitJan Assmann wird auch die Differenziertheit der Aussagesystemeklar. Sie geht weit über eine im Sinne des als sensus litteralis, alsbuchstäblicher Sinn zu dechiffrierenden Kontextes hinaus, undentwickelt ein eigenes Aufschreibesystem. Das Bewusstseinsozialer Zugehörigkeit, das als kollektive Identität bezeichnetwird, beruht auf der Teilhabe an einem gemeinsamen Wissenund einem gemeinsamen Gedächtnis, aber auch an einergemeinsamen Sprache, im Fall der Kunst ebenso wie der Literaturund der anderen Künste. Sie bedarf also eines gemeinsamenSymbolsystems. Zu ihm zählt an herausragender Stelle die Schriftals ein gemeinsamer kultureller Code.12.Es geht aber nicht nur um Wörter, Sätze und Texte, sondern auchum andere Symbolsysteme, von der Trias Farbe, Form und Rhythmus,den die Materialästhetik der Moderne entdeckte, bis zurMuseumsarchitektur und den Formen des Ausstellens selber, derGaleristenpraxis und des Vitrinenbaus. Denkmäler, Bilder undKulturlandschaften sind die Wege und Grenzen auf dem Feld derKunst. Sie können als Markierungen und Zeichen zur Kodierungvon Gemeinsamkeit beitragen. Entscheidend ist dabei nicht das- 30 -


Medium, sondern die Symbolfunktion und Zeichenstruktur.Assmann nennt diesen Komplex an symbolisch vermittelterGemeinsamkeit und einem die Gemeinschaft fundierendenProzess »Kultur«, oder genauer, »kulturelle Formation«. DerFundierung einer solchen Kultur wird dabei ein ebenso hoherWert beigemessen wie der Reproduktion, denn nur im Verbundergibt sich das Medium, durch das eine kollektive Identitätkonstruiert wird und über Zeiten und Generationen hinwegerhalten bleibt. Archive, Archivare, Archivwissenschaftler undnicht zuletzt die Benutzer von Archiven dürfen sich also als In -sassen eines gemeinsamen Bootes verstehen, mitverantwortlichfür ihre eigene kulturelle Identität.Votum für eine Erforschung von Künstlerarchiven auf derEbene gedächtnistheoretischer PrämissenDie Vernetzung sammelnder und bewahrender Einrichtungenmit Forschungsinstitutionen erst erlaubt, folgen wir den 12 vorgetragenenAnmerkungen, einen so werthaltigen und wertvollenBegriff wie »Archiv« zu vergeben. Dies sollte sich nicht nur strukturell,sondern auch bei der Gestaltung der Schwerpunkte vonSammlungen und bei der Forschung auswirken. Dies kann nurgelingen, wenn wir uns auf den Reiz zwischen Gestern un dMorgen einlassen.Wo Vergessen wird, wird auch Erinnert! Vergessen und Erinnernstrukturieren unser Dasein, so betont Aleida Assmann, dennjedes Erinnern wird von den Rändern des Vergessens her profiliert.Zwischen Speicher- und Funktionsgedächtnis harrt derBereich des Archivs, den Friedrich Georg Jünger mit dem reiz -vollen Begriff als den Ort des »Verwahrensvergessens« benennt.In diesem Sinne erhält der Begriff »Erinnerungsräume«, denAleida Assmann ihrer grundlegenden Arbeit zu »Wandlungendes kulturellen Gedächtnisses« gibt, einen doppelten Sinn: Zumeinen setzt er den Bezugsrahmen, in dem sich Identität bildet, seier topographisch, politisch oder privatistisch gezogen. Er bezeichnetandererseits als Konstrukt den Entwurf von Erinnerung, derin diesem je eigenen und sich zugleich vernetzenden Feld vonnationaler, kollektiver und persönlicher Identität angelegt wird.Der sechzig Jahre nach Kriegsende immer noch mächtig wirkendeStrom der Erinnerung, den die Medien (fast) jeden Abend vermitteln,ist dafür ein Beweis. Hier zeigt sich die Leistungsfähigkeitdes »Speichergedächtnisses«, das sich in jedem Leben anlegt,und die Relevanz, die es erhält, wenn es als »Funktionsgedächtnis«aktiviert wird. Ein solches Archiv im Kontext der gedächtnistheoretischenReflexionen entspricht dem, was in jedem Menschenals Abfolge gedächtnisspezifischer Formationen abläuft,eignet auch dem Organismus Archiv. So gibt es eine persönlicheEbene, in der es Erinnerungsträger für die Verletzungen, dieKrieg und Vertreibung angerichtet haben, gibt, aber auch Systeme,die diesen Wechsel im Habitus vollziehen können. Ein solchesSystem ist das Archiv.Der Begriff »Erinnerungsräume« lässt sich darüber hinaus aberauch als Denkbild an die Existenz von Archiven, vielmehr derenBegriffsgeschichte binden. Die Geschichte des Archivs, ja, unserabendländisches Denken selbst erweist sich als Schlüssel zumangemessenen Verständnis: »En archä, än ho logos« heißt es zuBeginn des Johannesevangeliums. Die Übersetzung mit »ImAnfang war das Wort« verweist auf die Bedeutung von Ur -sprung, von Beginn, die sich semantisch an den Begriff Archivbindet, betont aber zugleich auch den hohen Wert der Sprache,des Zeichensystems, das sich mit dieser Bedeutung verbindet.Das »archeion« als Haus, in dem Akten aufbewahrt wurden, die»archonten« als Hüter des Archivs gestalteten das Umfeld desaus dem Abstrakten ins Konkrete entwickelten Begriffs. Archontenkonnten den Eintritt von Sachen und Personen zulassenund/oder ablehnen und hatten damit eine politische und hermeneutische,also Deutungs-Macht. Sie waren Stellvertreter, ihr Ortein heiliger Ort. Als Mythos begegnet uns der Begriff in derArche Noah, dem Bild von der systematischen Sicherung vonWelt und der Neusetzung der Geschichte. Noah ist der erste undbegriffsbildende Archivar. Seinem von Gott erhaltenen Auftraglag ein hohes Maß an Sinngebung zugrunde: Er sicherte nichtsweniger als das Leben, indem er Paare in die Arche aufnahm unddamit die Reproduktionsfähigkeit sicherte; er stellte mit dieserDualität von Mann und Frau aber auch ein Spannungsprinzip her,das unserem Weltbild zugrunde liegt; er handelte sinnvoll in derAuswahl, also übte sinnvolle Kassation.Die abendländische Denk- und Bildtradition hat die »Arche« inder Tat nicht verloren. Begegnete sie uns wieder in der Anwendungauf die Bundeslade, in der die Israeliten die Gesetzestafelnmit sich trugen, die Mose auf dem Berg Sinai von Gott empfangenhatte, gilt die arché als das tragbare Gedächtnis, optisch präsentin den Truhen, in denen seit dem Mittelalter die Urkundenund Schriftstücke zur Sicherung von Herrschaft untergebrachtwurden und die von Ort zu Ort mitgenommen werden konnten.Die Wörter Arche, arché und Archiv gehören zum System einerMnemotechnik, einer Vorstellung vom Funktionieren von Erinnerung,deren Bedingungen seit der Antike unverändert gelten.So wie sich unsere abendländischen Väter im Gehirn die Örterdes Gedächtnisses vorstellten und für ihre Rhetorik, die Rede-Lehre nutzten, können wir auch heute Erinnerung topographischkonkretisieren, entwerfen wir auch heute noch, so hat AleidaAssmann dargestellt, unsere Erinnerungsräume. Sie haben in derOrdnung des Archivs ihr Pendant.Walter Benjamin spricht nicht umsonst beim Nachdenken über»Ausgraben und Erinnern« von der Archäologie des Erinnerns,von einem Spatenstich, der in ein dunkles Erdreich getan wird,und gibt damit der antiken Lehre von den Örtern des Gedächtnissesein quasi vergrößertes und material evidentes Pendant.Nicht das Finden wird für ihn zum entscheidenden Schritt. Ertransformiert den Fund in die Ebene des Gefunden-Habens, dasimmer auch eine Verständigung über deren Bedingungen, dieVermittlung, letztlich die Integration in die Gegenwart zum Zielhat. Zugleich übt er auch Kritik an dem, der nicht weiter kommtals zu einem Inventar der Funde, sich aber nicht die Bedeutungklar macht, die es für den heutigen Leser hat. Die Begegnung anOrt und Stelle, des Alten mit dem Aktuellen, gilt es festzuhaltenund damit zum Zeugen zu werden für ein Ereignis, bei dem sichdas Vergangene mit dem Gegenwärtigen kreuzt und Zukunftbestimmt. So müssen wahrhafte Erinnerungen viel wenigerberichtend verfahren als genau den Ort bezeichnen, an dem derForscher ihrer habhaft wurde. In Walter Benjamins opus magnum,dem »Passagenwerk«, wird das Suchen selbst zum Indiz- 31 -


des Verloren- und Vergessenhabens. Der Autor selbst ist derklassische Flaneur, dessen Großstadterfahrungen den Verlustvon Sicherheit zugleich offenbaren wie sie ihn durch akribischeErkundungen auffangen und im Aufschreiben das Verloren -gehende sichern. In ihm erkennen wir das schöpferische Prinzip,das latent in jedem Archiv schlummert.Votum für die wissenschaftliche Forschung und die Vermittlungvon Archivkompetenz in der LehreKünstlerarchive in der Verzahnung mit Forschung können geradein der derzeitigen Universitätslandschaft nicht nur diesen Sinn -stiftungsprozess von Archiv sichern, sondern auch zukünftigeFormierungsprozesse von Erinnern in Gang setzen. Sie sichernmehr als Material, wenn sie als Impulsspender für Forschung undLehre verstanden werden. Die in der Arbeit mit Archiven zuerwerbende Schlüsselkompetenz, z.B. die Such- und Findekompetenz,sichert nicht nur die Örter unserer Welt, sondern bietetStudierenden ein breites Spektrum berufsqualifizierender Felder.Noch stärker als für Walter Benjamin in seiner Zeit, wird dieBedrohung und Zerstörung einer funktionierenden Erinnerungskultur,die sich im Datenstrom der Gegenwart und ihrer technischenSysteme abzuzeichnen scheint, heute an die Wand gemalt.Soweit ist es nicht gekommen, wenn auch die Stimmen zunehmen,dass mit der weltweiten Vernetzung jedes Interesse anklassischen Techniken der Erinnerungskultur, zu der das Archiv invorderster Reihe beiträgt, dahingehen wird. Es ist Aufgabe derGeisteswissenschaften, in der akademischen Lehre die nötigeBasis zu schaffen, um die Bedeutung von Archiven bewusst zumachen.Es muss, so lässt sich aus dem bisher Vorgetragenen schließen,von der Begründung von Künstlerarchiven an ein Programm fürForschung und Lehre mitgedacht werden. Für die Forschungbraucht es kaum einer nachdrücklichen Forderung, wohl aber fürdie Lehre. Um dazu zu motivieren, gilt es, vom Reiz des Entdeckensund Zeigens, den wir als Hochschullehrer wie als Archivarewie eine ansteckende Krankheit verbreiten sollten, zu sprechen.Für gewöhnlich wird man bei Null anfangen müssen, denn wasassoziiert ein Studierender des ersten Semesters mit dem Begriff»Archiv«? Nichts, es sei denn, ein engagierter Lehrer habe seinenLeistungskurs ins heimatliche Stadtarchiv geschleppt und denfürs Leben zu präparierenden Oberstufenschülern den Reiz gräulich-brauneroder weiß-gräulicher Kartons und Kapseln behutsamnäher gebracht. Da haben sie dann Signaturen geortet, demnicht zu übertreffenden Begriff »Findbuch« ein optisch undhaptisch präsentes Pendant zugewiesen, das Autopsieren geübt,Urkunden, Akten, Amts- und Geschäftsbücher, Briefe, Fotos undanderes gesichtet, womöglich gar das lustvolle und (meist) er -folgreiche Geschäft des Transkribierens betrieben. Hut ab, dennin der Regel trifft man als Dozentin beim Versuch, die Tiefen -dimensionen historisch-kritischen Edierens praxisnah zu durchleuchtenund hermeneutisch zu begründen, auf eine, mnemotechnischüberdeutlich erscheinende, terra inkognita, eine imNirgendwo zu verortende tabula rasa! Oft, allzu oft entgeht garunsere eigene Klientel, das heißt, die Studierenden der PhilosophischenFakultät, selbst bei einer die Regelstudienzeit übertreffendenVerweildauer auf der Universität dem Ort der Orte, Hüterdes Apokryphen, des kulturellen Gedächtnisses, Verwahrer unsererregionalen, nationalen, ja, abendländischen Identität: demArchiv! Wie bekommen wir Studierende dazu, in Archiven dieRepräsentanten unserer eigenen Geschichte zu sehen? Scheuenwir uns nicht, auf dieser Bedeutungsdimension zu beharren,hatte doch schon Noah, wie gesagt, mit seiner Arche das Prinzipdes Überlebens, zugleich die Fundamentierung von Zukunft unddie Idee des Lebens und Weiterzeugens an ein Denkbild gebunden,das in idealer Weise auch die Zeugenschaft der Vergangenheitsignalisiert. Aus der schwimmenden, im Ölzweig undTauben-Zeichen ewigen Friedens strandenden Arche ist über dasambulante Archiv in der Truhe der Urahnen das ständige Hausgeworden, das dank der Errungenschaften von Aufklärung undRevolution schon lange aus dem Status des Geheimarchivs zumöffentlich zugänglichen Ort und damit zum Zeugen einer politischemanzipatorischen Bewegung der Geschichte geworden ist.Lange und allzu oft ist man danach, obwohl es damals, zu Revolutionszeiten,zum Politikum geworden war, stiefmütterlich mitihm umgegangen. Verstehen wir uns als die, die der Graumausigkeit,die ihm ungerechterweise anhaftet, ein Ende setzen!Wir: das meint die ‚klassischen’ Benutzer von Archiven, die Historiker,darüber hinaus die Literatur- und Kulturwissenschaftlerdiesseits und jenseits der Universität, Verwahrer und Bearbeiterebenso unsortierter, nichtkatalogisierter Nachlässe wie der perFindhilfsmittel, Datenbanken, Katalogen und Inventaren, gar perInternet virtuell zu begehenden Archive und Bestände, sei es inPrivat-, Stadt-, Adels-, Hauptstaats-, und seit dem 19. Jahrhunderteben auch in Literaturarchiven und neuerdings und verstärktin Künstlerarchiven. Die metadiskursiv betriebene regionale kulturhistorischeForschung und Lehre kann auch für Studierendeattraktiv werden. Eine zukünftige Berufspraxis stellt Anforderungenan die Neugestaltung des Studiums, in die das Künstlerarchivideal hineinpasst. Hier ist zunehmend der Ort, wo sich die Kompetenzenvernetzen und optimieren lassen: die durch eine intensiveArchivarbeit betriebene Schulung der Such-, Analyse undVerwertungskompetenz als entscheidende geisteswissenschaft -liche Schlüsselqualifikationen haben die Attraktivität einer Studienpraxis,die die Archive nicht nur nicht scheut, sondern an ihnendie Genese und den Wandel kultureller Gedächtnisse und ihreFunktion als prägende Instanz eines gegenwartsadäquatenBewusstseins in optimaler Weise auszumachen versteht, erhöht.Die Universität muss aber auch eingestehen, dass sie keine Ebenevorweisen kann, auf der sich diese Praxis umfassend etablierenlässt. Hier schlägt die Stunde der Künstlerarchive! Sie bieten dieVorraussetzungen für eine anerkannte Archivpraxis im Studium.Foucault sei dank haben wir heute die Exkulpierung solch staubigenTuns schriftlich und kulturwissenschaftlich spätaufklärerischfundiert, Bourdieu sei dank die zu bestellenden Felder abgestecktund Assmanns sei dank eine ins Deutsche methodologisierte kulturwissenschaftlicheEbene und praktikabel übersetzte Begrifflichkeitverbreitet.Künstlerarchive können aber noch mehr, gehen über diese klassischeSinngebung im Kontext moderner Studienpraxis hinaus,weil sie kaum zum Bestand gewachsener Hochschulen gehören.Sie können den Bogen schlagen zwischen Universität und Stadt,stabilisieren die notorisch und latent fragilen Beziehungen zwischenbeiden, lassen der Theorie die Praxis und die Praxis der- 32 -


Theorie folgen! Das Bonner RAK hat sich vorgenommen, mitdem Projekt »Archiv-Diskurs-Ausstellung« die Vermittlung zwischenden Institutionen anzugehen. Gemeint ist die Abfolgestudentischer ebenso wie professoraler Erkenntniswege, denndas, was im Archiv entdeckt wurde, bedarf einer Transformationin die Öffentlichkeit, um für Studierende ebenso wie für Dozierendeund interessierte Rezipienten den Weg der Erkenntniswahrnehmbar zu machen. Der Gestus ist gefragt! Hier hat sichdas Interesse an Wissenschaft im Laufe der Jahre geändert, nichtzuletzt hat das Institut der Universität durch die kulturelle Praxisder Ausstellungen einiges voraus. Archive, so lässt sich erkennen,sind ein lustvoller Ort des Entdeckens, aber sie gewinnen erstdann Konturen, wenn sie unter einer angemessenen Fragestellungzu einer gestisch vermittelten Schau weitergedacht und entsprechendinszeniert werden. So ist es nur konsequent, der Entdeckungdes Archivs die öffentliche Vermittlungsebene hinzuzufügen,denn damit lässt sich der Prozess der Erkenntnissozusagen in einer konkreten Vermittlungsebene aus der Abstraktionin die Konkretion parallelisieren und analogisieren, istdoch die Begegnung mit der archivarisch gehüteten Vergangenheitein Portal zur eigenen kollektiven Erinnerung, deren Spurenfreilich vernetzt werden müssen mit den bereits bekanntenÖrtern des Gedächtnisses, ganz im Sinne der Vorstellungsbilderder Rhetorik, die in abendländischer Tradition über die Wirk -weisen von Sprache und Zeichensystemen nachgedacht hat.Hier schlägt die Stunde der Künstlerarchive. Sie stehen der EbeneMuseum, Schau, Zeigen viel näher als ‚normale’ Archive undkönnen geradezu Vorbildfunktion, auch in der Zusammenarbeitmit Studierenden, gewinnen. Der unnachahmliche Werbesprucheines auf Reisehilfen spezialisierten Verlages, »Man sieht nur, wasman weiß«, ist hier die emblematische Entsprechung einesArchivs als latentem »orbis pictum«.Der Reiz des Entdeckens ist die eine, das Zeigen die andere Seiteeiner Medaille, die als Symbol unserer kulturellen, über die Literaturvermittelbaren kollektiven Erinnerung einen hohen Wert hatund schon allein aus diesem Grunde an die Studierenden undNachwuchswissenschaftler weitergegeben werden muss.AbgesangZiehen wir einen Bogen, einen Horizont vom En arche en hologos zum www. Was hat es auf sich zwischen dem Urpunkt»Am Anfang war das Wort« zum »world wide web« von heute?Hat sich wirklich etwas geändert? Kaum, denn letztlich grenzenlos,quantitativ und qualitativ, war die Welt und die Informationenüber sie schon immer. Aber sie sind uns näher gekommen.Archive neuen Typs sitzen im Wohnzimmer mit zu Tisch; JacquesDerrida spricht vom »Mal d’archive«, eine Krankheit, ein»Fieber«. Die Konkurrenz zum Archiv klassischen Typs ist aberdurchaus fruchtbar zu führen, denn digitale Megaarchive sindhilfreich. Auch hier gibt es Karikaturen, Antitypen, denn demgraumausigen Archivar im Kittel steht der einsame Datenfreakvor dem Monitor in nichts nach. Beide sind Desperados. Letztlichgibt es keinen archivfreien Raum, deshalb muss es heute in be -sonderer Weise um eine Renaissance der Archiv- und Museumskulturgehen und die Künstlerarchive können deshalb mithalten,weil sie als mehr oder weniger neuer Archivtyp, wenn er übersbloße Abstellen hinauskommen will, einiges zu sagen hätte.Folgen wir Michel Foucault und erkennen: Wir müssen in diesemFall die Herrschaft übernehmen, weil wir nur so regelnd eingreifenkönnen. Wie immer sollten wir auch für das Archiv neuestenTyps die altbewährten Qualitäten der Archivare pflegen und1. die Langsamkeit als Mittel der Erkenntnis hochhalten, 2. Kassationals Gnade empfinden und 3. die Such- und Findekompetenzzum Merkmal der neuen Götter erklären, sonst fehlt derSelektionsprozess, unter dem sich Kultur überhaupt herausbildet.Das gilt, ohne dass der unter der dritten Vorüberlegung aufgeführteVerzicht auf Wertung hier aufgegeben würde, weil wir unshier auf einem anderen Feld bewegen. Nur archivarische Qualitätenwerden die Folge der Übersättigung verhindern, dass wirnämlich irgendwann, der Datenflut überdrüssig, in eine ArtLethargie verfallen.Was ist zu tun? Wir müssen Selbstbehauptung betreiben und dieGegenwart als Stunde der wahren Berufung für Archonten empfinden,als Navigationsspezialisten, als Kybernetiker der Moderne.Gemäß dem Merksatz der modernen Gedächtnisforschung,dass Erinnern und Vergessen unser Dasein strukturieren, müssenwir auch Künstlernachlässe, ob Werkarchive oder private Bestände,hochhalten. Letztlich sind es drei Seiten der Weltbetrachtung,der Mythos, die Geschichte und die Utopie, die auch das Spektrumeiner weltumspannenden Bedeutung und das DenkbildArchiv bestimmen: Noah, der Sammler und Retter, ja Arché-Schöpfer schlechthin, der mittelalterliche Staufer Friedrich derZweite als Wiederentdecker der Antike, Umberto Eco als provokativer,utopiemächtiger Rechercheur nach den Apokryphen derGeschichte, dem Verlorenen, dem Abgebrannten und der KassierungEntgangenen. Wir sollten sie nicht als die Heiligen einer vergangenenZeit bewundern, sondern als Garanten dafür berufen,dass vom Versinken der Archive im Staub der Zeiten überhauptnicht die Rede sein kann. Schon sieht sich der optimistische Zeitgenosse,wie ein Blick auf die annotierte Bibliographie zumThema Archiv im Anhang zeigt, an der Spitze einer Renaissanceder Archiv- und Museumskultur. Die Frage, ob es einen »archivfreienRaum« überhaupt noch gibt, ist also rein rhetorisch. DieDinge sind in der Ära der Suchmaschinen so nahe herangerückt,wie sie niemals waren. Und wir haben, dank einer technisch optimalaufbereiteten, organisierten und strukturierten Archivlandschaftheute erst recht die Möglichkeit der Wiederentdeckung.In dieser futuristischen Landschaft haben die Mythen nichts anAussagekraft verloren. Der Mikrokosmos der Arche Noah kehrtwieder durch eine epochale Reintegration der Archive in dieChefetagen der Wissenschaft, auch wenn die Rigorosität, mit derNoah den Speicherplatz seiner Arche zu nutzen gezwun gen war,im Zeitalter des world-wide-web scheinbar unendlich ist.Eines allerdings wird man Archiven kaum ersparen können: Sogroßartig die Entwürfe auch sein mögen, die sie in den Olymp derzeitigerIntellektuellendiskurse stellen, der Alltag ist prosaisch, umes vorsichtig auszudrücken. Wo schon die alte Römer- und Reichsstadt,die westeuropäische Großstadt und Rheinmetropole Kölnöffentlich darüber nachdenkt, ihr Historisches Archiv für Benutzerzu schließen, weht ein harter Wind.- 33 -


Die Entfremdung der Moderne ist offensichtlich an der Basis angekommen,provoziert Gegenbilder. Ein solcher vorweggenommenerliterarischer Entwurf bannt, geradezu prophylaktisch, etwas insBild, was bisher, gottlob, noch nicht Realität geworden ist. DasDenkbild von der universalen Rettung des Vergessbaren, sei es zurSicherung der eigenen Lebensleistung oder quasi als einem Archivder Menschheit, hat große Herrscher ebenso wie Schriftsteller undFilmemacher bewegt, von Alexander dem Großen bis zur filmischenUtopie. In bewegenden Bildern hat Francois Truffaut 1966Ray Bradburys Roman »Fahrenheit 451«, in dem in poetischerMnemotechnik ganze Bibliotheken, die Megaarchive einer humanenGesellschaft, vor der Zerstörung durch eine antihistorisch motiviertefuturistische Gesellschaft bewahrt wird, in Szene gesetzt.Thomas Lehr entwirft in seinem 1998 erschienenen Roman »Zweiwasseroder Die Bibliothek der Gnade« ein utopisches Megaarchiv,das in besonderer Weise die Aktualität des Themas Archiv provoziert,vermittelt der Text doch über die Phantasien eines Zeitgenossenhinaus auch die Utopie einer Archivrealität, von der jeder, dermit Archiven zu tun hat oder haben könnte, seine Träume voneinem Ideal untergebracht wissen möchte. Der Roman ist keineSatire, eher eine Mitleidsidee, die in der literarisch vertieften Diskrepanzzwischen der schöpferischen Potenz von Individuen und demZeitgeist eine Entfremdung ausmacht und bis ins Groteske herausarbeitetmit der Utopie einer »Bibliothek der Gnade«. Sie entpupptsich als weltumspannende Archividee des Jahres 1997, der im»Epitaph« ein Hohelied gesungen wird: »Ihr Ziel bestünde in derSammlung, Archivierung und dem öffentlichen Zurverfügungstellenall derjenigen Werke, die keinen Verlag gefunden hatten.Arbeiten jeder Art und jeglichen Umfanges seien willkommen.Die Bibliothek mache keine Unterschiede. Tagebücher, verschmähteEnzyklopädien, Waschzettel, Abhandlungen, Träume, Spruchsammlungen,Witze, Pamphlete, Romane – was auch immer inSchriftform vorliege und gedemütigt sei, es fände nun seinen Ortund seine Signatur. Die Arroganz des Zeitgeistes und die Verachtung,mit der die Profitgier und ihre Schergen alles bestrafen, wasihnen nicht dienlich erscheine, müsse durchbrochen werden.« Weitdavon entfernt, ein verstaubtes Archiv zu werden und im Wustunterzugehen, bedient es sich der neuesten »Reproduktionstechniken«,händigt jede »blitzschnell hergestellte Kopie« kostenlos aus.»Modernste Computertechnologie mit ausgeklügelten Retrievalsystemenermögliche den uneingeschränkten Zugriff auf dieBestände, in sämtlichen Sprachen der Welt.« Von der Ausstattungdes fiktiven Archivs können reale Pendants nur träumen: 200 qualifizierteund bestens bezahlte Fachkräfte, Verschlagworter, Systematisierer,Übersetzer, Buchbinder, EDV-Leute, Organisatoren undAdministratoren, Magaziner und selbst Graphologen zur Entzifferungschwer lesbarer Handschriften seien rund um die Uhr im Einsatz.So entstünde ein einzigartiges, absolut wertfreies zweitesGehirn der Menschheit, das Schattenarchiv der unerwünschtenPublikationen, das an Umfang und Vielfalt wohl bald die offiziellgehorteten Schätze der durch Drucklegung Privilegierten übertreffenwerde.« Das schien selbst dem Autor zu utopisch, und so lässter seine »Mater Libraria« im Jahre 2027 in einem apokalyptischenBlackout zusammenbrechen. Nur noch eine Kapelle erinnert andas »unverständliche Ritual einer exotischen Kultur«.Widerstehen wir der negativen Utopie und halten wir es amEnde unserer Betrachtungen mit dem Werbeslogan der Kinder -romanserie »Die drei ???«, die immerhin Alfred Hitchcock aufdem Titelblatt der Serie zu ihrem Zeugen erklären und alsGeschäftsmodell ausgeben: »Wir übernehmen jeden Fall«. Wiein einem geisteswissenschaftlichen Basismodell haben sie dieRollen verteilt: Peter Shaw ist der Sammler, Bon Andrews kom -petent für die Archivrecherchen und Justus Jonas, der intelligenteEierkopf, filtert daraus die Erkenntnis. Das Hermeneutik-Modelllegitimiert heute erst recht die Aufgabe der Universitäten undKulturinstitute, einschließlich der von ihr betriebenen und betreutenAnlage von Künstlerarchiven.PS Nach Drucklegung dieser Reflexionen und aus gegebenemAnlass: »Der ‘Niedergang’ des historischen Archivs der Stadt Kölnam 3. März 2009 sollte zu mehr gut sein als einem besonderenFall von Realsatire! Sie bestärke alle am Diskurs Beteiligten inihrem Tun!«Kleine Bibliographie zum Diskursüber die Aktualität von Archiven:– Aleida Assmann: Erinnerungsräume.Formen und Wandlungendes kulturellen Gedächtnisses.München 1999– Jan Assmann: Das kulturelleGedächtnis. Schrift, Erinnerungund politische Identität in frühenHochkulturen. München 1997– Michel Espagne, KatharinaMiddell, Matthias Middell (Hg.):Archiv und Gedächtnis. Studienzur interkulturellen Überlieferung.Leipzig 2000. [Der Bandenthält weiterführende Beiträgezum Thema Archiv, vor allemauch zu Literaturarchiven.]– Klaus Oldenhage (Hg.): Archivund Geschichte. Festschrift fürFriedrich P. Kahlenberg.Düsseldorf 2000. (Schriftendes Bundesarchivs 57)[Die reichhaltige Festschrift fürden damaligen Präsidenten desBundesarchivs enthält einigeproblemorientierte Beiträge.]– Sabine Brenner-Wielczek,Gertrude Cepl-Kaufmann,Max Plassmann: Einführungin die moderne Archivarbeit.Darmstadt 2006. [Der Bandvermittelt historische, praktischeund kulturwissenschaftlicheGrundlagen der Archivarbeit.]– Sven Spieker (Hg.): BürokratischeLeidenschaften. Kultur- undMediengeschichte im Archiv.Berlin 2004. [Die Beiträge gebeneinen originellen und informativenEinblick in den aktuellen Diskurs.]– Jacques Derrida: Dem Archiv verschrieben.Berlin 1997– Étienne François, Hagen Schulze(Hg.): Deutsche Erinnerungsorte.3 Bde., München 2001– Wolfgang Ernst: Das Rumoren derArchive. Ordnung aus Unordnung.Berlin 2002. [Der zwischenpersön lichem Bekenntnis undTheorie diskurs vermittelndeschmale Band stellt die Archivproblematikin einen europäischenIntellektuellendiskurs.]– Michel Foucault: Archäologie desWissens. Frankfurt a. M. 1973– Pierre Nora: Zwischen Geschichteund Gedächtnis. Berlin 1990– Trajekte. Zeitschrift des Zentrumsfür Literaturforschung Berlin,5. Jg. (2005), Nr. 10, darin bes.:Sigrid Weigel: An-Archive: Archivtheoretischeszu Hinterlassenschaftenund Nachlässen, S. 4-7- 34 -


BIOGRAPHISCHE KÜNSTLERNACHLÄSSE <strong>IM</strong> RHEINLANDALS DESIDERAT ARCHIVARISCHER AKTIVITÄTENDaniel SchützWarum sind die vorhandenen Institutionen nicht in der Lage, dieAufgabe zu übernehmen? Können Museen bei der Auswahl derKünstlernachlässe in ausreichendem Maße beraten? Warum sindGemeinde-, Stadt- oder Kommunalarchive durch ihre Grund -voraussetzungen nicht in der Lage, die Archivierung von Künstlernachlässenzu übernehmen? Können Facharchive als Kompetenzzentrendiese Aufgaben bündeln? In meinem Vortrag wirdanhand von Beispielen der begrenzte Handlungsspielraum dertraditionellen Verwaltungsarchive und Museen in Bezug zurNachlassproblematik der Künstler gesetzt. In einem Ausblickwerden die Möglichkeiten eines Facharchivs zur Nachlassforschungbeschrieben.Um eines vorwegzunehmen: Natürlich können Museen beratendwirken und auch die traditionellen Archive beschäftigen sich mitKünstlernachlässen – wenn auch manch eines nur nolens volens.Doch hat die Erfahrung gezeigt, dass Beurteilung und Umgangmit Künstlernachlässen besondere Kompetenzen verlangen.Ich möchte dies an einem Fallbeispiel erläutern: 1935 starb durcheinen Autounfall der 1886 geborene Maler Walther Rath, dernach Ausbildung in Düsseldorf und Weimar in Bonn beheimatetwar. Seine rege Ausstellungstätigkeit erstreckte sich weitläufigüber den rheinischen Raum, aber auch in Hamburg, Berlin,Stuttgart und München waren seine Arbeiten auf Ausstellungenzu finden. Sein Stil entwickelte sich – wie in dieser Zeit nichtselten, vom Impressionismus über den Expressionismus zurNeuen Sachlichkeit, mit starker Prägung zu sozialkritischenThemen oder Szenen aus der Arbeitswelt. In Bonn war er Mitgliedder Bonner Künstler-Vereinigung 1914, und seit 1929 derenVorsitzender. Mitglieder der Künstlervereinigung waren u.a.Martha Worringer, die Frau des Kunsthistorikers Wilhelm Worringer,Hans Thuar und Albert Wigand, dem im Leonhardi Museum inDresden gerade eine große Ausstellung mit Katalog gewidmetwird. Weitere Mitglieder waren u.a. Jérome Bessenich undEugen Hasenfratz, die beide Mitte der 1930er Jahre in dieSchweiz emigrierten. Als sich der Neffe und Nachlasshalter vonWalther Rath 1970 wegen des anstehenden Umzuges ins Altenheiman das Bonner Stadtarchiv wandte, um den Nachlass derStadt anzubieten, war man dort zunächst ratlos. Die Befragungder üblichen Findmittel im Archiv ergab keinen Hinweis auf denMaler. In logischer Konsequenz suchte der damalige Leiter desBonner Stadtarchivs fachlichen Rat im Bonner Kunstmuseum.Da Walther Rath dem Direktor des Kunstmuseums ebenfalls keinBegriff war, recherchierte er im gängigen Lexikon für BildendeKunst. Mit den Worten: »der steht ja noch nicht mal im Thieme-Becker«, war das Urteil gefällt. Die Vorlage weniger schlecht ausgewählterArbeiten schienen dies zu bestätigen. Kein Interessean dem Nachlass wegen offenkundiger Bedeutungslosigkeit.Der Stadtarchivar kaufte dennoch drei Werke aus stadthistorischenGründen und kopierte die mitgebrachten Ausstellungs -kritiken. Der Neffe ging bald darauf ins Altenheim und sein Sohnließ das Haus entrümpeln. Auf Grund der vernichtenden Kritikdes Museumsdirektors wurde auf den Künstlernachlass keineRücksicht genommen. Der gesamte Schrift- und ein Großteil deskünstlerischen Nachlasses wurde vernichtet.Welche Schlüsse können aus diesem Umgang mit einemKünstlernachlass, dessen Behandlung sicher kein Einzelfall ist,gezogen werden?Eine allzu schnelle singuläre Betrachtung bezüglich der Bekanntheitoder der künstlerischen Qualität kann sich auch als Bumerangfür die Kunstgeschichte erweisen, werden nicht auch dieweiteren Tätigkeiten des Künstlers im soziokulturellen Umfeld inden Entscheidungsprozess mit einbezogen. Nicht immer wird aufdieser Ebene das ausschlaggebende Moment zur Annahme desNachlasses liegen, doch übersieht man dort wichtige Aktivitäten,können eminent wichtige Quellen für die regionale Kunstgeschichtsforschungverloren gehen.Im Fall Walther Rath wurde nicht nur das biographische undkünstlerische Material zur Aufarbeitung des Malers vernichtet,sondern auch das Aktenmaterial der Bonner Künstler-Vereinigung1914, deren Aktivitäten nun kaum mehr zu rekonstruierensind. Ein herber Verlust für die Bonner Kunstgeschichte der1920/30er Jahre!Zur Auswahl der Künstlernachlässe ist demnach die Kenntnis derregionalen Kunst- und Künstlergeschichte nicht unwichtig. Geradedie Erforschung des Beziehungsgeflechts der Künstler untereinandereröffnet weitere Ansätze zur Nachlassakquirierung. Oftmalsist die Stärke der Bindung nur über die Einsicht in den Nachlassselbst zu belegen, ja erschließt sogar neue Erkenntnisse,- 35 -


d.h., eine Nachlassakquirierung kann nicht nur durch singuläresBetrachten der künstlerischen Qualität betrieben werden. Siemuss immer auch die Intensität der Beziehungen zu andereninteressanten Künstlern mit einbeziehen. Das soll natürlich nichtheißen, dass ein hohes Maß an inhaltlicher Verflechtung zu anderenKünstlern in der Beurteilungsrelevanz über der Qualität deseinzelnen Künstlers steht. Hohe künstlerische Qualität befähigtnatürlich in besonderem Maße zur Aufnahme, doch ist dieQualität eben nur ein Teilaspekt innerhalb der Auswahlkriterien.Deshalb verwende ich den Begriff »Nachlassforschung«, da dieAuswahl von interessanten Nachlässen in hohem Maße mit derErforschung des künstlerischen Umfeldes zu tun hat.Als kurzes Beispiel soll hier der Nachlass von Valentin Talagastehen, der über Biographisches zum Künstler selbst als hervor -ragende Quelle für seinen Freund Richard Schreiber zu werten ist.Da es in der Familie Schreiber so gut wie keine Nachlassdokumentegibt, sind die zahlreichen photographischen Werkreproduktionenim Nachlass Talaga momentan die einzigen Zeugnissevon Schreibers Frühwerk, einem Maler, der auf den Ausstellungendes Jungen Rheinlands vertreten war, längere Zeit mit seinemMalerfreund Talaga in Paris lebte und von Flechtheim inBerlin gefördert wurde. Heute wird Schreiber überwiegend mitseiner Propagandamalerei während des 3. Reichs in Verbindunggebracht, die ihm später zum Verhängnis wurde. Nachdem seineTätigkeit als PK-Maler an der Düsseldorfer Akademie bekanntgeworden war, verlor er nach nur zwei Jahren seine 1946 ver -liehene Professur, da die Schüler seinen Unterricht boykottierten.Eine differenzierte Sichtweise auf sein Gesamtwerk steht weiterhinaus.Das Künstlernachlassarchiv als Ansprechpartnerfür Museen, Archive, Künstler und Nachlasshalter:1964 schrieb die Tochter des Münchner Malers Franz von Lenbachhilfesuchend an die Archivleiterin eines großen Stadtarchivs,ob sie sich für die Korrespondenz ihres Vaters interessiere, oderwelches Institut für den Briefnachlass in Frage käme. Die Archivleitereinwusste keinen Rat und verwies an einen MünchnerAutographenhändler.Warum soll sich das gleiche Szenario nicht auch heute wieder -holen? Erschien der deutschlandweit anerkannten Professorin fürMediävistik die Korrespondenz unbedeutend? Führten im eingangsbeschriebenen Fall von Walther Rath Ignoranz und Kenntnismangelzum Totalverlust, so muss hier Zeitmangel oder Unwilligkeitunterstellt werden, sich über eine sinnvolle Unterbringungdes Nachlasses Gedanken zu machen. In beiden Fällen führte dieBefragung vermeintlicher Fachinstanzen zum Verlust von Quellenmaterial.Fehlentscheidungen dieser Art können zukünftig vermiedenwerden, wenn die neuen Facharchive für Künstlernachlässedurch eine wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit sich bei denMuseen und traditionellen Archiven bekannt machen. Ist dorterst ein Problembewusstsein für dieses sensible Thema entstanden,wird es zu einer positiven Zusammenarbeit kommen.Weiterhin muss die Aufklärungsarbeit an der Basis ansetzen, beiden Nachlasshaltern und den Künstlern selbst. Nur hier könnenqualitativ wertvolle Nachlässe entstehen, bewahrt und ein Kassierenvon Dokumenten zu Lebzeiten verhindert werden. Wenn esin den Kunstakademien schon Seminare zur eigenen Vermarktunggibt, dann wäre eine Einführung in die sinnvolle Quellenüberlieferungauch wünschenswert!Nach Rat suchende Nachlasshalter werden durch die Arbeit derFacharchive über die Bandbreite der aufzubewahrenden Archivalienaufmerksam. Dafür kommen verschiedene Wege in Betracht.Neben der Fachpresse, in der besondere Einzelstücke vorgestelltoder didaktisch orientierte Ausstellungen besprochen werdenkönnen, bietet auch die Lokalpresse durchaus Möglichkeiten,durch Vorstellung ausgewählter Beispiele breite Schichten derBevölkerung zu interessieren.Weiterhin wird mittels eines klar strukturierten Internetportals desjeweiligen Facharchivs der Zugang zu der Nachlassthematik erleichtert.Durch das Eingeben der einschlägigen Begriffe in die Such -maschinen gelangt man direkt auf die Startseiten der Archive mitihren vielfältigen Möglichkeiten zur Information oder direktenKontaktierung.- 36 -


Das Künstlernachlassarchiv als Kompetenzzentrumder NachlassforschungAuch einem Facharchiv für biographische Künstlernachlässe sindletztendlich die Einblicke in die mikrokosmischen Strukturen derKunstgeschichte verwehrt, die zur Beurteilung die besten Voraussetzungenbieten. Diese Ebene beschäftigt sich mit stadtgeschichtlicherKünstlerforschung und Erforschung von Künstlergruppen.Aufgabe eines Nachlassarchivs muss es daher auchsein, durch die Auseinandersetzung mit der regionalen Fach literaturdas Gespräch mit dem Wissenschaftler zu suchen. Sein oftin jahrelanger Forschung erworbenes Fachwissen gilt es für dieAuswahl der Künstler zu nutzen. Diese Arbeit, den Einblick inregionale Mikrostrukturen, kann auch ein Facharchiv für Künstlernachlässenicht leisten. Gleichwohl muss es in der Lage sein, dieregional orientierte Forschung für sein Vorhaben zu gewinnenund auf diesem Gebiet Überzeugungsarbeit zu leisten. Hierwerden am ehesten Qualitäten noch unentdeckter Künstler sichtbar,die bislang noch nicht von der Kunstgeschichte ausreichendgewürdigt wurden und deren Nachlässe – sofern sie vorhandensind, - für zukünftige Forschungen zu sichern sind. Auf diesermikrokosmischen Ebene befindet sich ebenfalls das Wissen,welcher Nachlass über Biographisches zum Künstler hinaus nochWeiteres zu bieten hat, das für die Kunstgeschichte von Interessesein könnte, sei es auf dem Gebiet der Personenforschung imengerem Freundeskreis, einer Tätigkeit als Vorsitzender oderSchriftführer einer Künstlergruppe oder anderer Bedeutungs -zusammenhänge.Das Wissen um kunsthistorisch relevantes Forschungsmaterial istin den seltensten Fällen unter den Mitarbeitern der Museen oderder Stadtarchive zu finden, da hier nicht deren Kompetenzenliegen. Es ist den Stadt- und Gemeindearchiven – die ja in ersterLinie immer noch Verwaltungsarchive sind – nicht zuzumuten,sich darüber hinaus mit der Nachlassforschung zu beschäftigen.Oft genug bleibt viel zu wenig Zeit, sich, zusätzlich zur immergrößer werdenden Flut von Aktenabgaben aus der Verwaltung,noch angemessen um die Sicherung der eigenen Stadtgeschichtezu kümmern. Gleiches gilt für die Museen, deren genuine Auf -gabe es ist, die besonders herausragenden Leistungen auf demGebiet der bildenden Kunst der Öffentlichkeit zu präsentieren.Eine Einarbeitung in Randgebiete außerhalb des medialenAusstellungsbetriebes ist daher unrealistisch.Das Künstlernachlassarchiv alsForschungskatalysator der Bildenden Kunst:Wissenschaft schafft Wissen durch Forschung. Forschung mithohem Erkenntniswert braucht Quellenmaterial. Universitätenbieten ein hohes Maß an Forschungspotential. Damit ein Nachlassarchivüber die klassische Form des Sammelns und Bewahrenshinausgeht, braucht es neben einer guten Vernetzung auch einemöglichst enge Anbindung an den wissenschaftlichen Betrieb.Mit eng ist nicht nur die räumliche Nähe zur Universität gemeint,die das Forschen mit Quellen erleichtert, eng sollte auch derInformationsaustausch sein, um mögliche Forschungsfeldergemeinsam zu erarbeiten. Gerade in einer konstruktiven Zusammenarbeitmit Studierenden liegen in mehrfacher Hinsicht dieStärken eines Facharchivs.Natürlich braucht Quellenforschung gewisse »Appetizer«, umerst einmal auf den Geschmack zu kommen und die Hemmschwellevor dem »alten Papier« zu überwinden. Doch wird derForscherdrang durch die Beschäftigung mit interessanten Lebensbildernan Hand von Originaldokumenten in der Regel schnellgeweckt. Hilfreich ist sicherlich auch eine gute Tiefenverzeichnung,um den Zugang zum Quellenmaterial zu erleichtern. Dennnur der Erfolg spornt zu weiterer Forschung an, und das ist letztendlichdas zu erreichende Ziel. Beide Seiten profitieren, die Wissenschaftdurch Vermehrung der Erkenntnis und der Studierende,der positiv mit Quellenarbeit vertraut gemacht wird. Gerade inder heutigen Diskussion um kurze Studienzeiten und zielorientiertesStudieren hat die Quellenforschung keinen leichten Stand.Nur noch wenige Enthusiasten werden sich die Zeit nehmen undein eigenes Quellennetzwerk zu einem Thema aufbauen. Dochwill die Kunstwissenschaft in Zukunft nicht zur reinen Literaturwissenschaftherabsinken, braucht der universitäre Betrieb Partnerinstitutionen,die den Studierenden den Zugang zur Quellenforschungerleichtern und nahebringen. Hier beschreitet derneue Archivtypus bildungspolitische Pfade, die weit über denklassischen Archivgedanken hinausgehen.- 37 -


»HINTER JEDEM <strong>KUNST</strong>WERK KANN EINEÄSTHETISCHE BOTSCHAFT STECKEN, DIE <strong>FÜR</strong>DIE NACHWELT VON NUTZEN SEIN KANN.«Ben Muthofer, Künstler, München


STRATEGIEN <strong>IM</strong> UMGANG MIT DEM KÜNSTLERISCHEN NACHLASSBen MuthoferDas Referat beschäftigt sich mit den drängenden Fragen, welcherechtlichen Möglichkeiten entwickelt werden können, den zahl -reichen Nachlässen von Bildenden Künstlern, die in den nächstenJahren zu erwarten sind, in gesellschaftlicher Verantwortunggerecht zu werden. Ein Phänomen der deutschen Nachkriegs -–geschichte war nämlich der große Zulauf von Studenten an denWerkkunstschulen, Kunsthochschulen und Kunstakademien, insbesonderein den 60er-Jahren, wo durch liberalisierende Studien -reformen die Anzahl der Schüler enorm stieg. Nach 40-50 Jahrenkünstlerischer Arbeit hat sich heute bei dem einen oder anderenKünstler zumeist ein quantitatives Werkschaffen angehäuft, umdessen Verbleib er in zunehmendem Alter mit einer Reihe von Problemenkonfrontiert wird, insbesondere Bildhauer, welche dreidimensionalarbeiten. Die meisten Künstler, die von ihrer Kunst nichtleben konnten – also auf Nebenjobs angewiesen waren, wenn sienicht zufällig einen Lehrauftrag oder eine Professur innehatten –werden ohne öffentliche oder private Hilfe nicht in der Lage sein,das komplexe Problem selbständig zu lösen. Hier ist Hilfe zurSelbsthilfe vonnöten. Es sollen im Folgenden Wege aufgezeigtwerden, wie rechtzeitig Kosten entlastende Vorsorgemaßnahmenmit dem künstlerischen Erbe getroffen werden können, wollenKünstler und Werk im Bewusstsein der Öffentlichkeit bleiben.1. Stiftung einer repräsentativen Kollektion mitsteuerbegünstigtem Gegenwert an gemeinnützige Museen mitvertraglicher Festlegung von GegenleistungenEin Künstler stiftet seinen künstlerischen Nachlass oder eine darausfestgelegte Anzahl von Werken unter bestimmten Bedingungen.Voraussetzung ist hier der Kontakt mit einer gemeinnützigenmusealen Einrichtung, die von ihrem Auftrag hier prädestiniert ist,den Charakter des künstlerischen Nachlasses angemessen zubewerten. Diese Stiftung muss zwischen Geber und Nehmer vertraglichgeregelt werden. Aus dem Vertrag muss eindeutig hervorgehen,was in welchem Wert zu welchem Zweck gestiftet wird.Vorausgesetzt wird die Gewährleistung, dass die Stiftung fachlichbetreut wird und alle geeigneten Vorhaben zu seiner Verbreitung,z.B. durch Ausstellungen und Publikationen, genutzt werden.Unabhängig davon verbleiben die Urheberrechte am Werk beimKünstler als Stifter auch 70 Jahre nach seinem Tod, d.h. die Ab -gaben für Folgerechte, Reproduktionsrechte, Senderechte undOnlinerechte kommen den eingesetzten Erben zugute. Eine Zu -stiftung wird nicht ausgeschlossen, soweit Künstlerwitwen keinenEinspruch erheben. Eine in Kürze vollzogene Stiftung beim KunstforumOstdeutsche Galerie in Regensburg findet folgende fest -gelegte Zweckbestimmung:Dem Kunstforum in Regensburg wird aus meinem künftigenkünstlerischen Nachlass repräsentative Werke aus den BereichenGemälde, Zeichnung, Druckgrafik, Skulptur und Relief gestiftet.Die gestifteten Werke werden genau spezifiziert, quantifiziert undbewertet. Der Künstler erhält über den Wert seiner Stiftung eineSpendenquittung. Da die Stiftung auf 2 Jahre verteilt wird, könnenauch zweimal Spendenquittungen beim Finanzamt geltendgemacht werden. Wichtig ist bei der Vertragsunterzeichnung, dassdem Stifter durch die Stiftung keinerlei steuerliche Belastungenentstehen. Voraussetzung hierzu ist die Gemeinnützigkeit desMuseums, was im Falle des Kunstforums gegeben ist. Als Gegenleistungfür die Stiftung verpflichtet sich das Kunstforum OstdeutscheGalerie, in Zusammenarbeit mit dem Künstler zu einembestimmten Zeitpunkt ein Werkverzeichnis zu erarbeiten, welchesanlässlich einer im Museum stattfindenden Retrospektive desKünstlers und Stifters erscheinen soll. Ausstellung mit Katalogkann den Wert des Nachlasses steigern. Das Kunstforum garantiertdarüber hinaus sachgerechte Aufbewahrung und angemesseneVersicherung der gestifteten Werke. Die gestifteten Werke dürfennicht veräußert werden. Mit dieser Art von Stiftung ist gewährleistet,dass Name und Werk des Künstlers nicht in Vergessenheitgeraten.2. Schenkung ausgewählter Arbeiten zur Errichtungeines Künstlerraumes in einem Museum oder in einemöffentlichen RaumDieses Modell entspricht im Wesentlichen dem vorangehenden,nur in dem Unterschied der Zielsetzung einer permanenten Präsentationin der Schausammlung bzw. Dauerausstellung im Museum.Dabei muss sich der spezifische Charakter des Museums mit derKunstrichtung des Nachlasses decken. Es gibt keinen Sinn, konkreteKunst einem Museum anzubieten, das seinen Schwerpunkt imImpressionismus und Expressionismus hat. Speziell in der Bildhauereiist das Konzept eines Skulpturenpfades oder –Parks dort äußerstsinnvoll, wo sich Museen mit Schwerpunkt Bildhauerkunst in Parkanlagenoder Industrie und Wirtschaft mit großzügigem Arealbefinden. Die Schenkung müsste in diesem Fall großzügiger ausfallen,um einen Wechsel in der Dauerpräsentation bewirken zu können.- 40 -


3. Treuhänderische Stiftung des Nachlasses oderVerwaltung durch Privatpersonen oder Privatgalerienmit zweckgebundenem AuftragDie treuhänderische Stiftung ist eine Alternative zur rechtsfähigenStiftung, denn sie bietet dem Stifter in der Praxis zahlreiche Vorteile:- Kein behördliches Genehmigungsverfahren erforderlich- Niedrige Gründungskosten, einfache Gründungsvoraussetzungen- Niedrige Kosten für die laufende Verwaltung, da die Organisationdes Treuhänders zur Verfügung steht- Keine staatliche Aufsicht durch die Stiftungsaufsichtsbehörde,sondern Kontrolle durch Stiftungsgremien und Finanzbehörden.Der Stifter kann einzelne Aufgaben bis hin zur gesamten Verwaltungder Stiftung dem Treuhänder übertragen. Der Stifter hat insbesonderebei größeren Zuwendungen an seine treuhänderischeStiftung zahlreiche Steuervorteile, die über die normalen Spendenabzugsmöglichkeitender Spenden an andere gemeinnützigeEinrichtungen hinausgehen (z.B. Sonderausgabenabzüge anlässlichder Gründung der Stiftung und zusätzliche Sonderausgabenabzügefür laufende Zuwendungen). Noch einfacher ist dasModell der treuhänderischen Verwaltung durch Privatpersonen.Im Testament des Künstlers muss klar schriftlich festgelegt undnotariell beglaubigt werden, wer zu welchem Zweck für dieseTätigkeit eingesetzt wird. Wichtig ist vor allem die Regelung derRechte am Nachlass durch die Hinterbliebenen des Künstlers,damit keine Interessenkonflikte in Rechtsfragen entstehen. Esgeht bei der treuhänderischen Verwaltung um die wissenschaft -liche Dokumentation, Ordnung und Sicherung des Nachlasses.Für eine geeignete fachgerechte Bewahrung des Nachlasses kanneine private Person oder Einrichtung fungieren, wenn sie mitSachkompetenz und Verantwortungsgefühl ausgestattet ist. Siesorgt auch für Leihvorgänge und Verkauf aus dem künstlerischenNachlass. Hierbei kann eine Internetpräsentation über Sinn undZweck dieser treuhänderischen Verwaltung von großem Nutzensein. Der Erlös aus dem Verkauf oder durch Urheberrechte amBild kann beispielsweise einer gemeinnützigen Einrichtung mitsozialem oder karitativem Charakter zugutekommen. Eine Aufwandsentschädigungfür den Verwalter muss im Testament ge -regelt sein. Keinesfalls darf es um persönliche Bereicherung desTreuhänders durch den künstlerischen Nachlass gehen.4. Errichtung einer eigenen gemeinnützigen Stiftungmit Stiftungsvermögen und zweckgebundenem AuftragNeben der treuhänderischen Stiftung tritt hier rechtsfähigeStiftung des Bürgerlichen oder Öffentlichen Rechts in Kraft. Nachallgemeiner Definition ist eine Stiftung eine organisatorisch verselbständigteVermögensmasse, die auf Dauer einem bestimmtenZweck gewidmet ist. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Stiftungsarten,denen gemeinsam ist, dass ein Stifter seinem Willen,eine Stiftung zu gründen, in einem Stiftungsgeschäft Ausdruckverleiht, ein bestimmtes Vermögen dauerhaft zur Erfüllung desvon ihm bestimmten Stiftungszweckes zur Verfügung stellt undeine dem Stiftungszweck angemessene Organisation schafft.Wird die Stiftung – wie meist – zu gemeinnützigen, mildtätigenoder kirchlichen Zwecken errichtet, muss die Satzung weitereAngaben erhalten, etwa zur Art der Zweckverwirklichung undzur Vermögensbindung für steuerbegünstigte Zwecke. Es gehtum die Steuerbegünstigung der Stiftung und die Steuervorteilefür den Stifter. Diese rechtlichen Voraussetzungen für eine eigeneStiftung können mit folgender Zweckidee verbunden werden:Die von mir 1995/96 angeregte Idee eines Atelierprojektes undden damit kooperierenden inhaltlichen Zielen stellen ein einmaligesund innovatives Modell kommunaler und privater Initiative dar,welche die Stadt Ingolstadt als lebendiges Zentrum der konkretenKunst national und international zusätzlich bekannt machte.Nach der Gründung des Museums für Konkrete Kunst im Jahr1992 klang die Idee, ab 1997 in Ingolstadt profilierte Künstlerder Konkreten Kunst für das Atelierprojekt anzusiedeln, sinnvollund vielversprechend, da diese Symbiose bislang einzigartig inDeutschland ist. Die bauliche Synthese von modernem Atelier,Werkstattbetrieb, Privatwohnung und Gartengestaltung entsprachdem klassischen Gedanken des Gesamtkunstwerkes, wieer sich bereits im staatlichen Bauhaus zu Dessau verwirklichte.Dass die Stadt Ingolstadt an diese Tradition anknüpfen wollte,hebt sie von vielen anderen großstädtischen Kunstzentren herausund schärft das kulturelle Profil der Stadt. Hierzu gehört auch dieim Jahr 2007 in Ingolstadt gegründete Stiftung für KonkreteKunst und Design, die eigens von der Regierungsbehörde Oberbayerngenehmigt wurde.Wohn- und Nutzungsrecht dieser Ateliers sollten aber nur inHänden qualifizierter professioneller Künstler der KonkretenKunst liegen. Damit sollte gewährleistet werden, dass konkreteKünstler in Ingolstadt wohnhaft werden und so auch das aktuellekünstlerische Schaffen Konkreter Kunst in Ingolstadt beheimatetwird. Das Ziel war es, eine »konkrete Künstlerkolonie« mit Langzeitwirkungin Ingolstadt zu verwirklichen. Denn diese Ateliershätten eine Nutzungsdauer von 50 Jahren gehabt; nach demAbleben des Künstlers und deren Frau oder Lebensgefährtinwäre sein Atelier mit dem gesamten künstlerischen und theoretischenNachlass in eine gemeinnützige Stiftung – wie obenbeschrieben – übergegangen. Der Wert der Stiftung wäre mitmäzenatischer Hilfe in ein Vermögen umgewandelt worden, mitwelchem beispielsweise im Rahmen von »Artist in Residence«nationalen und internationalen konkreten Künstlern Atelier,Werkstatt und Wohnraum für eine gewisse Zeit zur Verfügungstehen. Mäzene sind zumeist höchst erfolgreiche Unternehmerpersönlichkeiten,die neben ihrem Vermögen auch unternehmerischePrinzipien und Kunstsachverstand in die Stiftungsarbeit einbringen:Innovationsbereitschaft, strategisches Investieren, Mutzum Risiko.Alle Modelle haben die gleiche Sinnstiftung:Es geht um die Bewahrung von Kultur im Sinne von Erbe undAuftrag. Das ist kein privates, sondern stets ein öffentlichesAnliegen. Die Frage der Wertigkeit der Stiftung schließt die derDringlichkeit nicht aus. Nur sogenannte Qualitäten zum Maßstabdes besonderen Schutzes von Kulturgut zu nehmen, wäre sicherlichder falsche Weg. Hinter jedem Kunstwerk kann eine ästhetischeBotschaft stecken, die für die Nachwelt von Nutzen seinkann. Deren gesellschaftliche Verpflichtung in der Verwahrungkünstlerischer Nachlässe sollte dabei zu einer Selbstverständlichkeitwerden.- 41 -


»ICH SEHE DIE MUSEEN DURCHAUSIN DER PFLICHT, SICH AN DER RETTUNGDES KULTURELLEN ERBES EINERREGION ZU BETEILIGEN, AUCH WENNDIE VORAUSSETZUNGEN SICH EHERSCHWIERIG DARSTELLEN.«Elisabeth Dühr, Museumsleiterin, Trier


NACHLÄSSE, WAS TUN? AUS DER PRAXIS EINES STADTMUSEUMSElisabeth DührDas Stadtmuseum Simeonstift Trier ist ein historisches Stadt -museum, das sich in seiner Ausrichtung bewusst zur Geschichteund Kunstgeschichte der Stadt und Großregion bekennt. Rund40.000 Gäste pro Jahr besuchen unsere Ausstellungen zur StadtundRegionalgeschichte, zur Kunstgeschichte der Großregionund die Ausstellungen zu den Kunstpreisen, dem Ramboux-Preisder Stadt Trier und dem Robert-Schuman-Preis der Städte Luxemburg,Metz, Saarbrücken und Trier. Grenzüberschreitende Projektezu historischen und kunsthistorischen Themen der Großregionbilden den Schwerpunkt unserer Arbeit.Das Museum existiert seit rund 110 Jahren und insbesondereunsere Ausstellungen zu regionalen Themen, wie die Aufarbeitungder Geschichte der Trierer Werkkunstschule, monographischeArbeiten zu Künstlerpersönlichkeiten der Region, zurGeschichte der Trierer Porzellanmanufaktur, zur Typologie derWallfahrtsandenken, zur Französischen Zeit der linksrheinischenGebiete etc., haben den Kontakt zu zahlreichen Familien nachsich gezogen, die das Simeonstift als Ansprechpartner in denunterschiedlichsten Bereichen betrachten. Dabei spielen Fragenzu Künstlernachlässen und Sammlungsnachlässen eine wesent -liche Rolle.Seit rund 10 Jahren nehmen nach unserer Erfahrung die Anfragenzu Nachlässen und Sammlungen stetig zu. Es handelt sichbei den Anfragen in erster Linie um Nachlässe und Sammlungenaus der späten ersten Hälfte und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.Trotz der engen Verbindung des Hauses zu vielenBewohnern der Region erreichen uns noch zahlreiche Anfrageneher zufällig und auf Umwegen, was mich persönlich sehr beunruhigt.Es ist vielen noch nicht klar, dass das Museum als ersteAnlaufstelle behilflich sein kann, Nachlassfragen zu klären. DieWege zu professionellen Wohnungsräumern sind bekanntlichkurz. Meist handelt es sich bei den Nachlässen um überregionaleher unbekannte Künstler oder mäßig bedeutsame Werkkomplexe.Nachlässe berühmter Künstler mit hohem Marktwert stellen jabekanntlich weniger ein Problem dar. Künstler selbst haben leidernoch nie im Vorfeld nachgefragt, wie sie Ihren Nachlass ordnenund schützen könnten. Ich sehe die Museen durchaus in derPflicht, sich an der Rettung des kulturellen Erbes einer Region zubeteiligen, auch wenn die Voraussetzungen sich eher schwierigdarstellen. Aus unseren bisherigen Erfahrungen kann ichFolgendes zusammenfassend resümieren:- 44 -


1.In jedem Falle sollten Museen auf jede Anfrage reagieren undsich die Nachlässe ansehen. Die Fragenden dürfen nicht alleinegelassen werden, fachliche Beratung ist Pflicht.2.Bei der Begehung der Aufbewahrungsorte können schon einfachsteHinweise für die Erhaltung eines Nachlasses wesentlichsein, noch ehe Absprachen anderer Art getroffen werden:RaumtemperaturFeuchtigkeitLichtFeuchte Keller, lichtdurchflutete Räume, Heizlüfter als Ablage,halboffene Garagen, es ist unglaublich, was man bei solchenBegehungen antrifft. Verhaltensregeln, die Museumsmitarbeiternselbstverständlich sind, müssen weitergegeben werden. Bei diesenBegehungen sollte auch versucht werden, die Nachlasshalterzu einer ersten »Inventarisierung« der Arbeiten zu animieren,selbst wenn es sich in den meisten Fällen nur um eine quantitativeErfassung handeln kann.3.Offene Aussprache über das heikle Thema einer kritischen Qualitätsprüfung.Sicherlich einer der schwierigsten Bereiche, da diepersönliche Wertschätzung eines Nachlasses oft erheblichabweicht von dem Urteil einer Fachkraft. Hier ist, so schwer esauch immer fällt, ein offenes Wort unumgänglich. Sollte kein Einvernehmenerzielt werden, kann der Besuch eines weiteren Kollegenangeraten werden. Die existenzielle Dimension dieser Fragestellungenwird oft nicht beachtet. Die völlige Fehleinschätzungdes Kunstmarktes macht häufig auch Zukunftsplanungen zunichte.Oft werden Nachlässe ja auch als Existenzsicherung der Angehörigenverstanden.anderen Institutionen können auch hilfreich sein, weitere Aufbewahrungsmöglichkeitenzu eröffnen: Beispielsweise Schulkeller,Bunkerräume etc.6.Die Herstellung eines Kontaktes zu anderen Institutionen wieBibliotheken und Archiven ist ebenfalls oft sehr hilfreich. Hierkann unter Umständen eine fruchtbare Kooperation angeregtwerden. Eine Aufteilung der Nachlässe in verschiedene Segmenteist oft möglich und sinnvoll. (Bücher, Autographen, Werke derbildenden Kunst etc.)7.Schwierig erweist sich nach unserer Erfahrung hingegen dieZusammenarbeit mit der Universität. Nur in den seltensten Fällenist es möglich, interessierte Dozenten und Studenten zu gewinnen,die sich der Aufarbeitung von Nachlässen auch wenigbekannter, regionaler Künstler annehmen. Aber einen Versuch istes allemal wert.8.Beratung vor dem Verkauf: Der Markt für ein Werk muss aufgebautwerden. Weder völlig überzogene Preisvorstellungen derNachlasshalter noch die Verschleuderung der Werke sind ratsam.Schlussfolgerung: Museen sollten sich durchaus als kompetenteAnsprechpartner für Künstlernachlässe und Sammlungsnachlässeöffentlich darstellen. Jeder Bürger mit einem einschlägigen Problemsollte sich ohne Zögern an das ihm nahegelegene Museumwenden können. Hilfestellung heißt nicht in jedem Falle Übernahme,beratend zur Seite stehen ist meist gefragt.Der Verlust von künstlerisch interessanten Werkkomplexen mussverhindert werden. Auch die anonyme Zerstreuung auf dem Wegdes Internetverkaufs stellt eine Gefahr dar. Die Museen könnensich nicht aus der Verantwortung stehlen.4.In heiklen Fällen sollten Museen Nachlässe aufnehmen, wenn dieGefahr einer Auflösung besteht. Die Übersiedlung des Nachlasshaltersin ein Altersheim, die Verkleinerung des Wohnraumes,der Umzug zu den Kindern sind hier die häufigsten Fälle. Ehe dergesamte Bestand bei Wohnungsräumungen etc. verloren geht,sollte das Museum als Aufbewahrungsort angeboten werden,auch wenn Aufarbeitung und öffentliche Präsentation in absehbarerZeit nicht gewährleistet werden können. Zum Prinzip, alsvorläufige Endstation zu dienen, sollten sich die Museen inErmangelung von Alternativen bekennen. Klare vertraglicheRegelungen (Schenkung, Vermächtnis, spätere Weitergabe andie Erben etc.) sind in diesen Fällen erforderlich.5.Oft können Museumsfachleute auch Hinweise geben, wie einNachlass unter möglichen Erben aufgeteilt werden kann, ohneGefahr zu laufen, dass er verloren geht. Für eine Zwischenlagerungbis zum Eintritt des Erbfalles sollten die Magazine derMuseen zur Verfügung stehen. Die Kontakte der Museen zu- 45 -


»ES GEHT ALSO NICHT NUR UM NACHLÄSSE,ES GEHT UM EIN GESAMTBEWUSSTSEIN MITRÜCKBLICK UND AUSBLICK.«Paul Bertemes, Kunstvermittler, Luxembourg


SEIN ODER NICHT-SEIN –VON DER FREUDIGEN MÜHE, EIN <strong>KUNST</strong>-DACH ZU SCHAFFENPaul BertemesSein oder Nicht-Sein – Von der freudigen Mühe, ein Kunst-Dachzu schaffen, habe ich meinen Beitrag bezeichnet. Die etwassaloppe Formulierung erfordert Erklärungen – auch weil aller kulturellerGroßregion- und Saar-Lor-Lux-Beschwörungen zum Trotzdas Kunstleben in Luxemburg bei den direkten Nachbarn injüngster Zeit wohl etwas transparenter geworden ist, auf breiterEbene aber immer noch eher wenig bekannt ist. Was selbstverständlichauch umgekehrt der Fall ist.Würden wir hier einen Quiz veranstalten, bei dem jeder spontan,ohne Hilfe und in fünf Minuten jeweils zehn Namen nennen solltevon Künstlern, Musikern, Schriftstellern und Theaterleuten ausden jeweils vier Bestandteilen, die die geographische Großregionausmachen, würde wohl jeder, meine Wenigkeit inklusive, etwasratlos wirken. Mitunter also scheinen Mosel, Sauer, Our und einigeArdennenbäche immer noch reale Grenzen im Kopf zu graben,die mitunter an oft dichte Nebelbänke über dem Ärmelkanalerinnern.Liebe Kunstfreunde, Lebenswerke von Künstlern sind Nachlässeder besonderen Art. Es ist nicht wie bei einer üblichen Erbschaftvon materiellen oder immateriellen Gütern. Es geht also nicht umHaus oder Bankkonto, es geht vielmehr um ein künstlerischesErbe, um persönliche Entwicklungsgeschichten, die mitunterwesentliche Akzente im Verlauf der kulturellen Entwicklung einesregionalen oder gar internationalen Umfeldes gesetzt haben. Essind Eckwerte des intellektuellen, auch des soziokulturellen Verlaufs,den eine Gesellschaft genommen hat oder nimmt. Hinzukommt , dass je höher das Renommee eines Künstlers ist, destohöher auch der finanzielle Wert dieser Erbschaften ist. Doch dieWertigkeit von Kunst sollte man, davon bin ich überzeugt, nichtausschließlich nach Geldaspekten beurteilen.Künstlernachlässe sind vielmehr Verpflichtungen, wertvolleGeschenke mit der Auflage, sie als eine Art Vermächtnis zubetrachten, das nicht nur konserviert, sondern aufgearbeitet,archiviert und dauerhaft zugänglich gemacht werden soll.In unserer zeitgenössischen Sprache könnte man von einer nachhaltigen und ganzheitlichen Aufgabe sprechen. Wir sind dabeieine Art, um das englische Wort zu gebrauchen, »care-taker« mitverantwortungsvoller Um- und Weitsicht. Den Blick nach vornegerichtet, aber mit den notwendigen Rückblicken in einen breitenRückspiegel. Ich möchte gleich zu Beginn dem Institut fürAktuelle Kunst im Saarland – und damit Professor Enzweiler undseinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – ich erlaube mir hierstellvertretend Dr. Claudia Maas zu nennen – danken, das Themanicht nur aufzugreifen, sondern grenzüberschreitend in einenbreiteren Diskussionsrahmen zu setzen, um so konsequent undgrenzüberschreitend nach Lösungen für die Problematik zu suchen.Die Thematik Künstlernachlässe liegt mir auch aus sehr persönlichenGründen am Herzen. Ich bin selbst mit der herausfordernden,aber spannenden Aufgabe konfrontiert, mit Unterstützungmeines Bruders, des Archäologen Professor François Bertemes,der an der Universität Halle lehrt, das künstlerische Lebenswerkmeines Vaters, des luxemburgischen Malers und Radierers RogerBertemes, zu betreuen. Mein Vater, der im November 2006 einigeMonate vor seinem achtzigsten Geburtstag nach längererKrankheit verstorben ist, ist wohl eines der typischen Beispiele fürKünstler dieser Region, die es auf ihrem künstlerischen Weggeschafft haben, nicht nur in ihrer Heimatregion, hier alsoLuxemburg, sondern darüber hinaus in verschiedenen LändernEuropas sowie in wichtigen nationalen und einigen internationalenKulturinstitutionen Akzente zu hinterlassen. Dabei konntensie zwar nicht in die höchsten Sphären des internationalen kommerziellenund musealen Kunstbetriebs vordringen. DochRenommee in der Kunst hat eh oft etwas mit den richtigen Förderernund den richtigen Kontaktleuten zum richtigen Zeitpunktzu tun. Was aber der künstlerischen und intellektuellen Wertigkeitdes Lebenswerkes dieser Künstlerinnen und Künstler keinenAbbruch tut. Insbesondere dann nicht, wenn dieser Schaffenswegkontinuierlich, konsequent, innovativ, selbstkritisch und ineiner persönlichen Entwicklung verlaufen ist.Den Erben eines solchen Lebenswerks stellen sich Probleme wieAufarbeitung, Archivierung, Präsenz in der Öffentlichkeit, Forschungspotenzial,Dauerhaftigkeit mit nahezu alltäglicher Pertinenz.Wir versuchen, allgemeingültige Lösungen zu erarbeiten, die sichnicht alleine auf eine Künstlerpersönlichkeit beschränken, sonderneinem Bündel von Anforderungen gerecht werden. Das möchte ichihnen im weiteren Verlauf meines Beitrags nun illustrieren.- 48 -


Spezifische Situation in LuxemburgDazu zuerst ein skizzenhafter Ausblick auf die derzeitige Situationin meinem Heimatland. Es sind in der Kulturpolitik Luxemburgs inden vergangenen Jahren – und dies insbesondere nach den beideneuropäischen Kulturjahren 1995 und 2007 – erfreulich positiveAufbrüche zu verzeichnen. Der Anteil des Kulturbereichs amStaatshaushalt ist kräftig gestiegen, längst überfällige Infrastrukturenwie etwa die Philharmonie, das MUDAM, das KulturzentrumAbtei Neumünster … sind in einer stattlichen Anzahl errichtetworden, bestehende Kultur-Gebäude wie etwa das Muséenational d’histoire et d’art sind aufwändig und architektonischwertvoll in Stand gesetzt und ausgebaut worden.Parallel dazu ist das kulturelle Angebot kräftig angewachsen undes hat eine bestimmte Internationalisierung stattgefunden. Diebeschränkt sich wohl ab und zu auf ein bloßes Einkaufen vonKulturkonserven, ist prinzipiell jedoch zu begrüßen. Weil sie dieMöglichkeit bietet, das eigene Kunstschaffen in einen wesentlichbreiteren Kontext zu stellen. Schließlich hat ja Luxemburg selbstin vielen Aspekten eine internationale Öffnung erfahren. Dassollte sich auch im Kulturleben widerspiegeln. Gleichzeitigsprießen überall im kleinen Land Kulturzentren wie Pilze ausdem Boden. Einige dieser Institutionen arbeiten auf hohemNiveau, andere schaffen es nicht, den Hemmschuh lokalpolitischerBegebenheiten abzustreifen.Auf den ersten Blick könnte das dichte Netz dieser öffentlichen,halböffentlichen und meist öffentlich subventionierten Infra -strukturen und Institutionen darauf schließen lassen, dass allesbestens ist in Sachen Aufbereitung des kulturellen Potenzials. Invielen Kulturbereichen ist das Angebot mustergültig – trotz mitunterausgeprägtem Konkurrenzdenken und dementsprechendmangelnder Absprachen in Bezug auf inhaltliche Schwerpunkteund konzeptuelle Ausrichtungen.Für unbeschwerte Selbstzufriedenheit besteht dennoch keinAnlass. Insbesondere, weil sich in einem Sektor des luxemburgischenKulturlebens, auf dem Feld der darstellenden und plastischenKunst, eine doch wichtige Parzelle Brachland mitten in derüppigen Kulturvegetation auftut. Die Erklärung ist schnell formuliert:Wo gibt es den zusammenhängenden, umfassenden,ständig zugänglichen, hinterfragend aufgearbeiteten und publizistischdokumentierten Überblick über das Schaffen der Maler,Radierer, Bildhauer, Material- und Textilkünstler, Keramiker,Photographen, Konzept- und Installationskünstler, die in Luxemburgzum Beispiel in den vergangenen sechzig Jahren gearbeitethaben? Ein Ort also, an dem auch Künstlernachlässe aufgearbeitetund dem Publikum zugänglich gemacht werden könnten.Von einem Einblick in das Kunstschaffen der in den vergangenenMonaten vielgepriesenen Großregion ganz zu schweigen. Einesolche Institution, ob es sich nun um eine Stiftung aus privatenund/oder öffentlichen Mitteln oder um ein Museum handelt,besteht derzeit nicht, oder besser, noch nicht.Trotz zweier Kulturjahre und trotz aller finanziellen Investitionen,trotz der erfreulichen Professionalisierung und vor allem, trotzeines wachsenden politischen Bewusstseins für die Notwendigkeitkultureller Förderung, wurde es bislang versäumt, eine Stättefür die Werke der Künstler zu schaffen, die ab dem ZweitenWeltkrieg das intellektuelle und rezeptive Feld in Luxemburg -und oft über die Grenzen hinweg - bestellt haben und bestellen.So ist ein Loch entstanden zwischen neu geschaffenen und altehrwürdigen,aufpolierten Einrichtungen. Und so riskieren vieleder Künstlerinnen und Künstler, die nicht in die Schablone passen,mit der derzeit der Begriff »contemporain« definiert wird, inein Vakuum zu geraten. Die Erklärung: die überwiegende Mehrzahldieser Künstler finden weder Einlass ins internationaleAvant-Garde-Verständnis des MUDAM noch in das Programmdes Casino Luxembourg–Forum d’art contemporain, das sichkonsequent, kompromisslos, aber sehr professionell und mitsichtlichem Erfolg auf seinen »contemporain«-Auftrag begrenzt.Gleichzeitig präsentiert das Nationalmuseum für Geschichte undKunst eine wohl gut aufgemachte Hommage an Joseph Kutter,den mit Abstand wichtigsten luxemburgischen Expressionisten,beschränkt sich aber ansonsten auf eine sehr begrenzte chronologischeAneinanderreihung einiger Arbeiten luxemburgischerKünstler, deren Werke zudem erst nach ihrem Tod gezeigt werden.Das wirkt sich negativ auf die Stimmung im Lande aus. DerGalerist André Simoncini brachte das kürzlich in einem Interview,das ich mit ihm für das Saarbrücker Magazin Opus gemacht hatte,so auf den Punkt: »Ich stelle fest, dass es verpasst wurde, eineVerbindung zwischen dem internationalen Vorpreschen im Landeund der luxemburgischen kulturellen Verankerung herzustellen.Ich bin enttäuscht, eigentlich sollte ich eher sagen verbittert, dassdabei etliche in Luxemburg arbeitende Künstler vergessen wurdenund werden.«Das hat nichts mit kulturellem Hurra-Patriotismus zu tun, sondernist gerade darauf zurückzuführen, dass in Luxemburg keinerepräsentative öffentliche Kollektion mit Werken von in Luxemburgarbeitenden Künstlern zu sehen ist. Man hat es bislangallein den Galerien überlassen, diesen Anforderungen Genüge zutun. Wobei man freilich auch die Namen einiger Bankinstitutionenwie der Dexia-BIL, der Banque de Luxembourg, der Sparkasseoder auch der Galerie Schlassgoart von Arbed, heute Arcelor-Mittal, hinzufügen könnte. Sie alle sind Förderer aus dem privatenSektor, die eine gewichtige Arbeit in diesem Sinne leisten.Freilich gibt es ebenfalls öffentliche Institutionen, die sich derVerantwortung bewusst sind. Ich möchte hier ausdrücklich aufdie ausgesprochen gute Arbeit der Nationalbibliothek in Luxemburgverweisen, die ihrem Auftrag gemäß auf den Sektoren derDruck grafik, der Radierung, Lithografie, des Holzdrucks, danebenauch der Siebdrucke und Künstlerbücher eine umfassendeSammlung des künstlerischen Schaffens in diesem Bereichzusammengestellt hat und diese im Rahmen ihrer Ausstellungsmöglichkeitenregelmäßig dem Publikum zugänglich macht. Hierfinden sich auch komplette Sammlungen von luxemburgischenVerlegern von Künstlerbüchern, so etwa die über 80 Werke desGaleristen und Herausgebers André Biren, der in Paris lebte und- 49 -


Es wäre vor allem dringend angebracht zu untersuchen, wiedie verschiedenen Malergenerationen von Frantz Kinnen, MettHoffman, Will Dahlem, Henri Dillenburg über Jean-Piere Junius,Ben Heyart, Gust Graas, Roger Bertemes, Yola Reding hin zuRaymond Weiland, Nico Thurm, Guy Michels, Jeannot Lunkes,François Schortgen und später Renée Oberlinkels, Robert Brandy,Jean-Marie Biwer, Isabelle Lutz oder Patricia Lippert – um dennnur diese paar Namen zu nennen – im Spannungsgefüge zwischenDeutschland und Frankreich ihre persönliche Handschriftentwickelt haben.arbeitete und dessen verlegerisches Werk Künstlerbücher miteinigen ausgewählten luxemburgischen neben internationalenAutoren und Künstlern umfasst. Eine ähnlich hervorhebenswerteRolle spielt das Centre national de littérature in Mersch imBereich der Künstlerbücher und der Wechselwirkungen von aktuellerLiteratur und Kunst. Das Kulturministerium setzt seinerseitsAkzente, etwa mit der Organisation und/oder der Förderung vonRetrospektiven und thematischen Ausstellungen wichtiger luxemburgischerKünstler im Ausland, oder beispielsweise auch mitdem Vorantreiben von Austauschprogrammen zwischen luxemburgischenund ausländischen Künstlern. Damit aber ist nochkeine dauerhaft zugängliche, umfassende und aussagekräftige»Öffentliche Sammlung« geschaffen. Und so riskieren nebenZeugnissen des aktuellen Kunstschaffens auch Künstlernachlässe,ganze Lebenswerke, vergessen zu werden.Mit jedem Tag, der vergeht, gehen Wissen und Erinnerungenverloren. Wie viele kunstinteressierte Menschen in Luxemburgsind sich noch bewusst, welche Pionierrolle ab den 1930erJahren ein Michel Stoffel für die Entwicklung der nicht-gegenständlichenMalerei in Luxemburg gespielt hat? Auch interessiertenausländischen Besuchern wird das nicht ersichtlich. Wie vielewissen, wer die Iconomaques waren, die sich in den 1950er-Jahren in den Salons um eben diesen Michel Stoffel, umJoseph Probst und François Gillen versammelt hatten? Und dasszu ihnen auch ein Hüttenarbeiter namens Émile Kirscht gehörte,der als Autodidakt zu einem der authentischsten Künstler inLuxemburg wurde? Es geht darum zu zeigen, welche Wege inder modernen Skulptur ein Lucien Wercollier (eine größere Auswahlseiner Werke ist zumindest im Kulturzentrum der AbteiNeumünster zu sehen), ein Charles Kohl oder Künstler wieJean-Pierre Georg, Maggy Stein, Liliane Heidelberger … gegangensind. Es ist notwendig zu illustrieren, mit welcher Kraft derandere Hüttenarbeiter der Luxemburger Kunst, der EisenplastikerJeannot Bewing, aus Schrott Kunststücke formte. Und es wärespannend zu wissen, wo und wie der Bildhauer Bertrand Ney aninternationalen Skulpturen-Symposien teilgenommen hat. Oderwie es Pit Nicolas im Bereich der Keramik-Skulptur zu internationalerAnerkennung gebracht hat. Oder wie Textil-Künstler wieFrançoise Maas-Meeûs oder Iva Mrazkova mit Werkstoffen unsererZeit arbeiten.Es wäre genau so wichtig in Erinnerung zu rufen, wie sich dieKunstszene in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren unterdem nachhaltigen Impuls des Kritikers und Konservators Joseph-Émile Muller langsam geformt hat. Oder wie die seit den 1980erJahren boomende Galerien-Landschaft auf dem Fundament aufbauenkonnte, das in den 1960er Jahren ein »Kulturvermittler«wie Jos Wampach mit der städtischen Galerie in Esch-Alzetteund ein Galerist wie Ernest Horn in der Stadt Luxemburg bereitethatten. Es geht also nicht nur um Nachlässe, es geht um einGesamtbewusstsein mit Rückblick und Ausblick. Und dabei kannes nicht so sein, dass eine Kunstrichtung gegen eine andere ausgespieltwird. Die globale Sicht ist gefordert. Auch Künstlernachlässesind in dieses Spannungsfeld einzubinden.Private SchritteWas also ist zu tun? Wenn der Staat nicht alles machen kannoder soll, müssen alternative Lösungen angedacht und umgesetztwerden. Da sind zuerst die kleineren Schritte. Ein Beispiel:mediArt, eine Kulturagentur, die ich 2004 gemeinsam mit demKommunikationsexperten und Kunstfreund Jean Colling gegründethabe, versucht auf privater Ebene und im Rahmen ihrerbegrenzten Möglichkeiten die Dinge voranzubringen. Die Buchreihe»Visites d’Atelier - Atelierbesuche« bei Künstlern undKünstlerinnen aus der Großregion, die wir u.a. herausbringen,soll dazu beitragen, Spuren zu hinterlassen, das Schaffen vonälteren und jüngeren Künstlern einem breiteren Publikumzugänglich zu machen.In jedem Band sind acht in Luxemburg arbeitende Künstlerinnenund Künstler gemeinsam mit vier Kollegen aus den deutschenNachbarregionen und jeweils zwei Kollegen aus Belgien undFrankreich porträtiert. Luxemburgische Künstler werden also inden Kontext der Großregion gesetzt. Wir konzentrieren unsdabei auf die klassischeren Bereiche Malerei, Radierung, Skulptur,Textil- und Materialkunst, Bereiche also, die mit den »contemporain«-Konzeptenvon Casino und MUDAM weniger aufgearbeitetwerden. Mittlerweile sind vier Bände der Serie erschienen. Zujedem Band wurden und werden jeweils Ausstellungen organisiert.Wie dringlich es ist, solche Spuren zu hinterlassen, zeigtsich allein schon darin, dass bei der Fertigstellung eines jedenBandes einer der vorgesehenen Künstler verstorben ist und wirden Beitrag in eine Hommage umfunktionieren mussten. Beimersten Band handelte es sich um den Eisenplastiker JeannotBewing, beim zweiten war es mein Vater, Roger Bertemes, beim- 50 -


vierten war es die saarländische Bildhauerin Lilo Netz-Paulik.Doch diese Bücher sind nur erste Schritte. Wir versuchen seitJahren, und dies auf längerfristige Sicht, eine Stiftung fürLuxemburger Künstler einzurichten, die sich aus privaten undöffentlichen Mitteln speisen sollte. Eine solche Symbiose könnteneue Wege in der Kunstlandschaft aufzeigen. Und sie zeigt, dasses hier nicht darum geht, gegeneinander, sondern komplementärzueinander zu arbeiten.Stiftung für luxemburgische KunstDas Ziel dieser Stiftung: neben den Arbeiten – also Nachlässen –bereits verstorbener Künstler, auch Werke lebender Künstler aufnehmen,die noch zu Lebzeiten auf ein umfassendes und akzentesetzendesWerk zurückblicken können. Die Arbeiten sollendokumentiert, archiviert und nötigenfalls restauriert, in thematischausge richteten Ausstellungen dem Publikum im In- undAusland vorgestellt und – wann immer möglich – in einen grenzüberschreitendenKontext gestellt werden. Es reicht also nicht miteinem musealen Depot.Parallel dazu sollen in Zusammenarbeit mit den kunsthistorischenAbteilungen der Universitäten aus der Großregion und Institutionenwie dem Institut für Aktuelle Kunst im Saarland Publikationenerstellt werden, die auch wissenschaftlichen Anforderungengenügen. Zudem sollen Informationen zur Biographie und zu denWerken der jeweiligen Künstler jederzeit abrufbar sein. Das Problemund die Bremsen bei dem Projekt: das luxemburgische Stiftungsrechtmacht potenziellen Investoren und Interessenten ausdem Ausland eine Beteiligung nicht unbedingt einfach. Eserweist sich darüber hinaus als äußerst schwierig, ein »Dachüber dem Kopf« zu finden und zu finanzieren. Das Stiftungs -gesetz wird derzeit überarbeitet. So soll unter anderem eineDachstiftung entstehen, an die alle anderen kulturellen Stiftungenangekoppelt werden können.Um die Dinge aber voranzubringen, sind wir nun dabei, bisWeihnachten als ersten Schritt in Richtung Stiftung vorerst eineAsbl, eine association sans but lucratif (Vereinigung ohneGewinnzweck) zu gründen, die auch dank der Zusammensetzungdes Verwaltungsrats mit einem kleinen Kreis von Persönlichkeitenaus Wirtschaft, Politik und Kultur eine fördernde Rollespielen kann und sich vor allem den dringlichsten Fragen derDokumentation und der Veranstaltung selektiver thematischerAusstellungen widmen soll.Als Konstante sollte dabei die besondere luxemburgische Situationberücksichtigt werden, das heißt eine Kunstentwicklung aufzuarbeiten,die im Spannungsfeld von deutschen, französischenund anderen kulturellen Einflüssen entstanden ist und entsteht.gesamte luxemburgische Kunstentwicklung, die sich im 19. und20. Jahrhundert parallel zum Land entfaltet hat, enthalten. DieFrage sei aber gestattet, ob angesichts der derzeitigen Finanz-Krisensituation eine solch teure Lösung das notwendige politischeInteresse finden würde.Allen Lösungen aber sollte eines gemeinsam sein: Es kann sichhierbei nicht nur um die Archivierung, Deponierung und Hängungvon Sammlungen und Nachlässen handeln. Es geht jagerade darum, über die Werke Kunstentwicklungen verständlichzu machen. Das bedeutet zum Ersten, auch den Mut zur sorg -fältigen Auswahl aufzubringen. Das bedeutet zum Zweiten,auf ewig festgefügte ständige Ausstellungen zu verzichtenzugunsten lebendiger, dynamischer, wechselnder Ausstellungsformen,die neben dem kunsthistorischen Aufarbeiten unterschiedlicheBlickwinkel ermöglichen und so den – auch hinter -fragenden – Dialog fördern.Die Frage nach dem Sein oder Nicht-Sein eines wichtigen Teilsdes Patrimoniums aus künstlerischen Schaffensprozessen ineinem kleinen, heute kosmopolitisch offenen Land, steht imRaum. Die Angelegenheit ist komplex. Doch letztlich geht es umdas Phänomen, das Robert Garcia, Generalkoordinator des Kulturjahres2007, in einem Interview als »authentische Kreativität«in Luxemburg und auch in der Großregion bezeichnet hat. Denntrotz aller Eigenheiten der Kunstentwicklung in Luxemburg stehtdiese zwangsläufig im Umfeld dieser Großregion. Der Großregion,aus der Luxemburg ein wichtiges wirtschaftliches Potenzialschöpft, deren Menschen jedoch wohl am ehesten über kulturelleNetze einander näher gebracht werden können. So wie dasmit der Ausweitung des Kulturjahres 2007 zumindest versuchtwurde. Gerade die Aufarbeitung von Künstlernachlässen könntehier starke Grundlagen für Wechselbeziehungen und Austauschprogrammeschaffen. Doch nicht nur was Logistik und Organisationbetrifft, sollte vermieden werden, dass jeder nun für sich dasRad neu erfinden will. Grenzüberschreitende pragmatisch ausgelegteNetzwerke in überschaubaren, leichten und unkompliziertfunktionierenden Strukturen ohne administrative und politischeWasserköpfe würden dazu beitragen, solche Fundamente zuzementieren. Fundamente, die dann den auch inhaltlichen kulturellenAustausch in der Großregion und darüber hinaus erleichternwürden. Dabei darf nicht hintangestellt werden, die Menschenfür dieses, für ihr kulturelles Patrimonium zu sensibilisieren.Das muss nicht über Luftblasen, schale Gags, kurzlebige SpaßundLustinitiativen geschehen. Auch Popularisierung darf kulturellesNiveau haben und trotzdem neugierig machen. Fern ab vonjeglicher Alles- und Nichtsbeliebigkeit. Marcel Reich-Ranicki lässtgrüßen. Und ich danke Ihnen für Ihr Zuhören.Ob sich dabei eine eigenständige luxemburgische Kunst ent -wickelt hat, möchte ich hier nicht abschließend beurteilen. Ichpersönlich würde eher von Kunstwerken sprechen, die in eineminternationalen Spannungsgefüge in luxemburgischen Ateliersentstanden sind. Sicher wäre auch eine klassische »öffentliche«Museumslösung möglich. Ein solches Museum könnte die- 51 -


BIOGRAFIENDr. Paul Bertemesgeboren 1953 in LuxemburgStudium an den Cours Universi -taires in Luxemburg und an derUniversität des SaarlandesDeutsch, Französisch und Kunst1980 Erstes Staatsexamen fürdas Lehramt an Gymnasien1983 Promotion zum Dr. phil.an der Universität des Saarlandes(Bild- und Textstruktur. Eine Analyseder Beziehungen von Illustrationszyklusund Text im Rolandslied desPfaffen Konrad in der Handschrift P,Saarbrücker Beiträge zur Literaturwissenschaft,1984).1980-90 Kultur- und Politikjournalistin Saarbrücken (SaarbrückerZeitung, SaarlandZeitung.1990-1994 Luxemburg (d’LëtzebuergerLand), Kommunikationsfachmannu.a. für Arbed, ArcelorBe gleitet seit Jahren das künstlerischeSchaffen in Luxemburg undder Groß region, insbesondere mitBeiträgen für Publikationen im KulturundPressebereich, Ausstellungskonzeptionenund -einführungen2004 Gründung von mediArt, eineprivate Agentur zur Kulturförderung,mit Jean Colling (Lombard Media)Prof. Dr.Gertrude Cepl-Kaufmanngeboren 1942 in GrevenbroichProfessorin für Neuere DeutscheLiteraturwissenschaft an der Heinrich-Heine-UniversitätDüsseldorfund Leiterin des dort ansässigenAn-Instituts »Moderne im Rheinland«.Promotion mit einer Arbeit


zum literarischen und politischenWerk von Günter GrassSchwerpunkte in Lehre undForschung: Literatur vomNaturalismus bis zur Gegenwart,Probleme der Literatur soziologie,vor allem der literarischenGruppenbildung und Aspekteeiner regionalhistorischen, interdisziplinärenund komparatistischenKultur wissenschaftSeit 1980 Forschungen zur Kultur -geschichte des Rheinlandes.Derzeitig Mitarbeit an derKonzeption des zukünftigenStudiengangs »Europa: -kultur-historisch« an der Heinrich-Heine-Universität. Mitglied imWissenschaftlichen Beirat desFritz-Hüser- Instituts für deutscheund ausländische ArbeiterliteraturSeit 2007 Mitglied im Komiteeder Niederrhein-Akademie/Academie Nederrijn e.V.Kuratoriumsmitglied in der StiftungRheinisches Archiv für Künstlernachlässe,BonnProf. Dr. Lorenz DittmannGeboren 1928 in München.Studium der Kunstgeschichte,Klassischen Archäologie und Philosophiean der Universität München.Promotion 1955 (Die Farbe beiGrünewald. München 1955).Habilitation an der Rheinisch-Westfälischen TechnischenHochschule Aachen (Stil – Symbol– Struktur. Studien zu Kategoriender Kunstgeschichte. München1967). Wissenschaftlicher Rat undProfessor an der RWTH Aachen.1977-1996 ord. Professor fürKunstgeschichte an der Universitätdes Saarlandes.Buchpublikationen: Boris Kleint.Recklinghausen 1984. - Farbgestaltungund Farbtheorie in derabendländischen Malerei. EineEinführung. Darmstadt 1987.Die Wiederkehr der antiken Götterim Bilde. Versuch einer neuenDeutung. Paderborn, Münchenetc. 2001. Die Kunst Cézannes.Farbe, Rhythmus, Symbolik. Köln,Weimar, Wien 2005.Matisse begegnet Bergson. Reflexionenzu Kunst und Philosophie.Köln, Weimar, Wien 2008.Mehr als 250 fachwissenschaftlicheAufsätze.Dr. Elisabeth Dühr1987 Promotion im Fach Kunst -geschichte an der Ruhr UniversitätBochum, Titel der Dissertation:»Kunst am Bau/Kunst im öffent -lichen Raum. Geschichte und Entwicklungöffent licher Kunst imSpannungsfeld von Architektur,Städtebau und Kultur politik in derBundesrepublik Deutschland.«Direktorin des StadtmuseumsSimeonstift, TrierAusstellungen zur regionalenKultur- und WirtschaftsgeschichteAusstellungen zur überregionalenKunst des 19. und 20 JahrhundertsBetreuung der Kunstpreise undStipendienförderung der StadtTrier im Bereich der BildendenKunst; Betreuung der Städtepartnerschaftender Stadt Trier imAusstellungsbereichProf. Ben Muthofergeboren 1937 in Oppeln1952-55 Handwerkslehrein Erfurt und Bielefeld1955-58 Werkkunstschule Bielefeld1959-64 Akademie derBildenden Künste, München1962-64 Meisterschüler beiProf. Ernst Geitlinger, Akademieder Bildenden Künste, München1968-72 Bildhauer in den USA mitAlexander Calder und Ernest Trova1968-72 Lehrtätigkeit im FachSkulptur, Washington-Universität1982 Stipendium derPrinz-Luitpold-Stiftung1982 Initiator und Gründer(zusammen mit Heinz Gruchot)»vertikal, diagonal, horizontal«Seit 1988 Professor an der MyndlistaKunsthochschule Reykjavik, Island1992 Preis Kunstverein Rosenheim2000 Bayerischer Staatspreis»Rhythmus in der konkretenKunst«, München2005 Patent für KaleidoskopeTelevisionenMichael Sandergeboren 1949 in SaarbrückenStudium der Geschichte, Germanistikund Politikwissenschaft inSaarbrücken und Freiburg i. B.,Staatsexamen, Ausbildung zumArchivar des höheren Dienstes1980 Aufbau des Landtags archivsund der Dokumentations abteilungim Landtag des Saarlandesseit 1990 Archivoberrat imLandes archiv Saarbrücken.Arbeitsschwerpunkte: Nassau-Saarbrücken im 18. Jahrhundert,Verkehrsgeschichte im 19. Jahrhundert,Bergarbeiterbewegungim 19. Jahrhundert, Nachkriegszeitim Saarland, Verfassung desSaarlandes, Verwaltungs -geschichteDr. Hans M. Schmidtgeboren 1936 bei KölnStudium der Kunstgeschichte,Geschichte, Archäologie und Philosophiean den UniversitätenBonn und Hamburg1969 Promotion mit der Arbeit»Der Meister des Marienlebensund sein Kreis – Studien zur spätgotischenMalerei in Köln« (Prof.v. Einem, Universität Bonn)1970/71 Richard-Hamann-Stipendium1969-77 Volontär und Kustos amHessischen LandesmuseumDarmstadt, anschließendKulturreferent in HanauSeit 1979 Referent für die Kunstdes 20. Jahrhunderts im RheinischenLandesmuseum Bonn1982-2000 Abteilungsdirektor derSammlungen, zeitweilig KommissarischerLeiter des MuseumsZahlreiche Ausstellungen zurKunst und Kulturgeschichte 19.und 20. Jahrhundert1977-05 Lehraufträge in Kunst -geschichte an der Hochschule fürGestaltung Offenbach und an derUniversität Bonn2002-08 Vorsitzender der Gesellschaftfür Kunst und Gestaltunge.V. (gkg) in BonnKuratoriumsmitglied in der StiftungRheinisches Archiv für Künstlernachlässe,Bonn. Publikationenzur Kunst des Mittel alters, des 20.Jahrhunderts und der GegenwartDaniel Schütz, M.A.geboren 1966 in BonnDiplomkulturwirt Studium in PassauAuslandsstudium an der UniversitéPaul Valéry, Montpellier, FrankreichStudium der Kunstgeschichte,Archäologie und Städtebau in BonnSeit 2000 wissenschaftlicherMit arbeiter im Bonner StadtarchivMitglied im Arbeitskreis zur Erforschungder Moderne im RheinlandLeiter und Vorstandsvorsitzenderdes Rheinischen Archivs fürKünstlernachlässe, Kuratoriumsmitgliedin der Stiftung RheinischesArchiv für Künstlernachlässe, BonnForschungsschwerpunkt: BonnerKunst- und Künstlergeschichte inder ersten Hälfte des 20stenJahrhunderts- 53 -


<strong>IM</strong>PRESSUMHerausgeberJo EnzweilerRedaktionClaudia MaasRedaktionelle MitarbeitJosef MoritzGestaltungNina JägerAbbildungsnachweis:Christine Kellermann: S. 47Leo Kornbrust: S. 25, 26Archiv Birtel: S. 18Archiv Netz-Paulik: S. 13Alle übrigen Archiv Institut füraktuelle Kunst© Autoren, Institut für aktuelleKunst im Saarland, SaarlouisDank an SR 2 Kulturradio,SR 1 antennesaar,die Kreisstadt Saarlouis, dieStadtwerke Saarlouis und dasMinisterium für Bildung, Familie,Frauen und Kulturfür die Förderung des ProjektesInstitut für aktuelleKunst im Saarlandan der Hochschuleder Bildenden Künste SaarChoisyring 1066740 SaarlouisFon 06831/460530Fax 06831/460905e-mail info@institut-aktuelle-kunst.dewww.institut-aktuelle-kunst.dewww.künstlerlexikon-saar.dewww.kunstlexikon-saar.deVerlag St. Johann GmbH,SaarbrückenISBN 3-938070-37-4Druck und LithografieKrüger Druck+Verlag GmbH,DillingenAuflage: 1000Saarbrücken 2009

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