PERSONALSUCHE - Wirtschaftszeitung - nbsp GmbH
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SEITE 12 | FREITAG, 13. MAI 2011 <strong>PERSONALSUCHE</strong> WIRTSCHAFTSZEITUNG<br />
DieProphylaxegegendenÄrztemangel<br />
KlinikeninderNordoberpfalzsetzenaufdasProgramm„Klinikstudent“/21angehendeMedizinerwerdenfinanziellunterstützt<br />
VON THEO KURTZ<br />
WEIDEN. Heute bereits können republikweit<br />
5500 Ärztestellen in Krankenhäusernnichtbesetztwerden.Unddie<br />
Lage wird sich weiter verschärfen,<br />
warnt die Bundesärztekammer. In<br />
zehn Jahren werden sich weitere<br />
20000 Ober- und Chefärzte in den Ruhestand<br />
verabschieden und bis 2020<br />
werdennahezu24000Hausärzteihren<br />
weißen Kittel an den berühmten Nagel<br />
hängen. Auch für die „Kliniken<br />
Nordoberpfalz AG“ wird es immer<br />
schwieriger, medizinisches Fachpersonal<br />
zu rekrutieren. Aktuell sind in<br />
dem Krankenhaus-Verbund mit seinen<br />
acht Häusern acht Stellen unbesetzt.<br />
Seit eineinhalb Jahren versucht<br />
man gegenzusteuern. Mit dem Programm<br />
„Klinikstudent“ will man<br />
frühzeitig angehende Mediziner für<br />
denKlinikverbundgewinnen.<br />
Mitarbeitersuche wird immer teurer<br />
„Besonders schwierig ist es, Assistenzärzte<br />
zu finden“, betont Martin Neuhaus,zuständigfürdasPersonalwesen<br />
der AG. Es dauert immer länger, entsprechendeStellenzubesetzen,undes<br />
wird auch immer teuerer. „Allein in<br />
den Jahren 2009 und 2010 haben wir<br />
für die Personalbeschaffung jeweils<br />
rund600000Euroausgegeben“,betont<br />
Neuhaus.ZumVergleich:VordreiJahrenmussten„nur“170000Euroaufgewendetwerden.Alternativen<br />
mussten<br />
also gefunden werden. „Zunächst hatten<br />
wir an das Werkstudenten-Modell<br />
gedacht“,erinnertsichNeuhaus.Doch<br />
dafür wiederum gab es keine Erfahrungswerte.<br />
„Keine Klinik hat bislang<br />
mitdiesemKonzeptgearbeitet.“<br />
Was es nicht gibt, muss also erfundenwerden.Zusammenmitdemärztlichen<br />
Leiter der Klinik AG, Dr. Manfred<br />
Hausel, ist der große Wurf gelungen:<br />
Sie hoben den „Klinikstudenten“<br />
aus der Taufe und landeten damit<br />
einen Volltreffer. Obwohl das Programm<br />
erst im Herbst 2009 aufgelegt<br />
WEIDEN. Die Zahlen sind beeindruckend.2400Mitarbeiterstehenbeider<br />
Witt-Gruppe in Lohn und Brot, 1900<br />
davon sind allein in Weiden beschäftigt.<br />
Rund 570 Millionen Euro setzte<br />
das Unternehmen im vergangenen<br />
Jahr um. Und der renommierte Textil-<br />
Versandhändler ist weiter auf Wachstumskurs.<br />
Der E-Commerce-Bereich<br />
zum Beispiel soll weiter ausgebaut<br />
werden. Doch dazu braucht man qualifizierteMitarbeiter.Umdiezurekrutieren,habendieWeidenerneueWege<br />
beschritten.<br />
„Wir wollen unsere zukünftigen<br />
Kolleginnen und Kollegen dort kontaktieren,<br />
wo sie sich treffen“, erzählt<br />
Susan Risse, bei der Witt-Gruppe für<br />
dasPersonalmarketingzuständig.Und<br />
diese findet man im Zeitalter desSocial<br />
Networkings am ehesten auf virtuellen<br />
Kommunikationsplattformen<br />
wie Facebook oder Twitter. Neben Berichten,<br />
Fotos und Videos kann sich<br />
der Bewerber hier über Vakanzen der<br />
Witt-Gruppe informieren, denn der<br />
Bereich „Jobs“ ist direkt mit der Stellenbörse<br />
der eigenen Karriereseite des<br />
Unternehmens verknüpft. Das Business-Netzwerk<br />
XING nutzt Witt zur<br />
eigenen Firmenpräsentation, gleichzeitig<br />
durchforstet Susan Risse die<br />
Website nach möglichen Kandidaten,<br />
mit denen die freien Stellen besetzt<br />
werdenkönnten.<br />
Etwa 30 Hochschulabsolventen<br />
werden Jahr fürJahrindieWitt-Familie<br />
aufgenommen. „Wir versuchen, in<br />
ersterLinieMitarbeiterausderRegion<br />
zu gewinnen“, erzählt die Personalexpertin.<br />
Denn diebleiben in derRegel<br />
Melanie Bayerl ist eine von 21 Klinikstudenten. Sie studiert im achten Semester an der Uni Regensburg Medizin.<br />
DoktorvaterProf.Dr.Karl-HeinzDietlstehtihralsPatezurSeite. Foto:Schönberger<br />
worden war, machen jetzt bereits 21<br />
Medizinstudenten mit. Das Konzept<br />
zahltsichfürdieBeteiligtenimwahrsten<br />
Sinne des Wortes aus: Hochschü-<br />
dem Unternehmen länger erhalten.<br />
Wobei die Regionalität bei Witt geografisch<br />
recht großzügig bemessen ist.<br />
NebendenHochschulenAmberg-Weiden,<br />
Regensburg, Würzburg und Passau<br />
sind für das Weidener Unternehmen<br />
auch Absolventen der Alma MaterinHalle-LeipzigundReutlingeninteressant.DassdieOberpfälzereinAuge<br />
auf die kleine Bildungsstätte südlich<br />
von Stuttgart geworfen haben,<br />
kommtnichtvonganzungefähr.Dort<br />
gibteseineeigeneFakultätfürdenBereichTextilundDesign.<br />
Risse und ihr Team beteiligen sich<br />
mit schöner Regelmäßigkeit an den<br />
Hochschulmessen,die an diesensechs<br />
Einrichtungen angeboten werden.<br />
„WirwollenmitdenStudierendenins<br />
GesprächkommenunddasUnternehmen<br />
vorstellen“, erzählt sie. Denn für<br />
den „war of talents“, also den Kampf<br />
um die besten Köpfe, der mittlerweile<br />
landauf, landab tobt, müssen die Weidenerbesondersgewappnetsein.Trotz<br />
der 80 Filialen, die überwiegend im<br />
süddeutschen Raum angesiedelt sind,<br />
gelten die Weidener bei Berufseinsteigern<br />
nochals eineunbekannte Größe.<br />
Und dann kommen noch Aspekte dazu,<br />
die das Leben der Personalmarketing-Leute<br />
nicht gerade erleichtern:<br />
Die Oberpfalz ist für angehende Akademiker<br />
nicht unbedingt die Region,<br />
die eine magische Anziehungskraft<br />
auf sie ausübt. Zudem muss immer<br />
wiedermalmiteinemVorurteilaufgeräumt<br />
werden: „Auch wenn unsere<br />
Zielgruppe die 50-Plus-Generation ist,<br />
sind wir ein junges Unternehmen“, so<br />
SusanRisse.<br />
ler vom ersten bis zum sechsten Semester<br />
bekommen monatlich 250<br />
Euro aufs Konto gutgeschrieben. DanacherhöhensichdiefinanziellenZu-<br />
UmfangreichistdieKennenlern-Palette,<br />
die die Witt-Gruppe Studierenden<br />
präsentiert. Das reicht von den 50<br />
Praktikumsplätzen und Abschlussarbeiten,diejedesJahrangebotenwerden,<br />
über Workshops bis hin zu Campus-Scouts.DassindehemaligePraktikanten,<br />
die als Sprachrohr des Unternehmens<br />
an den Hochschulen fungieren.<br />
Das breit gefächerte Personalmarketing<br />
zahlt sich aus. Jede vierte Einstiegsposition<br />
für Hochschulabsolven-<br />
wendungen auf 400 Euro. Gegenleistungen<br />
muss der Klinikstudent während<br />
seines Uni-Daseins nicht erbringen.<br />
Allerdings verpflichtet er sich,<br />
ten kann mit ehemaligen Praktikantenbesetztwerden.<br />
Aber das Weidener Unternehmen<br />
willauchjungeLeute,fürdiesicherst<br />
noch die Hochschulpforten öffnen<br />
werden, schon auf den Witt-Geschmack<br />
bringen. Beim Fashion-Day<br />
etwakönnenmodeinteressierteAbiturientinnen<br />
und Abiturienten einen<br />
Einblick in die Arbeitswelt der Traditionsfirma<br />
gewinnen. Sie designen<br />
Kleidungsstücke oder gestalten eine<br />
sich nach dem Studium für drei Jahre<br />
indenDienstderKlinikAGzustellen.<br />
TritterauswelchenGründenauchimmerdanndochnichtan,musserseine<br />
„Fördergelder“wiederzurückzahlen.<br />
Während der Semesterferien hat<br />
der angehende Mediziner zudem die<br />
Chance, etwas hinzuzuverdienen. „Sie<br />
haben die Möglichkeit, in den medizinischen<br />
Fachabteilungen, in den<br />
Funktions-,aberauchindenzentralen<br />
Verwaltungsdiensten mitzuarbeiten“,<br />
erläutertNeuhaus.<br />
Aufstiegschancen: Nach oben offen<br />
Hat sich der Klinikstudent dann entschieden,<br />
wohin seine Facharztreise<br />
einmal gehen wird, wird ihm ab dem<br />
siebten Semester ein erfahrener MedizineralsPatezurSeitegestellt.Unddie<br />
Chancen,beiderKlinikenAGKarriere<br />
zu machen, stehen mehr als gut. „Bei<br />
entsprechender Qualifikation können<br />
sie bei uns bis zum Chefarzt aufsteigen“,<br />
macht der Personalmanager<br />
deutlich.<br />
Aber auch der Klinikverbund als<br />
ArbeitgeberprofitiertvondiesemKonzept:<br />
„Wir können uns nicht nur die<br />
hohenKostenfürdiePersonalbeschaffung<br />
einsparen, sondern wir können<br />
Leute einstellen, die wir und die im<br />
Umkehrschluss auch uns kennen.<br />
Lange Einarbeitungszeiten fallen dadurch<br />
gleich einmal weg.“ Bereits im<br />
Oktober kommenden Jahres werden<br />
die ersten sieben Hochschulabsolventen<br />
ihre Stellen als Assistenzärzte antreten.<br />
Mit dem Klinikstudent-Programm<br />
hatten die Nordoberpfälzer 2009 bayernweit<br />
absolutes Neuland betreten.<br />
Immer mehr Krankenhäuser fragen<br />
mittlerweile bei Martin Neuhaus<br />
nach, informieren sich und laden ihn<br />
zu Vorträgen ein. Aber auch jenseits<br />
desWeißwurstäquatorswirddasKonzept<br />
interessiert zur Kenntnis genommen.<br />
Erst vor wenigen Tagen hat die<br />
Universität Mannheim bei dem Klinik-Personalchefangeklopft.<br />
SchlaueKöpfedortaufspüren,wosiesichtreffen<br />
Witt-GruppenutztdasWeb2.0fürdiePräsentationdesUnternehmensunddieeigenePersonal-Rekrutierung<br />
Katalogseite,undNachwuchskräfteerzählen,wiesiedenEinstiegindieModebrancheschaffen.<br />
Über mangelndes Interesse jedenfalls<br />
braucht sich Susan Risse und ihr<br />
Team,diedieseVeranstaltunggemeinsam<br />
mit den Kollegen und Kolleginnen<br />
vom Kreativmanagement organisieren,<br />
nicht zu beklagen. 19 Teilnehmer<br />
machten zuletzt mit. Der nächste<br />
Fashion-Day kommt also ganz bestimmt.(xtk)<br />
Susan Risse (re.) und ihr Personalmarketing-Team durchforsten auf der Suche nach passenden Bewerbern auch das<br />
Internet. Foto:Schönberger