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12. Marozia und die „Pornokratie“ am Papsthof

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werden, was auch daran lag, dass Frankreichs Könige ein zerstrittenes<br />

Land regierten <strong>und</strong> weitgehend zur Ohnmacht verurteilt waren.<br />

Frankreichs Chronisten haben Karl seine Nachgiebigkeit nie verziehen<br />

<strong>und</strong> gaben ihm wenige Jahre nach seinem Tod den giftigen Bein<strong>am</strong>en<br />

„Le Simple“ (der Einfältige). Dabei war er wohl eher ein friedfertiger<br />

Realpolitiker. Böse Zungen behaupteten auch, der als trinkfest bekannte<br />

Deutsche habe seinen französischen Amtskollegen in Bonn einfach unter<br />

den Tisch gesoffen. Wie dem auch sei, Heinrich mehrte durch den<br />

Bonner Vertrag sein Ansehen beträchtlich. Die Widersacher im Lande<br />

zeigten sich jetzt kompromissbereit. Selbst Bayernherzog Arnulf, der den<br />

König noch Monate zuvor zum ritterlichen Zweik<strong>am</strong>pf gefordert hatte,<br />

gab seinen Widerstand auf.<br />

In den folgenden 15 Jahren legte Heinrich I. den Gr<strong>und</strong>stein zum „Regnum<br />

teutonicum“, dem frühfeudalen Deutschen Reich. Er eroberte<br />

große Teile des heutigen B<strong>und</strong>eslandes Brandenburg, gründete 929<br />

Burg <strong>und</strong> Stadt Meißen. Die immer wieder nach Westen vordringenden<br />

räuberischen Ungarn schlug er im März 933 beim Dorf Riade an der<br />

Unstrut zurück.<br />

Einen weiteren Erfolg feierte er im September 929. Die deutschen Herzöge<br />

stimmten der „Quedlinburger Hausordnung“ zu, wonach Heinrichs<br />

d<strong>am</strong>als 17-jähriger Sohn Otto als sein Nachfolger in der Königswürde<br />

bestimmt wurde.<br />

936 starb Heinrich, <strong>und</strong> sein Sohn, Kaiser Otto I., der Große, baute <strong>die</strong><br />

Machtstellung des Reiches mit großem Erfolg weiter aus.<br />

36<br />

<strong>12.</strong> <strong>Marozia</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>„Pornokratie“</strong> <strong>am</strong> <strong>Papsthof</strong><br />

Als im März 931 ein 19j-ähriger Jüngling den Stuhl Petri bestieg, löste<br />

das in Rom kaum Verw<strong>und</strong>erung aus. Denn <strong>die</strong>ser Alexander von Tusculum,<br />

der als Papst Johannes XI. in <strong>die</strong> Geschichte einging, war Sohn<br />

der <strong>Marozia</strong>. Und <strong>die</strong>se resolute D<strong>am</strong>e dominierte seit fast 20 Jahren <strong>die</strong><br />

Politik Roms. Es war eine Epoche, welche spätere Historiker <strong>„Pornokratie“</strong><br />

(Hurenherrschaft) nannten. Auch wenn <strong>Marozia</strong> keineswegs eine<br />

Hure war, so zählt <strong>die</strong> erste Hälfte des 10. Jahrh<strong>und</strong>erts zu den wohl<br />

peinlichsten Episoden der Kirchengeschichte.


Der abgesetzte Papst Christophorus starb Anfang 904 in einem Kloster<br />

durch Mörderhand. Beschweren durfte er sich nicht darüber, denn<br />

mit seinem Vorgänger hatte er es ein Jahr zuvor genauso machen lassen.<br />

Päpste starben d<strong>am</strong>als nur selten eines natürlichen Todes. Mit dem<br />

neuen Pontifex Sergius III. begann eine Ära, <strong>die</strong> Kirchenhistoriker als<br />

„dunkles Jahrh<strong>und</strong>ert“ bezeichnen. Dominiert wurde es anfangs durch<br />

zwei Frauen – Theodora <strong>und</strong> <strong>Marozia</strong>. Theodora war <strong>die</strong> Gemahlin des<br />

Herzogs Theophylakt von Tusculum, Herr von Mittelitalien, <strong>Marozia</strong><br />

war ihre um 892 geborene Tochter. Diese Tusculanerf<strong>am</strong>ilie machte das<br />

Papsttum zum Spielball ihrer Privatinteressen.<br />

Glaubt man dem zeitgenössischen Chronisten Luitprant von Cremona,<br />

einem intimen Kenner der römischen Verhältnisse, dann führte Theodora<br />

ihre Tochter schon im zarten Alter von 16 Jahren dem Papst Sergius<br />

III. als Gespielin zu. Nachdem im April 911 Sergius gestorben war, erreichte<br />

es Theodora, dass man einen ihrer früheren Liebhaber, Giovanni<br />

di Tossignano, als Johannes X. zum Papst ausrief.<br />

Idealbild der <strong>Marozia</strong><br />

Zu Ehren von Johannes muss gesagt werden, dass er ein tüchtiger Mann<br />

war. Als 915 ein Araberheer in Italien einfiel, stellte er sich an <strong>die</strong> Spitze<br />

seiner Truppen <strong>und</strong> besiegte <strong>die</strong> Sarazenen in der Schlacht <strong>am</strong> Garigliano.<br />

Weiterhin versuchte Johannes, sich von der Bevorm<strong>und</strong>ung durch<br />

<strong>die</strong> Tusculaner zu befreien. Nachdem Theophylakt <strong>und</strong> Theodora zwischen<br />

917 <strong>und</strong> 921 gestorben waren, schien <strong>die</strong> rechte Zeit gekommen.<br />

Gemeins<strong>am</strong> mit seinem Bruder <strong>und</strong> engsten Ratgeber Petrus plante er<br />

eine Entmachtung der stolzen F<strong>am</strong>ilie.<br />

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Doch beide unterschätzten Ehrgeiz <strong>und</strong> Schlagkraft der <strong>Marozia</strong>. Die<br />

30-Jährige komman<strong>die</strong>rte das toskanische Söldnerheer ihres Vaters, ernannte<br />

sich zur „Senatrix“ (Senatorin) <strong>und</strong> war über<strong>die</strong>s „Vestaratrix“<br />

(weiblicher Kämmerer). D<strong>am</strong>it besaß sie <strong>die</strong> Kontrolle über sämtliche<br />

Finanzen des Vatikans. Ende 927 organisierte sie einen Aufstand. Ihre<br />

toskanischen Mörderbanden stürmten den Lateranpalast <strong>und</strong> erschlugen<br />

Petrus vor den Augen seines entsetzten päpstlichen Bruders. Johannes X.<br />

wurde im Mai 928 abgesetzt <strong>und</strong> in der Engelsburg eingekerkert. Wenig<br />

später starb er – von Mördern mit einem Kissen erstickt.<br />

Nun plante <strong>Marozia</strong>, ihren Sohn aus erster Ehe, Alexander, zum Papst<br />

zu machen. Allerdings war er kaum 16 Jahre alt, <strong>und</strong> ein halbes Kind auf<br />

dem Heiligen Stuhl hätte das Papst<strong>am</strong>t wohl den letzten Rest Glaubwürdigkeit<br />

gekostet. Stattdessen wurde im Dezember 928 Stephan VII. als<br />

Platzhalter eingesetzt, ein würdiger, frommer Mann, der als willenloses<br />

Werkzeug von <strong>Marozia</strong> handelte.<br />

Nachdem Alexander volljährig geworden war, ließ <strong>die</strong> Senatrix Stephan<br />

VII. Anfang 931 absetzen. Nachdem er seine Schuldigkeit getan hatte,<br />

wurde er im Gefängnis erdrosselt <strong>und</strong> <strong>Marozia</strong>s Sohn bestieg als Johannes<br />

XI. den Papstthron.<br />

Doch <strong>die</strong> Freude währte nicht lange. Alberich von Tuscien, ein Sohn aus<br />

<strong>Marozia</strong>s zweiter Ehe, war erbost über <strong>die</strong> Karriere seines Halbbruders,<br />

der über<strong>die</strong>s einer nach kanonischem Recht ungültigen dritten Ehe seiner<br />

Mutter den päpstlichen Segen erteilte. Im Dezember 932 stürmte<br />

er mit einer bewaffneten Truppe <strong>die</strong> Papst-Residenz, ließ Johannes <strong>und</strong><br />

<strong>Marozia</strong> verhaften. Beide wanderten ins Gefängnis. Der Ex-Papst wurde<br />

935 ermordet; seiner Mutter widerfuhr höchstwahrscheinlich dasselbe<br />

Schicksal, jedenfalls tauchte sie nie wieder auf.<br />

D<strong>am</strong>it war <strong>die</strong> <strong>„Pornokratie“</strong> vorbei, nicht aber <strong>die</strong> Gewaltherrschaft<br />

der Tusculaner. Alberich ließ zwischen 936 <strong>und</strong> 954 fünf verschiedene<br />

Päpste ein- <strong>und</strong> absetzen, bis sein Sohn Octavian 18 Jahre alt war <strong>und</strong><br />

Ende 955 als Johannes XII. zum Papst ernannt wurde. Das Beispiel der<br />

<strong>Marozia</strong> wirkte also weiter.<br />

Johannes XII. war ein würdiger Vertreter seiner F<strong>am</strong>ilie, er wurde wegen<br />

Mordes, Eidbruchs, Ämterkaufs <strong>und</strong> Unzucht angeklagt. 961 rief er den<br />

deutschen König Otto I., den Großen, zu Hilfe. Der zog nach Rom <strong>und</strong><br />

stellte kurzfristig <strong>die</strong> Ordnung wieder her. Als Gegenleistung krönte der<br />

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Papst ihn zum Kaiser. Johannes XII. starb im Mai 964. Langs<strong>am</strong> ging<br />

das „Dunkle Jahrh<strong>und</strong>ert“ zuende. In Gestalt der Reformbewegung von<br />

Cluny entstand ein moralisches Gegengewicht.<br />

Die dominierende Rolle zweier so markanter Frauen wie <strong>Marozia</strong> <strong>und</strong><br />

Theodora <strong>am</strong> <strong>Papsthof</strong> trug erheblich zur Legendenbildung um eine angebliche<br />

Päpstin Johanna bei. Für ihre Existenz gibt es keinerlei stichhaltige<br />

Beweise. Aber wie so oft ist auch hier <strong>die</strong> Legende mächtiger als<br />

<strong>die</strong> Realität.<br />

13. Lechfeld 955 – Geburt der deutschen Nation<br />

Seit dem Jahr 899 war das Reitervolk der Magyaren aus der ungarischen<br />

Tiefebene 32-mal in deutsches Gebiet eingefallen. Anders als Hunnen<br />

oder Mongolen, <strong>die</strong> wie ein Feuersturm erschienen <strong>und</strong> rasch wieder<br />

verschwanden, erwiesen sich <strong>die</strong> Magyaren als Aggressor, der niemals<br />

Ruhe geben würde. Im Jahre 955 trafen sie allerdings auf einen Gegner,<br />

der ihnen für immer den Weg nach Westen versperrte: Otto der Große,<br />

König der nun geeinten deutschen Stämme.<br />

Otto I. auf dem Lechfeld<br />

Eben noch hat der 65-jährige Bischof Ulrich von Augsburg <strong>am</strong> Ost-Tor<br />

im geistlichen Gewand, nur mit einem Schwert bewaffnet, gegen <strong>die</strong><br />

Ungarn gekämpft. Nun liegt er im Dom <strong>und</strong> bittet <strong>die</strong> heilige Maria<br />

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