Klimaanpassung als Herausforderung für die Regional- und - Klimzug

Klimaanpassung als Herausforderung für die Regional- und - Klimzug Klimaanpassung als Herausforderung für die Regional- und - Klimzug

01.12.2012 Aufrufe

KLIMZUG-Workingpaper Klimawandel an der Ostsee: Interessenskonflikte zwischen Naturund Küstenschutz bei der Gewinnung mariner Sande Rieke Müncheberg / Fritz Gosselck/ Timothy Coppack / Alexander Weidauer 1. Einleitung Die Entwicklung von Strategien zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels ist Ziel im Projekt RADOST. Hier werden regionale Anpassungsstrategien speziell für die deutsche Ostseeküste erforscht. RADOST ist Teil der Fördermaßnahme KLIMZUG (Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten) und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Ein Arbeitsschwerpunkt innerhalb von RADOST ist die Entwicklung von Anpassungsstrategien für die nachhaltige Nutzung mariner Ressourcen im Kontext des Klimawandels. Das Ökosystem der Ostsee ist wie andere marine Naturräume der Erde den Auswirkungen des Klimawandels unterworfen. So wird in den nächsten 100 Jahren je nach berechnetem IPCC-Szenario (A1B, B1) eine Temperaturerhöhung von 3 Kelvin (K) und ein Abfall des Salzgehaltes um 2 Practical Salinity Units (PSU) erwartet. Gleichzeitig geht man an der deutschen Ostseeküste von einem Wasserstandanstieg von 30 bis 90 cm innerhalb der nächsten 100 Jahre aus. Um diesen neuen Umweltbedingungen begegnen zu können, werden Anpassungsmaßnahmen zum Küstenschutz in Mecklenburg-Vorpommern langfristig geplant und umgesetzt. Bei der Umsetzung verfolgt das Land Mecklenburg-Vorpommern eine naturnahe Küstenschutzstrategie an der Außenküste, die durch die Staatlichen Ämter für Landwirtschaft und Umwelt (StÄLU) umgesetzt wird. Dabei werden bevorzugt natürliche Materialen eingesetzt. Durch die Aufspülung von Sanden wird der natürlichen Sedimentdynamik Rechnung getragen, indem an zu schützenden Küstenabschnitten das erodierte Material wieder hinzu geführt wird. Die erheblichen Mengen an Sanden, die zum Ausgleich der negativen Sedimentbilanz benötigt werden, können ökologisch und ökonomisch vertretbar ausschließlich aus der Ostsee gewonnen werden. Die Alternative zu diesem naturnahen Küstenschutz wären beispielsweise Ufermauern, die zu einer Verfelsung der Küste führen würden und hier wiederum den Erhalt wertvoller Lebensräume nicht zuließen. Die Gewinnung mariner Kiese und Sande ist dabei ein wichtiger Grundbaustein deren Umfang und Bedeutung in Zukunft zunehmen wird. Dies ist für den Küstenschutz genauso zu erwarten wie auch für gewerbliche Nutzungen wie Offshore Windenergieanlagen oder die Trassenführung für die Energiewirtschaft. Diese wichtigen und notwendigen Hochwasser- und Küstenschutzmaßnahmen und die damit verbundenen Sedimententnahmen stehen gleichzeitig im Konflikt mit anderen Nutzungsansprüchen des Naturraums. So führt die Entnahme großer Mengen Kies und Sand mit Laderaumsaugbaggern zu temporären Beeinträchtigungen der dort befindlichen marinen Lebensräume. Diese Beeinträchtigungen und das damit verbundene Abtragen der vorher vorhandenen Flora und Fauna haben Einfluss auf andere ökologisch und ökonomisch wichtige Funktionen des Naturraums. So ist für die Dauer der Wiederbesiedlung der Fischereiertrag wie auch die Funktion als Nahrungsgebiet für überwinternde Wasservögel eingeschränkt. Die Wiederbesiedlung mit der im und auf dem Sediment lebenden Fauna und Flora ist von den jeweiligen morphologischen Verhältnissen, der Struktur der benthischen Tiergemeinschaft und der Hydrographie sowie deren Dynamik abhängig. Mit steigendem Meeresspiegel und einer möglichen Zunahme von Sturmfluten durch die Veränderung des Klimas erhöhen sich die Aufwendungen der erforderlichen Küstenschutzmaßnahmen. Durch die 109

KLIMZUG-Workingpaper damit verbundene intensivere Nutzung der durchaus begrenzten Kies- und Sandvorkommen ergibt sich ein übergeordneter Ordnungsbedarf, der über die reine politische Moderation von Konfliktszenarien hinausgeht. So werden neben weiterem Forschungsbedarf zur objektiven Einschätzung des Eingriffs in das Ökosystem auch Möglichkeiten zur Sicherstellung des Küstenschutzes und der dafür benötigten Ressourcen an marinen Sanden bei künftig möglicherweise erhöhtem Bedarf als notwendig erachtet. Der marinen Sandgewinnung sollte im raumordnerischen Sinne der Vorrang eingeräumt werden, sofern sich die Flächen außerhalb von Schutzgebieten befinden. Ein umweltschonender Abbau kann nur gewährleistet werden, wenn die Lagerstätte für den staatlichen Küstenschutz auch künftig in der öffentlichen Hand liegt. Damit verbunden sind hohe Kosten hinsichtlich Erkundung und Monitoring dieser Lagerstätten. 2. Naturschutzfachliche Belange bei der Kiesgewinnung Die diskutierten negativen Auswirkungen der Kiesgewinnung auf die Umwelt sind vielschichtig, lassen sich jedoch in zwei Kategorien einteilen: (a) art- und lebensraumspezifische Flächenverluste und (b) graduelle Funktionsverluste von Habitaten und Ökosystemen. In der deutschen Ostsee sind im Wesentlichen drei Schutzgüter betroffen: benthische Organismen und ihre Habitate, Seevögel (im speziellen benthophage und piscivore Enten und Taucher) sowie Meeressäuger (beispielsweise durch temporäre und lokale Schallemission während des Abbaus). Unmittelbare Auswirkungen auf Seevögel sind durch Störungen während des Abbaus im Bereich der Abbaufläche, der Fahrwege und der Anlandung zu erwarten, wogegen der Entzug von Nahrungsressourcen durch die Entnahme von Sedimenten sich indirekt und langfristig auf die Überlebenswahrscheinlichkeit von Individuen auswirken könnte. Die Erheblichkeitsbewertung erfordert ein zeitlich und räumlich detailliertes Monitoring, was im Idealfall vor, während und nach dem Eingriff erfolgen sollte. Dies wird durch das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt (StALU) Mittleres Mecklenburg seit einigen Jahren realisiert. So werden in Mecklenburg-Vorpommern gegenwärtig in vier repräsentativen Referenzgebieten die Auswirkungen des Kiesabbaus auf das marine Ökosystem untersucht. Grundlage für die Durchführung der Umweltuntersuchungen bildet der Leitfaden zur Prüfung der Umweltverträglichkeit bei Vorhaben zur Gewinnung mariner Sedimente in den Hoheitsgewässern und in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Bundesrepublik Deutschland (BLANO, 2001). Dabei werden folgende Etappen in den Untersuchungen zu Grunde gelegt: 1.Monitoring: Aufnahme vor der Baggerung (status quo ante) 2.Monitoring: Aufnahme spätestens bis einen Monat nach der Baggerung 3.Monitoring: Aufnahme 24 Monate nach der Baggerung 4.Monitoring: Aufnahme 60 bis 72 Monate nach der Baggerung Alle Stufen eines Monitoring für eine Lagerstätte kosten etwa so viel wie die einmalige Sandentnahme für eine Aufspülung. Das Untersuchungsprogramm zur Feststellung des Regenerationsverlaufs wird neben geologisch-geophysikalischen und bathymetrischen Aufnahmen durch weitere Arbeitsschritte ergänzt. So werden abiotische Parameter wie Sauerstoff und Salzgehalt, Temperatur und Sichttiefe erfasst. Durch Greifer-Beprobung wird die im Boden lebende Fauna sowie durch Videokartierung einzelne Biotoptypen hinsichtlich Vorkommen und Verteilung erfasst. Die Ergebnisse münden in statistische Auswertungen, Habitatbeschreibungen und Aussagen zur Hydrographie. 110

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damit verb<strong>und</strong>ene intensivere Nutzung der durchaus begrenzten Kies- <strong>und</strong> Sandvorkommen ergibt<br />

sich ein übergeordneter Ordnungsbedarf, der über <strong>die</strong> reine politische Moderation von Konfliktszenarien<br />

hinausgeht. So werden neben weiterem Forschungsbedarf zur objektiven Einschätzung des Eingriffs<br />

in das Ökosystem auch Möglichkeiten zur Sicherstellung des Küstenschutzes <strong>und</strong> der da<strong>für</strong> benötigten<br />

Ressourcen an marinen Sanden bei künftig möglicherweise erhöhtem Bedarf <strong>als</strong> notwendig<br />

erachtet. Der marinen Sandgewinnung sollte im raumordnerischen Sinne der Vorrang eingeräumt<br />

werden, sofern sich <strong>die</strong> Flächen außerhalb von Schutzgebieten befinden. Ein umweltschonender Abbau<br />

kann nur gewährleistet werden, wenn <strong>die</strong> Lagerstätte <strong>für</strong> den staatlichen Küstenschutz auch künftig<br />

in der öffentlichen Hand liegt. Damit verb<strong>und</strong>en sind hohe Kosten hinsichtlich Erk<strong>und</strong>ung <strong>und</strong> Monitoring<br />

<strong>die</strong>ser Lagerstätten.<br />

2. Naturschutzfachliche Belange bei der Kiesgewinnung<br />

Die diskutierten negativen Auswirkungen der Kiesgewinnung auf <strong>die</strong> Umwelt sind vielschichtig, lassen<br />

sich jedoch in zwei Kategorien einteilen: (a) art- <strong>und</strong> lebensraumspezifische Flächenverluste <strong>und</strong> (b)<br />

graduelle Funktionsverluste von Habitaten <strong>und</strong> Ökosystemen. In der deutschen Ostsee sind im<br />

Wesentlichen drei Schutzgüter betroffen: benthische Organismen <strong>und</strong> ihre Habitate, Seevögel (im<br />

speziellen benthophage <strong>und</strong> piscivore Enten <strong>und</strong> Taucher) sowie Meeressäuger (beispielsweise durch<br />

temporäre <strong>und</strong> lokale Schallemission während des Abbaus). Unmittelbare Auswirkungen auf Seevögel<br />

sind durch Störungen während des Abbaus im Bereich der Abbaufläche, der Fahrwege <strong>und</strong> der<br />

Anlandung zu erwarten, wogegen der Entzug von Nahrungsressourcen durch <strong>die</strong> Entnahme von<br />

Sedimenten sich indirekt <strong>und</strong> langfristig auf <strong>die</strong> Überlebenswahrscheinlichkeit von Individuen<br />

auswirken könnte.<br />

Die Erheblichkeitsbewertung erfordert ein zeitlich <strong>und</strong> räumlich detailliertes Monitoring, was im<br />

Idealfall vor, während <strong>und</strong> nach dem Eingriff erfolgen sollte. Dies wird durch das Staatliche Amt <strong>für</strong><br />

Landwirtschaft <strong>und</strong> Umwelt (StALU) Mittleres Mecklenburg seit einigen Jahren realisiert. So werden in<br />

Mecklenburg-Vorpommern gegenwärtig in vier repräsentativen Referenzgebieten <strong>die</strong> Auswirkungen<br />

des Kiesabbaus auf das marine Ökosystem untersucht. Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> <strong>die</strong> Durchführung der Umweltuntersuchungen<br />

bildet der Leitfaden zur Prüfung der Umweltverträglichkeit bei Vorhaben zur Gewinnung<br />

mariner Sedimente in den Hoheitsgewässern <strong>und</strong> in der Ausschließlichen Wirtschaftszone<br />

(AWZ) der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland (BLANO, 2001). Dabei werden folgende Etappen in den Untersuchungen<br />

zu Gr<strong>und</strong>e gelegt:<br />

1.Monitoring: Aufnahme vor der Baggerung (status quo ante)<br />

2.Monitoring: Aufnahme spätestens bis einen Monat nach der Baggerung<br />

3.Monitoring: Aufnahme 24 Monate nach der Baggerung<br />

4.Monitoring: Aufnahme 60 bis 72 Monate nach der Baggerung<br />

Alle Stufen eines Monitoring <strong>für</strong> eine Lagerstätte kosten etwa so viel wie <strong>die</strong> einmalige Sandentnahme<br />

<strong>für</strong> eine Aufspülung. Das Untersuchungsprogramm zur Feststellung des Regenerationsverlaufs wird<br />

neben geologisch-geophysikalischen <strong>und</strong> bathymetrischen Aufnahmen durch weitere Arbeitsschritte<br />

ergänzt. So werden abiotische Parameter wie Sauerstoff <strong>und</strong> Salzgehalt, Temperatur <strong>und</strong> Sichttiefe<br />

erfasst. Durch Greifer-Beprobung wird <strong>die</strong> im Boden lebende Fauna sowie durch Videokartierung einzelne<br />

Biotoptypen hinsichtlich Vorkommen <strong>und</strong> Verteilung erfasst. Die Ergebnisse münden in statistische<br />

Auswertungen, Habitatbeschreibungen <strong>und</strong> Aussagen zur Hydrographie.<br />

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