Klimaanpassung als Herausforderung für die Regional- und - Klimzug

Klimaanpassung als Herausforderung für die Regional- und - Klimzug Klimaanpassung als Herausforderung für die Regional- und - Klimzug

01.12.2012 Aufrufe

KLIMZUG-Workingpaper resultiert. Aus der Multiplikation der reduzierten Versagenssicherheiten des Küstenschutzsystems mit den gestiegenen potenziellen Folgeschäden im Deichhinterland ergibt sich für die zugrunde gelegten Klimawandelbedingungen ein deutlich erhöhtes Sturmflutschadensrisiko in den Küstenbereichen (vgl. Wittig et al., 2007; Brencher et al., 2007). 3. Wie wird der Klimawandel vom Küstenschutz berücksichtigt? Der Küstenschutz ist in der Metropolregion Bremen-Oldenburg von existenzieller Bedeutung für die Sicherung des küstennahen Siedlungs-, Wirtschafts- und Kulturraums und damit für das Leben und Wirtschaften in dieser Region. Die beiden Generalpläne Küstenschutz Niedersachsen/Bremen (NLWKN, 2007) und Ostfriesische Inseln (NLWKN, 2010) bilden die zentralen Planungsdokumente des Küstenschutzes in Niedersachsen und Bremen. In ihnen sind die Ziele, die notwendigen Maßnahmen und der Finanzbedarf des Küsten- und Inselschutzes zusammengestellt sowie festgelegt, dass die Sollhöhen der Küstenschutzanlagen alle zehn Jahre überprüft werden müssen (NLWKN, 2010). Bei der Neufassung der Generalpläne in 2007 (für das Festland) und 2010 (für die Ostfriesischen Inseln) haben sich die zuständigen Fachbehörden der Länder dazu entschlossen, nicht nur wie bisher schon den sogenannten säkularen, sondern zusätzlich den erwarteten klimawandelbedingt beschleunigten Meeresspiegelanstieg bei der Bemessung der Deichhöhen zu berücksichtigen. Es gelten seit Juli 2007 folgende Regelungen (NLWKN, 2007; NLWKN, 2010): Bei der Ermittlung des Bemessungswasserstandes für Küstenschutzbauwerke wird als Vorsorgemaß ein Zuschlag von insgesamt 50 cm berücksichtigt, der sich zusammensetzt aus 25 cm für den säkularen Meeresspiegelanstieg und zusätzlichen 25 cm „Klimawandelzuschlag“. Zudem sollen Küstenschutzbauwerke statisch so ausgelegt werden, dass sie erforderlichenfalls nachträglich um rund einen Meter erhöht werden können. In Verbindung mit dem oben genannten Vorsorgemaß beinhalten die beiden Generalpläne folglich die Möglichkeit, auf einen Anstieg der Sturmflutwasserstände von insgesamt rund 150 cm zu reagieren (Schuchardt et al., 2011). Ein Vergleich des oben genannten Vorsorgemaßes und der Reservevorhaltung für nachträgliche Erhöhungen der Küstenschutzbauwerke mit den in den “nordwest2050“-Klimaszenarien festgelegten Werten für den Anstieg der Sturmflutwasserstände zeigt folgendes Bild: Während der für das 2050- Szenario festgelegte mittlere Wert des Sturmflutwasserstandanstiegs (+43 cm) noch mit dem Bemessungsvorsorgemaß von 50 cm aufgefangen werden kann, muss für die Bewältigung der oberen Spannweitenbereiche des 2050-Szenarios (+111 cm) bereits die oben genannte Reserve für eine nachträgliche Erhöhung der Küstenschutzbauwerke von einem Meter in Anspruch genommen werden. Insgesamt ist bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts mittels Vorsorgemaß und Reservevorhaltung aber die gesamte Spannweite des zu erwartenden Anstiegs der Sturmflutwasserstände zu bewältigen. Ein anderes Bild ergibt sich dagegen für das 2085-Szenario: Hier wird bereits für die Bewältigung des mittleren Sturmflutwasserstandanstiegs (+90 cm) die Reservevorhaltung für eine nachträgliche Erhöhung der Küstenschutzbauwerke erforderlich. Die oberen Bereiche der Spannweiten des zu erwartenden Anstiegs der Sturmflutwasserstände (+216 cm) können dagegen auch über die volle Ausnutzung der Baureserve nicht abgedeckt werden. Je nachdem wie stark der Anstieg der Sturmflutwasserstände bis zum Ende des 21. Jahrhunderts ausfällt, können also durchaus weitere Zuschläge auf die Bemessungshöhen und zusätzliche Ausbauten der Küstenschutzbauwerke notwendig werden (Schuchardt et al., 2011). 101

KLIMZUG-Workingpaper 4. Welche Faktoren haben zur frühzeitigen Berücksichtigung des Klimawandels geführt? Der Prozess der Anpassung an den Klimawandel, der derzeit unter anderem durch die Deutsche Anpassungsstrategie (Bundesregierung, 2008) strukturiert wird, hat also im Küstenschutz bereits begonnen und führt schon zu entsprechenden Maßnahmen. Damit ist der Küstenschutz eines der ersten in der Deutschen Anpassungsstrategie differenzierten Handlungsfelder, in dem der Anpassungsprozess zu konkreten Investitionsentscheidungen und deren Umsetzung geführt hat. Die frühzeitige Berücksichtigung des Klimawandels im Küstenschutz hat damit einen gewissen Pilotcharakter für die zukünftige Berücksichtigung des Klimawandels auch in anderen Handlungsfeldern. Im Folgenden sollen deshalb die Randbedingungen skizziert werden, die diese frühzeitige Berücksichtigung möglich oder notwendig gemacht haben. 1. Randbedingung: Anpassung hat schon immer stattgefunden Der Lebensraum Küste ist durch kontinuierliche Anpassung an dynamische und sich auch langzeitlich ändernde Randbedingungen gekennzeichnet. Das gilt sowohl für die ökologische Situation als auch für die Küstengesellschaft. Ein zentraler Parameter ist in diesem Zusammenhang der Meeresspiegel, der seit der Besiedlung des Küstenraumes diesen durch seine Trans- und Regressionsphasen geprägt hat. Seit Jahrhunderten ist der steigende Meeresspiegel von der Küstengesellschaft durch umfangreiche, immer wieder verstärkte Küstenschutzanlagen beantwortet worden, die auch die soziale Organisation und die Wahrnehmung geprägt haben (Fischer/Reise, 2011). Es hat also seit Jahrhunderten bereits eine gesellschaftlich organisierte Anpassung an einen steigenden Meeresspiegel stattgefunden und ein durch den Klimawandel beschleunigt steigender Meeresspiegel stellt damit keine grundsätzlich neue Herausforderung dar. 2. Randbedingung: Hohes Schadenspotenzial Die deutsche Nordseeküste ist durch die geographische Lage, die Topographie und die Konzentration von Menschen und Werten durch extreme Wasserstände stark gefährdet und es besteht ein hohes Schadenspotenzial. 3. Randbedingung: Klimafolgenforschung Die möglichen Auswirkungen eines beschleunigten Meeresspiegelanstiegs als wesentlichem Parameter des anthropogenen Klimawandels auf die deutsche (Nordsee-)Küste waren Auslöser und Beginn der Klimafolgenforschung in Deutschland. 1994 wurde der Förderschwerpunkt „Klimawandel und Küste“ vom BMBF eingerichtet, in dem querschnittsorientiert die Auswirkungen vor allem in den Fallstudien „Sylt“ (Daschkeit/Schottes, 2002) und „Unterweser“ (KLIMU; Schuchardt/Schirmer, 2005) untersucht wurden. Auch in den nachfolgenden Programmen wurden jeweils Projekte zum Zusammenhang Meeresspiegelanstieg und Küstenschutz gefördert, so dass eine umfassende wissenschaftliche Diskussion frühzeitig begann. Die Berücksichtigung in der aktuellen Maßnahmenplanung erfolgte in Niedersachsen/Bremen etwa zwölf Jahre nach Auflage des ersten Förderprogramms; in Schleswig- Holstein etwas früher. 4. Randbedingung: Vorhandener Anpassungsmechanismus und Langfristigkeit Wie oben skizziert, hat bereits seit Jahrhunderten eine gesellschaftlich organisierte Anpassung an den steigenden Meeresspiegel stattgefunden. Zur gemeinsamen Anpassung daran haben sich regional unterschiedliche Organisationsformen etabliert und ein „Anpassungsmechanismus“ ist durch die Deichgesetze der Länder und die Gemeinschaftsaufgabe Küstenschutz rechtlich verankert. Ein durch den Klimawandel beschleunigt steigender Meeresspiegel (bzw. die Erwartung desselben) trifft also auf 102

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4. Welche Faktoren haben zur frühzeitigen Berücksichtigung des Klimawandels<br />

geführt?<br />

Der Prozess der Anpassung an den Klimawandel, der derzeit unter anderem durch <strong>die</strong> Deutsche Anpassungsstrategie<br />

(B<strong>und</strong>esregierung, 2008) strukturiert wird, hat <strong>als</strong>o im Küstenschutz bereits begonnen<br />

<strong>und</strong> führt schon zu entsprechenden Maßnahmen. Damit ist der Küstenschutz eines der ersten in<br />

der Deutschen Anpassungsstrategie differenzierten Handlungsfelder, in dem der Anpassungsprozess<br />

zu konkreten Investitionsentscheidungen <strong>und</strong> deren Umsetzung geführt hat. Die frühzeitige Berücksichtigung<br />

des Klimawandels im Küstenschutz hat damit einen gewissen Pilotcharakter <strong>für</strong> <strong>die</strong> zukünftige<br />

Berücksichtigung des Klimawandels auch in anderen Handlungsfeldern.<br />

Im Folgenden sollen deshalb <strong>die</strong> Randbedingungen skizziert werden, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se frühzeitige Berücksichtigung<br />

möglich oder notwendig gemacht haben.<br />

1. Randbedingung: Anpassung hat schon immer stattgef<strong>und</strong>en<br />

Der Lebensraum Küste ist durch kontinuierliche Anpassung an dynamische <strong>und</strong> sich auch langzeitlich<br />

ändernde Randbedingungen gekennzeichnet. Das gilt sowohl <strong>für</strong> <strong>die</strong> ökologische Situation <strong>als</strong> auch<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Küstengesellschaft. Ein zentraler Parameter ist in <strong>die</strong>sem Zusammenhang der Meeresspiegel,<br />

der seit der Besiedlung des Küstenraumes <strong>die</strong>sen durch seine Trans- <strong>und</strong> Regressionsphasen geprägt<br />

hat. Seit Jahrh<strong>und</strong>erten ist der steigende Meeresspiegel von der Küstengesellschaft durch umfangreiche,<br />

immer wieder verstärkte Küstenschutzanlagen beantwortet worden, <strong>die</strong> auch <strong>die</strong> soziale<br />

Organisation <strong>und</strong> <strong>die</strong> Wahrnehmung geprägt haben (Fischer/Reise, 2011).<br />

Es hat <strong>als</strong>o seit Jahrh<strong>und</strong>erten bereits eine gesellschaftlich organisierte Anpassung an einen steigenden<br />

Meeresspiegel stattgef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ein durch den Klimawandel beschleunigt steigender Meeresspiegel<br />

stellt damit keine gr<strong>und</strong>sätzlich neue <strong>Herausforderung</strong> dar.<br />

2. Randbedingung: Hohes Schadenspotenzial<br />

Die deutsche Nordseeküste ist durch <strong>die</strong> geographische Lage, <strong>die</strong> Topographie <strong>und</strong> <strong>die</strong> Konzentration<br />

von Menschen <strong>und</strong> Werten durch extreme Wasserstände stark gefährdet <strong>und</strong> es besteht ein hohes<br />

Schadenspotenzial.<br />

3. Randbedingung: Klimafolgenforschung<br />

Die möglichen Auswirkungen eines beschleunigten Meeresspiegelanstiegs <strong>als</strong> wesentlichem Parameter<br />

des anthropogenen Klimawandels auf <strong>die</strong> deutsche (Nordsee-)Küste waren Auslöser <strong>und</strong> Beginn<br />

der Klimafolgenforschung in Deutschland. 1994 wurde der Förderschwerpunkt „Klimawandel <strong>und</strong> Küste“<br />

vom BMBF eingerichtet, in dem querschnittsorientiert <strong>die</strong> Auswirkungen vor allem in den Fallstu<strong>die</strong>n<br />

„Sylt“ (Daschkeit/Schottes, 2002) <strong>und</strong> „Unterweser“ (KLIMU; Schuchardt/Schirmer, 2005) untersucht<br />

wurden. Auch in den nachfolgenden Programmen wurden jeweils Projekte zum Zusammenhang<br />

Meeresspiegelanstieg <strong>und</strong> Küstenschutz gefördert, so dass eine umfassende wissenschaftliche Diskussion<br />

frühzeitig begann. Die Berücksichtigung in der aktuellen Maßnahmenplanung erfolgte in Niedersachsen/Bremen<br />

etwa zwölf Jahre nach Auflage des ersten Förderprogramms; in Schleswig-<br />

Holstein etwas früher.<br />

4. Randbedingung: Vorhandener Anpassungsmechanismus <strong>und</strong> Langfristigkeit<br />

Wie oben skizziert, hat bereits seit Jahrh<strong>und</strong>erten eine gesellschaftlich organisierte Anpassung an den<br />

steigenden Meeresspiegel stattgef<strong>und</strong>en. Zur gemeinsamen Anpassung daran haben sich regional<br />

unterschiedliche Organisationsformen etabliert <strong>und</strong> ein „Anpassungsmechanismus“ ist durch <strong>die</strong><br />

Deichgesetze der Länder <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gemeinschaftsaufgabe Küstenschutz rechtlich verankert. Ein durch<br />

den Klimawandel beschleunigt steigender Meeresspiegel (bzw. <strong>die</strong> Erwartung desselben) trifft <strong>als</strong>o auf<br />

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