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Klimaanpassung als Herausforderung für die Regional- und - Klimzug

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KLIMZUG-WORKING PAPER<br />

<strong>Klimaanpassung</strong> <strong>als</strong> <strong>Herausforderung</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Regional</strong>- <strong>und</strong> Stadtplanung<br />

Erfahrungen <strong>und</strong> Erkenntnisse aus<br />

der deutschen Anpassungsforschung <strong>und</strong> -praxis<br />

Mahammad Mahammadzadeh / Esther Chrischilles (Hrsg.)<br />

Köln 2012


Impressum<br />

Herausgeber<br />

Mahammad Mahammadzadeh / Esther Chrischilles<br />

Institut der deutschen Wirtschaft Köln<br />

Kompetenzfeld Umwelt, Energie, Ressourcen<br />

Vervielfältigung<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

Die Verantwortung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Inhalte der einzelnen Beiträge liegt bei den Autoren. Die darin vertretenen<br />

Auffassungen sind nicht unbedingt mit denen des Herausgebers identisch.<br />

ISBN: 978-3-9815121-1-3<br />

Köln 2012


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Inhalt<br />

Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................................ii<br />

Autorenverzeichnis ..........................................................................................................................v<br />

Vorwort: Hubertus Bardt...................................................................................................................1<br />

Einführung: Mahammad Mahammadzadeh / Esther Chrischilles ......................................................2<br />

Einleitende Beiträge<br />

Gérard Hutter / Bernhard Müller / Stefanie Rößler / Lena Herlitzius<br />

Räumliche Planung <strong>und</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> – Steuerung durch informelle<br />

Prozesse oder Verankerung in Plänen .............................................................................................4<br />

Esther Chrischilles / Mahammad Mahammadzadeh<br />

<strong>Klimaanpassung</strong> aus Sicht der kommunalen Verwaltung <strong>und</strong> der Wirtschaft.....................................16<br />

Anpassung in Städten: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Planung<br />

Stefan Greiving / Fabian Dosch<br />

Die Modellvorhaben der Stadt- <strong>und</strong> Raumentwicklung zur Anpassung in Stadtregionen ...................28<br />

Jörg Knieling / Lisa Kunert / Thomas Zimmermann<br />

Siedlungsstruktur <strong>und</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> in Stadtregionen..................................................................39<br />

Marko Siekmann / Thomas Siekmann<br />

Wassersensible Stadtentwicklung – Informelle Planung versus verbindliche Konzepte.....................49<br />

Anpassung im Ländlichen Raum: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Planung<br />

Christian Jacoby<br />

<strong>Regional</strong>entwicklung <strong>und</strong> <strong>Regional</strong>planung zur Anpassung an den Klimawandel am<br />

Beispiel des Landkreises Neumarkt in der Oberpfalz (Bayern) – Modellvorhaben<br />

der Raumordnung (MORO) KLIMA NEU ..........................................................................................60<br />

Lutz Katzschner / Sebastian Kupski<br />

<strong>Regional</strong>klimakarten <strong>und</strong> ihre Nutzung <strong>für</strong> <strong>Klimaanpassung</strong>smaßnahmen ........................................72<br />

Uta Steinhardt / Claudia Henze<br />

Raumbezogene Planung im Klimawandel – ebenen- <strong>und</strong> sektorübergreifend ...................................78<br />

Anpassung an den Küsten: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Planung<br />

Roland Wenk<br />

Küstenschutz <strong>als</strong> Bestandteil der vorpommerschen Raumentwicklungsstrategie<br />

– Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der <strong>Regional</strong>planung..........................................................................87<br />

Bastian Schuchardt / Stefan Wittig<br />

Anpassung hat begonnen: Wie <strong>und</strong> weshalb wird der Klimawandel an der deutschen<br />

Nordseeküste bereits berücksichtigt?...............................................................................................98<br />

Rieke Müncheberg / Fritz Gosselck / Timothy Coppack / Alexander Weidauer<br />

Klimawandel an der Ostsee: Interessenskonflikte zwischen Natur- <strong>und</strong> Küstenschutz<br />

bei der Gewinnung mariner Sande..................................................................................................109<br />

i


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Hubertus Bardt.................................................................................................................................1<br />

Einführung<br />

Mahammad Mahammadzadeh / Esther Chrischilles ........................................................................2<br />

Einleitende Beiträge<br />

Räumliche Planung <strong>und</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> –<br />

Steuerung durch informelle Prozesse oder Verankerung in Plänen ...........................................4<br />

Gérard Hutter / Bernhard Müller / Stefanie Rößler / Lena Herlitzius<br />

1. Einleitung<br />

2. <strong>Herausforderung</strong>en der räumlichen Planung bei der <strong>Klimaanpassung</strong><br />

3. Das „Integrierte <strong>Regional</strong>e <strong>Klimaanpassung</strong>sprogramm (IRKAP)“ <strong>als</strong> informelles Planungsinstrument<br />

4. Strategieorientierung am Beispiel des Themas „Städtebauliche Strukturen, Grün- <strong>und</strong> Freiflächen<br />

sowie Gebäude“<br />

5. Fazit<br />

Literatur<br />

<strong>Klimaanpassung</strong> aus Sicht der kommunalen Verwaltung <strong>und</strong> der Wirtschaft............................16<br />

Esther Chrischilles / Mahammad Mahammadzadeh<br />

1. Einleitung<br />

2. Unternehmerische Anpassungserfordernisse<br />

2.1.Klimawandel <strong>und</strong> unternehmensstrategische Bedeutung<br />

2.2.Direkte <strong>und</strong> indirekte Betroffenheiten<br />

2.3.Betroffenheit durch verschiedene Arten von Klimaereignissen<br />

3. Kommunale Anpassungserfordernisse<br />

3.1.<strong>Regional</strong>e Verletzlichkeiten<br />

3.2.Sektorale Verletzlichkeiten<br />

4. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Literatur<br />

Anpassung in Städten: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Planung<br />

Die Modellvorhaben der Stadt- <strong>und</strong> Raumentwicklung zur Anpassung<br />

in Stadtregionen.............................................................................................................................28<br />

Stefan Greiving / Fabian Dosch<br />

1. Einleitung<br />

2. Die regionalen Modellvorhaben (KlimaMORO)<br />

3. Die kommunalen Modellvorhaben (StadtKlimaExWoSt)<br />

3.1 Analytisch-technische Ansätze<br />

3.2 Planerisch-bauliche Ansätze<br />

3.3 Informatorisch-organisatorische Ansätze<br />

4. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Literatur<br />

ii


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Siedlungsstruktur <strong>und</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> in Stadtregionen..........................................................39<br />

Jörg Knieling / Lisa Kunert / Thomas Zimmermann<br />

1. Siedlungsstrukturelle Leitbilder <strong>und</strong> <strong>Klimaanpassung</strong><br />

2. <strong>Herausforderung</strong>en des Klimawandels <strong>für</strong> Stadtregionen<br />

3. Bewertungskriterien <strong>für</strong> resiliente Siedlungsstrukturen auf regionaler Ebene<br />

4. Bewertung punkt-axialer Siedlungsstrukturkonzepte<br />

5. Analyse weiterer Siedlungsstrukturmodelle im Hinblick auf eine Weiterentwicklung punktaxialer<br />

Modelle<br />

6. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Literatur<br />

Wassersensible Stadtentwicklung – Informelle Planung versus<br />

verbindliche Konzepte...................................................................................................................49<br />

Marko Siekmann / Thomas Siekmann<br />

1. Einleitung<br />

2. dynaklim – Klimawandel <strong>und</strong> Siedlungsentwässerung<br />

3. Gefährdungsanalyse<br />

4. Vulnerabilitätsanalyse <strong>und</strong> Erstellung von Risikokarten<br />

5. Anpassungsmaßnahmen<br />

6. Instrumentarien<br />

7. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Literatur<br />

Anpassung im Ländlichen Raum: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Planung<br />

<strong>Regional</strong>entwicklung <strong>und</strong> <strong>Regional</strong>planung zur Anpassung an den Klimawandel am Beispiel<br />

des Landkreises Neumarkt in der Oberpfalz (Bayern) – Modellvorhaben der Raumordnung<br />

(MORO) KLIMA NEU.......................................................................................................................60<br />

Christian Jacoby<br />

1. Einleitung<br />

2. Struktur <strong>und</strong> Ablauf des Modellvorhabens KlimaNEU<br />

3. Handlungsempfehlungen <strong>für</strong> <strong>Regional</strong>planung <strong>und</strong> -entwicklung<br />

3.1 Themengruppe „Energien“<br />

3.2 Themengruppe „Siedlungs- <strong>und</strong> Infrastruktur, Bauwesen, Ges<strong>und</strong>heit“<br />

3.3 Themengruppe „Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Naturschutz, Tourismus“<br />

4. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Literatur<br />

<strong>Regional</strong>klimakarten <strong>und</strong> ihre Nutzung <strong>für</strong> <strong>Klimaanpassung</strong>smaßnahmen................................72<br />

Lutz Katzschner / Sebastian Kupski<br />

1. Einleitung<br />

2. Methodik zur Erstellung von Klimafunktionskarten<br />

3. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Literatur<br />

iii


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Raumbezogene Planung im Klimawandel – ebenen- <strong>und</strong> sektorübergreifend ...........................78<br />

Uta Steinhardt / Claudia Henze<br />

1. Einleitung<br />

2. <strong>Regional</strong>e Systemzusammenhänge<br />

3. Grenzen zwischen Planungshierarchien <strong>und</strong> Fachplanungen überwinden: Wasserwirtschaft<br />

<strong>und</strong> Naturschutz auf kommunaler <strong>und</strong> regionaler Ebene<br />

3.1 Wasserwirtschaft <strong>und</strong> Naturschutz<br />

3.2 Wasserbezogene Planung auf kommunaler <strong>und</strong> regionaler Ebene<br />

4. Vom Flächenmanagement zum Landnutzungsmanagement<br />

5. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Literatur<br />

Anpassung an den Küsten: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Planung<br />

Küstenschutz <strong>als</strong> Bestandteil der vorpommerschen Raumentwicklungsstrategie – Möglichkeiten<br />

<strong>und</strong> Grenzen der <strong>Regional</strong>planung .........................................................................................87<br />

Roland Wenk<br />

1. Einleitung<br />

2. Stand der <strong>Regional</strong>planung in der Planungsregion Vorpommern unter besonderer Berücksichtigung<br />

des Küstenschutzes<br />

3. Die Raumentwicklungsstrategie „Anpassung an den Klimawandel <strong>und</strong> Klimaschutz in der Planungsregion<br />

Vorpommern“<br />

4. Raumplanerische Erfordernisse <strong>und</strong> Küstenschutz<br />

5. Zielstellungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Abstimmung von Raumplanung <strong>und</strong> Küstenschutz sowie Governance-<br />

Prozesse<br />

6. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Literatur<br />

Anpassung hat begonnen: Wie <strong>und</strong> weshalb wird der Klimawandel an der deutschen Nordseeküste<br />

bereits berücksichtigt?.......................................................................................................98<br />

Bastian Schuchardt / Stefan Wittig<br />

1. Einleitung<br />

2. Klimawandel <strong>und</strong> Küstenschutz: Sensitivität <strong>und</strong> potenzielle Auswirkungen<br />

2.1 Küstenschutz in der Metropolregion<br />

2.2 Klimawandel <strong>und</strong> Küstenschutz in der Metropolregioen<br />

3. Wie wird der Klimawandel vom Küstenschutz berücksichtigt?<br />

4. Welche Faktoren haben zur frühzeitigen Berücksichtigung des Klimawandels geführt?<br />

5. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Literatur<br />

Klimawandel an der Ostsee: Interessenskonflikte zwischen Natur- <strong>und</strong> Küstenschutz bei der<br />

Gewinnung mariner Sande...........................................................................................................109<br />

Rieke Müncheberg / Fritz Gosselck / Timothy Coppack / Alexander Weidauer<br />

1. Einleitung<br />

2. Naturschutzfachliche Belange bei der Kiesgewinnung<br />

3. Marine Sande <strong>für</strong> den Küstenschutz<br />

4. Gesetzliche Rahmenbedingungen <strong>und</strong> Regelungsbedarf<br />

5. Zusammenfassung <strong>und</strong> Entwicklungsperspektiven<br />

Literatur<br />

iv


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Autorenverzeichnis<br />

Bardt, Hubertus, Dr., Institut der deutschen Wirtschaft Köln<br />

Chrischilles, Esther, Dipl.-Volkswirtin, Institut der deutschen Wirtschaft Köln<br />

Coppack, Timothy, Dr., Institut <strong>für</strong> angewandte Ökosystemforschung GmbH (IfAÖ), Neu Broderstorf<br />

Dosch, Fabian, Dr., B<strong>und</strong>esinstitut <strong>für</strong> Bau-, Stadt- <strong>und</strong> Raumforschung (BBSR), Bonn<br />

Gosselck, Fritz, Dr., Institut <strong>für</strong> angewandte Ökosystemforschung GmbH (IfAÖ), Neu Broderstorf<br />

Greiving, Stefan, Prof. Dr., Technische Universität Dortm<strong>und</strong>, Institut <strong>für</strong> Raumplanung/plan + risk<br />

consult<br />

Henze, Claudia, Dipl.- Landschaftsökologin, <strong>Regional</strong>e Planungsstelle Uckermark-Barnim<br />

Herlitzius, Lena, Dipl.-Ing., Technische Universität Dresden<br />

Hutter, Gérard, Dr., Leibniz-Institut <strong>für</strong> ökologische Raumentwicklung e.V.(IÖR), Dresden<br />

Jacoby, Christian, Prof. Dr, Universität der B<strong>und</strong>eswehr München<br />

Katzschner, Lutz, Prof. Dr., Universität Kassel<br />

Knieling, Jörg, Prof. Dr., HafenCity Universität Hamburg<br />

Kunert, Lisa, Dipl.-Ing., HafenCity Universität Hamburg<br />

Kupski, Sebastian, Dipl.-Ing., Universität Kassel<br />

Mahammadzadeh, Mahammad, Dr., Institut der deutschen Wirtschaft Köln<br />

Müller, Bernhard, Prof. Dr. Dr. h.c., Leibniz-Institut <strong>für</strong> ökologische Raumentwicklung e.V. (IÖR),<br />

Dresden<br />

Müncheberg, Rieke, Dipl.-Ing., Staatliches Amt <strong>für</strong> Landwirtschaft <strong>und</strong> Umwelt Mittleres Mecklenburg<br />

(StALU MM), Rostock<br />

Rößler, Stefanie, Dr., Leibniz-Institut <strong>für</strong> ökologische Raumentwicklung e.V.(IÖR), Dresden<br />

Schuchardt, Bastian, Dr., BioConsult Schuchardt & Scholle GbR, Bremen<br />

Siekmann, Marko, Dipl.-Ing., Forschungsinstitut <strong>für</strong> Wasser- <strong>und</strong> Abfallwirtschaft (FiW) an der RWTH<br />

Aachen e.V.<br />

Siekmann, Thomas, Dipl.-Ing., Forschungsinstitut <strong>für</strong> Wasser- <strong>und</strong> Abfallwirtschaft (FiW) an der<br />

RWTH Aachen e.V.<br />

Steinhardt, Uta, Prof. Dr., Hochschule <strong>für</strong> nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH)<br />

Weidauer, Alexander, Dipl.-Phys., Institut <strong>für</strong> Angewandte Ökosystemforschung GmbH (IfAÖ), Neu<br />

Broderstorf<br />

Wenk, Roland, Dipl. agr.-Ing., Amt <strong>für</strong> Raumordnung <strong>und</strong> Landesplanung Vorpommern, Schwerin<br />

Wittig, Stefan, Dipl.-Biologe, BioConsult Schuchardt & Scholle GbR<br />

Zimmermann, Thomas, Dipl.-Ing., HafenCity Universität Hamburg<br />

v


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Vorwort<br />

Die Anpassung an <strong>die</strong> Klimafolgen <strong>und</strong> Extremwetterereignisse stellt <strong>die</strong> <strong>Regional</strong>- <strong>und</strong> Stadtplanung<br />

vor große <strong>und</strong> zum Teil auch neue <strong>Herausforderung</strong>en. Mit der Einbeziehung des Themenkomplexes<br />

Klimawandel, Extremwetterereignisse, Klimaschutz <strong>und</strong> Anpassung in den regionalen Planungsprozess<br />

erhöhen sich dessen Komplexität <strong>und</strong> Unsicherheitsgrad. <strong>Regional</strong>e Akteure <strong>und</strong> Entscheidungsträger<br />

verlangen nach mehr klimawandelbezogenen planungsrelevanten Informationen sowie nach<br />

adäquaten Konzepten <strong>und</strong> Methoden zur Problemlösung. Vor <strong>die</strong>sem Hintergr<strong>und</strong> zielen zahlreiche<br />

Forschungsvorhaben auf <strong>die</strong> Entwicklung oder Weiterentwicklung derartiger Ansätze <strong>und</strong> Instrumente<br />

ab sowie auf <strong>die</strong> Generierung des dazu notwendigen Wissens über Klimaveränderungen <strong>und</strong> deren<br />

Wirkungszusammenhänge. Dadurch können vor allem Entscheidungsträger auf regionaler Ebene in<br />

<strong>die</strong> Lage versetzt werden, <strong>die</strong> Anpassungsaspekte rechtzeitig in Planungs- <strong>und</strong> Entscheidungsprozesse<br />

einzubeziehen.<br />

<strong>Regional</strong>- <strong>und</strong> Stadtplanung ist ein Querschnittsthema in der deutschen Anpassungsstrategie an den<br />

Klimawandel <strong>und</strong> hat bereits Eingang in entsprechende Forschungs- <strong>und</strong> Praxisprojekte gef<strong>und</strong>en.<br />

Die Raumplanung weist eine Vielzahl an Berührungspunkten mit anderen anpassungsrelevanten<br />

Themen wie Bau, Transport/Verkehr, Stadtentwicklung, Wasserversorgung <strong>und</strong> -entsorgung oder<br />

Ges<strong>und</strong>heit auf.<br />

Solche <strong>und</strong> andere Themen stehen im Fokus der Fördermaßnahme „KLIMZUG – Klimawandel in Regionen<br />

zukunftsfähig gestalten“, <strong>die</strong> sieben Regionen in Deutschland auf dem Weg zu einer regionalen<br />

Anpassungsstrategie unterstützt. Neben den KLIMZUG-Verb<strong>und</strong>projekten beschäftigen sich auch<br />

andere Modellvorhaben mit regionalen Anpassungsprozessen, insbesondere „KlimaMORO – Raumentwicklungsstrategien<br />

zum Klimawandel“ <strong>und</strong> „KlimaExWoSt – Urbane Strategien zum Klimawandel“.<br />

Letztere zielen vorwiegen auf eine Weiterentwicklung raumplanerischer Instrumente unter den Bedingungen<br />

des Klimawandels, wohingegen <strong>die</strong> KLIMZUG-Projekte an einer Vielzahl verschiedener Forschungsfragen<br />

zur Anpassung arbeiten, <strong>die</strong> jedoch immer mindestens auch einen indirekten Planungsbezug<br />

aufweisen. Vor <strong>die</strong>sem Hintergr<strong>und</strong> wird in der vorliegenden Publikation nicht nur <strong>die</strong><br />

KLIMZUG-Forschung themenspezifisch aufgearbeitet, sondern erstm<strong>als</strong> auch um Forschungsergebnisse<br />

anderer Forschungsverbünde ergänzt.<br />

Die Autorinnen <strong>und</strong> Autoren der Beiträge setzen sich nachfolgend konzeptionell fun<strong>die</strong>rt <strong>und</strong> methodisch<br />

umfassend mit der <strong>Klimaanpassung</strong> in der <strong>Regional</strong>- <strong>und</strong> Stadtplanung auseinander, stellen <strong>die</strong><br />

entwickelten Ansätze <strong>und</strong> Verfahren vor, gehen auf Möglichkeiten, Problemfelder <strong>und</strong> Grenzen der<br />

Raumplanung insbesondere auf regionaler Ebene ein <strong>und</strong> zeigen Entwicklungsperspektiven auf.<br />

Die vorgeschlagenen Konzepte <strong>und</strong> Instrumente bieten angesichts ihrer Praxisrelevanz wertvolle Hilfestellungen<br />

bei einer klimawandelgerechten <strong>Regional</strong>- <strong>und</strong> Stadtplanung. Wir hoffen, dass <strong>die</strong> Publikationen<br />

sowie <strong>die</strong> darin präsentierten Strategien, Instrumente <strong>und</strong> Anwendungsbeispiele eine breite<br />

Leserschaft in der Praxis <strong>und</strong> der Forschung finden.<br />

Dr. Hubertus Bardt<br />

Stellv. Leiter Wissenschaftsbereich Wirtschaftspolitik <strong>und</strong> Sozialpolitik<br />

Leiter Kompetenzfeld Umwelt, Energie, Ressourcen<br />

Institut der deutschen Wirtschaft Köln<br />

1


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Einführung<br />

Um <strong>die</strong> im Kontext der Anpassung <strong>und</strong> <strong>Regional</strong>planung gewonnenen Erfahrungen <strong>und</strong> Erkenntnisse<br />

aus der deutschen Anpassungsforschung zu bündeln, <strong>die</strong> entwickelten Ansätze <strong>und</strong> Instrumente zu<br />

diskutieren, Handlungsbedarf ab zu leiten <strong>und</strong> nicht zuletzt mögliche Handlungsempfehlungen geben<br />

zu können, fand am 30. September 2011 ein KLIMZUG-verb<strong>und</strong>übergreifender Workshop satt. Daran<br />

waren nicht nur alle KLIMZUG-Verbünde beteiligt, sondern auch Vertreter themenverwandter Modellvorhaben<br />

wie KlimaMORO <strong>und</strong> KlimaExWost. Veranstalter <strong>und</strong> Gastgeber war das Institut der deutschen<br />

Wirtschaft Köln, das den KLIMZUG-Begleitprozess durchführt. Im Rahmen von Vorträgen <strong>und</strong><br />

moderierten Diskussionen konnte detailliert auf <strong>Klimaanpassung</strong> in Städten, im ländlichen Raum <strong>und</strong><br />

an deutschen Küsten eingegangen <strong>und</strong> jeweils <strong>die</strong> Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der <strong>Regional</strong>planung<br />

aufgezeigt <strong>und</strong> diskutiert werden. Dabei wurden insbesondere folgenden Fragestellungen <strong>und</strong> Probleme<br />

thematisiert:<br />

� Wo liegen konkrete Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen einer anpassungsorientierten <strong>Regional</strong>planung?<br />

Welches sind wesentliche Handlungsfelder?<br />

� Wie können <strong>die</strong> vorhandenen Erkenntnisse aus den Projekten in <strong>die</strong> <strong>Regional</strong>- <strong>und</strong> Stadtplanung<br />

eingespeist werden? Wo liegen <strong>die</strong> wesentlichen Ansatzpunkte <strong>und</strong> Hemmnisse?<br />

� Ist eine gesetzliche Erweiterung der vorhandenen Instrumente der Raumplanung um <strong>die</strong> Aspekte<br />

der <strong>Klimaanpassung</strong> erforderlich?<br />

� Wie kann mit dem Thema „Unsicherheiten“ in der anpassungsbezogenen <strong>Regional</strong>- <strong>und</strong><br />

Stadtplanung umgegangen werden?<br />

� Wie können „No-Regret-Maßnahmen“ identifiziert werden?<br />

� Wie kann <strong>die</strong> Datengr<strong>und</strong>lage verbessert <strong>und</strong> der Zugang zu vorhandenen Daten geschaffen<br />

werden?<br />

� Ist „Climate-Proofing“ ein geeignetes Instrument bei der <strong>Regional</strong>planung?<br />

� Gibt es Finanzierungsprobleme, falls ja, wie können sie reduziert werden?<br />

� Wie kann eine ausgewogene Balance zwischen formellen <strong>und</strong> informellen Instrumenten der<br />

<strong>Regional</strong>planung gef<strong>und</strong>en werden?<br />

� Welche Transferpotenziale besitzen verschiedene Analysen <strong>und</strong> Methoden wie Klimafunktionskarten,<br />

Betroffenheitsindex, Gewerbeklimalotse, klimaangepasste Siedlungsstrukturmodelle,<br />

multifunktionale Flächen oder EDV-gestützte Verw<strong>und</strong>barkeitschecks?<br />

Diese <strong>und</strong> weitere Fragstellungen sind zum großen Teil auch Gegenstand der vorliegenden Publikation.<br />

Diese ist in Anlehnung an <strong>die</strong> Aufteilung der Veranstaltung in einen einführenden Block <strong>und</strong> drei<br />

thematische Einheiten gegliedert.<br />

Der erste Beitrag von Hutter/Müller/Rößler/Herlitzius erläutert wichtige Gr<strong>und</strong>begriffe der Raumplanung<br />

<strong>und</strong> skizziert <strong>die</strong>se <strong>als</strong> Spannungsfeld auf dem unterschiedliche Akteursinteressen sowie eine<br />

Vielzahl an informellen <strong>und</strong> formellen Lösungsansätzen zum Ausgleich gebracht werden.<br />

Ein weiterer einführender Beitrag von Chrischilles/Mahammadzadeh stellt unternehmerische sowie<br />

kommunale Anpassungsansprüche dar, <strong>die</strong> sich aus klimawandelbedingten Betroffenheiten <strong>und</strong> Verletzlichkeiten<br />

ergeben. Hierbei fließen <strong>die</strong> Erkenntnisse aus der Kommunal- <strong>und</strong> Unternehmensbefragung<br />

ein, <strong>die</strong> 2011 im Rahmen des KLIMZUG-Begleitprozesses durchgeführt wurde.<br />

2


KLIMZUG-Workingpaper<br />

<strong>Klimaanpassung</strong> in Städten: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Planung<br />

Greiving/Dosch stellen <strong>die</strong> Modellvorhaben der Stadt- <strong>und</strong> Raumentwicklung zur Anpassung an den<br />

Klimawandel vor. Insbesondere wird das Vorhaben „Urbane Konzepte zum Klimawandel (StadtKlima-<br />

ExWoSt)“ <strong>und</strong> damit Ansätze <strong>und</strong> Ergebnisse <strong>für</strong> <strong>die</strong> lokale bis stadtregionale Ebene dargelegt.<br />

Anschließend diskutieren Knieling/Kuhnert/Zimmermann (KLIMZUG-NORD) siedlungsstrukturelle<br />

Leitbilder <strong>und</strong> Konzepte in Bezug auf eine klimaangepasste Siedlungs- <strong>und</strong> Freiraumentwicklung. Im<br />

Mittelpunkt steht dabei eine Resilienz-Analyse von punkt-axialen Modellen.<br />

Der dritte Beitrag in <strong>die</strong>sem Block wägt formelle <strong>und</strong> informelle Planungsansätze <strong>für</strong> eine wassersensible<br />

Stadtentwicklung ab. Zuvor nehmen Siekmann/Siekmann (dynaklim/KLIMZUG) eine fun<strong>die</strong>rte<br />

Abschätzung der erwarteten Belastung der Entwässerungssysteme im Siedlungsbereich vor.<br />

<strong>Klimaanpassung</strong> im ländlichen Raum: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Planung<br />

Für den ländlichen Raum stellt Jacoby (KlimaMORO) raumplanerische Handlungsempfehlungen <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Anpassung an den Klimawandel dar. Dies geschieht am Beispiel der Region Regensburg <strong>und</strong> des<br />

Landkreises Neumarkt in der Oberpfalz <strong>und</strong> fokussiert <strong>die</strong> Themen „Energien“, „Siedlungs- <strong>und</strong> Infrastruktur,<br />

Bauwesen, Ges<strong>und</strong>heit“ sowie „Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Naturschutz, Tourismus“.<br />

Katschner/Kupski (KLIMZUG-Nordhessen) widmen sich in ihrem Beitrag dem Instrument der Klimafunktionskarte,<br />

mit deren Hilfe mikroklimatische Bedingungen insbesondere in Ballungsräumen abgebildet<br />

werden. Die Methodik wurde am Beispiel des Raums Kassel weiterentwickelt, um Auswirkungen<br />

des Klimawandels auf regionaler Ebene abschätzen zu können.<br />

Brandenburg bietet den regionalen Bezugspunkt zum Beitrag von Steinhardt/Henze (INKA BB), <strong>die</strong><br />

regionale Systemzusammenhänge in den Blick nehmen <strong>und</strong> ein Tool <strong>für</strong> <strong>die</strong> kommunale <strong>und</strong> regionale<br />

Planungsebene vorstellen, das der Ermittlung von Retentionsflächen <strong>die</strong>nt.<br />

<strong>Klimaanpassung</strong> an den Küsten: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Planung<br />

Wenk (KlimaMORO) beschreibt hier zunächst anhand einer Raumentwicklungsstrategie das Zusammenwirken<br />

von Raumplanung <strong>und</strong> Küstenschutz. Im Fokus steht <strong>die</strong> an der südlichen Ostsee gelegene<br />

Planungsregion Vorpommern, <strong>die</strong> besonders empfindlich gegenüber einem ansteigenden Meeresspiegel<br />

ist.<br />

Beim Küstenschutz an der Nordsee wird eine Anpassung an den beschleunigten Meeresspiegelanstieg<br />

bereits realisiert. Schuchardt/Wittig (nordwest2050/KLIMZUG) diskutieren am Beispiel der Metropolregion<br />

Bremen-Oldenburg, welche Voraussetzungen <strong>die</strong>sen Prozess begünstigt haben.<br />

An der Ostsee schließlich kommt es bei der Gewinnung mariner Sande zu Interessenskonflikten zwischen<br />

Natur- <strong>und</strong> Küstenschutz. Erste Lösungsansätze im Rahmen einer anwendbaren Raumordnung<br />

im marinen Bereich skizzieren Müncheberg/Gosselck/Coppack/Weidauer (RADOST/KLIMZUG).<br />

An <strong>die</strong>ser Stelle möchten wir uns herzlich bei allen Autorinnen <strong>und</strong> Autoren <strong>die</strong>ser Publikation bedanken<br />

sowie bei Frau Elena M. Rottgardt, Leuphana Universität Lüneburg, Herrn Prof. Dr. Lutz Katzschner,<br />

Universität Kassel <strong>und</strong> Herrn Jens U. Hasse, Forschungsinstitut <strong>für</strong> Wasser <strong>und</strong> Abfallwirtschaft<br />

an der RWTH Aachen, <strong>die</strong> uns bei der Moderation des Workshops unterstützt haben.<br />

Wir wünschen eine spannende Lektüre!<br />

Mahammad Mahammadzadeh<br />

Esther Chrischilles<br />

3


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Räumliche Planung <strong>und</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> – Steuerung durch informelle<br />

Prozesse oder Verankerung in Plänen?<br />

Das „Integrierte <strong>Regional</strong>e <strong>Klimaanpassung</strong>sprogramm“ im Modellprojekt REGKLAM <strong>als</strong> Beispiel<br />

Gérard Hutter / Bernhard Müller / Stefanie Rößler / Lena Herlitzius<br />

1. Einleitung<br />

B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Länder fördern derzeit in hohem Maße <strong>die</strong> Strategieentwicklung zur <strong>Klimaanpassung</strong> in<br />

Regionen. Hervorstechend ist das Förderprogramm KLIMZUG des B<strong>und</strong>esministeriums <strong>für</strong> Bildung<br />

<strong>und</strong> Forschung (BMBF) mit Vorhaben in sieben Modellregionen in Deutschland. Das KLIMZUG-<br />

Verb<strong>und</strong>vorhaben REGKLAM 1 in der Modellregion Dresden verfolgt das Ziel, bis Mitte des Jahres<br />

2013 ein „Integriertes <strong>Regional</strong>es <strong>Klimaanpassung</strong>sprogramm (IRKAP)“ zu formulieren. Das IRKAP ist<br />

ein informelles Planungsinstrument mit Ähnlichkeiten zu „<strong>Regional</strong>en Entwicklungskonzepten (REK)“:<br />

Es hat keine formale rechtliche Verbindlichkeit, sondern soll Akteure im Prozess zum Handeln motivieren<br />

<strong>und</strong> Kooperationen befördern. Es wird in einem offenen Prozess von einer Vielzahl von Akteuren<br />

erarbeitet <strong>und</strong> ist mit seinen vielfältigen Maßnahmenvorschlägen <strong>und</strong> Projekten in hohem Maße umsetzungsorientiert.<br />

Gleichwohl weist das IRKAP auch Bezüge zur formalen Planung auf unterschiedlichen<br />

Ebenen auf: So lieferte es Gr<strong>und</strong>lagen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Landesentwicklungsplanung in Sachsen <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Flächennutzungsplanung in Dresden.<br />

In den IRKAP-Prozess involviert sind einerseits Vertreter der Wissenschaft aus unterschiedlichen<br />

Disziplinen (vor allem IÖR, TU Dresden, TU Bergakademie Freiberg) <strong>und</strong> andererseits zahlreiche<br />

Vertreter der Praxis aus Verwaltung <strong>und</strong> Wirtschaft (zum Beispiel Landeshauptstadt Dresden mit zahlreichen<br />

Ämtern <strong>und</strong> Abteilungen, Umwelt- <strong>und</strong> Innenministerium, Fachbehörden, <strong>Regional</strong>er Planungsverband<br />

Oberes Elbtal/Osterzgebirge, IHK Dresden, Unternehmen der Region). Die Beteiligung<br />

von Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürgern sowie von zivilgesellschaftlichen Organisationen wird schrittweise intensiviert<br />

(Müller/Hutter, 2009; Hutter et al., 2011).<br />

Vor <strong>die</strong>sem Hintergr<strong>und</strong> ist es das Ziel <strong>die</strong>ses Beitrags, Besonderheiten der informellen Planung zur<br />

<strong>Klimaanpassung</strong> am Beispiel des IRKAP in der Modellregion Dresden herauszuarbeiten. Kapitel zwei<br />

beschäftigt sich zunächst mit den <strong>Herausforderung</strong>en von formaler <strong>und</strong> informeller räumlicher Planung<br />

bei der <strong>Klimaanpassung</strong>. Kapitel drei zeigt anhand eines Vergleichs zwischen REK <strong>und</strong> dem IRKAP<br />

einige Gemeinsamkeiten <strong>und</strong> Unterschiede auf. Kapitel vier vertieft <strong>die</strong> Planungsinhalte des IRKAP<br />

am Thema „Städtebauliche Strukturen, Grün- <strong>und</strong> Freiflächen sowie Gebäude“, um <strong>die</strong> Strategieorientierung<br />

des Programms zu verdeutlichen. Kapitel fünf formuliert ein kurzes Fazit.<br />

2. <strong>Herausforderung</strong>en der räumlichen Planung bei der <strong>Klimaanpassung</strong><br />

Strategien zur pro-aktiven Anpassung an <strong>die</strong> Folgen des Klimawandels sind eine noch relativ neue<br />

<strong>Herausforderung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> räumliche Planung <strong>und</strong> Entwicklung. Neu ist dabei nicht, dass der Klimawan-<br />

1 REGKLAM steht <strong>für</strong> „Entwicklung <strong>und</strong> Erprobung eines integrierten regionalen <strong>Klimaanpassung</strong>sprogramms <strong>für</strong> <strong>die</strong> Modellre-<br />

gion Dresden“ (www.regklam.de).<br />

4


KLIMZUG-Workingpaper<br />

del überhaupt in den gesellschaftlichen Handlungsfeldern („Sektoren“) berücksichtigt wird. Im Handlungsfeld<br />

der Landwirtschaft wird beispielsweise bereits seit mehreren Jahren nach neuen Strategien<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Anpassung an klimawandel-induziert veränderte Anbaubedingungen gesucht. Neu sind vielmehr<br />

der integrierte (bzw. integrative) – <strong>als</strong>o mehrere Handlungsfelder übergreifende – <strong>und</strong> der regionale<br />

Anspruch einer Anpassung an <strong>die</strong> Folgen des Klimawandels. Und neu ist auch, dass sich <strong>die</strong><br />

räumliche Planung dem Thema immer stärker <strong>und</strong> <strong>als</strong> einer der Hauptakteure im Handlungsfeld<br />

<strong>Klimaanpassung</strong> zu profilieren beginnt.<br />

Seit einigen Jahren erlebt <strong>die</strong> Diskussion um <strong>die</strong> Anpassung an den Klimawandel eine ausgeprägte<br />

Dynamik. Ressorts auf B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> Landesebene beschäftigen sich mit möglichen Anpassungsstrategien<br />

<strong>und</strong> legen entsprechende Programme bzw. Vorhaben auf. Viele B<strong>und</strong>esländer verfügen mittlerweile<br />

über Klimaschutzkonzepte, Anpassungsstrategien oder zumindest Gr<strong>und</strong>lagenarbeiten hierzu.<br />

Nachdem <strong>die</strong> Raumplanung zu Beginn der Diskussion noch relativ zurückhaltend schien, hat sie<br />

inzwischen doch vielerorts begonnen, sich aktiv in <strong>die</strong> Entwicklung von Anpassungsstrategien einzuschalten<br />

<strong>und</strong> ihre regionalen Koordinationsaufgaben auch in <strong>die</strong>sem Themenfeld wahrzunehmen.<br />

Hilfreich waren dabei b<strong>und</strong>esweite „Modellvorhaben der Raumordnung“ (KlimaMORO), so in Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Brandenburg, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern <strong>und</strong> Sachsen.<br />

Auch <strong>die</strong> Wissenschaft meldet sich verstärkt zu Wort. So sind mehrere Publikationen der Akademie<br />

<strong>für</strong> Raumforschung <strong>und</strong> Landesplanung dem Thema <strong>Klimaanpassung</strong> gewidmet. Eine Arbeitsgruppe<br />

beschäftigte sich in den letzten Jahren unter anderem mit Planungs- <strong>und</strong> Steuerungsinstrumenten<br />

zum Umgang mit dem Klimawandel. Andere neuere Arbeiten behandeln Instrumente der regionalen<br />

Raumordnung <strong>und</strong> Raumentwicklung zur Anpassung an den Klimawandel (Fröhlich et al., 2011). Andere<br />

Akademien, so <strong>die</strong> Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften <strong>und</strong> <strong>die</strong> Deutsche<br />

Akademie der Technikwissenschaften (acatech), greifen das Thema aus einer interdisziplinären Perspektive<br />

auf.<br />

Im Hinblick auf <strong>die</strong> räumliche Planung <strong>und</strong> Entwicklung – verstanden <strong>als</strong> Akteur <strong>und</strong> Handlungsfeld –<br />

gilt es, vor allem drei <strong>Herausforderung</strong>en zu beachten: das heterogene Akteursspektrum, <strong>die</strong> Veränderung<br />

von Zeithorizonten <strong>und</strong> <strong>die</strong> Passfähigkeit von Instrumenten.<br />

Akteure<br />

Bei der <strong>Klimaanpassung</strong> ist von einem breiten Akteursspektrum auszugehen. Mindestens sechs „Akteursgruppen“<br />

lassen sich unterscheiden: Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Me<strong>die</strong>n, Zivilgesellschaft<br />

sowie Wissenschaft <strong>und</strong> Bildung. Diese haben eigene Interessen <strong>und</strong> Handlungslogiken. Ihre Einbindung<br />

in Prozesse der <strong>Klimaanpassung</strong> ist unterschiedlich, ebenso divergiert ihre Bereitschaft, sich zu<br />

engagieren. Und auch in sich sind <strong>die</strong> Akteursgruppen bei weitem nicht homogen. Dies zeigt sich unter<br />

anderem in den unterschiedlichen Zielsetzungen der einzelnen Fachverwaltungen oder es wird<br />

augenscheinlich in der Politik. Die Raumplanung <strong>als</strong> ein Akteur der Verwaltung ist <strong>als</strong>o bei weitem<br />

nicht der einzige Akteur im Feld der <strong>Klimaanpassung</strong>. Neben den sektoralen Planungs- <strong>und</strong> Fachbehörden,<br />

denen jeweils eigene Steuerungsinstrumente zur Verfügung stehen, spielen weitere Akteure<br />

aus Verwaltung, Wirtschaft <strong>und</strong> Zivilgesellschaft, von der Versicherungswirtschaft über den ehrenamtlichen<br />

Naturschutz bis hin zum Katastrophenschutz, eine große Rolle. Somit kann <strong>die</strong> Raumplanung<br />

auch nicht alleine „steuern“, sondern bestenfalls <strong>die</strong> Rolle eines Förderers von Kooperation <strong>und</strong> koordiniertem<br />

Handeln sowie eines Netzwerksbildners übernehmen. Sie kann eine Plattform bieten zur<br />

Diskussion, zum Interessenausgleich <strong>und</strong> zur Entwicklung von Strategien <strong>und</strong> Maßnahmen zur Anpassung<br />

an den Klimawandel. Dies steht im Kontrast zu ihrer traditionellen Aufgabe der Steuerung der<br />

Raumentwicklung durch Pläne <strong>und</strong> Programme <strong>und</strong> kommt ihrer Funktion <strong>als</strong> Auslöser <strong>und</strong> Gestalter<br />

von regionalen Entwicklungsprozessen entgegen.<br />

5


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Zeit<br />

Die integrierende räumliche Planung auf den unterschiedlichen Planungsebenen (Land, Region,<br />

Kommune) ist in unserer Gesellschaft mit ihren teilweise äußerst dynamischen Entwicklungen bereits<br />

heute ein Garant <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berücksichtigung von Langfristperspektiven. Pläne sind auf eine Dekade hin<br />

angelegt, manche Planungshorizonte reichen weit darüber hinaus. Vergleicht man <strong>die</strong>s jedoch mit den<br />

zeitlichen Dimensionen von Szenarios des Klimawandels <strong>und</strong> der <strong>Klimaanpassung</strong>, <strong>die</strong> häufig Zeiträume<br />

von 50 bis 100 Jahren berücksichtigen, so wird <strong>die</strong> <strong>Herausforderung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> räumliche Planung<br />

deutlich: Eine an den Erfordernissen der <strong>Klimaanpassung</strong> ausgerichtete Raumplanung muss Handlungsfelder<br />

mit völlig unterschiedlichen Zeithorizonten integrieren. Das Spektrum reicht dabei von den<br />

eher auf wenige Jahre hin angelegten Zyklen der Landwirtschaft bis hin zu den extrem langen Planungshorizonten<br />

der Forstwirtschaft, von den eher kurzfristigen Perspektiven der gewerblichen Wirtschaft,<br />

insbesondere im produzierenden Bereich bis hin zu den Entscheidungen von Firmen, lokalen<br />

Ver- <strong>und</strong> Entsorgern <strong>und</strong> privaten Eigentümern bei Investitionen in Gebäude, Technologien <strong>und</strong> Infrastrukturnetze,<br />

<strong>die</strong> eine hohe Lebensdauer haben (vgl. Frommer, 2010, 71). Zudem wird deutlich, dass<br />

selbst <strong>die</strong> Langfristorientierung der räumlichen Planung im Vergleich zu den Auswirkungen des Klimawandels<br />

<strong>und</strong> den notwendigen Anpassungsstrategien noch relativ kurz greift.<br />

Instrumente<br />

<strong>Klimaanpassung</strong> kann mit Blick auf <strong>die</strong> räumliche Planung sowohl ein Thema der formalen <strong>als</strong> auch<br />

der informellen Planung sein. Bei der formalen Planung, unter anderem auf regionaler Ebene, geht es<br />

dabei einerseits um Festlegungen zur Freiraum-, Siedlungs- <strong>und</strong> Infrastrukturentwicklung. Andererseits<br />

geht es aber auch um verfahrensbezogene Instrumente, etwa <strong>die</strong> Strategische Umweltprüfung,<br />

Raumordnungsverfahren oder das sogenannte Climate Proofing. Ebenso können raumordnerische<br />

Verträge oder Zielvereinbarungen zur Verwirklichung von regionalplanerischen Gr<strong>und</strong>sätzen <strong>und</strong> Zielen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> nutzbar gemacht werden. Bei der informellen Planung geht es zum einen<br />

um <strong>die</strong> Erarbeitung von Szenarien, Leitbildern <strong>und</strong> Entwicklungskonzepten, <strong>die</strong> Schaffung von Akteursnetzwerken<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Förderung von regionaler Kooperation, zum anderen aber auch um informatorische<br />

Steuerungsinstrumente wie Gefahren-, Risiko- oder Vulnerabilitätskarten (vgl. auch Fröhlich<br />

et al., 2011). Die räumliche Planung steht angesichts <strong>die</strong>ser Situation vor der <strong>Herausforderung</strong>, <strong>die</strong><br />

vorhandenen Instrumente situationsgerecht <strong>und</strong> flexibel anzuwenden (Instrumentenmix).<br />

Fasst man <strong>die</strong> genannten <strong>Herausforderung</strong>en zusammen, so ergibt sich ein komplexes Spannungsfeld:<br />

Versucht Raumplanung Steuerungsmacht zu erlangen, so läuft sie Gefahr, von den anderen<br />

Akteuren, <strong>und</strong> zwar nicht nur von den Fachverwaltungen, sondern auch von Wirtschaft <strong>und</strong> Zivilgesellschaft,<br />

„ausgebremst“ zu werden. Bietet sie sich lediglich <strong>als</strong> Plattform an, könnte es hingegen<br />

dazu kommen, dass sie nur mehr bedingt wahrgenommen wird, während andere Akteure <strong>die</strong> <strong>Klimaanpassung</strong><br />

inhaltlich einseitig bestimmen.<br />

Raumplanung hat unter den beteiligten Akteuren <strong>die</strong> größte Expertise im Hinblick auf <strong>die</strong> Entwicklung<br />

von Langfristperspektiven. Spielt sie <strong>die</strong>se Expertise aus, so läuft sie Gefahr, sich von den Erfahrungs-<br />

<strong>und</strong> Planungshorizonten einer Vielzahl von Akteuren so weit zu entfernen, dass sie von <strong>die</strong>sen<br />

<strong>als</strong> irrelevant angesehen wird. Beschäftigt sie sich zu sehr mit kurzfristigen Handlungsansätzen, so<br />

wird sie den Anforderungen an eine Anpassung an den Klimawandel nur bedingt gerecht.<br />

Im Hinblick auf <strong>die</strong> Steuerung von Entwicklungsprozessen steht der Raumplanung zwar ein großes<br />

Arsenal an Instrumenten zur Verfügung. Sie kann formal steuern wie informell ermöglichen. Stellt sie<br />

dabei formale Aspekte zu stark in den Vordergr<strong>und</strong>, droht <strong>die</strong> notwendige Flexibilität bei der <strong>Klimaanpassung</strong><br />

unterlaufen zu werden. Fokussiert sie hingegen zu stark auf informelle Steuerung, so läuft<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

sie Gefahr, dass Strategien <strong>und</strong> Maßnahmen zwar vereinbart, aber in letzter Konsequenz doch nicht<br />

umgesetzt werden, weil <strong>die</strong> übrigen Akteure sich nicht an <strong>die</strong> Vereinbarungen geb<strong>und</strong>en fühlen. Dies<br />

dürfte mit zunehmendem zeitlichem Abstand zu den Strategieentscheidungen immer gravierender<br />

werden.<br />

In <strong>die</strong>sem Spannungsfeld den „richtigen“ Weg im Umgang mit unterschiedlichen Akteuren <strong>und</strong> ihren<br />

Interessen, <strong>die</strong> adäquaten Ansätze zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Zeithorizonte <strong>und</strong> einen<br />

sinnvollen <strong>und</strong> erfolgreichen Instrumentenmix bei der <strong>Klimaanpassung</strong> zu finden, dürfte <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Raumplanung in den kommenden Jahren eine ihrer größten <strong>Herausforderung</strong>en sein.<br />

3. Das „Integrierte <strong>Regional</strong>e <strong>Klimaanpassung</strong>sprogramm (IRKAP)“ <strong>als</strong> informelles<br />

Planungsinstrument<br />

Die Region Dresden beschreitet einen Weg zur <strong>Klimaanpassung</strong>, indem sie im Rahmen des KLIM-<br />

ZUG-Vorhabens REGKLAM das sogenannte „Integrierte <strong>Regional</strong>e <strong>Klimaanpassung</strong>sprogramm<br />

(IRKAP)“ formuliert, erprobt <strong>und</strong> teilweise umsetzt (Projektlaufzeit: 2008 – 2013). Es ist noch zu früh,<br />

um zu beurteilen, ob <strong>die</strong>s der „richtige“ Weg ist. Das Folgende konkretisiert <strong>für</strong> das informelle Planungsinstrument<br />

IRKAP <strong>die</strong> <strong>Herausforderung</strong>en der <strong>Klimaanpassung</strong> im Hinblick auf heterogene Akteure<br />

mit unterschiedlichen Zeithorizonten <strong>und</strong> instrumentellen Steuerungsmöglichkeiten (vgl. Übersicht<br />

1).<br />

KLIMZUG-Projekte, wie REGKLAM, sollen insbesondere auch umsetzungsorientiert sein. Bildlich<br />

gesprochen: Durch Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis gemeinsam formulierte Strategiepapiere <strong>und</strong> Projektvorschläge<br />

sollen nicht in „Schubladen verschwinden“, sondern Entscheidungen in der regional bedeutsamen<br />

Politik, Verwaltung, Wirtschaft usw. beeinflussen sowie zu konkreten Verbesserungen <strong>für</strong> Regionen<br />

führen. Die im REGKLAM-Rahmenantrag an das BMBF enthaltene Zielformulierung zum<br />

IRKAP unterstreicht den regionalen, integrativen <strong>und</strong> praxis- bzw. umsetzungsorientierten Anspruch<br />

des Programms: „Als Verb<strong>und</strong>vorhaben zwischen Wissenschaft, Politik <strong>und</strong> Verwaltung sowie Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft zielt es [das Projekt REGKLAM, <strong>die</strong> Autoren] auf <strong>die</strong> modellhafte Entwicklung<br />

<strong>und</strong> Erprobung eines branchen-, sektor- <strong>und</strong> ebenenübergreifenden Integrierten <strong>Regional</strong>en <strong>Klimaanpassung</strong>sprogramms<br />

(IRKAP) <strong>für</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft in der Region Dresden <strong>und</strong> deren Wirtschaftsraum<br />

(Projektziel).“ (REGKLAM-Rahmenantrag, S. 1, kursiv im Original)<br />

Ausgangspunkt bei der Entwicklung von REGKLAM war <strong>die</strong> These, dass ein regionales, integratives<br />

<strong>und</strong> umsetzungsorientiertes Programm zur <strong>Klimaanpassung</strong> einen informellen Planungsansatz erfordert,<br />

der einem REK ähnelt. Übersicht 1 nennt in der linken Spalte <strong>die</strong> allgemeinen Merkmale eines<br />

REK (zusammenfassend Danielzyk/Knieling, 2011). Die rechte Spalte ordnet <strong>die</strong>sen Merkmalen Erfahrungen<br />

<strong>und</strong> Erkenntnisse aus REGKLAM zu (vertiefend Müller/Hutter, 2009; Hutter et al., 2011).<br />

Pragmatische Definition der Modellregion Dresden, Vielfalt an Raumbezügen<br />

<strong>Regional</strong>e Entwicklungskonzepte können räumlich sehr unterschiedlich zugeschnitten sein, je nachdem<br />

welche Zielsetzung, Methodik <strong>und</strong> Trägerschaft von Bedeutung ist. Klar ist, dass ihr räumliches<br />

Referenzgebiet oberhalb der kommunalen Ebene <strong>und</strong> unterhalb der Landesebene zu bestimmen ist.<br />

Für das Modellprojekt REGKLAM <strong>und</strong> das IRKAP greift allerdings der Fokus auf eine räumliche Maßstabsebene<br />

zu kurz. Es gibt zahlreiche räumliche Referenzen von Zielen <strong>und</strong> Maßnahmen. In jedem<br />

Themenfeld ergeben sich themenspezifische Mischungsverhältnisse von stärker regional oder lokal<br />

definierten Raumbezügen (zum Beispiel Branchenanalysen mit regionaler Ausrichtung, Anpassungsmaßnahmen<br />

<strong>für</strong> den öffentlichen Raum mit stark lokalem Bezug, wie Auswahl <strong>und</strong> Pflanzung von<br />

Straßenbäumen).<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

Übersicht 1: Informelle Planung <strong>und</strong> das IRKAP <strong>als</strong> Anwendungsbeispiel<br />

Informelle Planung<br />

(am Beispiel REK)<br />

IRKAP <strong>als</strong> Anwendungsbeispiel informeller Planung<br />

Mittlere Maßstabsebene Pragmatische Definition der Modellregion;<br />

Vielfalt an Raumbezügen, je nach Themenfeld unterschiedlich<br />

Integrierter Entwicklungsansatz „Breite Agenda“: mehrere Themen der <strong>Regional</strong>entwicklung;<br />

gleichwohl selektiv (z. B. Verkehrsfragen nicht im Vordergr<strong>und</strong>)<br />

Kooperation Akteure: Wissenschaft <strong>als</strong> Initiator, Organisator, <strong>und</strong> Moderator; Praxis<br />

von zentraler Bedeutung <strong>für</strong> Relevanz, Verbindlichkeit, Umsetzung<br />

Prozessuale Methodik Akteure: Organisation <strong>und</strong> Methodik gemäß Projektantrag; gleichwohl<br />

Reorganisation erforderlich (u. a. <strong>für</strong> Aufbau von Vertrauen)<br />

Strategieorientierung Zeit: Umgang mit Langfristorientierung <strong>und</strong> Unsicherheiten; Strategie<br />

durch Leitbild <strong>und</strong> Handlungsschwerpunkte, Umsetzungsorientierung<br />

durch konkrete Ziele <strong>und</strong> Maßnahmen<br />

Instrumenten-Mix IRKAP mit breiter Agenda <strong>und</strong> Umsetzungstiefe, Entwicklung von<br />

Schlüsselprojekten; Verknüpfung mit formalen/informellen Planungen<br />

(z. B. Landesentwicklungsplan, Flächennutzungsplan, Integriertes Stadt-<br />

entwicklungskonzept)<br />

Eigene Darstellung (auf der Gr<strong>und</strong>lage von: Danielzyk/Knieling, 2011, S. 477 zu REK; Müller/Hutter, 2009; Hutter et al., 2011<br />

zum IRKAP)<br />

Integrierter Entwicklungsansatz<br />

Die „Agenda“ des IRKAP dokumentiert das hohe Interesse der Praxis an einem integrierten Entwicklungsansatz.<br />

Das IRKAP ist – auf der Basis intensiver Diskussionen zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis<br />

– durch eine „breite Agenda“ geprägt. Das Spektrum reicht von Zielen <strong>und</strong> Maßnahmen in den<br />

Themenfeldern Städtebauliche Strukturen, Grün- <strong>und</strong> Freiflächen sowie Gebäude, Wasserhaushalt<br />

<strong>und</strong> Wasserwirtschaft, Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft <strong>und</strong> Gewerbliche Wirtschaft bis zu Fragen des Naturschutzes<br />

<strong>und</strong> der Ges<strong>und</strong>heit. Für <strong>die</strong> beiden zuletzt genannten Themenfelder gibt es allerdings<br />

keine Untersetzung durch wissenschaftliche Teilprojekte von REGKLAM (zum Teil aus förderpolitischen<br />

Gründen). Die Programmentwicklung zu <strong>die</strong>sen Themen erfordert deshalb – wie bei allen anderen<br />

Themen auch, hier aber verstärkt – <strong>die</strong> Berücksichtigung von Praxiswissen, zusätzliche Forschungsaktivitäten<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Auswertung von Projekten Dritter.<br />

Kooperation<br />

REGKLAM ist, wie andere KLIMZUG-Verbünde auch, durch eine intensive Kooperation von Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Praxis geprägt. Die vergleichsweise hohen Förderbudgets der KLIMZUG-Verbünde wirken<br />

kooperationsfördernd (ein Überblick findet sich im „Aktionsplan Anpassung“, vgl. Deutsche B<strong>und</strong>esregierung,<br />

2011, Anlage H.3). REK werden oftm<strong>als</strong> nicht auf einer solchen Ressourcenbasis formuliert.<br />

Entsprechend hoch sind <strong>die</strong> Erwartungen an <strong>die</strong> integrative <strong>und</strong> strategische Ausrichtung des IRKAP.<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

Organisationsstruktur <strong>und</strong> ihre Weiterentwicklung<br />

Die im REGKLAM-Rahmenantrag dargelegte Organisationsstruktur <strong>und</strong> Vorgehensweise wurde weitgehend<br />

antragsgemäß umgesetzt. Gleichwohl zeigten sich im bisherigen Projektverlauf <strong>Herausforderung</strong>en,<br />

<strong>die</strong> eine Reorganisation bzw. Weiterentwicklung der Organisation nahelegten (zum Beispiel<br />

Etablierung einer „Arbeitsr<strong>und</strong>e von Koordinatoren <strong>und</strong> IRKAP-Team“, vgl. Hutter et al., 2011, oder<br />

eines „Fachkreises Städtebau“, vgl. Kapitel 4). <strong>Klimaanpassung</strong> durch informelle Planung erfordert<br />

ausreichend finanzielle Ressourcen <strong>und</strong> laufend Aufmerksamkeit <strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterentwicklung von Organisations-<br />

<strong>und</strong> Arbeitsweisen im Einklang mit inhaltlichen Anforderungen zu einzelnen Themenfeldern.<br />

Strategieorientierung<br />

REK enthalten „… sowohl gr<strong>und</strong>sätzliche, strategische Aussagen zur künftigen Entwicklung der Region<br />

wie auch konkrete handlungsorientierte Festlegungen …“ (Danielzyk/Knieling, 2011, S. 477). Strategieorientierung<br />

zielt auf <strong>die</strong> Synthese von gr<strong>und</strong>sätzlichen Aussagen mit konkreten Zielen <strong>und</strong> Maßnahmen<br />

(„keine Leerformeln <strong>und</strong> abstrakte Schubladenpapiere“, aber auch „keine konkreten Maßnahmen<br />

ohne strategische Orientierung“). Diese vielleicht trivial anmutende Aussage ist gerade <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Klimaanpassung</strong> weniger selbstverständlich <strong>als</strong> sie scheint. Die Zusammenführung („Synthese“) von<br />

gr<strong>und</strong>sätzlichen mit möglichst konkreten Aussagen ist eine <strong>Herausforderung</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> informelle Planung,<br />

weil <strong>die</strong> Unsicherheiten des langfristigen Klimawandels <strong>und</strong> seinen Folgen in der Modellregion<br />

Dresden <strong>die</strong> Formulierung räumlich spezifischer, inhaltlich eindeutiger (möglichst quantifizierter) <strong>und</strong><br />

„belastbarer“ Aussagen erschweren (Bernhofer et al., 2011). Der Umgang mit Unsicherheiten ist nicht<br />

neu <strong>für</strong> <strong>die</strong> Planung. Er erhält durch den Klimawandel eine neue Dringlichkeit <strong>und</strong> betont <strong>die</strong> langfristige<br />

Ausrichtung. Kapitel vier geht am Beispiel des Themenfeldes „Städtebauliche Strukturen, Grün<strong>und</strong><br />

Freiflächen sowie Gebäude“ vertiefend auf <strong>die</strong>se <strong>Herausforderung</strong> ein.<br />

Instrumenten-Mix<br />

Strategieorientierung <strong>und</strong> Instrumenten-Mix stehen in einem engen Zusammenhang zueinander (ARL,<br />

2011). Kapitel 4 zeigt <strong>die</strong>s beispielhaft <strong>für</strong> <strong>die</strong> Siedlungsentwicklung in der Modellregion Dresden. Das<br />

IRKAP ist dabei bisher (Stand: Februar 2012) <strong>für</strong> Beides vorgesehen: Motivation zur <strong>und</strong> Stärkung der<br />

Kooperation regionaler Akteure sowie Formulierung eigener integrativer Lösungen einerseits <strong>und</strong> Unterstützung<br />

formaler Planungsverfahren andererseits (vgl. Danielzyk/Knieling, 2011, S. 494 zu <strong>die</strong>ser<br />

Gegenüberstellung). Ob <strong>die</strong>s zu viel gewollt ist, wird sich zeigen.<br />

4. Strategieorientierung am Beispiel des Themas „Städtebauliche Strukturen,<br />

Grün- <strong>und</strong> Freiflächen sowie Gebäude“<br />

Strategieorientierung verknüpft <strong>die</strong> Umsetzungsorientierung in der informellen Planung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Fokussierung<br />

auf das Machbare einerseits mit der Berücksichtigung langfristiger <strong>und</strong> komplexer Wirkungszusammenhänge<br />

der <strong>Klimaanpassung</strong> andererseits. Trotz Unsicherheiten können auch kurzfristige<br />

Handlungen von hoher Dringlichkeit sein, um <strong>die</strong> Vorteile einer pro-aktiven Anpassung an <strong>die</strong><br />

Folgen des Klimawandels in Städten <strong>und</strong> Regionen zu realisieren. Um <strong>die</strong>se <strong>Herausforderung</strong> der<br />

<strong>Klimaanpassung</strong> durch informelle Planung zu verdeutlichen, geht das Folgende auf <strong>die</strong> Strategieorientierung<br />

im Themenfeld „Städtebauliche Strukturen, Grün- <strong>und</strong> Freiflächen sowie Gebäude“ im IRKAP<br />

näher ein.<br />

Die folgenden Planungsinhalte wurden <strong>und</strong> werden in einem engen Diskussionsprozess zwischen den<br />

beteiligten Wissenschaftspartnern <strong>und</strong> den relevanten Akteuren der zuständigen Stellen der kommunalen<br />

Verwaltungen (Stadtplanung, Umweltplanung, Hoch-, Tiefbau- <strong>und</strong> Grünflächenämter usw.),<br />

aber auch der zuständigen <strong>Regional</strong>en Planungsverbände, sowie der Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> der<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

Verbände der planenden <strong>und</strong> bauenden Berufe formuliert. Die Organisationsstruktur von REGKLAM<br />

bietet dabei zahlreiche Möglichkeiten zur laufenden Verständigung von Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis über<br />

<strong>die</strong> Strategieorientierung im Themenfeld „Städtebauliche Strukturen, Grün- <strong>und</strong> Freiflächen sowie<br />

Gebäude“, wie <strong>die</strong> Arbeitsgemeinschaft speziell zum <strong>Klimaanpassung</strong>sprogramm, der Fachkreis Städtebau<br />

oder auch der bilaterale Austausch zwischen Praktikern <strong>und</strong> Wissenschaftlern einzelner Teilprojekte.<br />

Rahmenbedingungen <strong>und</strong> Auswirkungen des Klimawandels<br />

Die Siedlungsstruktur der Modellregion Dresden ist gekennzeichnet durch <strong>die</strong> Großstadt Dresden <strong>und</strong><br />

eine Vielzahl von Mittel- <strong>und</strong> Kleinstädten sowie durch ländliche Räume mit dörflichem Charakter.<br />

Diese Vielfalt stellt ganz unterschiedliche Anforderungen an <strong>die</strong> <strong>Klimaanpassung</strong>. Insbesondere <strong>die</strong><br />

Stadtregion Dresden ist durch (moderate) Zuwanderung <strong>und</strong> weiteren Siedlungsdruck im suburbanen<br />

Raum geprägt – wenngleich <strong>die</strong> Innenstadtentwicklung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Revitalisierung von Brachflächen zum<br />

Schutz des Außenbereiches forciert werden. Die Folgen des demographischen Wandels schlagen<br />

sich in einigen Siedlungsgebieten der Region in einem weiteren Bevölkerungsrückgang <strong>und</strong> einer<br />

anhaltenden Entdichtung der Siedlungsstrukturen nieder. Die <strong>Herausforderung</strong>en einer alternden Gesellschaft<br />

hingegen stellen sich in allen Städten <strong>und</strong> Gemeinden der Region.<br />

Für <strong>die</strong> Anpassung von städtebaulichen Strukturen, Grün- <strong>und</strong> Freiflächen sowie Gebäuden sind folgende<br />

Erwartungen zum Klimawandel <strong>und</strong> seinen Auswirkungen von besonderer Bedeutung (Bernhofer<br />

et al., 2011):<br />

� Der Anstieg der Durchschnittstemperaturen im Sommerhalbjahr führt insbesondere in dicht<br />

bebauten Stadtgebieten zur weiteren Überwärmung (Wärmeinsel-Effekt), welche <strong>die</strong><br />

Aufenthaltsqualität im städtischen Raum <strong>und</strong> das Wohlbefinden der Bevölkerung<br />

beeinträchtigen kann. Eine steigende Zahl an Sommertagen, heißen Tagen <strong>und</strong><br />

Tropennächten verursacht häufiger Hitzewellen, <strong>die</strong> ges<strong>und</strong>heitliche Beschwerden<br />

hervorrufen, insbesondere bei Risikogruppen.<br />

� Die deutliche Zunahme der Häufigkeit von längeren Trockenperioden im Sommerhalbjahr<br />

sowie verfrühte phänologische Frühjahrsphasen <strong>und</strong> der vorverlagerte Beginn der<br />

Vegetationsperiode stellen im städtischen Raum insbesondere veränderte<br />

Rahmenbedingungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Pflege <strong>und</strong> Unterhaltung von Stadtgrün dar.<br />

� Der zu erwartende Rückgang der Niederschläge im Sommerhalbjahr sowie <strong>die</strong> Zunahme der<br />

potenziellen Verdunstung führen zu einer weiteren Destabilisierung des städtischen<br />

Bodenwasserhaushaltes. Ein unter anderem daraus folgender niedriger Gr<strong>und</strong>wasserstand in<br />

einzelnen Siedlungsgebieten erschwert <strong>die</strong> wasserhaushaltsabhängige Bereitstellung von<br />

ökologischen Leistungen beispielsweise von Stadtvegetation, <strong>die</strong> eine wichtige Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> Anpassungsoptionen sind.<br />

� Die anzunehmende Häufigkeit von zukünftig auftretenden Starkniederschlagsereignissen<br />

erfordert Maßnahmen <strong>für</strong> <strong>die</strong> kurzfristige Speicherung <strong>und</strong> Ableitung von Oberflächenwasser.<br />

Die Analyse von Anpassungserfordernissen <strong>und</strong> -optionen kann nicht <strong>für</strong> alle Siedlungsbereiche der<br />

Modellregion gleichermaßen mit einem hohen Detaillierungsgrad erfolgen. Durch <strong>die</strong> Auswahl von<br />

sogenannten Lupengebieten (vgl. Abbildung 1) wurden konkrete Fragestellungen bearbeitet <strong>und</strong> übertragbare<br />

Erkenntnisse generiert (zum Beispiel gebäudetypenspezifische Verw<strong>und</strong>barkeit gegenüber<br />

Klimafolgen, Analyse bioklimatischer Bedingungen in ausgewählten Siedlungsstrukturtypen). Diese<br />

räumlich konkreten Erkenntnisse helfen dabei auch, einzelne Akteure <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Herausforderung</strong>en der<br />

<strong>Klimaanpassung</strong> zu sensibilisieren.<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

Leitbild „Klimawandelgerechte Siedlungsentwicklung“<br />

In der Modellregion wird eine klimawandelgerechte Siedlungsentwicklung angestrebt, <strong>die</strong> durch Siedlungs-,<br />

Freiraum- <strong>und</strong> Gebäudestrukturen, <strong>die</strong> ges<strong>und</strong>e Wohn- <strong>und</strong> Arbeitsverhältnisse <strong>und</strong> eine hohe<br />

Lebensqualität gewährleisten, eine hohe Energie- <strong>und</strong> Infrastruktureffizienz sowie funktionsfähige<br />

städtische Ökosysteme, <strong>die</strong> eine Anpassung an <strong>die</strong> Folgen des Klimawandels ermöglichen, gekennzeichnet<br />

ist. Das Leitbild der Siedlungsentwicklung in der Modellregion Dresden bewegt sich damit,<br />

wie in anderen Regionen, im Spannungsfeld zwischen der klimaschutzorientierten kompakten Stadt<br />

der kurzen Wege <strong>und</strong> einer eher klimaangepassten aufgelockerten Stadtstruktur. Es ordnet sich damit<br />

in <strong>die</strong> gegenwärtige Debatte um ein „richtiges“ städtebauliches Leitbild unter den Bedingungen des<br />

Klimawandels ein (BMVBS, 2011, 45 ff.).<br />

Handlungsschwerpunkte<br />

Das IRKAP formuliert im Themenfeld „Städtebauliche Strukturen, Grün- <strong>und</strong> Freiflächen sowie<br />

Gebäude“ drei Handlungsschwerpunkte zur strategischen Ausrichtung konkreter Ziele <strong>und</strong><br />

Maßnahmen:<br />

(1) Umbau: In den Städten <strong>und</strong> Gemeinden geht es angesichts der überwiegend geringen<br />

Entwicklungsdynamik vor allem um den Umbau des Siedlungsbestands. Dies betrifft<br />

einerseits Gebäude, um mögliche Risiken zu reduzieren (vgl. Abbildung 1). Andererseits<br />

erfordert der Klimawandel Anstrengungen, welche <strong>die</strong> klimatische Leistungsfähigkeit der<br />

Grünflächen erhalten <strong>und</strong> fördern, so dass <strong>die</strong>se <strong>als</strong> Erholungsräume <strong>für</strong> <strong>die</strong> Stadtbevölkerung<br />

künftig vermehrt zur Verfügung stehen.<br />

(2) Brachflächenpotenziale: Die Kommunen in der Modellregion Dresden verfügen über<br />

zahlreiche Brachflächen. Diese gilt es einerseits <strong>als</strong> Möglichkeitsräume <strong>für</strong> eine bauliche<br />

Innenverdichtung zu nutzen, andererseits im Sinne multifunktionaler Freiflächen zur<br />

Verbesserung der sowohl ökologischen <strong>als</strong> auch klimatischen Situation im Siedlungsraum <strong>und</strong><br />

<strong>für</strong> den Umgang mit Starkregenereignissen.<br />

(3) Stadtraum: Angesichts der geringen Spielräume, tatsächlich großräumig siedlungsstrukturelle<br />

Veränderungen herbeizuführen, bedarf es der Vielfalt, Vielzahl <strong>und</strong> Kombination kleinteiliger<br />

freiraumplanerischer <strong>und</strong> städtebaulicher Ansätze, um eine Verbesserung der mikro- <strong>und</strong><br />

bioklimatischen Situation im Stadtraum zu erreichen. Besonderes Augenmerk richtet sich auf<br />

den Übergangsbereich zwischen Gebäuden <strong>und</strong> dem öffentlichen (Frei-)Raum.<br />

Die Formulierung von drei Handlungsschwerpunkten der <strong>Klimaanpassung</strong> im Themenfeld<br />

„Städtebauliche Strukturen, Grün- <strong>und</strong> Freiflächen sowie Gebäude“ soll der langfristigen Orientierung<br />

in der Modellregion <strong>die</strong>nen. Das Argument ist, dass <strong>die</strong> drei Schwerpunkte eine generelle Gültigkeit <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Kommunen in der Modellregion haben (vgl. Abbildung 1 zu einem Fokusgebiet von REGKLAM in<br />

der Stadt Stolpen in der Modellregion Dresden) <strong>und</strong> behalten – auch angesichts der Unsicherheiten<br />

des Klimawandels <strong>und</strong> vor dem Hintergr<strong>und</strong> ständig aktueller Erkenntnisse zu Klimafolgen,<br />

Betroffenheiten <strong>und</strong> Anpassungsnotwendigkeiten.<br />

Die Handlungsschwerpunkte <strong>die</strong>nen <strong>als</strong> Schnittstelle zwischen einem <strong>für</strong> <strong>die</strong> Modellregion generell<br />

gültigen Leitbild auf der einen <strong>und</strong> konkreten Zielen <strong>und</strong> Maßnahmen auf der anderen Seite, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

besonderen Bedingungen einzelner Kommunen reflektieren. Die Schwerpunkte stehen <strong>für</strong> einen strategischen<br />

Ansatz, der das IRKAP vor allem <strong>für</strong> Entscheider – durchaus auch auf der politischen Ebene<br />

– handhabbar machen könnte.<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

Abbildung 1: Fokusgebiet Stolpen-Altstadt: Gebäudetypen nach Baualtersstufen <strong>als</strong> Gr<strong>und</strong>lage<br />

zur Ermittlung gebäudetypenabhängiger Anpassungsmaßnahmen<br />

Quelle: Hennersdorf, IÖR; Digitale Orthophotos (ATKIS-DOP) mit Erlaubnis des Landesvermessungsamtes Sachsen; Erlaub-<br />

nis-Nr. 2058/06<br />

Die Schwerpunkte sind Ausdruck <strong>und</strong> zugleich Mittel der Priorisierung der Vielzahl möglicher, wissenschaftlich<br />

abgeleiteter Anpassungsmaßnahmen im KLIMZUG-Verb<strong>und</strong>vorhaben REGKLAM. Sie zeigen<br />

eine klare Fokussierung auf von den beteiligten Akteuren im Rahmen der <strong>Klimaanpassung</strong> <strong>als</strong><br />

zentral angesehene räumliche oder physische Realitäten. Sie <strong>die</strong>nen <strong>als</strong> (relativ abstraktes, aber zeitstabiles)<br />

Prüfkriterium zur Aufnahme <strong>und</strong> Verortung von wissenschaftlich <strong>und</strong>/oder praktisch diskutierten<br />

Anpassungsmaßnahmen ins IRKAP.<br />

Ziele <strong>und</strong> Maßnahmen<br />

Die drei Handlungsschwerpunkte werden mit konkreten Zielen <strong>und</strong> Maßnahmen untersetzt, <strong>die</strong> sowohl<br />

einen Bezug zu Klimafolgen beschreiben <strong>als</strong> auch einen deutlichen Hinweis auf <strong>die</strong> adressierten<br />

Akteure oder Gruppen von Akteuren geben. Vier Ziele sind beim derzeitigen Abstimmungsstand<br />

formuliert (Stand: Februar 2012):<br />

� Private <strong>und</strong> öffentliche Gebäude <strong>für</strong> den Klimawandel fit machen,<br />

� Mikroklimatische Wirksamkeit von öffentlichen Grünflächen trotz Trockenheit <strong>und</strong> Hitze<br />

erhalten <strong>und</strong> erweitern,<br />

� Potenziale von Brachflächen zur Anpassung an steigende Sommertemperaturen <strong>und</strong><br />

veränderte Niederschlagsregimes in Kooperation der öffentlichen Hand mit Eigentümern <strong>und</strong><br />

Nutzern ausschöpfen,<br />

12


KLIMZUG-Workingpaper<br />

� Aufenthaltsqualität in dicht bebauten Stadtgebieten trotz steigender Sommertemperaturen <strong>und</strong><br />

Hitzewellen durch Kooperation der öffentlichen Hand mit privaten Eigentümern <strong>und</strong> Nutzern<br />

erhalten.<br />

Diese Ziele bündeln sektoren- <strong>und</strong> maßstabs- sowie akteurs- <strong>und</strong> planungsebenenübergreifende<br />

Maßnahmen (vgl. Abbildung 2).<br />

Abbildung 2: Ausgewählte bauliche Anpassungsmaßnahmen an mögliche Klimafolgen (konzeptionelle<br />

Ebene)<br />

Quelle: Naumann, Nikolowski, Zimm, IÖR (unveröffentlicht)<br />

Instrumentenmix <strong>und</strong> Schlüsselprojekte<br />

Neben der inhaltlichen Begründung einzelner Anpassungsmaßnahmen ist eine zentrale Anforderung,<br />

<strong>die</strong>se mit bestehenden Instrumenten <strong>und</strong> Planungsprozessen zu verknüpfen oder konkrete Ansätze<br />

<strong>für</strong> gegebenenfalls neue Instrumente gemeinsam mit der Praxis zu entwickeln. Über <strong>die</strong> oben<br />

angesprochene Kooperation von Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis werden deshalb kontinuierlich<br />

<strong>Klimaanpassung</strong>sbelange <strong>und</strong> konkrete Anpassungsoptionen in laufende Planungsprozesse der<br />

beteiligten Kommunen eingespeist. Neben der Beteiligung im Rahmen der Erstellung formeller<br />

Planungen (zum Beispiel Landesentwicklungsplan (LEP), Flächennutzungsplan (FNP),<br />

Landschaftsplan) bieten sich vor allem bereits bestehende informelle Instrumente an, um <strong>die</strong> Belange<br />

der <strong>Klimaanpassung</strong> zu verankern. So wird beispielsweise ein Prozess in der Stadt Dresden begleitet,<br />

<strong>Klimaanpassung</strong>serfordernisse bei der Ausweisung von Schwerpunkten zur städtebaulichen<br />

Erneuerung <strong>und</strong> Sanierung im Rahmen des informellen Planungsinstruments „Integriertes<br />

Stadtentwicklungskonzept (INSEK)“ der Stadt Dresden zu berücksichtigen.<br />

Mit in der zweiten Projektphase initiierten Umsetzungsprojekten sollen Anpassungsmaßnahmen –<br />

noch während der Projektlaufzeit – fokussiert angestoßen werden. So wird derzeit unter der<br />

Federführung des Stadtplanungsamtes der Stadt Dresden <strong>die</strong> pilothafte Umsetzung wirtschaftlich<br />

tragfähiger freiraumplanerischer Nutzungsoptionen auf Brachflächen zur Verbesserung der<br />

mikroklimatischen Situation, zum Umgang mit Starkniederschlagsereignissen <strong>und</strong> <strong>als</strong> Beitrag zum<br />

Klimaschutz vorbereitet. Dabei können Schnittstellen bearbeitet werden, sektorenübergreifende<br />

Strukturen <strong>und</strong> neue Partnerschaften erprobt <strong>und</strong> etabliert werden <strong>und</strong> das Anpassungsprogramm<br />

exemplarisch mit Leben gefüllt werden.<br />

13


KLIMZUG-Workingpaper<br />

5. Fazit<br />

Angesichts (a) der Vielfalt von Akteursgruppen <strong>und</strong> deren Interessen, (b) der unterschiedlichen Zeithorizonte<br />

von <strong>Klimaanpassung</strong> <strong>und</strong> der Handlungsorientierung der meisten betroffenen bzw. involvierten<br />

Akteure sowie (c) der unterschiedlichen Reichweite, Stärken <strong>und</strong> Schwächen von formalen <strong>und</strong> informellen<br />

Planungs- <strong>und</strong> Steuerungsinstrumenten, steht <strong>die</strong> räumliche Planung in Deutschland auf B<strong>und</strong>es-,<br />

Landes-, Regions- <strong>und</strong> kommunaler Ebene bei der <strong>Klimaanpassung</strong> vor enormen <strong>Herausforderung</strong>en.<br />

Sie soll einen fairen <strong>und</strong> gerechten Interessenausgleich herbeiführen <strong>und</strong> dabei – über ihren<br />

traditionellen Adressatenkreis hinaus – auch Handlungsangebote <strong>für</strong> Wirtschaft, zivilgesellschaftliche<br />

Gruppen <strong>und</strong> Einzelpersonen machen. Sie soll unterschiedliche Zeithorizonte miteinander in Einklang<br />

bringen. Und weiterhin wird erwartet, dass sie einen adäquaten Instrumentenmix findet, bei dem einerseits<br />

rechtliche Verbindlichkeit geschaffen wird, andererseits aber auch erfolgreiche <strong>und</strong> motivierende<br />

Projektumsetzungen stattfinden.<br />

Die Ausführungen haben am Beispiel des Integrierten <strong>Regional</strong>en <strong>Klimaanpassung</strong>sprogramms in der<br />

Modellregion Dresden gezeigt, dass <strong>die</strong> räumliche Planung dabei pragmatisch vorgehen muss. Sie<br />

rückt automatisch in <strong>die</strong> Nähe von regionalen Entwicklungskonzepten, unterscheidet sich aber dennoch<br />

von ihnen in vielerlei Hinsicht. Gleichzeitig kann <strong>die</strong> Verbindung in <strong>die</strong> formale Planung hinein<br />

gelingen. Ebenso zeigt das Beispiel, hier im Fall der städtischen Planung, dass eine strategische Orientierung<br />

durch <strong>die</strong> Initiierung von konkreten Maßnahmen an „Bodenhaftung“ gewinnt. Dies kann einen<br />

wesentlichen Beitrag zur Akzeptanz einer stärkeren Rolle der integrierenden räumlichen Planung<br />

bei der <strong>Klimaanpassung</strong> leisten.<br />

Noch ist es zu früh, zu sagen, ob das Experiment „<strong>Klimaanpassung</strong> durch räumliche Planung <strong>und</strong><br />

Konzepte der räumlichen Entwicklung“ tatsächlich gelingt. Ob sich <strong>die</strong> räumliche Planung dabei überhebt,<br />

wird <strong>die</strong> Zukunft zeigen. Ob <strong>die</strong> Wissenschaft in der Lage ist, ihr einen Teil der Last abzunehmen,<br />

ist ebenso unklar. Transdisziplinäres Agieren, das heißt ein wirksames Zusammenspiel von Praxis<br />

<strong>und</strong> Wissenschaft, ist gefragt. Der Ausgang aber ist offen.<br />

Literatur<br />

ARL (Akademie <strong>für</strong> Raumforschung <strong>und</strong> Landesplanung), 2011, Strategische <strong>Regional</strong>planung, Hannover.<br />

Bernhofer, Christian / Matschullat, Jörg / Bobeth, Achim (Hrsg.), 2011, Klimaprojektionen <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

REGKLAM-Modellregion Dresden, Publikationsreihe des BMBF-geförderten Projektes REGKLAM<br />

– <strong>Regional</strong>es <strong>Klimaanpassung</strong>sprogramm <strong>für</strong> <strong>die</strong> Modellregion Dresden, Heft 2, Berlin.<br />

BMVBS (B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Verkehr, Bau <strong>und</strong> Stadtentwicklung), 2011, Klimawandelgerechte<br />

Stadtentwicklung. Ursachen <strong>und</strong> Folgen des Klimawandels durch urbane Konzepte begegnen,<br />

Forschungen, Heft 149, Berlin.<br />

Danielzyk, Rainer / Knieling, Jörg, 2011, Informelle Planungsansätze, in: ARL (Akademie <strong>für</strong> Raumforschung<br />

<strong>und</strong> Landesplanung) (Hrsg.), Gr<strong>und</strong>riss der Raumordnung <strong>und</strong> Raumentwicklung, Hannover,<br />

S. 473-498.<br />

Deutsche B<strong>und</strong>esregierung, 2011, Aktionsplan Anpassung der Deutschen Anpassungsstrategie an<br />

den Klimawandel vom B<strong>und</strong>eskabinett am 31. August 2011 beschlossen, Berlin.<br />

14


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Fröhlich, Jannes / Knieling, Jörg / Schaerffer, Mareike / Zimmermann, Thomas, 2011, Instrumente<br />

der regionalen Raumordnung <strong>und</strong> Raumentwicklung zur Anpassung an den Klimawandel, Hamburg.<br />

Frommer, Birte, 2010, Akteure regionaler Anpassungsstrategien an den Klimawandel – Lernprozesse<br />

<strong>und</strong> Eigendynamiken im strategischen Diskurs, in: Hutter, Gérard; Wiechmann, Thorsten (Hrsg.),<br />

Strategische Planung. Zur Rolle der Planung in der Strategieentwicklung <strong>für</strong> Städte <strong>und</strong> Regionen,<br />

Berlin/Kassel, S. 59-84.<br />

Hutter, Gérard / Bohnefeld, Jörg / Olfert, Alfred, 2011, Zielgerichtete Netzwerke in Regionen <strong>und</strong> landespolitische<br />

Handlungsansätze zur <strong>Klimaanpassung</strong> – am Beispiel von REGKLAM, in: Cormont,<br />

Pascal; Frank, Susanne (Hrsg.), Governance in der <strong>Klimaanpassung</strong> – Strukturen, Prozesse, Interaktionen.<br />

Dortm<strong>und</strong>, S. 74-89.<br />

Müller, Bernhard / Hutter, Gérard, 2009, Dresden <strong>als</strong> Modellregion zur <strong>Klimaanpassung</strong> – Das Netzwerkprojekt<br />

REGKLAM, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der TU Dresden, 58, 3-4, S.112-118.<br />

15


KLIMZUG-Workingpaper<br />

<strong>Klimaanpassung</strong> aus Sicht der kommunalen Verwaltung <strong>und</strong> der<br />

Wirtschaft<br />

Esther Chrischilles / Mahammad Mahammadzadeh<br />

1. Einleitung<br />

Der Klimawandel ist kein kurzlebiges Phänomen <strong>und</strong> er „lässt sich von heute auf morgen auch nicht<br />

durch noch so große Anstrengungen auf dem Gebiet der Mitigationspolitik vermeiden“ (Stehr/von<br />

Storch, 2008). Er kann jedoch durch Maßnahmen in seiner Intensität begrenzt werden. Für einen<br />

wirksamen Umgang mit dem Klimawandel bieten sich zwei gr<strong>und</strong>sätzliche Typen von Strategien <strong>und</strong><br />

Maßnahmenbündeln an: Klimaschutz im Sinne von Maßnahmenbündeln zur Vermeidung <strong>und</strong> Verminderung<br />

von Treibhausgasemissionen <strong>und</strong> Anpassung an <strong>die</strong> Klimafolgen <strong>und</strong> Extremwetterereignisse.<br />

Dabei ist zu betonen, dass ohne einen wirksamen Klimaschutz <strong>die</strong> Strategie der Anpassung langfristig<br />

an ihre Grenzen stößt, der Klimawandel aber auch allein mit Anpassung nicht bewältigt werden kann.<br />

In <strong>die</strong>sem Beitrag steht <strong>die</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> in Fokus, wenn auch insgesamt eine integrative Berücksichtigung<br />

beider Strategien erforderlich ist.<br />

Rolle der Region<br />

Das globale Problem des Klimawandels erzeugt regionalen Kooperationsdruck in politischen, wirtschaftlichen<br />

<strong>und</strong> gesellschaftlichen Belangen. Im Umgang mit dem Klimawandel <strong>und</strong> seinen Folgen ist<br />

<strong>die</strong> Bedeutung der Region <strong>als</strong> Handlungsraum daher zunehmend in den Vordergr<strong>und</strong> gerückt. Insbesondere<br />

bei der Anpassung an unvermeidbare Klimafolgen wird vielfach eine „<strong>Regional</strong> Governance“<br />

gefordert, d.h. „Formen der regionalen Selbststeuerung“, <strong>die</strong> „in Reaktion auf Defizite sowie <strong>als</strong> Ergänzung<br />

der marktlichen <strong>und</strong> der staatlichen Steuerung“ entstehen (Fürst, 2004, 46). Beispielsweise<br />

dann, wenn neue Aufgaben nicht mehr auf tra<strong>die</strong>rte Weise bewältigt werden können oder aber es<br />

vorteilhaft erscheint, neue Herangehensweisen zu entwickeln. Beides trifft auf <strong>die</strong> klimawandelbedingten<br />

<strong>Herausforderung</strong>en der Anpassung zu.<br />

Klimaveränderungen <strong>und</strong> Klimafolgen differieren regional, wobei <strong>die</strong> klimatischen Grenzen einer Region<br />

in der Regel nicht mit denen politischer Gebietskörperschaften wie Gemeinden übereinstimmen.<br />

Lokal isolierte Anpassungslösungen versprechen daher nur begrenzten Erfolg, wogegen sich ein regional<br />

orientiertes Vorgehen effektiver <strong>und</strong> auch effizienter erweisen kann. Hierbei ist es möglich, region<strong>als</strong>pezifische<br />

Klimaveränderungen zu berücksichtigen, ebenso wie mögliche Nutzungskonflikte <strong>und</strong><br />

Synergien zwischen kommunalen oder einzelwirtschaftlichen Akteuren. Dabei können unterschiedliche,<br />

netzwerkartige regionale Steuerungsformen entwickelt <strong>und</strong> genutzt werden, <strong>die</strong> mit dem Konzept<br />

der „<strong>Regional</strong> Governance“ beschreibbar sind (Nischwitz et al., 2001, 2). Akteursorientierte Betrachtungen<br />

im Kontext der „<strong>Regional</strong> Governance“ gehen davon aus, dass hauptsächlich <strong>die</strong> beteiligten<br />

Akteure <strong>und</strong> deren Handlungslogiken Einfluss auf Gestalt <strong>und</strong> Ausprägung der regionalen Steuerungsform<br />

nehmen (Pütz, 2006, 43).<br />

Rolle der Akteure<br />

Unternehmen <strong>und</strong> Kommunen sind zentrale regionale Akteure, <strong>die</strong> wiederum unterschiedlichen Steuerungsformen<br />

unterliegen: den Regeln des Marktes einerseits <strong>und</strong> den Regeln staatlicher Steuerung<br />

andererseits. In Bezug auf <strong>die</strong> Region weisen sie gr<strong>und</strong>sätzlich folgende Orientierung auf:<br />

16


KLIMZUG-Workingpaper<br />

• Gemeinden: Vertreter der kommunalen Politik/Verwaltung sind hauptsächlich durch hierarchische<br />

staatliche Steuerungsformen <strong>und</strong> Strukturen beeinflusst. Sie sind in der Hauptsache dem kommunalen<br />

Wahlvolk verpflichtet <strong>und</strong> daher territorial orientiert.<br />

• Wirtschaft: Unternehmen agieren innerhalb marktlich geprägter Anreizstrukturen <strong>und</strong> sind funktional<br />

häufig überregional orientiert. Ihre Bindung an <strong>die</strong> Region ist an <strong>die</strong> Bereitstellung vorteilhafter<br />

Produktionsbedingungen gekoppelt. Zudem spielen auch K<strong>und</strong>enbindung <strong>und</strong> andere Faktoren<br />

eine Rolle.<br />

Die betrachteten Akteursgruppen sind besonders bedeutsam, da sie <strong>für</strong> Anpassungsprozesse an den<br />

Klimawandel zwei zentrale Funktionen auf sich vereinen. Zum einen haben <strong>die</strong> lokalen Gebietskörperschaften<br />

wie auch <strong>die</strong> regionale Wirtschaft erheblichen Einfluss auf Entscheidungs- <strong>und</strong> auch Planungsprozesse<br />

in der Region. Sie sind in <strong>die</strong>ser Funktion Anpassungsträger, da sie maßgeblich mit<br />

bestimmen, ob <strong>und</strong> inwieweit klimawandelbedingte Veränderungen <strong>und</strong> Verletzlichkeiten wahrgenommen<br />

<strong>und</strong> Anpassungsprozesse geplant <strong>und</strong> umgesetzt werden. Zum anderen leisten Gemeinden<br />

<strong>und</strong> Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zu Wohlstand <strong>und</strong> Attraktivität einer Region, sei es über<br />

öffentliche Leistungen wie <strong>die</strong> Bereitstellung von Infrastruktur oder <strong>die</strong> Schaffung von Arbeitsplätzen<br />

<strong>und</strong> Wertschöpfung. Somit unterliegen <strong>die</strong> kommunale Daseinsvorsorge <strong>und</strong> <strong>die</strong> Leistungsfähigkeit<br />

der regionalen Wirtschaft selbst klimawandelbedingten Verletzlichkeiten. Beide Akteursgruppen haben<br />

folglich nicht nur wichtige Kompetenzen, Anpassung zu planen <strong>und</strong> umzusetzen, gleichzeitig sind ihre<br />

kommunalen oder unternehmensspezifischen Leistungen anpassungsbedürftig.<br />

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln hat vor <strong>die</strong>sem Hintergr<strong>und</strong> Anfang 2012 eine<br />

deutschlandweite Stu<strong>die</strong> zu Betroffenheiten, Verletzlichkeiten <strong>und</strong> Anpassungsbedarf in Städten <strong>und</strong><br />

Gemeinden, sowie in Unternehmen fertig gestellt, <strong>die</strong> in Kürze in der Reihe IW-Analysen erscheint<br />

(Mahammadzadeh/Chrischilles/Biebeler, 2012). Für <strong>die</strong> Kommun<strong>als</strong>tu<strong>die</strong> wurden von Juni bis August<br />

2011 b<strong>und</strong>esweit Kommunalvertreter auf der Ebene von Gemeindeverbänden <strong>und</strong> Einheitsgemeinden<br />

postalisch zu Aspekten der <strong>Klimaanpassung</strong> befragt. Es antworteten 317 Gemeinden, wobei zwischen<br />

Groß-, Mittel-, Klein-, Landstädten <strong>und</strong> ländlichen Gemeinden sowie topografischen Merkmalen unterschieden<br />

wurde. Die Befragung der Geschäftsführer deutscher Unternehmen aus den Bereichen Industrie,<br />

Logistik <strong>und</strong> unternehmensnahe Dienstleistungen wurde online durchgeführt. Sie war Teil der<br />

mehrere Themen umfassenden 16. Befragungswelle des IW-Zukunftspanels (vgl. Neligan/Schmitz,<br />

2009). Am Klimateil beteiligten sich von März bis Mai 2011 1.040 Geschäftsführer.<br />

Rolle der Planung<br />

Die empirischen Bef<strong>und</strong>e der Kommun<strong>als</strong>tu<strong>die</strong> bestätigen: Die verschiedenen Ebenen planerischer<br />

Ansätze können in vielen anpassungsrelevanten Handlungsfeldern Wirkung entfalten. In den meisten<br />

wird planerischen Maßnahmen sogar <strong>die</strong> bedeutendste Rolle zur Reduktion der klimawandelbedingten<br />

Verletzlichkeit zugesprochen. Aus Sicht der Kommunen sind planerische Instrumente am besten geeignet,<br />

<strong>als</strong>o wirksam <strong>und</strong> durchführbar, um <strong>die</strong> Folgen des Klimawandels zu bewältigen, <strong>und</strong> werden<br />

anderen Instrumenten, wie Anreizmechanismen, regulatorischen, informatorischen <strong>und</strong> koordinierenden<br />

Maßnahmen oder der kommunalen Eigenverantwortung <strong>für</strong> im Besitz der Gemeinde befindliche<br />

Schutzgüter, vorgezogen. Dabei kann sich <strong>die</strong> Planung selbst natürlich einiger <strong>die</strong>ser Maßnahmenarten<br />

im Rahmen vor allem des informellen Instrumentariums be<strong>die</strong>nen. Den wichtigsten Beitrag kann<br />

<strong>die</strong> Planung nach Meinung der Gemeinden in den Bereichen Wasser, Verkehr <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit leisten<br />

(siehe Abbildung 1). Nur in den Handlungsfeldern Tourismus <strong>und</strong> Kultur sowie Industrie <strong>und</strong> Gewerbe<br />

versprechen sich Kommunalvertreter von koordinierenden bzw. von Anreizmaßnahmen größeren<br />

Erfolg, da hier vor allem private Anpassungspotenziale <strong>und</strong> -aktivitäten gefördert werden müssen.<br />

17


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Die räumliche Planung hat explizit partizipativen <strong>und</strong> integrativen Charakter <strong>und</strong> kann daher kontinuierlich<br />

den Ausgleich verschiedener Interessen <strong>und</strong> Raumansprüche herbeiführen. Das gilt auch <strong>für</strong><br />

anpassungsrelevante Planungsprozesse. Die Berücksichtigung von verwaltungsspezifischen <strong>und</strong> unternehmerischen<br />

Verletzlichkeiten schafft dabei größtmögliche Bedarfsgerechtigkeit <strong>und</strong> Umsetzbarkeit.<br />

Die Ergebnisse der IW-Unternehmensbefragung <strong>und</strong> der IW-Kommun<strong>als</strong>tu<strong>die</strong> geben wichtige<br />

Hinweise auf kommunale <strong>und</strong> unternehmerische Anpassungserfordernisse <strong>und</strong> werden nachfolgend in<br />

Ausschnitten vorgestellt <strong>und</strong> diskutiert.<br />

Abbildung 1: Eignung planerischer Anpassungsmaßnahmen in kommunalen Handlungsfeldern<br />

Angaben in Prozent<br />

Wasserversorgung/-entsorgung<br />

Transport <strong>und</strong> Verkehr<br />

Ges<strong>und</strong>heit<br />

Energieversorgung<br />

Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft<br />

Gebäude<br />

Industrie <strong>und</strong> Gewerbe<br />

Tourismus <strong>und</strong> Kultur<br />

Eigene Darstellung auf Basis der IW-Kommunalbefragung<br />

46,3<br />

43,1<br />

2. Unternehmerische Anpassungserfordernisse<br />

Die Wirtschaft ist ein wichtiger Träger der Anpassung in Deutschland. Hier liegen wichtige bereichsübergreifende<br />

Anpassungskapazitäten vor, beispielsweise in technologischer Hinsicht, <strong>die</strong> es zu nutzen<br />

<strong>und</strong> auszubauen gilt. Gleichzeitig müssen privatwirtschaftliche Akteure selbst ihre Produktions<strong>und</strong><br />

Lieferfähigkeit unter den Bedingungen des Klimawandels sichern <strong>und</strong> ihre Handlungsfähigkeit<br />

erhalten. Die deutsche Anpassungspolitik weist dem privaten Sektor ein hohes Maß an Eigenverantwortung<br />

zu. Wo private Anpassung jedoch nicht zu einem optimalen Anpassungsniveau führt, kann<br />

sie durch staatliche Rahmenbedingungen unterstützt werden. Die Raumplanung kann wesentlich zu<br />

einem Ermöglichungsrahmen effizienter privater Anpassung beitragen, beispielsweise im Bereich der<br />

Gewerbeflächen oder unternehmensnahen Infrastrukturen, wie Verkehrs-, Energie- oder Wasserversorgungsleistungen.<br />

Die wahrgenommen unternehmerischen Betroffenheiten durch Klimafolgen sind<br />

daher ein wichtiger Bestandteil konsens- <strong>und</strong> integrativ orientierter Planungsvorhaben.<br />

2.1 Klimawandel <strong>und</strong> unternehmensstrategische Bedeutung<br />

Das Thema der <strong>Klimaanpassung</strong> hat im Vergleich zum Klimaschutz keine längere Tradition in der<br />

deutschen Unternehmenspraxis <strong>und</strong> <strong>die</strong> Anpassungsstrategie wird auch nicht so stark angewendet<br />

wie <strong>die</strong> Klimaschutzstrategie. Ein wichtiger Gr<strong>und</strong> hier<strong>für</strong> ist darin zu sehen, dass <strong>die</strong> eigene Betroffenheit<br />

der Unternehmen bei der Anpassung an ein verändertes Klima <strong>und</strong> an <strong>die</strong> Folgen der Extremwetterereignisse<br />

eine wesentliche Rolle spielt (Mahammadzadeh, 2010, 48): Je stärker <strong>die</strong> eigene<br />

Betroffenheit ist (zum Beispiel mangelndes Kühlwasser), desto eher werden <strong>die</strong> Betroffenen versuchen,<br />

sich durch entsprechende Strategien <strong>und</strong> Maßnahmen anzupassen. Knapp 44 Prozent derjeni-<br />

62,1<br />

60,5<br />

60,4<br />

58,8<br />

76,4<br />

73,9<br />

18


KLIMZUG-Workingpaper<br />

gen Unternehmen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Klimafolgen bereits heute <strong>für</strong> sich <strong>als</strong> relevant betrachten, gaben bei der<br />

Befragung an, dass sie eine Strategie der <strong>Klimaanpassung</strong> verfolgen. Hingegen wählen nur r<strong>und</strong> 14<br />

Prozent der Unternehmen, bei denen der Klimawandel <strong>und</strong> Klimafolgen derzeit keine Relevanz besitzen,<br />

eine <strong>Klimaanpassung</strong>sstrategie. Bei der Auswahl einer Strategie des Klimaschutzes spielen aber<br />

<strong>die</strong> heutigen <strong>und</strong> künftigen Klimafolgen <strong>und</strong> damit auch <strong>die</strong> vorliegenden <strong>und</strong> erwarteten eigenen Betroffenheiten<br />

eine eher geringe Rolle. Die Gründe <strong>für</strong> den Klimaschutz sind vielfältig. Das Spektrum<br />

reicht von klimarelevanten Regulierungen über freiwillige Selbstverpflichtungen bis hin zu ökonomischen<br />

Motiven wie etwa Marktchancen durch den Klimaschutz.<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der geringen negativen Betroffenheit der deutschen Unternehmen durch natürlich-physikalische<br />

Auswirkungen des Klimawandels <strong>und</strong> von Extremwetterereignissen ist es auch nicht<br />

erstaunlich, dass <strong>die</strong> Unternehmen heute dem Klimawandel vorwiegend nicht mit einer Strategie der<br />

<strong>Klimaanpassung</strong> begegnen. 48 Prozent der Unternehmen verfolgen eine Strategie des Klimaschutzes.<br />

Halb so viele Unternehmen gaben an, dass sie dem Klimawandel mit einer Anpassungsstrategie begegnen.<br />

17,2 Prozent befolgen eine kombinierte Strategie des Klimaschutzes <strong>und</strong> der <strong>Klimaanpassung</strong>.<br />

Über <strong>die</strong> Hälfte der Unternehmen begegnet dem Klimawandel mit einer oder beiden Strategien.<br />

Der Anteil der Unternehmen mit einer ausschließlichen Strategie des Klimaschutzes liegt dabei mit 30<br />

Prozent fast sechsmal höher <strong>als</strong> der Anteil der Unternehmen mit einer alleinigen Strategie der <strong>Klimaanpassung</strong>.<br />

2.2 Direkte <strong>und</strong> indirekte Betroffenheiten<br />

Direkte Betroffenheit durch <strong>die</strong> natürlich-physikalische Auswirkungen<br />

In Unternehmen können <strong>die</strong> Anpassungsprozesse <strong>und</strong> -entscheidungen durch interne oder externe<br />

Faktoren positiv (fördernd) oder negativ (hemmend) beeinflusst werden. In <strong>die</strong>sem Kontext wird der<br />

eigenen direkten Betroffenheit durch <strong>die</strong> Klimafolgen <strong>und</strong> Extremwetterereignisse eine Schlüsselrolle<br />

beigemessen. Die Unternehmensbefragung hat jedoch gezeigt, dass eine direkte negative Betroffenheit<br />

durch <strong>die</strong> Auswirkungen des Klimawandels oder Extremwetterereignisse nur von r<strong>und</strong> 15 Prozent<br />

der deutschen Unternehmen wahrgenommen wird. Dabei schätzen <strong>die</strong> Unternehmen der Logistikbranche<br />

(r<strong>und</strong> 21 Prozent), der sonstigen Industrie (19 Prozent) <strong>und</strong> der Bauwirtschaft (knapp 16 Prozent)<br />

ihre negative Betroffenheit vergleichsweise stärker ein <strong>als</strong> andere Unternehmen. Acht Prozent<br />

der Unternehmen (bei der Baubranche sogar 13 Prozent) erwarten allerdings auch positive Auswirkungen.<br />

Aber ein Großteil der Unternehmen (76 Prozent) sieht heute durch den Klimawandel keine<br />

positiven oder negativen Effekte. Die Beurteilung der eigenen Betroffenheitssituation ändert sich teilweise,<br />

wenn <strong>die</strong> Unternehmen nach ihren künftigen Erwartungen gefragt werden. Um 2030 wird eine<br />

direkte negative Betroffenheit durch Klimafolgen <strong>und</strong> Extremwetterereignisse im Vergleich zu heute<br />

von fast doppelt so vielen Unternehmen erwartet. Der Anteil derjenigen, <strong>die</strong> dadurch weder positive<br />

noch negative Folgen erwarten, beträgt jedoch immer noch 60 Prozent.<br />

Indirekte Betroffenheit regulatorischer Art<br />

Nach Einschätzungen der Unternehmen liegt gegenwärtig überwiegend eine indirekte Betroffenheit<br />

bedingt durch klimaschutz- <strong>und</strong> anpassungsbezogene Regulierungen vor. Die Betroffenheit durch<br />

klimaschutzbezogene Gesetze <strong>und</strong> Verordnungen (zum Beispiel Emissionshandelsgesetz) ist mit r<strong>und</strong><br />

24 Prozent stärker ausgeprägt <strong>als</strong> <strong>die</strong> anpassungsbedingte regulatorische Betroffenheit (beispielsweise<br />

durch klimaangepasste Bauvorschriften oder Bauleitpläne) mit r<strong>und</strong> 21 Prozent. Insbesondere<br />

nehmen <strong>die</strong> Unternehmen mit über 50 Beschäftigten aus der Metallbranche <strong>und</strong> der Bauwirtschaft<br />

eine negative Betroffenheit durch <strong>die</strong> vorhandenen klimawandelbedingten Regulierungen wahr. R<strong>und</strong><br />

19 Prozent der Unternehmen erwarten aber auch eine positive Betroffenheit durch anpassungsbe-<br />

19


KLIMZUG-Workingpaper<br />

dingte Regulierungen <strong>und</strong> 16 Prozent durch Klimaschutzregulierungen. Auffällig ist dabei, dass starke<br />

positive Impulse durch anpassungsbezogene Gesetze <strong>und</strong> Verordnungen von jedem dritten Unternehmen<br />

der Bauwirtschaft <strong>und</strong> von jedem fünften Chemieunternehmen erwartet werden. Um 2030<br />

wird mit einer zunehmenden Betroffenheit gerechnet. Knapp 36 Prozent der Unternehmen vermuten<br />

negative Auswirkungen durch verschärfte klimaschutzbezogene Regulierungen <strong>und</strong> 30 Prozent durch<br />

klimaanpassungsbedingte Regulierungen. Jedes fünfte Unternehmen schließt <strong>für</strong> sich positive Auswirkungen<br />

der Regulierungen um 2030 nicht aus.<br />

Indirekte Betroffenheit marktlicher Art<br />

Bezogen auf das klimaschutz- <strong>und</strong> klimaanpassungsorientierte Verhalten in Unternehmen geht von<br />

der regulatorischen Betroffenheit eher eine „Push-Wirkung“ aus. Im Unterschied hierzu erzeugen aber<br />

Impulse aus dem marktlichen Umfeld, insbesondere <strong>die</strong> marktinduzierten klimaschutz- <strong>und</strong> klimaanpassungsbezogenen<br />

Nachfrageverhalten, eine "Pull-Wirkung". Vor <strong>die</strong>sem Hintergr<strong>und</strong> lässt sich auch<br />

<strong>die</strong> relativ positive Einschätzung des regulatorischen Umfelds erklären. Dadurch erhoffen sich <strong>die</strong><br />

Unternehmen auch marktliche Impulse wie Nachfrageerhöhung, Exportchancen oder öffentliche Aufträge.<br />

Die Analyse der marktlichen Betroffenheiten von Unternehmen verlangt neben der Unterscheidung<br />

zwischen dem Klimaschutz <strong>und</strong> der <strong>Klimaanpassung</strong> noch eine weitere Differenzierung nach<br />

Beschaffungs- <strong>und</strong> Absatzmarkt. Der Gr<strong>und</strong> hier<strong>für</strong> liegt vor allem darin, dass <strong>die</strong> Betroffenheiten auf<br />

<strong>die</strong>sen Märkten unterschiedlich ausgeprägt sind <strong>und</strong> unterschiedliche Reaktionen <strong>und</strong> Anpassungserfordernisse<br />

verlangen.<br />

Die Unternehmen stufen ihre heutige Betroffenheit durch <strong>die</strong> Klimafolgen <strong>und</strong> Extremwetterereignisse<br />

auf den Beschaffungsmärkten eindeutig negativer ein (um fast das 2,5 fache) <strong>als</strong> ihre Betroffenheit auf<br />

den Absatzmärkten. Dies ist sowohl im Bereich Klimaschutz <strong>als</strong> auch bei der <strong>Klimaanpassung</strong> der<br />

Fall. Eine klimaschutzbezogene Betroffenheit auf dem Beschaffungsmarkt wird heute durch <strong>die</strong> Unternehmen<br />

leicht negativer wahrgenommen <strong>als</strong> anpassungsbedingte Betroffenheiten. Um 2030 wird jedoch<br />

<strong>die</strong> negative Betroffenheit bedingt durch <strong>die</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> auf dem Beschaffungsmarkt etwas<br />

höher <strong>als</strong> <strong>die</strong> klimaschutzinduzierte Betroffenheit erwartet. Ein Gr<strong>und</strong> hier<strong>für</strong> ist darin zusehen, dass<br />

<strong>die</strong> Unternehmen von einer zunehmenden Bedeutung des Klimawandels in Zukunft <strong>und</strong> der damit<br />

einhergehenden erhöhten Anpassungserfordernisse ausgehen. Mit Blick auf <strong>die</strong> Absatzmärkte zeichnen<br />

sich eher optimistische Erwartungen ab. Die Unternehmen sehen heute auf den Absatzmärkten<br />

primär eine positive Betroffenheit durch den Klimawandel <strong>und</strong> zwar klimaschutzbedingt stärker <strong>als</strong><br />

anpassungsbedingt. In <strong>die</strong> Zukunft blicken sie noch optimistischer <strong>als</strong> heute. Positive Impulse auf den<br />

Absatzmärkten erhoffen sich r<strong>und</strong> 38 Prozent der Unternehmen durch den Klimaschutz <strong>und</strong> knapp 25<br />

Prozent durch <strong>die</strong> Anpassung um 2030.<br />

Auf der Basis der Antworten lässt sich feststellen, dass sich r<strong>und</strong> 57 Prozent der Unternehmen durch<br />

den Klimawandel in keiner Weise negativ betroffen sehen. Bei knapp 43 Prozent wird eine positive<br />

oder negative Betroffenheit mindestens in irgendeiner Ausprägungsform (natürlich-physikalische, regulatorische,<br />

beschaffungs- <strong>und</strong> absatzmarktliche <strong>und</strong> zwar klimaschutzbedingt oder anpassungsbedingt)<br />

wahrgenommen. Über alle Arten der Betroffenheit hinweg lässt sich unter Berücksichtigung der<br />

Anzahl der abgegebenen Antworten bezüglich der negativen Betroffenheiten konstatieren, dass <strong>die</strong><br />

Logistikbranche im Vergleich zu anderen Branchen am häufigsten negativ betroffen ist, gefolgt von<br />

der sonstigen Industrie <strong>und</strong> der Bauwirtschaft.<br />

2.3 Betroffenheit durch verschiedene Arten von Klimaereignissen<br />

Mit Blick auf <strong>die</strong> Anpassungserfordernisse auf der Unternehmensebene <strong>und</strong> <strong>die</strong> daraus resultierenden<br />

möglichen Anforderungen an <strong>die</strong> <strong>Regional</strong>planung <strong>und</strong> Stadtentwicklung (beispielsweise bei Straßen-<br />

20


KLIMZUG-Workingpaper<br />

<strong>und</strong> Brückenbau oder Hochwasserschutz) ist <strong>die</strong> Frage von Bedeutung, von welchen Klimafolgen <strong>und</strong><br />

Extremwetterereignissen <strong>die</strong> Unternehmen betroffen sind oder eine Betroffenheit erwarten. Gut 27<br />

Prozent der Unternehmen – <strong>und</strong> darunter fast <strong>die</strong> Hälfte der Unternehmen der Bauwirtschaft mit einer<br />

Beschäftigtenzahl von 9 bis 49 – gaben an, an erster Stelle heute in Deutschland verstärkt von Frost<br />

betroffen zu sein (Abbildung 2). R<strong>und</strong> jedes vierte Unternehmen gibt an, heute stark von Stürmen,<br />

Starkregenereignissen/Hochwasser <strong>und</strong> vom Temperaturanstieg betroffen zu sein. Im Vergleich hierzu<br />

werden Hagel, verminderte Niederschläge im Sommer, Niedrigwasser <strong>und</strong> Blitzschlag eine untergeordnete<br />

Rolle zugesprochen. Die Befragten nehmen eine pessimistische Erwartungshaltung an,<br />

wenn sie ihre Betroffenheiten um 2030 angeben.<br />

Abbildung 2: Direkte oder indirekte Betroffenheit von Klimaereignissen in 2011 <strong>und</strong> 2030<br />

Unternehmen, <strong>für</strong> <strong>die</strong> der Klimawandel ein Thema ist, positive oder negative Betroffenheit, Angaben in<br />

Prozent<br />

Frost<br />

Stürme<br />

Starkregenereignisse/<br />

Hochwasser<br />

Temperaturanstieg<br />

Hagel<br />

verminderte<br />

Niederschläge<br />

Blitzschlag<br />

Keines<br />

10,7<br />

Eigene Darstellung auf Basis des IW-Zukunftspanels 2011<br />

14,1<br />

13,4<br />

17,7<br />

Nur jedes dritte Unternehmen erwartet <strong>für</strong> sich keine Betroffenheit durch <strong>die</strong> verschiedenen Klimaereignisse<br />

um 2030 (2011 war es fast <strong>die</strong> Hälfte der Unternehmen). Mit 46 Prozent der Antworten nimmt<br />

<strong>die</strong> Betroffenheit durch den Temperaturanstieg den ersten Platz ein, gefolgt von Starkregenereignissen/Hochwasser<br />

mit 42 Prozent, Stürmen mit 38 Prozent <strong>und</strong> Frost mit 35 Prozent. Im Durchschnitt<br />

erwarten Unternehmen der Bauwirtschaft, Logistik <strong>und</strong> sonstigen Industrie etwa Ernährungsgewerbe,<br />

Holz- <strong>und</strong> Papiergewerbe sowie Wasser- <strong>und</strong> Energieversorgung im Durchschnitt eine stärkere Betroffenheit<br />

durch <strong>die</strong>se Klimaereignisse.<br />

Die negative Betroffenheit muss nicht obligatorisch zu einer Verletzlichkeitssituation führen. Verletzlichkeit<br />

liegt dann vor, wenn keine genügenden Anpassungskapazitäten <strong>und</strong> insbesondere finanzielle,<br />

personelle, technologische, infrastrukturelle, institutionelle <strong>und</strong> wissensbasierte Ressourcen zu der<br />

Bewältigung der negativen Betroffenheiten zur Verfügung stehen. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der schwachen<br />

negativen Betroffenheiten einerseits <strong>und</strong> der stark eingeschätzten Anpassungskapazitäten anderseits<br />

befindet sich <strong>die</strong> deutsche Wirtschaft derzeit im Schnitt in einer nicht verletzlichen Situation.<br />

Die heutigen Anpassungskapazitäten werden allerdings nicht ausreichen, angesichts der erwarteten<br />

zunehmenden negativen Betroffenheiten um 2030 das Niveau des heutigen Verletzlichkeitskomforts<br />

23,8<br />

23,3<br />

22,5<br />

24,7<br />

24,5<br />

27,1<br />

31,4<br />

35,0<br />

38,3<br />

41,5<br />

46,1<br />

heute<br />

um 2030<br />

49,6<br />

21


KLIMZUG-Workingpaper<br />

zu halten. Da<strong>für</strong> ist im Schnitt aller Branchen eine Erhöhung der heutigen Anpassungskapazitäten<br />

nötig. Eine ausführliche Betrachtung der klimawandelbedingten Verletzlichkeit in Unternehmen wird an<br />

<strong>die</strong>ser Stelle nicht vorgenommen. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der höheren Relevanz <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Regional</strong>planung<br />

wird im Folgenden ausschließlich auf <strong>die</strong> Verletzlichkeiten der Gemeinden näher eingegangen.<br />

3. Kommunale Anpassungserfordernisse<br />

Mit der kommunalen Planungshoheit obliegt es Gebietskörperschaften, <strong>die</strong> städtebauliche Entwicklung<br />

eigenverantwortlich zu gestalten. Damit gehen beispielsweise Informationsrechte, Anhörungsrechte<br />

<strong>und</strong> Beteiligungsrechte der Gemeinden bei übergeordneten Fachplanungen einher. Für eine<br />

klimawandelgerechte Raumplanung sind Verletzlichkeiten der beteiligten Gemeinden daher maßgeblich.<br />

Als Maß der Verletzlichkeit wurden in der Stu<strong>die</strong> <strong>die</strong> ermittelten negativen Betroffenheiten ins<br />

Verhältnis zu den Fähigkeiten, Ressourcen <strong>und</strong> Institutionen gesetzt, mit denen Städte <strong>und</strong> Gemeinden<br />

wirksame Maßnahmen zur Anpassung umsetzen können (Anpassungskapazitäten). Je nachdem<br />

in welchem Verhältnis <strong>die</strong> negativen Betroffenheiten zu den jeweiligen Anpassungskapazitäten stehen,<br />

ergeben sich vier unterschiedliche Verletzlichkeitspositionen, <strong>die</strong> sich wie folgt voneinander abgrenzen<br />

lassen (siehe Tabelle 1).<br />

Tabelle 1: Verletzlichkeitspositionen<br />

Verletzlichkeitssituation Charakteristika<br />

Sehr verletzlich NB > AK <strong>und</strong> AK < ½ AK ausreichend<br />

Verletzlich NB > AK <strong>und</strong> AK > ½ AK ausreichend<br />

Nicht verletzlich aber kritisch AK > NB <strong>und</strong> AK < 2 AK ausreichend<br />

Nicht verletzlich <strong>und</strong> unbedenklich AK > NB <strong>und</strong> AK > 2 AK ausreichend<br />

AK ausreichend ist definiert <strong>als</strong> negative Betroffenheit (NB) = Anpassungskapazität (AK)<br />

Insgesamt erwarten über 90 Prozent der befragten Gemeinden spätestens um das Jahr 2030 negativ<br />

von Klimafolgen betroffen zu sein. Unter Betroffenheit werden sowohl natürlich-physikalische Auswirkungen<br />

wie Extremwetterfolgen, aber auch regulatorische <strong>und</strong> marktliche Betroffenheiten subsumiert.<br />

Dahingegen schätzen <strong>die</strong> Befragten <strong>die</strong> Fähigkeiten ihrer Gemeinden zur Bewältigung von Klimafolgen<br />

eher gering ein, was zukünftig zu einer Verletzlichkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels<br />

bei einer Mehrheit der deutschen Gemeinden führen könnte. Bei der aggregierten Analyse von Verletzlichkeiten<br />

<strong>für</strong> einzelne Handlungsfelder, B<strong>und</strong>esländer, topografische Merkmale <strong>und</strong> Gemeindetypen<br />

ergaben sich <strong>die</strong> größten Unterschiede vor allem in regionaler Hinsicht, d.h. in der vorliegenden<br />

Untersuchung entlang von B<strong>und</strong>esländergrenzen, sowie in Bezug auf einzelne Handlungsfelder. Solche<br />

regionalen <strong>und</strong> sektoralen Klimarisiken stellen neue <strong>und</strong> zusätzliche <strong>Herausforderung</strong>en <strong>für</strong> eine<br />

klimawandelgerechte <strong>Regional</strong>planung dar.<br />

3.1 <strong>Regional</strong>e Verletzlichkeiten<br />

Bei den heutigen Anpassungskapazitäten, aber steigenden (erwarteten) Betroffenheiten finden sich<br />

deutsche Städte <strong>und</strong> Gemeinden um 2030 im Schnitt in einer verletzlichen Situation gegenüber Klimafolgen<br />

wieder. Damit wird ausgedrückt, dass <strong>die</strong> heutigen Kapazitäten nicht mehr ausreichen, um den<br />

negativen Folgen, <strong>die</strong> um 2030 im mittleren Bereich liegen, begegnen zu können. Wo sich heute noch<br />

<strong>für</strong> beinahe alle Kommunen eine weitestgehend unbedenkliche Verletzlichkeitssituation ergibt, könnten<br />

<strong>für</strong> über <strong>die</strong> Hälfte aller Gemeinden um 2030 nicht mehr ausreichend Kapazitäten zur Anpassung<br />

an <strong>die</strong> erwarteten Klimafolgen zur Verfügung stehen (siehe Abbildung 3).<br />

22


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Gemeindevertreter in Sachsen-Anhalt sehen sich um 2030 am stärksten verletzlich. Obwohl auf kommunaler<br />

Ebene eher starke Anpassungskapazitäten bestehen, reichen <strong>die</strong>se zur Bewältigung einer<br />

erwarteten starken Betroffenheit nicht aus. Brandenburg <strong>und</strong> Baden-Württemberg weisen <strong>die</strong> nächst<br />

schlechtesten Betroffenheits-Kapazitätsverhältnisse auf. Auch <strong>für</strong> Gemeinden aus Rheinland-Pfalz,<br />

Thüringen, Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein <strong>und</strong> Bayern könnten <strong>die</strong> <strong>für</strong> 2030 erwarteten<br />

Klimafolgen möglicherweise nicht mehr zu bewältigen sein.<br />

Abbildung 3: Verletzlichkeit nach B<strong>und</strong>esländern um 2030<br />

Eigene Darstellung auf Basis der IW-Kommunalbefragung 2011<br />

Das Saarland nimmt gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommern <strong>die</strong> am wenigsten verletzlichen Positionen<br />

ein. Diese Einschätzungen sind in Mecklenburg-Vorpommern möglicherweise auf <strong>die</strong> Erwartung<br />

darüber zurückzuführen, dass das heute starke Engagement der dort ansässigen Kommunen bei<br />

der <strong>Klimaanpassung</strong> <strong>die</strong> negativen Betroffenheiten zukünftig mindern wird. Im Saarland hingegen gab<br />

keine Gemeinde im Rahmen der Befragung an, Anpassung in der kommunalen Praxis zu berücksichtigen.<br />

Folglich könnte <strong>die</strong> geringe Betroffenheitseinschätzung hier auch durch eine unzureichende<br />

Auseinandersetzung mit der Thematik begründet sein. Unter der Verletzlichkeitsgrenze bleiben außerdem<br />

Hessen <strong>und</strong> Niedersachsen.<br />

3.2 Sektorale Verletzlichkeiten<br />

Nicht nur regionale Verletzlichkeiten können der <strong>Regional</strong>planung wichtige Anhaltspunkte liefern, von<br />

Interesse ist außerdem, in welchen Bereichen Gemeinden öffentliche wie auch private Leistungen<br />

gefährdet sehen. Eine handlungsfeldspezifische Verletzlichkeitsanalyse kann wesentlich zur Identifizierung<br />

<strong>und</strong> Priorisierung von Anpassungsprozessen beitragen.<br />

23


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Die Land- <strong>und</strong> <strong>die</strong> Forstwirtschaft ist auf kommunaler Ebene das am verletzlichsten eingeschätzte<br />

Handlungsfeld. Ursächlich da<strong>für</strong> ist einerseits eine (eher) starke negative Betroffenheit. Die größten<br />

Risiken werden in Hitzeereignissen (79 Prozent), Starkregen (69 Prozent), steigenden Durchschnittstemperaturen<br />

(64 Prozent), Stürmen (53 Prozent) <strong>und</strong> zunehmender Temperaturvariabilität (42 Prozent)<br />

gesehen. Entsprechend abwechslungsreich stellt sich auch <strong>die</strong> Liste wahrscheinlicher Auswirkungen<br />

dar. Über 90 Prozent erwarten extremwetterbedingte Ernteausfälle. Aber auch den Verlust<br />

von Erträgen durch veränderte Bodenqualität oder Bodenerosion be<strong>für</strong>chten über <strong>die</strong> Hälfte aller<br />

Kommunen. Ebenso viele sehen Beeinträchtigungen aufgr<strong>und</strong> von Schädlingsbefall oder Pilzbefall<br />

voraus. Veränderte Vegetationsperioden stellen immerhin <strong>für</strong> 45 Prozent der Kommunen eine besorgniserregende<br />

Entwicklung dar. Gleichzeitig besteht in der Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft aus Sicht der<br />

kommunalen Verwaltungsträger eine eher schwach ausgeprägte Anpassungskapazität.<br />

Der Ges<strong>und</strong>heitsbereich ist zwar insgesamt etwas geringer betroffen, jedoch ebenfalls aufgr<strong>und</strong><br />

einer eher schwachen Kapazität eindeutig <strong>als</strong> verletzlich einzuordnen. Die größten Gefahren gehen<br />

dabei nach Auffassung von 84 Prozent der Kommunen von zunehmenden Hitzebelastungen aus. 68<br />

Prozent halten aber auch <strong>die</strong> zunehmende Temperaturvariabilität <strong>für</strong> eine <strong>Herausforderung</strong>. Zudem<br />

stellen steigende Durchschnittstemperaturen <strong>und</strong> Starkregenereignisse (Hochwasser) in mindestens<br />

der Hälfte der antwortenden Kommunen ein ges<strong>und</strong>heitliches Risiko dar. Diese Risiken beziehen sich<br />

neben Gefahren <strong>für</strong> Leib <strong>und</strong> Leben durch Extremwetterereignisse (77 Prozent) insbesondere auf eine<br />

zunehmende thermische Belastung in Gebäuden (66 Prozent). Auch könnten nach Ansicht von bis zu<br />

48 Prozent der Befragten ges<strong>und</strong>heitliche Probleme infolge von Allergien, Asthma <strong>und</strong> neuen Krankheiten<br />

in den Gemeinden klimawandelbedingt ansteigen.<br />

Abbildung 4: Verletzlichkeit kommunaler Handlungsfelder bis 2030<br />

Eigene Darstellung auf Basis der IW-Kommunalbefragung 2011<br />

Eine insgesamt überdurchschnittliche Anpassungskapazität wird den Bereichen Wasserversorgung<br />

<strong>und</strong> -entsorgung sowie öffentliche <strong>und</strong> private Gebäude zugeschrieben. Aus <strong>die</strong>sem Gr<strong>und</strong> befinden<br />

24


KLIMZUG-Workingpaper<br />

sich beide Handlungsfelder, trotz einer ähnlichen hohen Betroffenheit wie der Ges<strong>und</strong>heitsbereich,<br />

knapp unterhalb der Verletzlichkeitsgrenze. Bei einer noch stärkeren Betroffenheit könnte es jedoch<br />

schnell an Kapazitäten mangeln. So befindet sich <strong>die</strong> kommunale Wasserversorgung <strong>und</strong> Wasserentsorgung<br />

bereits im Spannungsfeld zwischen zu viel <strong>und</strong> zu wenig Wasser. Über <strong>die</strong> Hälfte aller Kommunen<br />

sieht sich hier bis spätestens 2030 negativ betroffen, unter den Großstädten sind es sogar<br />

zwei Drittel. Als Hauptursache werden einerseits Starkregen (77 Prozent) <strong>und</strong> Hochwasser (60 Prozent)<br />

ausgemacht <strong>und</strong> andererseits Hitze (52 Prozent) <strong>und</strong> steigende Durchschnittstemperaturen (46<br />

Prozent). Im Ergebnis <strong>für</strong>chtet r<strong>und</strong> <strong>die</strong> Hälfte der im Handlungsfeld Wasser antwortenden Kommunen<br />

eine Überbelastung der Entwässerungsinfrastruktur, <strong>die</strong> Beeinträchtigung der Gewässerökologie<br />

<strong>und</strong>/oder eine sinkende Trinkwasserverfügbarkeit. Mehr <strong>als</strong> jeder dritte Entscheidungsträger sieht sich<br />

in der Folge auch mit erheblichen Wassernutzungskonflikten im kommunalen Wirkungskreis konfrontiert.<br />

Im Gebäudebereich sieht mit etwa einem Drittel der hier antwortenden Kommunen eine Mehrheit<br />

klimawandelbedingte Risiken, insbesondere infolge von Schäden durch Extremwetter. Aber auch<br />

thermische Belastung infolge starker Hitze spielt eine Rolle.<br />

Auch Transport <strong>und</strong> Verkehr sowie <strong>die</strong> Energieversorgung sind einem unverletzlichen, aber bereits<br />

kritischen Bereich zuzuordnen. In der Energieversorgung werden <strong>die</strong> kommunalen Möglichkeiten zum<br />

Umgang mit den Klimafolgen vergleichsweise hoch angesiedelt. Risiken werden beispielsweise durch<br />

einen erhöhten Kühlungsbedarf von Kraftwerken oder extremwetterbedingte Schäden an der Stromübertragungsnetzen<br />

<strong>und</strong> freistehenden Erzeugungsanlagen vermutet. Letztlich dominiert in <strong>die</strong>sem<br />

Handlungsfeld aber eine chancenorientierte Sicht. Die Auswertung der offenen Nennung zeigt, dass<br />

sich <strong>die</strong>se Chancen neben dem möglicherweise sinkenden Heizbedarf vor allem auf einen Ausbau der<br />

erneuerbaren Energien stützen. Ursächlich da<strong>für</strong> ist sowohl <strong>die</strong> Annahme über eine wetterbedingt<br />

steigende Wirtschaftlichkeit von erneuerbaren Energien, aber auch <strong>die</strong> Annahme, dass mit spürbaren<br />

Auswirkungen des Klimawandels ein Umbau der Energieversorgung auf stärkere Akzeptanz stößt.<br />

Im Bereich Verkehr stehen im Vergleich zu vorherigen Handlungsfeldern andere klimatische Veränderungen<br />

wie Starkregen, häufigere Frost-Tauwechsel <strong>und</strong> steigende Schneemengen im Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Be<strong>für</strong>chtet werden vor allem zunehmende Schäden an Straßen, Brücken <strong>und</strong> Schienennetzen. In der<br />

Folge wird mit höheren Instandhaltungskosten <strong>für</strong> öffentliche Infrastrukturen sowie Beeinträchtigungen<br />

des Personen- <strong>und</strong> Güterverkehrs gerechnet, beispielsweise durch Verspätungen. Auf der anderen<br />

Seite liegen in den Klimaveränderungen <strong>für</strong> viele Kommunen auch Chancen <strong>für</strong> den Verkehrssektor.<br />

In der Erwartung der Befragten geht mit dem fortschreitenden Klimawandel ein stärkerer Handlungsdruck<br />

im Bereich Klimaschutz einher. Damit könne beispielsweise eine konsequentere Umsetzung<br />

effizienterer Verkehrskonzepte, eine bessere Nutzung des Schienen- <strong>und</strong> öffentlichen Personennahverkehrs<br />

sowie der Etablierung emissionsärmerer Fahrzeuge erreicht werden.<br />

Die geringsten Betroffenheiten pro Einheit vorhandener Anpassungskapazität fallen aus Verwaltungssicht<br />

in Industrie <strong>und</strong> Gewerbe sowie im Bereich Tourismus <strong>und</strong> Kultur an. Hier ergibt sich eine<br />

schwache negative Betroffenheit, <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>die</strong> vorhandenen Kapazitäten zur Anpassung mehr <strong>als</strong> ausreichend<br />

sind. Beide Handlungsfelder befinden sich in dem unverletzlichen <strong>und</strong> unbedenklichen Feld<br />

des Verletzlichkeitsportfolios. Hier werden vielmehr Chancen vermutet. Für ansässige Unternehmen<br />

vor allem durch <strong>die</strong> Entwicklung neuer Umwelttechniken <strong>und</strong> Anpassungsinnovationen. Auch der<br />

Neuansiedelung zukunftsträchtiger Branchen wird große Bedeutung beigemessen. Ähnlich positiv<br />

wird <strong>die</strong> touristische Attraktivität unter den Bedingungen des Klimawandels bewertet. So werden in<br />

den Gemeinden beispielsweise eine längere touristische Saison <strong>und</strong> bessere Bedingungen <strong>für</strong> Aktivitäten<br />

im Freien (Fahrrad- <strong>und</strong> Badetourismus, Outdoor-Gastronomie) antizipiert. Auch könnte <strong>die</strong> Belastung<br />

in Städten zur stärkeren Nutzung von Naherholungsgebieten führen.<br />

25


KLIMZUG-Workingpaper<br />

4. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Sowohl Städte <strong>und</strong> Gemeinden <strong>als</strong> auch Unternehmen werden zukünftig deutlich stärker <strong>als</strong> heute<br />

vom Klimawandel <strong>und</strong> seinen Folgen betroffen sein. Die Wahrnehmung insbesondere von direkten<br />

Klimafolgen ist jedoch in Kommunen deutlich stärker ausgeprägt <strong>als</strong> in Unternehmen. Die Schwachstelle<br />

kommunaler Anpassung liegt in den Anpassungskapazitäten. Für <strong>die</strong> Raumplanung müssen auf<br />

kommunaler Ebene bestimmte Regionen <strong>und</strong> Handlungsfelder aufgr<strong>und</strong> ihrer Verletzlichkeit im Fokus<br />

stehen, beispielsweise Ges<strong>und</strong>heit, Gebäude <strong>und</strong> Wasser.<br />

In der regionalen Wirtschaft liegt der Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> vergleichsweise geringe Anpassungsaktivitäten vor<br />

allem in einer mangelnden Betroffenheit oder aber einem mangelndem Risikobewusstsein. Gerade<br />

auf unternehmerischer Ebene liegen jedoch durchaus Schadenspotenziale auf der Fläche (Produktionsanlagen,<br />

Gebäude) oder durch <strong>die</strong> Einschränkung von Produktionsabläufen beispielsweise infolge<br />

abnehmender Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter oder den Ausfall von Infrastrukturen. Hier können<br />

kommunikative Planungsprozesse sensibilisierend wirken <strong>und</strong> Akzeptanz <strong>für</strong> planerische Anpassungsmaßnahmen<br />

schaffen.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Planungshoheit der Kommunen sowie der Bedeutung öffentlicher <strong>und</strong> privater Leistung<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Region ist Raumplanung maßgeblich durch <strong>die</strong> Interessen lokaler Akteure beeinflusst, ohne<br />

deren Unterstützung insbesondere der <strong>Regional</strong>planung eine geringe Steuerungsfähigkeit unterstellt<br />

wird. Daher gilt es einerseits verwaltungs- <strong>und</strong> unternehmensspezifische Klimarisiken <strong>und</strong> Anpassungsanforderungen<br />

zu berücksichtigen <strong>und</strong> andererseits lokale Akteure <strong>für</strong> Anpassungsnotwendigkeiten<br />

zu sensibilisieren.<br />

Literatur<br />

Fürst, Dietrich, 2004, <strong>Regional</strong> Governance, in: Benz, Arthur (Hrsg.), Governance – Regieren in<br />

komplexen Regelsystemen, Eine Einführung, Wiesbaden, S. 45-62.<br />

Neligan, Adriana / Schmitz, Edgar, 2009, Design <strong>und</strong> Analysepotenziale, in: Lichtblau, Karl / Neligan,<br />

Adriana, Das IW-Zukunftspanel. Ziele, Methoden, Themen <strong>und</strong> Ergebnisse, Deutscher Instituts-<br />

Verlag, Köln. S. 11–50.<br />

Nischwitz, Guido / Molitor, Reimar / Rohne, Silvia, 2002, Local and <strong>Regional</strong> Governance <strong>für</strong> eine<br />

nachhaltige Entwicklung, Schriftenreihe des IÖW 161/02, Berlin.<br />

Mahammadzadeh, Mahammad / Chrischilles, Esther / Biebeler, Hendrik, 2012 (im Erscheinen),<br />

<strong>Klimaanpassung</strong> in Unternehmen <strong>und</strong> Kommunen, Betroffenheiten, Verletzlichkeiten <strong>und</strong> Anpassungsbedarf,<br />

IW-Anlaysen, Köln.<br />

Mahammadzadeh, Mahammad, 2010, Klimawandel: ein Thema mit strategischer Bedeutung <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Unternehmen, in: UmweltWirtschaftsForum (UWF), 18. Jg. 2010, Heft 1, S.45-51<br />

Pütz, Marco, 2006, <strong>Regional</strong> Governance in der räumlichen Planung, in: Kleinfeld, Ralf / Plamper,<br />

Harald / Huber, Andreas (Hrsg.): <strong>Regional</strong> Governance, Band 2, Steuerung, Koordination <strong>und</strong><br />

Kommunikation in regionalen Netzwerken <strong>als</strong> neue Formen des Regierens, Göttingen , S. 39-52.<br />

Stehr, Nico / Hans von Storch, 2008, Zeppelin Manifest zum Klimaschutz, URL:<br />

http://coast.hzg.de/staff/storch/pdf/Zeppelin-Manifest-2008.pdf [Stand: 2012-03-18].<br />

26


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Anpassung in Städten: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Planung<br />

Stefan Greiving / Fabian Dosch<br />

Die Modellvorhaben der Stadt- <strong>und</strong> Raumentwicklung zur Anpassung in Stadtregionen<br />

Jörg Knieling / Lisa Kunert / Thomas Zimmermann<br />

Siedlungsstruktur <strong>und</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> in Stadtregionen<br />

Marko Siekmann / Thomas Siekmann<br />

Wassersensible Stadtentwicklung – Informelle Planung versus verbindliche Konzepte<br />

27


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Die Modellvorhaben der Stadt- <strong>und</strong> Raumentwicklung zur Anpassung<br />

in Stadtregionen<br />

Stefan Greiving / Fabian Dosch<br />

1. Einleitung<br />

Die Deutsche Anpassungsstrategie weist der Raumplanung eine herausgehobene Bedeutung zu:<br />

„Räumliche Planung kann mit den bereits bestehenden rechtlichen <strong>und</strong> planerischen Instrumenten<br />

sowohl Klimaschutz <strong>als</strong> auch Anpassung unterstützen […]. Die Raumplanung kann mit der Entwicklung<br />

von Leitbildern <strong>für</strong> anpassungsfähige <strong>und</strong> belastbare (resiliente) Raumstrukturen eine Vorreiterrolle<br />

übernehmen, <strong>die</strong> gegenüber den Auswirkungen aller gesellschaftlichen Veränderungsprozesse<br />

auf <strong>die</strong> Raumstruktur robust <strong>und</strong> flexibel reagiert“ (B<strong>und</strong>esregierung, 2008, 42).<br />

Der Klimawandel erfordert in den Städten <strong>und</strong> Stadtregionen eine dreigleisige Strategie: <strong>die</strong> Entwicklung<br />

von Strategien zum Klimaschutz (Mitigation) <strong>und</strong> zur Anpassung an den Klimawandel (Adaptation)<br />

sowie <strong>die</strong> Abstimmung der Maßnahmen mit anderen drängenden Aufgaben der nachhaltigen<br />

Stadtentwicklung<br />

Gerade Städte werden aufgr<strong>und</strong> der dichten Bebauung, der hohen Versiegelung, des erhöhten Energie-<br />

<strong>und</strong> Wasserumsatz <strong>und</strong> der Konzentration von Menschen <strong>und</strong> materiellen Werten besonders vom<br />

Klimawandel zunehmend betroffen sein. Schon jetzt zeichnet sich das Stadtklima gegenüber dem<br />

Klima des Umlandes aus durch eine höhere Wärmespeicherung von Bauwerken <strong>und</strong> Untergr<strong>und</strong>, <strong>die</strong><br />

Ausbildung urbaner Wärmeinseln mit vermehrten Hitzetagen <strong>und</strong> Tropennächten, höherem Feinstaubanteil<br />

<strong>und</strong> Luftschadstoffbelastung bei geringeren Windgeschwindigkeiten, geringerer Glob<strong>als</strong>trahlung<br />

<strong>und</strong> verstärkten Starkniederschlägen (BMVBS, 2011a).<br />

Der Aktionsplan zur Deutschen Anpassungsstrategie sieht unter anderem vor, mit Modellvorhaben<br />

Regionen <strong>und</strong> Kommunen bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Das B<strong>und</strong>esministerium<br />

<strong>für</strong> Verkehr, Bau <strong>und</strong> Stadtentwicklung (BMVBS) fördert daher auf kommunaler <strong>und</strong> stadtregionaler<br />

Ebene in Form von Modell- <strong>und</strong> Demonstrationsvorhaben Projekte, in denen exemplarisch Konzepte<br />

<strong>und</strong> Lösungsansätze zur Anpassung an den Klimawandel entwickelt <strong>und</strong> in Modellvorhaben<br />

erprobt werden.<br />

Im Einzelnen fördert das BMVBS Modellvorhaben (vgl. auch Abbildung 1)<br />

� auf der regionalen Ebene: „Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel“ (KlimaMORO),<br />

deren 8 Modellvorhaben überwiegend in Stadtregionen Lösungsansätze zur Anpassung an<br />

den Klimawandel entwickeln;<br />

� auf der lokalen bis stadtregionalen Ebene: „urbane Konzepte zum Klimawandel“ des Experimentellen<br />

Wohnungs- <strong>und</strong> Städtebaus (ExWoSt) mit neun Modellvorhaben auf kommunaler<br />

Ebene (StadtKlimaExWoSt) sowie acht Pilotprojekten der Wohnungs- <strong>und</strong> Immobilienwirtschaft<br />

(ImmoKlima).<br />

Aus <strong>die</strong>sen Projekterfahrungen werden gute Beispiele, Handlungsempfehlungen <strong>und</strong> Leitlinien generiert,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Praxis von Raumordnung <strong>und</strong> Bauleitplanung ebenso positiv beeinflussen sollen, wie sie<br />

zugleich in <strong>die</strong> Weiterentwicklung der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel einfließen<br />

können.<br />

28


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Abbildung 1: Die regionalen (KlimaMORO) <strong>und</strong> kommunalen Modellvorhaben von BMVBS/<br />

BBSR zur Anpassung an den Klimawandel<br />

Quelle: BBSR, 2010<br />

Die Projekte werden vom B<strong>und</strong>esinstitut <strong>für</strong> Bau-, Stadt <strong>und</strong> Raumentwicklung (BBSR) betreut. 2 Die<br />

Abteilung „Klima- <strong>und</strong> Umweltberatung“ des Deutschen Wetter<strong>die</strong>nstes (DWD) sowie externe Klimatologen<br />

unterstützen <strong>die</strong> Modellvorhaben durch Beratung in klimatologischen Fragestellungen, Mitwirkung<br />

an Konferenzen <strong>und</strong> Workshops, Wirkmodellierung <strong>und</strong> Messungen.<br />

2 Unterstützt wird das BBSR dabei von Forschungsassistenzen. Dies sind <strong>für</strong> <strong>die</strong> KlimaMORO Vorhaben Raum & Energie (Wedel/Hamburg)<br />

in Kooperation mit Prof. Valleé (RWTH Aachen) <strong>und</strong> Prof. Diller (Uni Gießen), <strong>für</strong> <strong>die</strong> StadtKlimaExWost Vorhaben<br />

Prof. Greiving (plan + risk consult, Dortm<strong>und</strong>) in Kooperation mit bpw baumgart + partner (Bremen) <strong>und</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> ImmoKlima<br />

Vorhaben das Institut Wohnen <strong>und</strong> Umwelt GmbH, Darmstadt.<br />

29


KLIMZUG-Workingpaper<br />

2. Die regionalen Modellvorhaben (KlimaMORO)<br />

Im Jahr 2007 startete <strong>für</strong> <strong>die</strong> Raumordnung eine Stu<strong>die</strong> mit Handlungsoptionen <strong>und</strong> möglichen Entwicklungspfaden.<br />

Dabei zeigte sich, dass ein Strategiemix erforderlich ist, der Vermeidungs- <strong>und</strong> Anpassungsstrategien<br />

sinnvoll miteinander <strong>und</strong> in enger Abstimmung mit den Fachpolitiken kombiniert<br />

(BMVBS, 2011).<br />

Das Modellvorhaben der Raumordnung (MORO) „Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel“ –<br />

kurz KlimaMORO – startete im Jahr 2009. In acht Modellregionen Vorpommern, Havelland-Fläming,<br />

Westsachsen, Oberes Elbtal/Osterzgebirge, Mittel- <strong>und</strong> Südhessen, Nordschwarzwald/Mittlerer Oberrhein,<br />

<strong>Regional</strong>verband Stuttgart <strong>und</strong> <strong>die</strong> Region Neumarkt wurden in knapp zwei Jahren intensiver<br />

Arbeit bis März 2011 regionale <strong>Klimaanpassung</strong>sstrategien entwickelt <strong>und</strong> erprobt. Intention war dabei,<br />

Modellregionen mit hoher Betroffenheit durch den Klimawandel zu beteiligen <strong>und</strong> gleichzeitig<br />

möglichst <strong>die</strong> meisten <strong>für</strong> Deutschland typischen Konstellationen abbilden zu können. Dabei wurden<br />

schwerpunktmäßig <strong>die</strong> Handlungsfelder Küstenschutz, vorsorgender Hochwasserschutz, Bioklima/Siedlungsklima<br />

<strong>und</strong> Klimaschutz bearbeitet sowie in allen Regionen Analysen zu den Wirkfolgen<br />

des Klimawandels betrieben <strong>und</strong> Pilotprojekte initiiert. Ganz zentral waren auch <strong>die</strong> Netzwerke in den<br />

Regionen <strong>und</strong> der Austausch unter den Modellvorhaben.<br />

Abbildung 2: Die Schwerpunktthemen in den KlimaMOROs<br />

Eigene Darstellung 2011<br />

Die bisherigen Arbeiten in den MORO-Modellregionen bestätigen vollinhaltlich <strong>die</strong> These, dass komplexe<br />

raumbedeutsame <strong>Herausforderung</strong>en nur durch eine Kombination formeller <strong>und</strong> informeller regionalplanerischer<br />

Instrumente erfolgreich zu bearbeiten sind.<br />

1.) Analysen: Zum einen ist eine umfassende Analyse der bestehenden <strong>und</strong> künftigen Klimaänderungen<br />

erforderlich. Die KlimaMORO Vorstu<strong>die</strong> hat hier einen ersten wertvollen b<strong>und</strong>esweiten<br />

Vergleich bestehender Betroffenheiten der Planungsregionen gegenüber dem Klimawandel vorgelegt<br />

(BMVBS, 2011). In Modellvorhaben wurden in allen Regionen <strong>die</strong> klimawandelrelevanten<br />

Analysegr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Methoden der Klimafolgenbewertung region<strong>als</strong>pezifisch weiterentwickelt<br />

<strong>und</strong> auch Ex-post-Klimaanalysen durchgeführt, um das Verständnis über das gegenwärtige Klima<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> bestehende Vulnerabilität gerade gegenüber Extremwetterereignissen zu verbessern.<br />

Weitere wichtige Produkte sind hier insbesondere sektorspezifische Vulnerabilitätsanalysen in<br />

Bezug auf das zukünftige Klima, <strong>die</strong> in den Modellvorhaben Westsachsen, Region Stuttgart <strong>und</strong><br />

30


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Vorpommern durchgeführt worden sind (BMVBS, 2011b). Das Ziel der weiter laufenden Forschungen<br />

besteht darin, pragmatische Standards auf B<strong>und</strong>esebene insbesondere <strong>für</strong> Vulnerabilität<br />

hinsichtlich Hitze <strong>und</strong> Wasser (Hochwasser, Sturzfluten, Extremwitterungen, Niedrigwasser)<br />

zu entwickeln, <strong>die</strong> gleichwohl abwägungsfest sein müssen. Dazu läuft bis März 2013 das Modellvorhaben<br />

der Raumordnung (MORO) „Expertise zur Systematisierung der Gr<strong>und</strong>lagen regionalplanerischer<br />

Klimafolgenbewertung – Leitfaden regionale Klimafolgenbewertung“.<br />

2.) Instrumente: Für viele Handlungsbereiche der Raumordnung sind Vorschläge zur Weiterentwicklung<br />

des raumplanerischen Instrumentariums in den Modellvorhaben erarbeitet worden, schwerpunktmäßig<br />

<strong>für</strong> den vorsorgenden Hochwasser- <strong>und</strong> den Siedlungsklimaschutz, zum Beispiel<br />

über den im KlimaMORO „klamis“ (Mittel- <strong>und</strong> Südhessen) erarbeiteten kommunalen Handlungsleitfaden<br />

zur <strong>Klimaanpassung</strong> im Rhein-Main Raum (RV, 2011). Über<strong>die</strong>s sind komplexe raumbedeutsame<br />

<strong>Herausforderung</strong>en nur durch eine Kombination formeller <strong>und</strong> informeller regionalplanerischer<br />

Instrumente erfolgreich zu bearbeiten (BMVBS, 2011).<br />

Abbildung 1: KlimaMORO Fallbeispiele Sturzfluten <strong>und</strong> Küstenschutz<br />

Eigene Darstellung 2011; Abb. KlimaMORO-Modellvorhaben Vorpommern, Mittel-/Südhessen<br />

3.) Governance: Deshalb wird auch in allen Modellregionen – unter Federführung der <strong>Regional</strong>planungen<br />

– eine Vielzahl betroffener Akteure in den dialogorientierten Arbeitsprozess eingeb<strong>und</strong>en.<br />

Dahinter steht <strong>die</strong> Überzeugung, dass ein breites regionales Netzwerk „Klima“ <strong>die</strong> Akzeptanz<br />

<strong>und</strong> Durchsetzungsfähigkeit regionalplanerischer Vorgaben maßgeblich unterstützt.<br />

Die Ergebnisse der Phase I wurden bereits im Juni 2011 mit Experten auf einem Bilanzworkshop erörtert<br />

<strong>und</strong> auf einer Ergebniskonferenz im November 2011 vorgestellt (BMVBS, 2011c). Daraus resultierten<br />

drei zentrale Forderungen. Erstens braucht es <strong>als</strong> Handlungsvoraussetzungen fun<strong>die</strong>rte <strong>und</strong><br />

praxisnahe Analysen zur Klimabetroffenheit. Zweitens sind Raumplanungsinstrumente zielgerichteter<br />

<strong>und</strong> abwägungsfester anzuwenden. Drittens müssen erfolgreiche Einzelfalllösungen <strong>und</strong> innovative<br />

Raumentwicklungsstrategien weiterentwickelt werden <strong>und</strong> zudem sollen politische Bindungen beschlossen<br />

werden. Diese Forderungen werden in der Vertiefungsphase von KlimaMORO bis April<br />

31


KLIMZUG-Workingpaper<br />

2013 bearbeitet. Dabei werden praxisnahe <strong>und</strong> erfolgreiche Einzelfalllösungen <strong>und</strong> innovative Raumentwicklungsstrategien<br />

weiterentwickelt. Ziel sind abwägungsfeste Raumplanungsinstrumente zur<br />

<strong>Klimaanpassung</strong> mit politischer Bindungswirkung. Die folgende Übersicht 1 bietet hier einen stichwortartigen<br />

Überblick über <strong>die</strong> Beiträge formeller wie informeller Raumordnung:<br />

Übersicht 1: Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Raumentwicklungsstrategien<br />

Quelle: BBSR, 2011<br />

3. Die kommunalen Modellvorhaben (StadtKlimaExWoSt)<br />

Im Forschungsfeld "Urbane Strategien zum Klimawandel" (BMVBS, 2010), Forschungsschwerpunkt<br />

Stadtklima (StadtKlimaExWoSt) werden seit 2010 bis Mitte 2012 in neun Modellvorhaben kommunale<br />

Strategien zum Klimawandel in der Praxis erprobt <strong>und</strong> bis Mitte 2013 ausgewertet. Beteiligte Modellvorhaben<br />

sind <strong>die</strong> Städteregion Aachen, der Nachbarschaftsverband Karlsruhe <strong>und</strong> <strong>die</strong> Städte Bad<br />

Liebenwerda, Essen, Jena, Nürnberg, Regensburg, Saarbrücken <strong>und</strong> Syke. Dieses Modellvorhaben<br />

wurde durch eine Vorstu<strong>die</strong> „Klimawandelgerechte Stadtentwicklung – Ursachen <strong>und</strong> Folgen des Klimawandels<br />

durch urbane Konzepte begegnen“ vorbereitet (BMVBS, 2011a).<br />

Ziel der StadtKlimaExWoSt-Vorhaben sind Strategien, Maßnahmen <strong>und</strong> Pilotprojekte einer klimawandelgerechten<br />

Stadtentwicklung. Neben der Ermittlung von Klimarisiken <strong>und</strong> der Klimafolgenbewertung<br />

werden Strategien zur Hochwasservorsorge, dem Schutz vor Extremwitterungen, zum Siedlungsklimaschutz<br />

<strong>und</strong> der Verbesserung des Bioklimas entwickelt. Die Kommunen untersuchen dabei unterschiedliche<br />

thematische Schwerpunkte in den Bereichen Stadtumbau, Stadtgestaltung <strong>und</strong> Denkmalpflege,<br />

Grün- <strong>und</strong> Freiflächenplanung, klimaangepasste Siedlungsentwicklung <strong>und</strong> Gewerbeplanung.<br />

Dies erfolgt auf verschiedenen räumlichen Ebenen vom Quartier bis zur Stadtregion, durch Verknüpfung<br />

der Sektoren, Zusammenarbeit breiter Akteursbündnisse, Forschungsvernetzung <strong>und</strong> Einbindung<br />

der Öffentlichkeit. Generell steht <strong>die</strong> Verbesserung des Bioklimas im Fokus, denn hier ist <strong>die</strong> Stadtentwicklung<br />

zentraler Akteur etwa beim klimagerechten Stadtumbau, der Freihaltung <strong>und</strong> oder der<br />

Schaffung von grünen <strong>und</strong> blauen (wassergeb<strong>und</strong>enen) Strukturen.<br />

32


KLIMZUG-Workingpaper<br />

In den Modellvorhaben werden verschiedene Ansätze im Rahmen der kommunalen Anpassungsstrategien<br />

geplant, auf <strong>die</strong> im Folgenden näher eingegangen wird.<br />

3.1 Analytisch-technische Ansätze<br />

Analytisch-technische Ansätze sind Maßnahmen zur Verbesserung der Datengr<strong>und</strong>lagen bezüglich<br />

des heutigen <strong>und</strong> des zukünftigen Klimas, zur Analyse/Abschätzung zukünftiger Extremwetterereignisse<br />

sowie Analysemaßnahmen zur Beurteilung der Betroffenheit gegenüber dem Klimawandel.<br />

Hinsichtlich der analytisch-technischen Ansätze stehen <strong>für</strong> <strong>die</strong> ExWoSt-Modellprojekte insbesondere<br />

extreme Hitze-, Trockenheits- <strong>und</strong> Starkregenereignisse im Vordergr<strong>und</strong>, hingegen kaum <strong>die</strong> Veränderung<br />

beispielsweise von Windgeschwindigkeiten, wie an der folgenden Übersicht 2 deutlich wird:<br />

Übersicht 2: Extremereignisse in den StadtKlimaExWoSt-Vorhaben<br />

Eigene Darstellung 2010<br />

Im kommunalen Maßstab geht es in den Modellprojekten konkret um Aussagen zu Hitze-Insel-<br />

Effekten in Innenstädten, um mögliche Sturzflutereignisse, aber auch um den Umgang mit veränderten<br />

Gr<strong>und</strong>wasserspiegeln oder zunehmender Winderosion in Trockenperioden. Hier besteht ein ganz<br />

spezifischer Informationsbedarf seitens einer „anpassungswilligen“ Gemeinde.<br />

In den Modellprojekten basieren <strong>die</strong> Analyseansätze <strong>und</strong> geplanten Anpassungsmaßnahmen in der<br />

Regel auf dem A1B-Szenario, oft ergänzt um ein zweites Referenzszenario. Der Zugang zu den<br />

Klimadaten erfolgte bei den Modellprojekten auf unterschiedliche Art (vgl. Übersicht 3). Teilweise wurden<br />

<strong>die</strong> Ergebnisse von regionalen Klimamodellen selbst recherchiert, anderenfalls wurden Expertisen<br />

durch <strong>die</strong> Forschungsassistenz erarbeitet bzw. Unteraufträge vergeben. Auch der DWD hat <strong>die</strong> Modellprojekte<br />

unterstützt. In den Modellprojekten wurde in den meisten Fällen das Jahr 2100 <strong>als</strong> Projektionshorizont<br />

angenommen, zum Teil aber auch Angaben zu zwischenzeitlichen Abschnitten einbezogen.<br />

Beim räumlichen Maßstab wurden bei den Modellprojekten unterschiedliche Bedarfe formuliert, was<br />

insbesondere vom thematischen Schwerpunkt abhing. Stärker strategisch ausgerichtete Ansätze, <strong>die</strong><br />

neben Hitze auch <strong>die</strong> Zunahme von Extremereignissen oder <strong>die</strong> Wasserverfügbarkeit betrachten<br />

(Städteregion Aachen, Essen, Syke), kommen mit weniger aufwändigen Klimamodellaussagen aus.<br />

33


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Modellprojekte, bei denen <strong>die</strong> „Hitze in der Stadt“ einen Schwerpunkt einnimmt (Nachbarschaftsverband<br />

Karlsruhe, Nürnberg, Regensburg), haben dagegen einen höheren Bedarf an konkreten stadtklimatischen<br />

Aussagen auf Quartiersebene, insbesondere wenn <strong>die</strong>se nicht nur aus Gründen der Ist-<br />

Analyse benötigt werden, sondern auch um Planalternativen zu bewerten.<br />

Übersicht 3: Übersicht über klimaanalytische Ansätze in den Modellprojekten<br />

Quelle: BBSR 2011<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich zeigen sich viele Varianten bei der Herangehensweise zur Abschätzung des zukünftigen<br />

Klimas. Dabei müssen aber nicht zwangsläufig aufwändige <strong>und</strong> hochkomplexe Modellrechnungen<br />

vorgenommen werden, denn Klimamodellrechnungen sind kein Selbstzweck. So sollten oft auch<br />

schon auf plausiblen Annahmen beruhende Abschätzungen ausreichen, um „No-regret-<br />

Planalternativen“ zu identifizieren, <strong>die</strong> bereits unter heutigen klimatischen Bedingungen sinnvoll erscheinen.<br />

In den Modellprojekten zeigen sich auch unterschiedliche Ansätze zur Identifikation von Verw<strong>und</strong>barkeiten<br />

(qualitativ, quantitativ). Eine scharfe Trennung zwischen Anfälligkeit <strong>und</strong> Betroffenheit scheint in<br />

der praktischen zugunsten einer integrierten Betrachtung zusammenzufließen. Neben den globalen<br />

Entwicklungspfaden, <strong>die</strong> <strong>die</strong> künftige Klimaentwicklung in unterschiedlicher Stärke beeinflussen, spielen<br />

auf regionaler <strong>und</strong> lokaler Ebene andere, nicht-klimatische Einflussfaktoren eine große Rolle, <strong>die</strong><br />

bestimmend <strong>für</strong> <strong>die</strong> Vulnerabilität sind. Der ökonomische Strukturwandel, der demographische Wandel<br />

oder finanzielle Situationen können im Einzelfall <strong>die</strong> negativen Auswirkungen des Klimawandels auf<br />

lokaler Ebene deutlich übertreffen.<br />

3.2 Planerisch-bauliche Ansätze<br />

Im zweiten Arbeitsschwerpunkt der Modellvorhaben geht es um <strong>die</strong> Strategieentwicklung <strong>und</strong> Ableitung<br />

von Maßnahmen aus dem Bereich der kommunalen Bauleitplanung sowie der Gebäudeplanung<br />

zur Ausformung einer klimawandelgerechten Stadtentwicklung. Dieser Schritt ist dem ersten Analyseschritt<br />

zeitlich nachgelagert, weil er auf der Evidenzgr<strong>und</strong>lage der Vulnerabilitätsanalysen aufbaut.<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

Abbildung 4: PrinzipSkizze „Coolcity“ Essen<br />

Quelle: T. Kleinebrahm Stadt Essen 2011/ BBSR StadtKlimaExWoSt 2011<br />

Viele Projekte widmen sich direkt oder indirekt einer stärkeren Berücksichtigung von <strong>Klimaanpassung</strong>smaßnahmen<br />

in der Abwägung. Während sich einige Projekte (Jena <strong>und</strong> Aachen) eine stärkere,<br />

rechtliche Verankerung wünschen („Anpassungsvorschriften“, Anpassung von DIN-Normen etc.), versuchen<br />

andere Projekte wie Bad Liebenwerda <strong>und</strong> Regensburg Anpassungsbelangen durch Integration<br />

in Regelverfahren (Landschaftsplan) oder vorbereitende fachliche Konzepte (Freiraumentwicklungskonzept,<br />

Saarbrücken) ein stärkeres Gewicht zu verleihen. Ein ergänzender Weg wird in Nürnberg<br />

durch <strong>die</strong> strukturierte Aufbereitung der Stärken <strong>und</strong> Schwächen eines Raumes (Stadtteil) in<br />

Bezug auf <strong>die</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> gegangen. Auf <strong>die</strong> Bereitstellung von konkreten Bewertungskriterien<br />

<strong>und</strong> klimatischen Beurteilungsgr<strong>und</strong>lagen konzentrieren sich <strong>die</strong> Projekte aus Jena <strong>und</strong> Karlsruhe.<br />

Nürnberg <strong>und</strong> Essen versuchen darüber hinaus, über eine frühzeitige Einbindung der Belange in<br />

Wettbewerbe <strong>und</strong> städtebauliche Entwürfe, eine entsprechende Aufmerksamkeit zu erzielen. Essen<br />

setzt dabei auch gezielt Szenariotechniken ein, um <strong>die</strong> Bedeutung „grüner Korridore“ durchzuspielen<br />

(Grobszenario) <strong>und</strong> auf Quartiersebene <strong>die</strong> Wirkung von <strong>Klimaanpassung</strong>smaßnahmen im Neubaubereich<br />

wie im Bestand zu ermitteln (vgl. Abbildung 4).<br />

Planerisch-bauliche Ansätze mit städtebaulichen Entwurfsvarianten verfolgt auch der Nachbarschaftsverband<br />

Karlsruhe. Konkrete Maßnahmen etwa zur Grünvernetzung <strong>und</strong> Schaffung sogenannter Klimakomfortinseln,<br />

zur Hinterhof- <strong>und</strong> Freiflächenbegrünung, zur Schaffung von wassergeb<strong>und</strong>enen<br />

Strukturen, zur klimagerechten Überflutungsvorsorge, zum klimagerechten Stadtumbau auch in<br />

denkmalgeschützten Quartieren (zum Beispiel Regensburg) sind weitere verfolgte Ansätze. Besonders<br />

betont werden sollte, dass <strong>die</strong> Modellvorhaben in der Regel siedlungsstruktur-spezifische Strategien<br />

zur <strong>Klimaanpassung</strong>, etwa <strong>für</strong> historische Altstädte, Stadtumbaugebiete, Gewerbegebiete, Frei-<br />

35


KLIMZUG-Workingpaper<br />

räume <strong>und</strong> Siedlungsränder verfolgen, <strong>die</strong> den spezifischen Anpassungserfordernissen Rechnung<br />

tragen (BMVBS, 2012).<br />

3.3 Informatorisch-organisatorische Ansätze<br />

Information der Öffentlichkeit, Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren („Governance“),<br />

Abstimmung mit anderen Behörden <strong>und</strong> <strong>die</strong> Optimierung von Information <strong>und</strong> Kommunikation im<br />

Rahmen eines Anpassungsprozesses ist der dritte Schwerpunkt der Arbeiten in den Modellvorhaben.<br />

Die Initiierung <strong>und</strong> Durchführung von Modellvorhaben mit breiter Akteursbeteiligung <strong>und</strong> Rückkoppelung<br />

in <strong>die</strong> Stadtpolitik ist ein ausgesprochen bedeutsames Element der Modellvorhaben. Die dabei<br />

verfolgten Wege sind in den Modellvorhaben sehr individuell an <strong>die</strong> jeweilige Stadtgesellschaft angepasst.<br />

Herausheben kann man aber insbesondere <strong>die</strong> kleinen Modellvorhaben Syke <strong>und</strong> Bad Liebenwerda,<br />

<strong>die</strong> beide einen besonderen Schwerpunkt auf Governance-Ansätze gelegt haben.<br />

Das Wissen aus StadtKlimaExWoSt wird sukzessive im Stadtklimalotsen, einem eigenständig anwendbaren<br />

Beratungsinstrument zur Auswahl von geeigneten <strong>Klimaanpassung</strong>smaßnahmen <strong>für</strong><br />

kommunale Akteure, gebündelt (www.stadtklimalotse.de). Der Lotse greift auf eine Datenbank mit<br />

r<strong>und</strong> 140 Maßnahmen <strong>und</strong> guten Beispielen zurück <strong>und</strong> hilft durch verschiedene Abfragemöglichkeiten<br />

<strong>die</strong> potenziell interessanten Maßnahmen <strong>für</strong> den lokalen Kontext auszuwählen. Zudem bietet ein<br />

Modul zur Abschätzung der kommunalen Betroffenheit durch den Klimawandel eine kostengünstige<br />

Alternative zu umfassenden Klimaanalysen.<br />

4. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Modellvorhabenforschung zählt zu den Ansätzen diskursiver Politikberatung. Experten <strong>und</strong> politische<br />

Akteure erzeugen gemeinsam im Prozess ihrer Interaktion Output, womit <strong>die</strong> Akteure aus der Praxis<br />

über ihre eigenen Erfahrungen berichten können, wodurch Modellvorhabenforschung in der Regel<br />

bessere „Lernerfolge“ zeitigt <strong>und</strong> effektiver ist <strong>als</strong> klassische Politikberatung oder rein wissenschaftliche<br />

Forschung. Vielfach sind auch beachtliche Transpositionserfolge in andere Regionen belegt (Einig,<br />

2011, 441).<br />

Diese Chance auf breite Transpositionserfolge bieten auch <strong>und</strong> gerade <strong>die</strong> KlimaExWoSt- <strong>und</strong><br />

KlimaMORO-Modellvorhaben, weil hier <strong>die</strong> breite Masse der Städte <strong>und</strong> Regionen bislang über sehr<br />

wenig Erfahrungen mit dem Thema <strong>Klimaanpassung</strong> verfügt. Gleichzeitig ist der ganz überwiegende<br />

Teil der Klimafolgenforschung relativ weit weg von der Praxis der Raumplanung. Über <strong>die</strong> Modellprojektforschung<br />

gelingt es nachweislich, <strong>die</strong> spezifischen Interessen der lokalen <strong>und</strong> regionalen Akteure<br />

– Verwaltung <strong>als</strong> auch Politik – mit der wissenschaftlichen Expertise zusammenzubringen <strong>und</strong> damit<br />

eine reale Wirkung auf <strong>die</strong> Planungspraxis zu erzeugen. Dies zeigt auch das ungemein große Interesse<br />

der Regionen <strong>und</strong> Kommunen an den bisher stattgef<strong>und</strong>enen Veranstaltungen <strong>und</strong> Publikationen.<br />

Dazu zählen <strong>die</strong> von den KlimaMORO-Regionen erarbeiteten Handlungshilfen <strong>und</strong> Leitfäden 3 . Insbesondere<br />

der Stadtklimalotse soll hier eine Rolle <strong>als</strong> Multiplikator in der Breite spielen <strong>und</strong> gerade <strong>die</strong>jenigen<br />

Akteure ertüchtigen, sich mit <strong>Klimaanpassung</strong> zu befassen, <strong>die</strong> bisher keine oder nur kaum<br />

Berührungspunkte mit <strong>die</strong>ser <strong>Herausforderung</strong> hatten.<br />

3 Vgl. www.klimamoro.de unter Produkte <strong>und</strong> Veröffentlichungen aus den Modellregionen<br />

36


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Aus <strong>die</strong>sem expliziten Anwendungsbezug heraus lassen sich bislang <strong>die</strong> folgenden inhaltlichen Bef<strong>und</strong>e<br />

ableiten:<br />

� Es wurde ein sehr bewusster Umgang mit Prognoseunsicherheiten gewählt: Während einige<br />

Modellvorhaben, vornehmlich große Städte <strong>und</strong> Regionen mit entsprechenden Ressourcen,<br />

den Weg einer wissenschaftlich differenzierten Analyse von Extremereignissen (mikroskalige<br />

Klimamodelle, Szenarien, Simulationen) gegangen sind, haben andere regionale Klimamodelle<br />

ausgeklammert bzw. auf eigene Analysen verzichtet.<br />

� Extremereignisse werden in den heterogenen Modellvorhaben von KlimaExWoSt <strong>und</strong><br />

KlimaMORO ernst genommen – auf eine der lokalen Situation angepasste Weise.<br />

� Nur in einigen Fällen wurden <strong>die</strong> Klimadaten (Exposition) mit der Sensitivität zur Betroffenheit<br />

verschnitten <strong>und</strong> explizit auf Anpassungskapazitäten abgestellt. Insofern stellt sich <strong>die</strong> Frage,<br />

ob das Vulnerabilitätskonzept <strong>für</strong> stadtregionale Anpassungsstrategien trägt oder ob nicht eine<br />

Betrachtung der Betroffenheit hinreichend ist.<br />

� Sowohl auf Ebene der Raumordnung <strong>als</strong> auch der Bauleitplanung besteht keine Notwendigkeit<br />

zur Entwicklung neuer, spezifisch <strong>für</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> geeigneter Instrumente. Vielmehr<br />

wird <strong>Klimaanpassung</strong> <strong>als</strong> integrierter Teil einer nachhaltigen Raumentwicklung bzw. städtebaulichen<br />

Entwicklung angesehen <strong>und</strong> ist mit den bestehenden Instrumenten leistbar. Gleichwohl<br />

können neue Gebietskategorien <strong>und</strong> Planzeichen <strong>die</strong> Anpassung an den Klimawandel<br />

befördern (vgl. Übersicht 1). Auch eignen sich unter anderem multifunktionale Gebietskategorien,<br />

insbesondere zur Sicherung von Freiflächen etwa mittels regionaler Grünzüge. Es kommt<br />

auf eine gute Verzahnung informeller Ansätze zur Vorbereitung <strong>und</strong> Verwirklichung der Inhalte<br />

des formellen Instrumentariums an, das gleichwohl unverzichtbar erscheint, um rechtliche<br />

Bindungswirkungen zu erzielen. Eine umfassende Beteiligung betroffener stadtregionaler Akteure<br />

ist Erfolgsvoraussetzung <strong>für</strong> Anpassungsprozesse.<br />

� Der iterative Prozess zur Ableitung klimageprüfter räumlicher Strukturen kann <strong>als</strong> spezifisch<br />

planerischer Ansatz zur Entwicklung klimawandelgerechter Strukturen bezeichnet werden.<br />

Die regionalen <strong>und</strong> kommunalen Akteure stehen vor der Aufgabe, <strong>die</strong> vielfältigen Ergebnisse der<br />

Gr<strong>und</strong>lagen-, Pilotprojekt- <strong>und</strong> Modellvorhabenforschung zur Anpassung an <strong>die</strong> Klimafolgen nun umzusetzen.<br />

Dabei brauchen sie Unterstützung, auch des B<strong>und</strong>es. Zur akteursspezifischen Aufbereitung<br />

der Ergebnisse bietet sich künftig eine noch engere Verzahnung von Teilprojekten der KLIMZUG-<br />

Verbünde unter anderem mit den stadtregionalen Modellvorhaben KlimaMORO <strong>und</strong> KlimaExWoSt an.<br />

Literatur<br />

B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Verkehr, Bau <strong>und</strong> Stadtentwicklung (BMVBS), 2010, Urbane Strategien<br />

zum Klimawandel. Dokumentation der Auftaktkonferenz 2010 zum ExWoSt-Forschungsfeld.<br />

Sonderveröffentlichung Berlin.<br />

B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Verkehr, Bau <strong>und</strong> Stadtentwicklung (BMVBS), 2011, Klimawandel <strong>als</strong><br />

Handlungsfeld der Raumordnung, Heft Forschungen 144, Berlin.<br />

B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Verkehr, Bau <strong>und</strong> Stadtentwicklung (BMVBS), 2011a, Klimawandelgerechte<br />

Stadtentwicklung, Heft Forschungen 149, Berlin.<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Verkehr, Bau <strong>und</strong> Stadtentwicklung (BMVBS), 2011b, Vulnerabilitätsanalyse<br />

in der Praxis. Inhaltliche <strong>und</strong> methodische Ansatzpunkte <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ermittlung regionaler Betroffenheiten,<br />

BMVBS-Online-Publikation 21/11, Bonn/Berlin.<br />

B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Verkehr, Bau <strong>und</strong> Stadtentwicklung (BMVBS), 2011c, Raumentwicklungsstrategien<br />

zum Klimawandel – MORO Informationen Heft 7/4, Bonn/Berlin.<br />

B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Verkehr, Bau <strong>und</strong> Stadtentwicklung (BMVBS), 2012, Klimawandel: Wie<br />

sich Regionen <strong>und</strong> Städte anpassen können. Die Modellvorhaben der Raum- (KlimaMORO) <strong>und</strong><br />

Stadtentwicklung (StadtKlimaExWoSt). Dokumentation der 2. kliwas Statuskonferenz, Bonn<br />

(Druck in Vorbereitung).<br />

B<strong>und</strong>esregierung, 2008, Deutsche Anpassungsstrategie <strong>und</strong> Aktionsplan Anpassung 2011, Berlin.<br />

Einig, Klaus, 2011, Funktion <strong>und</strong> Folgen von Modellvorhaben <strong>für</strong> <strong>die</strong> Politikberatung, in: Raumforschung,<br />

Heft7/8.2011, Hannover, S. 435-451.<br />

RV – <strong>Regional</strong>verband FrankfurtRheinMain, 2011, Kommunen im Klimawandel – Wege zur Anpassung,<br />

Darmstadt.<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

Siedlungsstruktur <strong>und</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> in Stadtregionen<br />

Jörg Knieling / Lisa Kunert / Thomas Zimmermann<br />

1. Siedlungsstrukturelle Leitbilder <strong>und</strong> <strong>Klimaanpassung</strong><br />

Die langfristig wirksamen Folgen des Klimawandels, wie <strong>die</strong> Zunahme der Durchschnittstemperatur<br />

oder der Anstieg des Meeresspiegels, betreffen Stadtregionen im Allgemeinen <strong>und</strong> solche in Küstenlage<br />

im Speziellen in einem besonderen Maße. Dies gilt auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Städte <strong>und</strong> Gemeinden in der<br />

Metropolregion Hamburg, <strong>für</strong> <strong>die</strong> im Rahmen des Themenfeldes „Integrierte Stadt- <strong>und</strong> Raumentwicklung“<br />

in dem Forschungsprojekt „KLIMZUG-NORD – Strategische Anpassungsansätze zum Klimawandel<br />

in der Metropolregion Hamburg“ Konzepte <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> entwickelt <strong>und</strong> erprobt<br />

werden. Um ihre Verw<strong>und</strong>barkeit zu begrenzen, ist eine vorausschauende Koordination der stadtregionalen<br />

Entwicklung unter dem Blickwinkel des Klimawandels erforderlich. Um den Folgen des Klimawandels<br />

zu begegnen <strong>und</strong> eine entsprechend angepasste stadtregionale Siedlungsentwicklung zu<br />

unterstützen, können siedlungsstrukturelle Leitbilder <strong>und</strong> Konzepte aufgr<strong>und</strong> ihrer Orientierungsfunktion<br />

bei der Prioritätensetzung hilfreich sein (vgl. Greiving et al., 2009, 6). Übergeordnete Leitbilder <strong>und</strong><br />

Konzepte sind ein fester Bestandteil der deutschen Raumplanung <strong>und</strong> beeinflussen <strong>die</strong> siedlungsstrukturellen<br />

Entwicklungsvorstellungen von Stadtregionen. Für <strong>die</strong> Planungspraxis erfüllen sie damit<br />

gr<strong>und</strong>legende Funktionen (vgl. Spiekermann, 1999, 4).<br />

<strong>Regional</strong>e Siedlungsstrukturleitbilder basieren auf entsprechenden Siedlungsstrukturmodellen, <strong>die</strong><br />

zwischen Siedlungs- <strong>und</strong> Freiflächen differenzieren <strong>und</strong> <strong>die</strong> beiden Nutzungstypen zueinander in Beziehung<br />

setzen. Siedlungs- bzw. Bauflächen umfassen Wohn- <strong>und</strong> Arbeitsstätten sowie Einrichtungen<br />

von zentraler Bedeutung. Neben der freien Landschaft, das heißt vorwiegend land- <strong>und</strong> forstwirtschaftlich<br />

genutzte Flächen, beinhalten Freiflächen auch größere unbebaute Flächen, „<strong>die</strong> dem Siedlungsbereich<br />

selbst direkt zugeordnet sind <strong>und</strong> in einem Funktionszusammenhang mit dem Baubereich<br />

stehen: Sportplätze, Parkanlagen, Friedhöfe <strong>und</strong> ähnliche, meist in öffentlichem Eigentum stehende<br />

Flächen“ (Albers, 1974, 76). Seit Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts lässt sich eine intensive Diskussion<br />

um siedlungsstrukturelle Leitbilder <strong>und</strong> Konzepte auf der stadtregionalen Ebene nachvollziehen.<br />

Gegenwärtig dominiert <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung von Stadtregionen das punkt-axiale Modell, auf das unter<br />

anderem auch das Raumordnungsgesetz in § 5 Abs. 5 im Zusammenhang mit den Inhalten von Landes-<br />

<strong>und</strong> <strong>Regional</strong>plänen <strong>als</strong> anzustrebende Siedlungsstruktur verweist.<br />

Bisher wurde allerdings kaum diskutiert, inwieweit das punkt-axiale Modell in Stadtregionen zur Anpassung<br />

an <strong>die</strong> <strong>Herausforderung</strong>en des Klimawandels beitragen kann. Dieser Frage widmet sich der<br />

vorliegende Beitrag. Dazu werden in Kapitel zwei zunächst <strong>die</strong> Auswirkungen des Klimawandels auf<br />

Städte <strong>und</strong> Stadtregionen skizziert. Kapitel drei beschreibt Bewertungskriterien <strong>für</strong> Siedlungsstrukturkonzepte<br />

auf stadtregionaler Ebene aus Sicht der Resilienz. Daran anschließend wird im vierten Kapitel<br />

das in Deutschland vielfach verwendete Leitbild einer punkt-axialen Siedlungsstruktur beschrieben<br />

<strong>und</strong> im Hinblick auf seine Eignung <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> bewertet. Kapitel fünf prüft weitere zur Diskussion<br />

stehende siedlungsstrukturelle Leitbilder <strong>und</strong> Konzepte im Hinblick auf <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />

punkt-axialer Modelle unter dem Gesichtspunkt von Resilienz gegenüber den Folgen des Klimawandels.<br />

Das abschließende Kapitel fasst <strong>die</strong> Ergebnisse zusammen, gibt Empfehlungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />

siedlungsstruktureller Leitbilder <strong>und</strong> deutet weiterführenden Forschungsbedarf an.<br />

39


KLIMZUG-Workingpaper<br />

2. <strong>Herausforderung</strong>en des Klimawandels <strong>für</strong> Stadtregionen<br />

Der Klimawandel umfasst Veränderungen von Mittelwert, Variabilität <strong>und</strong> Extremen der Klimaparameter<br />

sowie eine veränderte Häufigkeit, Dauer <strong>und</strong> Stärke von Extremwetterereignissen (Zebisch et al.,<br />

2005, 6ff.; Kartschall et al., 2007, 4; Stock et al., 2009, 98). Die Veränderungen sind schwer vorhersagbar<br />

<strong>und</strong> unterscheiden sich regional. Trotz der vorhandenen Unsicherheiten <strong>und</strong> der räumlichen<br />

Variabilität besteht allerdings Einigkeit, dass <strong>die</strong> Folgen des Klimawandels Stadtregionen – <strong>und</strong> insbesondere<br />

solche in Küstenlage – aufgr<strong>und</strong> der hohen Konzentration von Gebäuden, Infrastrukturen <strong>und</strong><br />

Einwohnern in einem besonderen Maße betreffen. Maßgeblich da<strong>für</strong> sind insbesondere hydrologische<br />

Veränderungen, zunehmende Temperaturen sowie das Ansteigen des Meeresspiegels.<br />

Hydrologische Veränderungen infolge des Klimawandels sind in Form von jahreszeitlichen Verschiebungen<br />

der Niederschläge sowie vermehrten Starkregenereignissen zu erwarten. Zu den damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Auswirkungen zählen ein im Sommer zunehmender <strong>und</strong> im Winter abnehmender Oberflächenabfluss<br />

<strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en steigende <strong>und</strong> sinkende Gr<strong>und</strong>wasserstände sowie eine Zunahme<br />

von sehr hohen, aber auch sehr niedrigen Abflusspegeln von Flüssen. Aufgr<strong>und</strong> von zunehmenden<br />

längeren Trockenperioden können (starke) Niederschläge unter Umständen nicht in den Boden eindringen,<br />

was zu einem erhöhten Oberflächenabfluss führt. Vermehrte Starkregenereignisse <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

mit ihnen verb<strong>und</strong>ene Zunahme von Hochwasser erhöhen <strong>die</strong> Gefahr der Überflutung von Siedlungsflächen.<br />

Die Bebauung hochwassergefährdeter Bereiche <strong>und</strong> eine intensive Versiegelung erhöhen <strong>die</strong><br />

Gefahren von Überflutung <strong>und</strong> Bodenerosion (vgl. Gill, 2004, 57; Steinrücke et al., 2010, 49).<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Auswirkungen der urbanen Wärmeinsel sind Städte <strong>und</strong> Stadtregionen in besonderer<br />

Weise vom Anstieg der Jahresmitteltemperatur <strong>und</strong> von Hitzeperioden betroffen. Eine intensive Flächennutzung<br />

<strong>und</strong> Bodenversiegelung erhöhen <strong>die</strong> Luft- <strong>und</strong> Oberflächentemperaturen zusätzlich. Damit<br />

gehen ges<strong>und</strong>heitliche Probleme <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bevölkerung bis hin zu einer erhöhten Mortalitätsrate einher<br />

(vgl. Kuttler, 2004, 10).<br />

Der durch den Klimawandel ausgelöste Anstieg des Meeresspiegels beeinträchtigt vor allem Städte<br />

<strong>und</strong> Stadtregionen in Küstengebieten. Der Meeresspiegelanstieg führt unmittelbar dazu, dass <strong>die</strong><br />

Wasserstände ansteigen, mehr Überflutungen zu erwarten sind, <strong>die</strong> Küsten abgetragen werden oder<br />

es dort zumindest zu Beeinträchtigungen kommen kann <strong>und</strong> <strong>die</strong> Versalzung des Wassers zunimmt.<br />

Gleichzeitig erschwert der Meeresspiegelanstieg stellenweise <strong>die</strong> Entwässerung von Flächen <strong>und</strong> im<br />

Zusammenhang mit Extremereignissen, wie Sturmfluten oder Starkregen, sind vermehrte Schäden<br />

durch Sturmfluten absehbar (vgl. Hunt/Watkiss, 2007, 20). Mittelbar bedroht das steigende Überflutungsrisiko<br />

Gebäude sowie <strong>die</strong> Funktionalität von Infrastrukturen <strong>und</strong> Freiflächen (vgl. Gill, 2004, 58).<br />

3. Bewertungskriterien <strong>für</strong> resiliente Siedlungsstrukturen auf regionaler Ebene<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der beschriebenen potenziellen Auswirkungen des Klimawandels auf Städte<br />

oder Stadtregionen stellt sich <strong>die</strong> Frage, wie eine vorausschauende Raumplanung reagieren sollte<br />

<strong>und</strong> entsprechende Siedlungsstrukturkonzepte aus Sicht des Klimawandels zu bewerten wären. Das<br />

Konzept der Resilienz bietet einen theoretischen Rahmen <strong>für</strong> den Umgang mit den Folgen des Klimawandels,<br />

der auch auf stadtregionale Siedlungsstrukturen übertragbar ist. Die Resilienz eines Systems<br />

oder Objektes zeigt an, wie schnell es nach einem Schock oder Schaden wieder in seinen Ursprungszustand<br />

zurückkehrt bzw. seine wesentlichen Funktionen aufrechterhält oder wiederherstellt<br />

(vgl. Birkmann, 2008, 10). Um das eingangs beschriebene <strong>und</strong> gegenwärtig häufig verwendete punktaxiale<br />

Siedlungsstrukturmodell im Hinblick auf seine Eignung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anpassung von Stadtregionen an<br />

<strong>die</strong> Folgen des Klimawandels analysieren <strong>und</strong> bewerten zu können, werden im Folgenden auf der<br />

40


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Gr<strong>und</strong>lage des Konzepts der Resilienz Kriterien entwickelt, <strong>die</strong> einen gegenüber äußeren Störungen,<br />

wie dem Klimawandel, toleranten Zustand beschreiben.<br />

Aufbauend auf unterschiedlichen Ansätzen zur Bewertung resilienter Städte (vgl. Godschalk, 2003;<br />

Greiving et al., 2009; Beatley, 2009) unterscheidet der entwickelte Bewertungsansatz zum einen zwischen<br />

der gesamtstädtischen bzw. stadtregionalen Maßstabsebene <strong>und</strong> der Quartiersebene sowie<br />

zum anderen zwischen den unterschiedlichen Flächennutzungen, <strong>als</strong>o Freiraum, Siedlung <strong>und</strong> Infrastruktur.<br />

Zur Bewertung werden <strong>die</strong> Merkmale Exposition, Red<strong>und</strong>anz, Stärke <strong>und</strong> Diversität herangezogen.<br />

Auf der Ebene der Stadt oder der Region bezieht sich das Merkmal Exposition auf alle drei Flächennutzungen.<br />

Von räumlich spezifischen Extremereignissen wie Sturmfluten oder Hochwasser gefährdete<br />

Bereiche sollten von Bebauung <strong>und</strong> Infrastrukturen freigehalten werden, um mögliche Risiken zu<br />

vermeiden. Freiflächen bieten sich dabei <strong>als</strong> Pufferflächen an. Darüber hinaus kommt großräumigen<br />

Freiflächenverbünden in Form von Kaltluftschneisen eine hohe Bedeutung <strong>für</strong> das Mindern der städtischen<br />

Überhitzung zu. Neben einem solchen qualitativen Ansatz umfasst das Merkmal Exposition<br />

auch quantitative Aspekte, insbesondere <strong>die</strong> Begrenzung von Siedlungsexpansion. Das Merkmal der<br />

Red<strong>und</strong>anz zielt auf der städtischen bzw. regionalen Ebene auf dezentral angeordnete Siedlungsflächen<br />

<strong>und</strong> Infrastrukturen, um ein Weiterbestehen des Gesamtsystems auch bei Ausfall einer Komponente<br />

oder eines Teilbereiches im Falle von Extremereignissen zu ermöglichen. Im Bereich der Infrastrukturen<br />

bezieht Red<strong>und</strong>anz neben der großräumigen Anordnung in Verbindung mit dem Siedlungsraum<br />

auch „parallele <strong>und</strong> funktionsäquivalente Strukturen“ (Birkmann/Fleischhauer, 2009, 122) mit<br />

ein, um <strong>die</strong> negativen Folgen von Infrastrukturausfällen zu verringern. Einzelne oder mehrere, eng<br />

miteinander verb<strong>und</strong>ene Quartiere, <strong>die</strong> weitestgehend alle lebensnotwendigen Funktionen abdecken,<br />

bilden somit <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>bestandteile einer resilienten stadtregionalen Siedlungsstruktur.<br />

Auch auf der Ebene des Quartiers ist Red<strong>und</strong>anz ein wichtiges Merkmal resilienter Siedlungsentwicklung.<br />

Eine Mischung der unterschiedlichen Nutzungen innerhalb der Siedlungsflächen ermöglicht alternative<br />

Be<strong>die</strong>nformen bei Ausfall einzelner Komponenten; gleichzeitig fördert <strong>die</strong> kompakte Struktur<br />

eine Reduktion der Siedlungsflächenexpansion. Um <strong>die</strong> Exposition zu verringern, sollten von Extremereignissen<br />

gefährdete Bereiche möglichst von Bebauung <strong>und</strong> Infrastruktur freigehalten werden.<br />

Zusätzlich zu den großräumig zu beachtenden Gefahren, <strong>die</strong> von Sturmfluten <strong>und</strong> Hochwassern ausgehen,<br />

sind auf der Quartiersebene Extremereignisse mit kleinräumig differenzierten Auswirkungen<br />

wie Überschwemmungen durch Starkregenereignisse zu berücksichtigen. Lassen sich verbindende<br />

Infrastrukturen in gefährdeten Bereichen nicht vermeiden, sollten sie zumindest robust gegenüber den<br />

Folgen von Extremereignissen ausgelegt sein. Dies verweist auf das Merkmal der Stärke. In bestehenden,<br />

von Extremereignissen betroffenen Siedlungsbereichen sind auch robuste bauliche Strukturen<br />

vorstellbar. Diversität zielt dagegen darauf, Siedlungs- <strong>und</strong> Grünflächen kleinräumig zu mischen,<br />

um <strong>die</strong> Effekte der städtischen Wärmeinsel zu verringern, <strong>die</strong> Versiegelung zu begrenzen <strong>und</strong> in<br />

räumlicher Nähe zu den Wohnungen Erholungsflächen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bewohnerinnen <strong>und</strong> Bewohner zu<br />

schaffen.<br />

Mit Hilfe der benannten Bewertungskriterien werden im Folgenden <strong>die</strong> unterschiedlichen siedlungsstrukturellen<br />

Leitbilder bewertet. Da <strong>die</strong> Folgen des Klimawandels räumlich nicht einheitlich auftreten<br />

<strong>und</strong> sich <strong>die</strong> einzelnen Stadtregionen folglich hinsichtlich ihrer Vulnerabilitäten unterscheiden, müssen<br />

<strong>die</strong> jeweils spezifischen regionalen Rahmenbedingungen bei der Übertragung der Ergebnisse berücksichtigt<br />

werden. Resiliente Siedlungsstrukturen erfordern spezifische, auf <strong>die</strong> regionalen Verhältnisse<br />

abgestimmte Lösungen. Dabei sollten sowohl <strong>die</strong> geographische Lage <strong>und</strong> <strong>die</strong> mit ihr verb<strong>und</strong>enen<br />

41


KLIMZUG-Workingpaper<br />

naturräumlichen Rahmenbedingungen <strong>als</strong> auch <strong>die</strong> Größe <strong>und</strong> Dichte der Siedlungen sowie, im Zuge<br />

des Klimawandels, <strong>die</strong> projizierten Extremereignisse berücksichtigt werden (vgl. Pizarro et al., 2006,<br />

407).<br />

4. Bewertung punkt-axialer Siedlungsstrukturkonzepte<br />

Mit Hilfe der Kriterien werden im Folgenden zunächst punkt-axiale Modelle im Hinblick auf ihre Eignung<br />

<strong>für</strong> eine klimaangepasste stadtregionale Siedlungs- <strong>und</strong> Freiraumentwicklung bewertet. Punktaxiale<br />

Modelle bauen auf dominierenden Zentren auf, von denen, entlang von Verkehrsachsen, lineare,<br />

verdichtete Siedlungsbänder mit weiteren Zentren ausgehen. Die zwischen den Entwicklungsbereichen<br />

liegenden Freiflächen sind nicht <strong>für</strong> eine Bebauung vorgesehen. Das punkt-axiale Modell impliziert<br />

eine räumlich integrative, den gesamten stadtregionalen Verflechtungsbereich umfassende<br />

Planung, um das Wachstum von Städten zu steuern <strong>und</strong> teilräumliche Planungen sinnvoll koordinieren<br />

zu können (vgl. Fürst et al., 1999, 26ff.). Die wichtigsten Gr<strong>und</strong>prinzipien <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ausgestaltung der<br />

bebauten Bereiche sind Nutzungsmischung <strong>und</strong> Kompaktheit. Der Hintergr<strong>und</strong> der Entwicklung punktaxialer<br />

Modelle liegt im rasanten Wachstum der Städte seit dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> der daraus resultierenden<br />

Wohnungsnachfrage, der Expansion von Siedlungsfläche <strong>und</strong> der Überlastung der technischen<br />

Infrastruktur. Um <strong>die</strong>sen Problemen zu begegnen, wurden stadtregionale Konzepte zur Stadtentwicklung<br />

entworfen.<br />

Einer der entscheidenden Wegbereiter des Achsenmodells war der Hamburger Planer Fritz Schumacher.<br />

Er entwickelte Anfang der 1920er Jahre vor dem Hintergr<strong>und</strong> sozialer Missstände in den Arbeiterquartieren<br />

durch den gestiegenen innerstädtischen Siedlungsdruck ein Konzept <strong>für</strong> <strong>die</strong> zukünftige<br />

Entwicklung Hamburgs <strong>und</strong> seines Umlands, den sogenannten Federplan (vgl. Bose, 1995, 126). Der<br />

Federplan sah eine radiale Erweiterung <strong>und</strong> Gliederung des Stadtkörpers entlang der Verkehrsachsen<br />

vor. Die Bündelung von Infrastruktur entlang der Achsen zielte auf <strong>die</strong> kosteneffiziente Auslastung, <strong>die</strong><br />

Verminderung des Verkehrsaufwandes <strong>und</strong> eine gute Erreichbarkeit des Stadtzentrums. Die bebauten<br />

Flächen grenzte Schumacher eindeutig von den Freiflächen ab. „Schuhmacher sah integrierte Freiraumkonzepte<br />

<strong>als</strong> wesentlichen Schritt in Hinblick auf [eine] großräumige <strong>und</strong> umfassende Planung<br />

an. Er betrachtete <strong>die</strong> im Achsenmodell entstehenden Grünachsen […] <strong>als</strong> ‚Arterien‘, welche <strong>die</strong> Versorgung<br />

der Stadt mit Frischluft bis in den Stadtkern hinein gewährleisten sollten“ (Fürst et al., 1999,<br />

29). Damit sollten <strong>die</strong> Grünachsen in den Achsenzwischenräumen stadtökologische Funktionen übernehmen<br />

<strong>und</strong> zugleich <strong>die</strong> Zersiedelung der Landschaft eindämmen. In später folgenden Planungen<br />

wurden entlang der Siedlungsachsen weitere Siedlungsschwerpunkte aufgereiht. Gemäß dem „Hamburger<br />

Dichtemodell“ befinden sich in den Subzentren <strong>die</strong> jeweiligen S- oder U-Bahn-Stationen, deren<br />

angrenzende Bereiche über Buslinien erschlossen werden. So sollte den Subzentren nicht nur eine<br />

Wohn- <strong>und</strong> Erschließungs-, sondern auch eine Arbeits- <strong>und</strong> Versorgungsfunktion (<strong>für</strong> kurz- <strong>und</strong> mittelfristige<br />

Güter) zukommen. Diese Nutzungsmischung sollte ein gewisses Maß an Eigenständigkeit<br />

ermöglichen (vgl. Fürst et al., 1999, 54f.).<br />

Auch international haben punkt-axiale Modelle <strong>die</strong> Siedlungs- <strong>und</strong> Freiraumentwicklung in Stadtregionen<br />

beeinflusst. Ein Beispiel ist der Ende der 1940er Jahre entwickelte Kopenhagener Fingerplan, der<br />

ein äußeres Wachstum der Stadt entlang von ausgewählten S-Bahnlinien vorsieht (vgl. Hall et al.,<br />

1998, 91). Zwischen den Entwicklungsachsen (Fingern) befanden sich Grünkeile, <strong>die</strong> vor weiterer<br />

Bebauung geschützt werden sollten. Das Konzept wurde <strong>als</strong> erfolgreich eingeschätzt <strong>und</strong> in den<br />

1960er <strong>und</strong> 1970er Jahren in abgewandelter Form fortgeführt. Aufgr<strong>und</strong> des fortschreitenden Bevölkerungswachstums<br />

erwies es sich jedoch nicht länger <strong>als</strong> ausreichend, nur <strong>die</strong> Erreichbarkeit zum Zentrum<br />

zu verbessern. Vielmehr wurde es <strong>als</strong> erforderlich angesehen, Arbeitsplätze zu dezentralisieren,<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

um den Druck auf das Zentrum zu reduzieren. In der Fortschreibung des Fingerplans wurden daher<br />

Satellitenstädte <strong>für</strong> jeweils ca. 250.000 Einwohner entlang zweier Finger <strong>als</strong> regionale Subzentren<br />

geplant. Sie verfügten über eigene Industriegebiete <strong>und</strong> jeweils ein eigenständiges Zentrum. Die Anbindung<br />

der Satelliten erfolgte über eine Schnellbahn (vgl. Hall et al., 1998, 91). In den 1990er Jahren<br />

griffen auch amerikanische Stadtregionen wie Portland, Seattle <strong>und</strong> Salt Lake City bei der Steuerung<br />

der Siedlungs- <strong>und</strong> Freiraumentwicklung auf punkt-axiale Konzepte zurück (vgl. Calthorpe/Funton,<br />

2001, 117ff.).<br />

Übersicht 1: Bewertung punkt-axialer Modelle aus Sicht von Resilienz gegenüber potenziellen<br />

Auswirkungen des Klimawandels auf der regionalen/gesamtstädtischen Maßstabsebene<br />

Eigene Darstellung<br />

Mit Blick auf eine Bewertung der Resilienz gegenüber potenziellen Auswirkungen des Klimawandels<br />

(siehe Übersicht 1) erfüllen <strong>die</strong> punkt-axialen Modelle weitestgehend <strong>die</strong> von dem Kriterium Exposition<br />

gestellten Anforderungen an resiliente Siedlungsstrukturen. Das Freihalten von Kaltluftschneisen<br />

durch Grünkeile <strong>und</strong> -gürtel wirkt positiv auf das Stadtklima <strong>und</strong> <strong>die</strong>nt der qualitativen Dimension der<br />

Exposition. Das Minimieren der Siedlungsexpansion durch eine höhere Dichte in den bestehenden<br />

Siedlungsbereichen deckt sich mit der quantitativen Dimension der Exposition. Allerdings treffen <strong>die</strong><br />

punkt-axialen Modelle keine Aussagen zur Freihaltung gefährdeter Bereiche <strong>als</strong> einen weiteren Bestandteil<br />

der qualitativen Dimension der Exposition. Die Bewertung des Kriteriums Red<strong>und</strong>anz fällt<br />

43


KLIMZUG-Workingpaper<br />

dagegen differenzierter aus. Die hierarchisch strukturierten Zentrensysteme ermöglichen zwar dezentralisierte<br />

Strukturen <strong>und</strong> auch <strong>die</strong> Verkehrsachsen <strong>und</strong> -korridore stehen parallelen <strong>und</strong> funktionsäquivalenten<br />

Infrastrukturen nicht im Wege. Allerdings bündeln sich in dem städtischen Zentrum oberzentrale<br />

Funktionen <strong>und</strong> Verkehrsachsen; zudem stellt <strong>die</strong> Bündelung der Siedlungsentwicklung auf<br />

Achsen <strong>und</strong> Zentren explizit einen besonderen Wesenszug des Konzepts dar. Damit sind punkt-axiale<br />

Siedlungsstrukturen anfällig gegenüber potenziellen Auswirkungen von Extremereignissen.<br />

Übersicht 2: Bewertung punkt-axialer Modelle aus Sicht von Resilienz gegenüber potenziellen<br />

Auswirkungen des Klimawandels auf der Quartiersebene<br />

Eigene Darstellung<br />

Auch auf der Quartiersebene erfüllen <strong>die</strong> punkt-axialen Modelle <strong>die</strong> Kriterien <strong>für</strong> resiliente Siedlungsstrukturen<br />

weitestgehend. Sie verfolgen das Ziel, eine Vielfalt an Nutzungen zuzulassen (Red<strong>und</strong>anz),<br />

kompakte städtebauliche Strukturen zu entwickeln (Exposition) sowie bebaute <strong>und</strong> unbebaute Bereiche<br />

kleinräumig zu mischen (Diversität). Zielkonflikte deuten sich zwischen dem kleinräumigen Mischen<br />

bebauter <strong>und</strong> unbebauter Bereiche einerseits <strong>und</strong> der Nachverdichtung andererseits an. Das<br />

kleinräumige Freihalten gefährdeter Bereiche von Bebauung <strong>und</strong> Infrastrukturen, das Merkmal der<br />

Stärke <strong>für</strong> gefährdete Siedlungsbereiche sowie robuste lineare Infrastrukturen in gefährdeten Bereichen<br />

thematisieren punkt-axiale Modelle hingegen nicht.<br />

Insgesamt bieten damit <strong>die</strong> gegenwärtig von der deutschen Raumplanung verfolgten punkt-axialen<br />

Modelle zahlreiche Anknüpfungsmöglichkeiten <strong>für</strong> eine gegenüber den Folgen des Klimawandels resi-<br />

44


KLIMZUG-Workingpaper<br />

liente Siedlungs- <strong>und</strong> Freiraumentwicklung in Stadtregionen. Allerdings thematisieren sie den Umgang<br />

mit den Folgen von Extremereignissen bisher nicht explizit, womit sich eine Bewertung nur interpretativ<br />

durchführen lässt. Von daher leitet sich ein Bedarf ab, <strong>die</strong> Modelle im Hinblick auf das neue Anforderungsspektrum<br />

weiterzuentwickeln <strong>und</strong> gegebenenfalls entsprechend zu modifizieren. Im Folgenden<br />

werden weitere Modelltypen betrachtet, <strong>die</strong> in den vergangenen Jahren diskutiert wurden, um<br />

daraus mögliche Ansatzpunkte <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Weiterentwicklung ableiten zu können.<br />

5. Analyse weiterer Siedlungsstrukturmodelle im Hinblick auf eine<br />

Weiterentwicklung punkt-axialer Modelle<br />

Weitere diskutierte siedlungsstrukturelle Modelle können den Typen Dezentrale Konzentration <strong>und</strong><br />

Dezentralisierung zugeordnet werden, auf <strong>die</strong> im Folgenden eingegangen wird. Die Dezentrale Konzentration<br />

hat das Ziel, einer dispersen Siedlungsentwicklung entgegen zu wirken (vgl. Sinz/Blach,<br />

1994, 465). Die Ursprünge der Modelltypen der Dezentralen Konzentration reichen zurück bis auf das<br />

Modell der Gartenstadt von Howard, <strong>die</strong> zur Entlastung des Zentrums von Agglomerationen neu angelegte<br />

<strong>und</strong> durch Grünflächen getrennte Entlastungsstandorte vorsah (vgl. Frey, 1999, 49f.). Modelle<br />

der Dezentralen Konzentration zielen auf den Ausbau von <strong>Regional</strong>zentren außerhalb der Agglomeration.<br />

Die dezentralen Zentren sollen nach den Prinzipien der Kompakten Stadt entwickelt werden, was<br />

unter anderem Dichte, Nutzungsmischung <strong>und</strong> hohe gestalterische <strong>und</strong> ökologische Qualität der öffentlichen<br />

Räume beinhaltet (vgl. Feuerstein, 2008, 66; Gatzweiler, 1993, 179f.).<br />

Für <strong>die</strong> Weiterentwicklung punkt-axialer Modelle im Hinblick auf Resilienz gegenüber den Auswirkungen<br />

des Klimawandels bietet insbesondere <strong>die</strong> Begrenzung des städtischen Wachstums durch Grünflächen<br />

einen Ansatzpunkt. Dies kann dazu beitragen, <strong>die</strong> von der Größe des besiedelten Bereiches<br />

bestimmte Ausprägung der urbanen Wärmeinsel zu reduzieren. Dezentralisierte Siedlungsstrukturen,<br />

<strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Fortentwicklung <strong>und</strong> den Ausbau von <strong>Regional</strong>zentren bzw. Stadterweiterungen <strong>und</strong><br />

New Towns in einem Mindestabstand zum Agglomerationszentrum entstehen, können zur Red<strong>und</strong>anz<br />

beitragen. Ebenso wie <strong>die</strong> punkt-axialen bieten auch <strong>die</strong> Modelle der Dezentralen Konzentration keine<br />

Ansatzpunkte zum Umgang mit von den Folgen von Extremereignissen betroffenen Bereichen.<br />

Modelle der Dezentralisierung entstanden vor dem Hintergr<strong>und</strong> der zunehmenden Zersiedlung seit<br />

den 1980er Jahren. Der Schwerpunkt der Dezentralisierung liegt auf der Beschreibung der in den<br />

letzten Jahrzehnten in Folge der Suburbanisierung entstandenen stadtregionalen Siedlungsstrukturen.<br />

In Dezentralisierungsmodellen werden <strong>die</strong>se <strong>als</strong> bestehende Trends der Siedlungsentwicklung in den<br />

Stadtregionen anerkannt. Falls <strong>die</strong> Modelle konzeptionelle Aussagen enthalten, zielen sie meist auf<br />

eine gestalterische Aufwertung der entstandenen dispersen Strukturen. Im Vergleich zu den anderen<br />

Modellen, <strong>die</strong> meist von der „Kernstadt“ ausgehen, thematisieren sie eher <strong>die</strong> Entwicklung außerhalb<br />

der Siedlungskerne. Die „Zwischenstadt“ (vgl. Sieverts, 1999) <strong>und</strong> <strong>die</strong> „Netzstadt“ (vgl. Venturi, 1999;<br />

Oswald/Baccini, 1999, 33) analysieren <strong>die</strong> bestehenden stadtregionalen Siedlungsstrukturen <strong>und</strong> entwickeln<br />

Vorschläge <strong>für</strong> den Umgang mit <strong>die</strong>sen neuen Raumtypen im Umland von Agglomerationszentren.<br />

Im Gegensatz dazu ist das US-amerikanische Modell der „Edge City“ (vgl. Garreau, 1992,<br />

4ff.) rein deskriptiv <strong>und</strong> arbeitet <strong>die</strong> Merkmale <strong>die</strong>ses vor allem in den USA anzutreffenden Siedlungstyps<br />

heraus.<br />

Ansatzpunkte <strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterentwicklung der punkt-axialen Modelle bietet <strong>die</strong> Dezentralisierung im<br />

Hinblick auf das Merkmal der Red<strong>und</strong>anz. Dezentrale Siedlungs- <strong>und</strong> Freiraumstrukturen ermöglichen<br />

ein Weiterbestehen des Gesamtsystems auch bei Ausfall einer Komponente oder eines Teilbereiches,<br />

falls Extremereignisse eintreten sollten. Insbesondere das Modell der „Edge City“ beschreibt eigen-<br />

45


KLIMZUG-Workingpaper<br />

ständig funktionsfähige Knoten. Auch im Hinblick auf eine dezentrale Ausgestaltung von Infrastrukturen<br />

bietet <strong>die</strong> Dezentralisierung Ansatzpunkte. Die „Zwischenstadt“ beschreibt beispielsweise eine<br />

Kombination verschiedener Transport- <strong>und</strong> Kommunikationsformen. Bezüge zum Umgang mit den<br />

Folgen von Extremereignissen enthalten allerdings auch <strong>die</strong> Modelle der Dezentralisierung nicht.<br />

6. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Damit sie auch unter den durch den Klimawandel veränderten Rahmenbedingungen weiterhin Orientierung<br />

bieten können, sollten <strong>die</strong> siedlungsstrukturellen Leitbilder <strong>und</strong> Konzepte in Bezug auf eine<br />

klimaangepasste Siedlungs- <strong>und</strong> Freiraumentwicklung inhaltlich überdacht <strong>und</strong> gegebenenfalls überarbeitet<br />

werden. Dabei sollte zwischen unterschiedlichen Gefährdungen differenziert werden, weil <strong>die</strong><br />

Folgen des Klimawandels räumlich nicht ubiquitär auftreten. Vielmehr unterscheiden sich Stadtregionen<br />

im Hinblick auf ihre Betroffenheit von den Folgen des Klimawandels. In einem ersten Schritt wären<br />

daher <strong>die</strong> Stadtregionen im Hinblick auf ihre unterschiedliche Gefährdung durch <strong>die</strong> Auswirkungen<br />

des Klimawandels zu typisieren, zum Beispiel „Stadtregionen mit hoher Überschwemmungsgefährdung“.<br />

Darauf aufbauend können <strong>für</strong> unterschiedliche Gefährdungstypen Merkmale klimaangepasster<br />

Stadtregionen herausgearbeitet werden. Zu prüfen wäre, inwieweit in eine solche Typisierung auch<br />

unterschiedliche sozio-ökonomische Rahmenbedingungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Siedlungs- <strong>und</strong> Freiraumentwicklung<br />

von Stadtregionen eingeschlossen werden können.<br />

Freiflächen können verschiedene Auswirkungen des Klimawandels in unterschiedlichem Ausmaß<br />

abschwächen. Die Anforderungen des Klimawandels weisen deshalb darauf hin, dass <strong>die</strong> siedlungsstrukturellen<br />

Leitbilder <strong>und</strong> Konzepte <strong>die</strong> Bedeutung von großräumigen, verbindenden Grünstrukturen<br />

stärker herausstellen sollten. Das Kriterium der Exposition bietet ebenfalls Ansatzpunkte <strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />

der siedlungsstrukturellen Leitbilder <strong>und</strong> Konzepte, um <strong>für</strong> <strong>die</strong> bestehenden Risiken in<br />

von Extremereignissen gefährdeten Bereichen zu sensibilisieren. Beispielsweise könnten <strong>die</strong> Modelle<br />

<strong>für</strong> überschwemmungs- bzw. sturmflutgefährdete Bereichen entlang der Flüsse <strong>und</strong> Küsten das Freihalten<br />

gefährdeter Bereiche von Siedlungen <strong>und</strong> Infrastrukturen thematisieren. Ein weiteres Thema ist<br />

der Umgang mit den potenziellen Gefahren hinter den Hochwasser-Schutzeinrichtungen, beispielsweise<br />

Deichen, <strong>die</strong> nur bis zu einem gewissen Ausmaß der Extremereignisse Schutz bieten. Diese<br />

Überlegungen müssen auch Antworten auf <strong>die</strong> Frage nach dem Umgang mit bestehenden Siedlungsstrukturen<br />

einschließen. Unter Rückgriff auf <strong>die</strong> Diskussion über den vorbeugenden Hochwasserschutz<br />

wäre der Ausschluss von neuen Siedlungsflächen <strong>und</strong> Bauvorsorgemaßnahmen in <strong>die</strong>sen<br />

Räumen zu thematisieren.<br />

Neben Aussagen zur Lage <strong>und</strong> Ausgestaltung neuer Siedlungsbereiche ist eine klimaangepasste<br />

Entwicklung des Bestandes ein maßgebliches Thema <strong>für</strong> klimaangepasste Siedlungen. Hier stehen<br />

zwei Strategien <strong>für</strong> den Umgang mit den Gefährdungen zur Auswahl. Zum einen bietet der gezielte<br />

Rückbau von Siedlungsbereichen <strong>die</strong> Chance, gefährdete Bereiche freizuhalten. Insbesondere <strong>für</strong><br />

schrumpfende Stadtregionen erscheint ein solcher Ansatz geeignet <strong>und</strong> könnte auf Überlegungen<br />

beispielsweise des Konzepts der „Perforierten Stadt“ (Lüdtke-Daltrup,, 2003) aufbauen. Neben dem<br />

Rückbau können widerstandsfähige bauliche Strukturen einen Beitrag zu klimaangepassten Siedlungsstrukturen<br />

leisten. Aufgr<strong>und</strong> des bestehenden Entwicklungsdrucks in wachsenden Stadtregionen<br />

sollten Modelle <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Räume einen solchen Ansatz aufgreifen.<br />

Mit Blick auf den Klimawandel sollten siedlungsstrukturelle Leitbilder <strong>und</strong> Konzepte infrastrukturellen<br />

Aspekten eine höhere Bedeutung beimessen <strong>und</strong> <strong>die</strong>sen Bestandteil von Siedlungen explizit einbeziehen.<br />

Ein möglicher Ansatz besteht darin, großräumig parallele bzw. funktionsäquivalente Anlagen<br />

46


KLIMZUG-Workingpaper<br />

zu integrieren, <strong>die</strong> den Ausfall einer Komponente infolge von Extremereignissen kompensieren könnten.<br />

Kritische Infrastrukturen, deren Ausfall oder Beeinträchtigung das Gemeinwesen aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

besonderen Bedeutung nachhaltig stören würde, sollten Bereiche meiden, <strong>die</strong> durch Extremereignisse<br />

gefährdet sind. Ist <strong>die</strong>s nicht möglich, wie es bei verbindenden linearen Infrastrukturen oft der Fall ist,<br />

sollten sie zumindest in widerstandsfähiger Art <strong>und</strong> Weise baulich ausgeführt werden.<br />

In der Summe zeigt sich, dass <strong>die</strong> bestehenden siedlungsstrukturellen Leitbilder aufgr<strong>und</strong> ihrer Entstehungszeit<br />

nicht in einem ausreichenden Maß auf <strong>die</strong> aus dem Klimawandel resultierenden Folgen<br />

eingehen. Auch <strong>die</strong> jüngeren der hier diskutierten Modelle bieten nur partiell Lösungsansätze. Aufgr<strong>und</strong><br />

ihrer Orientierungsfunktion <strong>für</strong> <strong>die</strong> alltägliche Arbeit der Planenden, wäre zu prüfen, inwieweit<br />

sie um Aspekte resilienter Siedlungen ergänzt werden können.<br />

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48


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Wassersensible Stadtentwicklung – Informelle Planung versus verbindliche<br />

Konzepte<br />

Marko Siekmann / Thomas Siekmann<br />

1. Einleitung<br />

Die Diskussion über den Klimawandel <strong>und</strong> seine Auswirkungen wird aktuell in der Fachöffentlichkeit<br />

kontrovers geführt, wie auch von Privatpersonen aufgr<strong>und</strong> medialer Präsenz wahrgenommen. Aus<br />

Sicht der Siedlungsentwässerung ist in <strong>die</strong>sem Kontext der Umgang mit Niederschlagswasser in den<br />

Siedlungsräumen von großer Bedeutung. Implementierte Wasserinfrastrukturen weisen zumeist lange<br />

Nutzungsdauern von mehreren Dekaden auf, so dass mögliche Folgen des Klimawandels rechtzeitig<br />

zu betrachten sind. Gleichzeitig ist das mögliche Schadenspotential innerhalb der Städte aufgr<strong>und</strong> der<br />

hohen räumlichen Dichte zwischen den einzelnen Infrastrukturelementen besonders hoch. Um innovative<br />

oder neuartige Niederschlagswassernutzungs- oder -retentionskonzepte innerhalb der Städte<br />

umzusetzen, sind vermehrt <strong>die</strong> Aspekte des Städtebaus im Planungsprozess zu berücksichtigen. Mit<br />

dem Ziel einer resilienten Siedlungsentwässerung sind holistische Ansätze zu entwickeln, <strong>die</strong> anpassungsfähige<br />

Wasserinfrastruktursysteme bereitstellen.<br />

In dynaklim wird <strong>die</strong> regionale Betroffenheit anhand detaillierter Betrachtungen dreier Pilotgebiete<br />

bewertet. Als Beispiel <strong>für</strong> ein rurales Gebiet in der Emscher-Lippe-Region wird <strong>die</strong> Stadt Bönen betrachtet.<br />

Als Beispiele eher urban geprägter Gebiete erfolgen weitere Untersuchungen in den Regionen<br />

Dortm<strong>und</strong> (Rossbach-Einzugsgebiet) <strong>und</strong> Duisburg (Stadtteile Hochfeld <strong>und</strong> Duissern). Als Ergebnis<br />

der Untersuchungen werden <strong>die</strong> klimawandelbedingten Mehrbelastungen der siedlungswasserwirtschaftlichen<br />

Anlagen ermittelt <strong>und</strong> darauf aufbauend geeignete Adaptationsstrategien entwickelt.<br />

2. dynaklim – Klimawandel <strong>und</strong> Siedlungsentwässerung<br />

Das F&E-Vorhaben dynaklim beschäftigt sich mit der Anpassung regionaler Entwicklungs- <strong>und</strong> Planungsprozesse<br />

an <strong>die</strong> Auswirkungen des Klimawandels. Ein Schwerpunktthema stellt hierbei <strong>die</strong> Ermittlung<br />

des Anpassungsbedarfs regionaler Wasserinfrastruktursysteme <strong>und</strong> <strong>die</strong> Entwicklung geeigneter<br />

Adaptationsstrategien dar. Übereinstimmend zeigen <strong>die</strong> bisher publizierten Zukunftsszenarien,<br />

dass der Klimawandel <strong>die</strong> mittlere Jahreslufttemperatur sowie das Niederschlagsgeschehen hinsichtlich<br />

seiner Häufigkeit, Intensität <strong>und</strong> Dauer beeinflussen wird. Daraus lassen sich <strong>für</strong> <strong>die</strong> Siedlungsentwässerung<br />

<strong>die</strong> folgenden Einflüsse ableiten (Siekmann, 2011a):<br />

� höhere Abflüsse nach Niederschlagsereignissen <strong>und</strong> steigendes Risiko innerstädtischer Überflutungen,<br />

� häufigere <strong>und</strong>/oder höhere Entlastungen aus Mischwasserkanalisationen in Oberflächengewässer<br />

verb<strong>und</strong>en mit höher akkumulierten Schmutzfrachten aufgr<strong>und</strong> der Verlängerung der<br />

Trockenperioden.<br />

Um <strong>die</strong> Auswirkungen des Klimawandels auf <strong>die</strong> vorhandenen Entwässerungssysteme in den betrachteten<br />

Pilotgebieten darzustellen, werden gekoppelte Modelle der Entwässerungssysteme (hydrodynamische<br />

Kanalnetzmodelle) <strong>und</strong> dreidimensionaler Oberflächenmodelle (Digitale Oberflächenmodelle,<br />

DOM) aufgestellt. Mit Hilfe der Kopplung beider Modelle ist es möglich, nach einem Überlastungs-<br />

49


KLIMZUG-Workingpaper<br />

fall der Kanalisation auftretende Sturzfluten <strong>und</strong> urbane Überflutungen rechnerisch nachzuvollziehen.<br />

Für <strong>die</strong> Pilotgebiete Bönen, Dortm<strong>und</strong>-Roßbach-Einzugsgebiet <strong>und</strong> Duisburg-Hochfeld/Duissern werden<br />

Gefährdungskarten erstellt, so dass nach einer Auswertung der Vulnerabilität der angrenzenden<br />

Gebiete eine Risikoabschätzung erfolgen kann. Mit Hilfe verschiedener Szenarien können unterschiedliche<br />

Belastungssituationen ausgewertet werden. Diese Szenarien unterscheiden im Wesentlichen<br />

zwischen üblichen Bemessungsregen, wie sie auch im DWA Arbeitsblatt A 118 (N.N., 2006)<br />

genannt werden, <strong>und</strong> Extremereignissen zur Darstellung außergewöhnlicher Naturereignisse.<br />

Als wesentliche Belastungsgröße <strong>für</strong> <strong>die</strong> Szenarienbetrachtungen <strong>die</strong>nen Niederschlagsdaten, <strong>die</strong><br />

nach einem aufwendigen Downscaling-Prozess (Quirmbach et al., 2011) auf der Gr<strong>und</strong>lage der Modellergebnisse<br />

des dynamisch hochauflösendem regionalen Klimamodelles CLM (Climate Local Model)<br />

erstellt wurden (Lautenschläger et. al, 2009; 2009a). Diese Niederschlagsdaten werden durch den<br />

Projektpartner dr. papadakis GmbH mit fachlicher Unterstützung der hydro & meteo GmbH & Co. Kg.<br />

zur Verfügung gestellt.<br />

Entscheidend <strong>für</strong> eine Adaptation vorliegender Systeme sind <strong>die</strong> vorliegenden Unsicherheiten bzw.<br />

Wahrscheinlichkeitskorridore, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Klimaprojektionen aufgespannt werden. Neben Ungewissheiten<br />

hinsichtlich künftiger Niederschlagsbelastungen sind <strong>die</strong> Unsicherheiten weiterer Modelleingangsdaten<br />

zu berücksichtigen, so dass durch ein optimiertes Szenarienmanagement lediglich mögliche<br />

Zukunftsbilder aufgezeigt werden können. Um trotz <strong>die</strong>ser noch vorhandenen Unsicherheiten<br />

erste Anpassungsmaßnamen im Bestand zu etablieren, wird in dynaklim untersucht, inwieweit ein<br />

proaktives Vorgehen realisiert <strong>und</strong> sogenannte No-Regret-Maßnahmen, <strong>die</strong> den Betrieb unabhängig<br />

von künftigen Belastungssituationen optimieren, integriert werden können (Siekmann/Müller, 2011).<br />

So kann eine schrittweise Anpassung der urbanen Infrastrukturen, <strong>die</strong> in Ihrer spezifischen Nutzungsdauer<br />

<strong>für</strong> lange Zeiträume ausgelegt werden, bereits jetzt erreicht werden.<br />

Um <strong>die</strong> skizzierten Auswirkungen des Klimawandels zu kompensieren <strong>und</strong> den bisherigen Unsicherheiten<br />

bei der Bestimmung der zukünftigen Bemessungsniederschläge Rechnung zu tragen, ist eine<br />

Reduzierung der an das zentrale Entwässerungssystem angeschlossenen Flächen durch dezentrale<br />

Regenwasserbewirtschaftung ein erster Schritt zur Anpassung. Der Umgang mit Extremereignissen<br />

kann nicht ausschließlich über den Ausbau des Kanalisationssystems geschehen. Die Ableitung derartiger<br />

Abflüsse kann ergänzend zu der Ableitung über <strong>die</strong> Kanalisation nur auf der Oberfläche der<br />

Gebiete erfolgen (siehe auch Siekmann, 2011a). Insbesondere in hoch verdichteten innerstädtischen<br />

Bereichen wie dem Pilotgebiet Duisburg-Hochfeld/Duissern kann mit Hilfe einer multifunktionalen Flächennutzung<br />

eine Reduzierung der Folgen von Überflutungsereignissen herbeigeführt werden. Hierzu<br />

können innerstädtische Flächen wie Spielplätze gezielt <strong>als</strong> Überflutungsflächen herangezogen werden.<br />

Das folgende Bild zeigt <strong>als</strong> Beispiel einer bereits umgesetzten Maßnahme einen Wasserplatz in<br />

Porto Alegre (Brasilien). Vor einem Pumpwerk, dessen Förderkapazitäten im Fall eines Starkniederschlagsereignisses<br />

begrenzt sind, wird bei Überschreitung des Bemessungszuflusses ein Spielplatz<br />

gezielt eingestaut. In Trockenzeiten kann der Platz, wie auf dem Foto zu sehen ist, <strong>für</strong> sportliche Aktivitäten<br />

genutzt werden.<br />

Als Ergänzung zu dem dargestellten Praxisbeispiel können über Überflutungsstraßen im Straßenraum<br />

zusätzlich anfallende Abflüsse aus anderen Gebieten einem solchen Wasserplatz zugeführt werden.<br />

So kann der vorhandene Retentionsraum sowohl bei einer Überlastung der vorhandenen Entwässerungsanalagen<br />

genutzt werden, <strong>als</strong> auch zur Reduzierung der Folgen nach urbanen Sturzfluten <strong>die</strong>nen.<br />

Die Übertragung derartiger Lösungsansätze auf Entwässerungssysteme in der Emscher-Lippe-<br />

Region ist Gegenstand des hier vorgestellten Forschungsvorhabens.<br />

50


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Wasserplatz in Porto Alegre, Brasilien<br />

Foto: Siekmann<br />

Mit dem Ziel der praktischen Umsetzung solch alternativer Bewirtschaftungsmaßnahmen sind <strong>die</strong><br />

verschiedenen Akteure aus Politik <strong>und</strong> Verwaltung in <strong>die</strong> Entscheidungsfindung zu integrieren. Der<br />

Überflutungsschutz nach Starkniederschlagsereignissen muss in <strong>die</strong>sem Fall <strong>als</strong> kommunale Gemeinschaftaufgabe<br />

verstanden werden (Schmitt, 2011), <strong>die</strong> nur mit Hilfe eines integralen Ansatzes <strong>und</strong> der<br />

Beteiligung aller maßgeblichen Akteure zu lösen ist. Im Folgenden werden Teilergebnisse des Projektes<br />

dynaklim vorgestellt. Einzelne Ansätze basieren auf den Stu<strong>die</strong>n des abgeschlossenen BMBF-<br />

Forschungsprojekts „KLIMANET-Wassersensible Stadtentwicklung“ aus dem Förderschwerpunkt klimazwei,<br />

dessen Erkenntnisse <strong>als</strong> Gr<strong>und</strong>lage der Untersuchungen weiter entwickelt werden.<br />

3. Gefährdungsanalyse<br />

Um eine wassersensible Stadtentwicklung in der Region voranzutreiben <strong>und</strong> um eine Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong><br />

Diskussionen mit anderen Akteuren aus Politik <strong>und</strong> Verwaltung zu schaffen, ist eine fun<strong>die</strong>rte Abschätzung<br />

zu erwartender Be- <strong>und</strong> Überlastungen der Entwässerungssysteme vorzunehmen. Durch<br />

eine Gefährdungsanalyse gilt es daher vom Klimawandel betroffene Bereiche innerhalb der Siedlungsgebiete<br />

zu identifizieren. Neben der Identifikation überflutungskritischer Bereiche muss der Planer<br />

<strong>die</strong> Ursachen <strong>für</strong> <strong>die</strong> festgestellten Überlastungen ermitteln. Im Wesentlichen sind <strong>für</strong> urbane<br />

Überflutungen drei mögliche Ursachen zu nennen (Siekmann, 2011b):<br />

� Nicht ausreichende Dimensionierung einzelner Elemente des Entwässerungssystems entsprechend<br />

dem Stand der Praxis;<br />

� Dynamische Erhöhung der Belastungssituation (bemessungsrelevante Niederschlagsbelastung)<br />

<strong>als</strong> Folge des Klimawandels <strong>und</strong> Überlastung einzelner Elemente des Entwässerungssystems;<br />

� Starkniederschlagsereignisse mit Intensitäten, <strong>die</strong> weit oberhalb der bemessungsrelevanten Niederschlagsbelastung<br />

liegen.<br />

51


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Zur Klärung der Frage, ob <strong>und</strong> in welchem Umfang eine Anpassung der Entwässerungssysteme an<br />

projizierte klimawandelbedingte Veränderungen vorgenommen werden muss, werden <strong>die</strong> folgenden<br />

Kennzahlen zur Abschätzung des Handlungsbedarfs genutzt:<br />

� Gewichteter Auslastungsgrad,<br />

� Überstauungsgrad,<br />

� Spezifisches Überstauvolumen.<br />

Mit Hilfe <strong>die</strong>ser Kennzahlen erfolgt eine Ersteinschätzung der derzeitigen Gefährdungssituation auf<br />

der Gr<strong>und</strong>lage einer Kanalnetzsimulation (Siekmann, 2011b). Die Kanalnetzsimulation wird in der<br />

Entwässerungsplanung seit vielen Jahren <strong>als</strong> Stand der Praxis verwendet. Somit können <strong>die</strong> in der<br />

Entwässerungspraxis vielfach eingesetzten Ergebnisdaten <strong>für</strong> eine erste Bewertung genutzt werden.<br />

Tabelle 1 stellt <strong>die</strong> Ergebnisse der Gefährdungsanalyse <strong>für</strong> das Pilotgebiet Duisburg Hochfeld/Duissern<br />

dar. Um den Klimawandel darzustellen, wird in der Tabelle vereinfachend eine Erhöhung<br />

der Niederschlagsintensitäten durch Ansatz von Modellregen mit längeren statistischen Wiederkehrzeiten<br />

entsprechend des Kostra-Atlasses des DWD (Kostra-DWD, 1997) angesetzt.<br />

Tabelle 1 : Gefährdungsanalyse <strong>für</strong> das Pilotgebiet Duisburg<br />

Quelle: Siekmann, 2011c<br />

Aufbauend auf <strong>die</strong>sen Kennzahlen ergeben sich <strong>für</strong> <strong>die</strong> weitere Bearbeitung folgende Szenarien. Falls<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Berechnungen sowohl <strong>für</strong> den Bereich „Bemessung <strong>und</strong> Nachweis“ wie auch <strong>für</strong> den Bereich<br />

„Überflutungsprüfung“ keine Erhöhungen der Belastungssituation im Entwässerungssystem identifiziert<br />

werden, bedarf es aus Sicht des Klimawandels keiner weiteren vorbeugenden Maßnahmen. Die<br />

Ergebnisse der Kanalnetzberechnung sind in <strong>die</strong>sem Fall ausreichend, um <strong>die</strong> Bewertung des Entwässerungssystems<br />

vorzunehmen.<br />

Im Bereich „Bemessung <strong>und</strong> Nachweis“ liegt <strong>für</strong> das gewählte Szenario kein erhöhter Handlungsbedarf<br />

vor, das vorhandene Entwässerungssystem weist ausreichende Leistungsreserven auf. Die<br />

Kennzahlen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Überflutungsprüfung stellen jedoch auch <strong>für</strong> den Ist-Zustand bereits dar, dass im<br />

Entwässerungssystem keine weiteren Leistungsreserven zur Verfügung stehen. Der leistungsgeb<strong>und</strong>enen<br />

Ableitung der Abflüsse sind hier klar Grenzen gesetzt. Der gewichtete Auslastungsgrad liegt bei<br />

allen Berechnungen nahe der theoretischen Vollfüllungsgrenze von 1,0 (Normalabfluss bei scheitel-<br />

52


KLIMZUG-Workingpaper<br />

hoher Füllung der Fließquerschnitte). Die Berechnung mit dem Modellregen der statistischen Wiederkehrzeit<br />

von 20 Jahren zeigt jedoch, dass nur an wenigen Stellen mit Überstauungen oder Überflutungen<br />

zu rechnen ist, so dass im derzeitigen Zustand ebenfalls kein erweiterter Handlungsbedarf zu<br />

erkennen ist. Die Erhöhung der Niederschlagsintensitäten zeigt jedoch, dass <strong>die</strong> Überstauungen bei<br />

Erhöhung der statistischen Wiederkehrzeit des jeweils betrachteten Modellregens signifikant zunehmen.<br />

Somit ist bedingt durch den Klimawandel zukünftig Handlungsbedarf gegeben, <strong>die</strong> Entwässerungssituation<br />

anzupassen. Bei lokalen Überlastungen können <strong>die</strong> weiteren Planungen auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

von GIS-Auswertungen bzw. lokalen Detailplanungen erfolgen, so dass überflutete Bereiche<br />

räumlich abgegrenzt werden können. Die Anwendung eines DOM bzw. gekoppelter Modelle (Kanalnetz<br />

– DOM) kann <strong>die</strong> erforderlichen Planungen in <strong>die</strong>sem Fall unterstützen. Für <strong>die</strong> Überflutungsprüfung<br />

wird im dargestellten Fall <strong>die</strong> Anwendung der gekoppelten Modelle generell empfohlen.<br />

4. Vulnerabilitätsanalyse <strong>und</strong> Erstellung von Risikokarten<br />

Neben der zum aktuellen Stand der Technik gehörenden Kanalnetzmodellierungen kann <strong>die</strong> zuvor<br />

aufgeführte wasserwirtschaftliche Gefährdungsabschätzung genutzt werden, um überflutungsgefährdete<br />

Gebiete zu identifizieren. Nach <strong>die</strong>ser ersten Abschätzung des Handlungsbedarfes <strong>und</strong> einer<br />

Abschätzung dessen Umfangs sind ergänzend Vulnerabilitätsanalysen <strong>für</strong> das betrachtete Einzugsgebiet<br />

durchzuführen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Schadensanfälligkeit potenziell überfluteter Bereiche in <strong>die</strong> Entscheidung<br />

über Anpassungsmaßnahmen mit einbezieht.<br />

Für <strong>die</strong> Vulnerabilitätsanalyse werden <strong>die</strong> überflutungsgefährdeten Bereiche weiter klassifiziert. Hierzu<br />

wird eine Gebietsanalyse erforderlich, <strong>die</strong> <strong>die</strong> städtebauliche Nutzung innerhalb der Gebiete unterteilt<br />

<strong>und</strong> den unterschiedlichen Schutzgütern in der Vulnerabilitätsanalyse ein entsprechendes Schutzbedürfnis<br />

zuordnet (Benden, 2010). Im Fokus liegt <strong>die</strong> Leitfrage nach dem tatsächlichen Schadenspotenzial<br />

infolge urbaner Sturzfluten. Hier<strong>für</strong> sind Infrastrukturen <strong>und</strong> Infrastruktursysteme herauszuarbeiten,<br />

welche im städtischen Umfeld bedeutsam sind. So sind sowohl zumeist netzgeb<strong>und</strong>ene technische<br />

Infrastrukturen <strong>als</strong> auch soziale Infrastrukturen, zumeist Einzelelemente, bei einer Bewertung<br />

der regionalen Vulnerabilität abzubilden. Für <strong>die</strong> Risikoanalyse werden dann <strong>die</strong> Ergebnisse der Gefährdungsanalyse<br />

<strong>und</strong> der Vulnerabilitätsanalyse überlagert, um den Handlungsbedarf zu bewerten<br />

<strong>und</strong> Anpassungsoptionen planerisch umzusetzen. Durch das Zusammenführen der Ergebnisse von<br />

Gefährdungs- <strong>und</strong> Vulnerabilitätsanalysen, <strong>als</strong>o dem Verschneiden der entwässerungssystemseitigen<br />

Gefährdung <strong>und</strong> der infrastrukturellen Risikoelemente, kann letztlich das punktuelle Risiko bestimmt<br />

<strong>und</strong> „Risikokarten“ erstellt werden (Gilles, 2011).<br />

Abbildung 1 zeigt <strong>als</strong> Beispiel das Ergebnis einer Berechnung mit einem gekoppelten Model (Kanalnetz<br />

<strong>und</strong> DOM). Klar zu erkennen sind <strong>die</strong> von der Überflutung betroffenen Bereiche, <strong>die</strong> im weiteren<br />

Projektfortschritt mit Vulnerabilitätskarten überlagert werden sollen. Neben den überflutungskritischen<br />

Bereichen sind <strong>die</strong> Kan<strong>als</strong>chächte durch blaue Kreuze markiert, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Quellen des Überstauvolumens<br />

darstellen.<br />

53


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Abbildung 1: Überflutungskritische Bereiche, Pilotgebiet Duisburg Hochfeld/Duissern (100jähriges<br />

Überflutungsereignis)<br />

Eigene Darstellung<br />

5. Anpassungsmaßnahmen<br />

Eine wassersensible Stadtentwicklung ist in der Fachwelt aktuell sehr präsent, jedoch fehlt es in der<br />

Breite an praktischen Umsetzungen. Für ein klimawandelbedingtes proaktives Vorgehen sind in besonderem<br />

Maße <strong>die</strong> Bürger <strong>für</strong> das Thema „Wasser in der Stadt“ zu sensibilisieren, um bei Extremereignissen<br />

gegebenenfalls Nutzungseinschränkungen der Verkehrsinfrastrukturen zu tolerieren. Hierbei<br />

korreliert <strong>die</strong> Toleranz des Einzelnen mit der Sicherheit des eigenen Hab <strong>und</strong> Guts, so dass seitens<br />

der Wasserwirtschaft Aufklärungsarbeit hinsichtlich des skizzierten ganzheitlichen Ansatzes zu erfolgen<br />

hat, jedoch auch deren Endlichkeit aufgezeigt werden muss.<br />

Abbildung 2: Möglichkeiten des lokalen Objektschutzes<br />

Quelle: Röttgen, 2011<br />

54


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Die erforderliche Eigenverantwortung wird beispielsweise in dem Pilotgebiet Duisburg durch <strong>die</strong> Verankerung<br />

einer um 20 Zentimeter über Geländeoberkante (GOK) erhöhten Rückstauebene seit den<br />

70iger Jahren des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts umgesetzt. Das folgende Beispiel zeigt hierbei, dass <strong>die</strong><br />

Umsetzung des erforderlichen lokalen Objektschutzes durch einzelne Bauelemente attraktiv gestaltet<br />

werden kann.<br />

Durch <strong>die</strong> einzelnen auf Abbildung 2 dargestellten Elemente kann das Schutzniveau auf circa einen<br />

halben Meter über GOK erhöht werden. Sowohl Eingangstür wie auch <strong>die</strong> Kellerschächte sind entsprechend<br />

der lokalen Eigenverantwortung gesichert. Solche Anpassungsoptionen der Privatperson<br />

sollten <strong>als</strong> Ergänzung zu den bereits skizzierten Vorhaltungen von Überflutungsflächen <strong>und</strong> der Bereitstellung<br />

von Überflutungswegen erfolgen.<br />

6. Instrumentarien<br />

Für <strong>die</strong> Erreichung des Zieles einer anpassungsfähigen Siedlungsentwässerung durch eine wassersensible<br />

Stadtentwicklung bedarf es eines übergeordneten Instrumentariums. Hier ist zu hinterfragen,<br />

inwieweit verbindliche Konzepte vorgegeben werden müssen oder aber informelle Planungen <strong>die</strong> Zielerreichung<br />

gewährleisten können. Die Hauptfrage hierbei ist, ob ohne <strong>die</strong> Entfaltung rechtlicher Bindungswirkungen<br />

durch alleinige Erarbeitung städtebaulicher Leitbilder oder <strong>die</strong> Durchführung von<br />

Machbarkeitsstu<strong>die</strong>n mittelfristig das Ziel einer resilienten Siedlungsentwässerung erreicht wird<br />

In dem Forschungsvorhaben KLIMANET (2010) wurden <strong>die</strong> folgenden Anforderungen an ein geeignetes<br />

Instrumentarium formuliert:<br />

� Integrativer Ansatz,<br />

� Langfristhorizont,<br />

� Einbindung relevanter Akteure,<br />

� Prozessgedanke.<br />

In der folgenden Tabelle werden <strong>die</strong> Vor- <strong>und</strong> Nachteile einer informellen Planung (Wasserplan) gegenüber<br />

der Umsetzung in einem verbindlichen Konzept (Abwasserbeseitigungskonzept, ABK) zusammengefasst.<br />

Tabelle 2: Instrumentarium, informelle Planung vs. verbindliche Konzepte<br />

Vorteile<br />

Nachteile<br />

Quelle: Siekmann <strong>und</strong> Benden, 2010<br />

Integration in<br />

Stadtentwicklungskonzept<br />

oder eigenständiger<br />

„Wasserplan“<br />

• Synergien mit anderen Schutz<strong>und</strong><br />

Anpassungsmaßnahmen<br />

• breite Akteursbeteiligung<br />

• Hohe Flexibilität (informell)<br />

• keine rechtliche Verbindlichkeit<br />

• STEK: Wasser <strong>als</strong> ein Belang<br />

„unter anderen“ (Abwägung)<br />

Integration in Abwasser- bzw.<br />

Niederschlagswasserbeseitigungskonzept<br />

(ABK/NBK)<br />

• Rechtliche Bindungswirkung<br />

• kontinuierliche Fortschreibung<br />

& Monitoring<br />

• Integration aller Wasserbelange<br />

• Starke wasserwirtschaftliche<br />

Prägung (wenig Einbindung<br />

anderer Fachbereiche & Bürger)<br />

• Eingeschränkte Flexibilität<br />

(Rechtsrahmen)<br />

55


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Es wird deutlich, dass informelle Planungen eine deutlich umfangreichere Abstimmung mit allen maßgeblichen<br />

Akteuren fördert. Demgegenüber steht mit dem Abwasserbeseitigungskonzept (ABK) <strong>als</strong><br />

Planungsinstrument des wasserwirtschaftlichen Vollzugs ein etabliertes Instrument zur Verfügung,<br />

welches seit vielen Jahren erprobt ist. Durch <strong>die</strong> Einführung von Niederschlagswasserbeseitigungskonzepten<br />

<strong>als</strong> Bestandteil des ABK könnten <strong>die</strong> Aspekte einer wassersensiblen Stadtentwicklung einen<br />

rechtlichen Rahmen erfahren, ohne dass es zu einem unangemessenem Mehraufwand bei der<br />

Erstellung der Planunterlagen führen würde.<br />

Unabhängig von der Wahl des Umsetzungsinstrumentes sind <strong>die</strong> Maßnahmen zur Anpassung auf<br />

zielgruppenspezifische Weise zu planen <strong>und</strong> umzusetzen <strong>und</strong> alle maßgeblichen Akteure (Planung,<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Zivilgesellschaft) rechtzeitig in den Prozess einzubeziehen.<br />

7. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Das Projekt „Wassersensible Stadtentwicklung“ (KLIMANET, 2010) zeigte bereits Lösungen auf, mit<br />

denen <strong>Herausforderung</strong>en des Klimawandels insbesondere im Siedlungsbestand vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

finanzieller Restriktionen <strong>und</strong> der Unsicherheiten klimatischer Szenarien begegnet werden kann. Im<br />

F&E-Vorhaben dynaklim werden <strong>die</strong> aufgezeigten Lösungen adaptiert <strong>und</strong> auf Umsetzbarkeit in den<br />

Pilotgebieten überprüft. Das Ziel des Forschungsvorhabens ist <strong>die</strong> Umsetzung einzelner Mustervorhaben<br />

in gezielt pilotierten Leitprojekten.<br />

Ein erster Schritt einer Anpassung an den Klimawandel kann der vorrangige Einsatz dezentraler Regenwasserbewirtschaftungsmaßnahmen<br />

sein, deren Umsetzung unabhängig von künftigen Entwicklungen<br />

aufgr<strong>und</strong> deren Nachhaltigkeit sinnvoll ist. Neben punktuell erforderlichen baulichen <strong>und</strong> betrieblichen<br />

Anpassungsmaßnahmen im Bereich der Siedlungsentwässerung sind Maßnahmen zum<br />

Überflutungsschutz nach Extremniederschlagsereignissen vorzusehen. Sowohl der lokale Objektschutz<br />

<strong>als</strong> auch multifunktionale Flächennutzungen in hoch verdichteten Siedlungsräumen werden<br />

zukünftig an Bedeutung gewinnen. Zwar sind solche Ansätze der multifunktionalen Flächennutzung in<br />

der Fachwelt sehr präsent, jedoch mangelt es aktuell an der praktischen Umsetzung solcher Pilotvorhaben.<br />

Vor allem Detailfragen zur Gestaltung <strong>und</strong> Finanzierung des Betriebes der Flächen bedürfen<br />

aktuell der Klärung.<br />

Des Weiteren wird es erforderlich sein, <strong>die</strong> Anpassung der Siedlungsentwässerung an <strong>die</strong> Folgen des<br />

Klimawandels verbindlich zu fordern. Ein möglicher Ansatz <strong>für</strong> eine Umsetzung in <strong>die</strong> Planungspraxis<br />

wird dabei in der Berücksichtigung des „Klimabelanges“ im Abwasserbeseitigungskonzept (ABK) <strong>und</strong><br />

im NBK (Niederschlagswasserbeseitigungskonzept) gesehen. Ein kontinuierlich fortgeschriebenes<br />

ABK bietet <strong>die</strong> Möglichkeit den dynamischen Anpassungsprozess im Bereich der Siedlungsentwässerung<br />

zu begleiten <strong>und</strong> gleichzeitig den rechtlichen Rahmen zu definieren.<br />

Literatur<br />

Benden, Jan (2010): Analyseprozess, in: Abschlussbericht des Verb<strong>und</strong>vorhabens Wassersensible<br />

Stadtentwicklung – Maßnahmen <strong>für</strong> eine nachhaltige Anpassung der regionalen Siedlungswasserwirtschaft<br />

an Klimatrends <strong>und</strong> Extremwetter, im Förderschwerpunkt klimazwei des BMBF, Förderkennzeichen<br />

01 LS 05017 A-C, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Ruhr<br />

Universität Bochum, Universität Duisburg Essen, S. 252-253 <strong>und</strong> 258-260.<br />

56


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Gilles, Rob, 2011: Diplomarbeit am Lehrstuhl <strong>für</strong> Siedlungswasserwirtschaft der Rheinisch-<br />

Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, Innovative Infrastrukturkonzepte aus wasserwirtschaftlicher<br />

Sicht, nicht veröffentlicht, Aachen.<br />

KLIMANET-Wassersensible Stadtentwicklung, 2010: Abschlussbericht des Verb<strong>und</strong>vorhabens<br />

Wassersensible Stadtentwicklung-Maßnahmen <strong>für</strong> eine nachhaltige Anpassung der regionalen<br />

Siedlungswasserwirtschaft an Klimatrends <strong>und</strong> Extremwetter, im Förderschwerpunkt klimazwei des<br />

BMBF, Förderkennzeichen 01 LS 05017 A-C, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule<br />

Aachen, Ruhr Universität Bochum, Universität Duisburg Essen.<br />

Kostra-DWD, 1997, Koordinierte Starkregen-<strong>Regional</strong>isierungs-Auswertung, Deutscher Wetter<strong>die</strong>nst<br />

(DWD), Distribution: ITWH, Hannover.<br />

Lautenschlager, Michael / Keuler, Klaus / Wunram, Claudia / Keup-Thiel, Elke / Schubert, Martin /<br />

Will, Andrea / Rockel, Burkhardt / Boehm, Uwe , 2009: Climate Simulation with CLM, Climate of the<br />

20th Century run no.1, Data Stream 3: European region MPI-M/MaD, World Data Center for Climate,<br />

[doi: 10.1594/WDCC/CLM_C20_1_D3], URL: http://cerawww.dkrz.de/WDCC/ui/Entry.jsp?acronym=CLM_C20_1_D3<br />

[Stand: 2012-04-25].<br />

Lautenschlager, Michael / Keuler, Klaus / Wunram, Claudia / Keup-Thiel, Elke / Schubert, Martina /<br />

Will, Andreas / Rockel, Burkhardt / Boehm, Uwe, 2009a: Climate Simulation with CLM, Climate of<br />

the 20th Century run no.2, Data Stream 3: European region MPI-M/MaD, World Data Center for<br />

Climate, [doi: 10.1594/WDCC/CLM_C20_2_D3], URL: http://cerawww.dkrz.de/WDCC/ui/Entry.jsp?acronym=CLM_C20_2_D3<br />

[Stand: 2012-04-25].<br />

N.N., 2006: DWA-A 118. Hydraulische Bemessung <strong>und</strong> Nachweis von Entwässerungssystemen,<br />

Deutsche Vereinigung <strong>für</strong> Wasserwirtschaft, Abwasser <strong>und</strong> Abfall e.V.<br />

Quirmbach, Markus / Freistühler, Elke / Einfalt, Thomas / Papadakis, Ioannis, 2011: Use of precipitation<br />

data from the regional climate model CLM for hydrological modeling in the dynaklim project,<br />

Vortrag auf der 12, IWA ICUD in Porto Alegre, Brasilien.<br />

Röttgen, Manfred, 2011: Vortrag dynaklim Symposium 2011, Session 1: Resiliente Siedlungswasserwirtschaft-<br />

Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen, Überstau/Überflutung- Lösungsmöglichkeiten durch objektschutzmaßnahmen,<br />

Recklinghausen, http://www.dynaklim.de/dynaklim/index/service/Symposium-<br />

2011_Unterseiten/Sessions/Session-1.html [Stand: 2012-04-25].<br />

Schmitt, Theo G., 2011: Risikomanagement statt Sicherheitsversprechen. Paradigmenwechsel auch<br />

im kommunalen Überflutungsschutz? KA Korrespondenz Abwasser, Abfall 2011 (58) Nr.1, S. 40-<br />

49.<br />

Siekmann, Marko, 2011a: Wassersensible Stadtentwicklung. Überflutungsschutz, Anpassung an den<br />

Klimawandel, Handlungsbedarf bei den Kommunen, Vortrag TAH Workshop „Generalentwässerungsplanung“,<br />

Bochum.<br />

Siekmann, Marko, 2011b: Strategisches Konzept zur Bewertung der Vulnerabilität in urbanen Siedlungsräumen,<br />

Vortrag Essener Tagung 2011, Aachen.<br />

Siekmann, Marko, 2011c: Vortrag dynaklim Symposium 2011, Session 1: Resiliente Siedlungswasserwirtschaft-<br />

Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen, Anpassungsbedarf der regionalen Siedlungswasserwirtschaft,<br />

Recklinghausen, http://www.dynaklim.de/dynaklim/index/service/Symposium-<br />

2011_Unterseiten/Sessions/Session-1.html [Stand: 2012-04-25].<br />

57


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Siekmann, Marko / Benden, Jan, 2010: Handlungsempfehlungen zur städtebaulichen Anpassung an<br />

Starkregenereignisse. Vortrag auf dem Abschlussworkshop zum Forschungsvorhaben Wassersensible<br />

Stadtentwicklung - Maßnahmen <strong>für</strong> eine nachhaltige Anpassung der regionalen Siedlungswasserwirtschaft<br />

an Klimatrends <strong>und</strong> Extremwetter, 28.06.2010, BEW Essen.<br />

Siekmann, Thomas / Müller, Karsten, 2011: Adaptive potential of the stormwater management in urban<br />

areas faced by the climate change, Vortrag auf der 12. IWA ICUD in Porto Alegre, Brasilien.<br />

58


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Anpassung im ländlichen Raum: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Planung<br />

Christian Jacoby<br />

<strong>Regional</strong>entwicklung <strong>und</strong> <strong>Regional</strong>planung zur Anpassung an den Klimawandel am Beispiel des<br />

Landkreises Neumarkt in der Oberpfalz (Bayern) – Modellvorhaben der Raumordnung (MORO) KLIMA NEU<br />

Lutz Katzschner / Sebastian Kupski<br />

<strong>Regional</strong>klimakarten <strong>und</strong> ihre Nutzung <strong>für</strong> <strong>Klimaanpassung</strong>smaßnahmen<br />

Uta Steinhardt / Claudia Henze<br />

Raumbezogene Planung im Klimawandel – ebenen- <strong>und</strong> sektorübergreifend<br />

59


KLIMZUG-Workingpaper<br />

<strong>Regional</strong>entwicklung <strong>und</strong> <strong>Regional</strong>planung zur Anpassung an den<br />

Klimawandel am Beispiel des Landkreises Neumarkt in der Oberpfalz<br />

(Bayern) – Modellvorhaben der Raumordnung (MORO) KLIMA<br />

NEU<br />

Christian Jacoby<br />

1. Einleitung<br />

Die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) sieht <strong>die</strong> Raumplanung in einer „Vorreiterrolle“<br />

in Bezug auf <strong>die</strong> Entwicklung von Leitbildern <strong>für</strong> anpassungsfähige <strong>und</strong> belastbare (resiliente)<br />

Raumstrukturen (B<strong>und</strong>esregierung, 2008, 42). Aufgr<strong>und</strong> ihrer sektorübergreifenden Koordinierungsfunktion<br />

wird <strong>die</strong> Raumplanung häufig <strong>als</strong> zentrales Instrumentarium eines integrierten Ansatzes<br />

der klimagerechten Entwicklung einbezogen (B<strong>und</strong>esregierung, 2011, 52). Entsprechend sieht <strong>die</strong><br />

Ministerkonferenz <strong>für</strong> Raumordnung (MKRO) „in den gravierenden Folgen des Klimawandels wie steigenden<br />

Hochwasserrisiken <strong>und</strong> Trockenheits- <strong>und</strong> Hitzeproblemen eine zentrale <strong>Herausforderung</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Raumordnung in Deutschland“ (MKRO, 2009, 1).<br />

Diese Erkenntnis aufgreifend hat das B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Verkehr, Bau <strong>und</strong> Stadtentwicklung<br />

(BMVBS) <strong>und</strong> das B<strong>und</strong>esinstitut <strong>für</strong> Bau-, Stadt- <strong>und</strong> Raumforschung (BBSR) das Modellvorhaben<br />

der Raumordnung (MORO) "Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel" (KlimaMORO) durchgeführt,<br />

in dem regionale <strong>Klimaanpassung</strong>sstrategien durch Anwendung <strong>und</strong> Weiterentwicklung des<br />

raumordnerischen Instrumentariums in acht Modellregionen erarbeitet wurden. Auf der Abschlusskonferenz<br />

im November 2011 in Berlin wurden wichtige Ergebnisse des Vorhabens vorgestellt <strong>und</strong> diskutiert<br />

(zu dem Forschungsprogramm KlimaMORO siehe auch den Beitrag von Greiving/Dosch in <strong>die</strong>ser<br />

Publikation oder www.klimamoro.de).<br />

Als eine von acht „Modellregionen“ wurde der Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz (Bayern) in das<br />

Forschungsprogramm aufgenommen. Im Unterschied zu den sieben anderen Modellräumen handelt<br />

es sich dabei um keine Planungsregion, sondern um einen Landkreis innerhalb der Planungsregion<br />

Regensburg, <strong>die</strong> bereits seit Längerem im Handlungsbereich Erneuerbare Energien <strong>und</strong> Klimaschutz<br />

mit den Instrumenten der <strong>Regional</strong>entwicklung, insbesondere des <strong>Regional</strong>managements, aktiv ist<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> vorhandenen Netzwerke im Sinne des <strong>Regional</strong> Governance nutzt, um sich verstärkt auch<br />

den <strong>Herausforderung</strong>en der Anpassung an den Klimawandel zu stellen.<br />

Dem Forschungskonzept des Modellvorhabens im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz (kurz: Klima-<br />

NEU) liegt <strong>die</strong> Ausgangthese zugr<strong>und</strong>e, dass <strong>die</strong> <strong>Herausforderung</strong>en des Klimawandels im Hinblick<br />

auf eine klimagerechte Entwicklung der Siedlungs-, Freiraum- <strong>und</strong> Infrastruktur in den Regionen nur<br />

<strong>als</strong> Gemeinschaftsaufgabe von regionalen <strong>und</strong> kommunalen Planungsakteuren bewältigt werden können.<br />

Die gegenseitige Stimulation <strong>und</strong> Ergänzung sowie <strong>die</strong> Verknüpfung von regionalen <strong>und</strong> kommunalen<br />

Strategien <strong>und</strong> Maßnahmen <strong>für</strong> den Klimaschutz <strong>und</strong> <strong>die</strong> Anpassung an den Klimawandel können<br />

durch Aktivitäten der <strong>Regional</strong>entwicklung, im Freistaat Bayern vor allem auch auf der Ebene der<br />

Landkreise, initiiert, gefördert, moderiert <strong>und</strong> durch Netzwerkbildung mit den Stakeholdern zu einem<br />

verstetigten Anpassungsprozess geführt werden.<br />

Der Fokus des Modellvorhabens KlimaNEU liegt entsprechend nicht primär in der Anwendung <strong>und</strong><br />

Weiterentwicklung des formellen regionalplanerischen Instrumentariums, sondern in dem Ausloten der<br />

Handlungsfelder <strong>und</strong> -möglichkeiten der <strong>Regional</strong>entwicklung, <strong>die</strong> sich im Freistaat Bayern in den<br />

zurückliegenden Jahren politisch <strong>und</strong> institutionell im Wesentlichen auf der Ebene der Landkreise<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

etabliert haben. Solche Maßnahmen der <strong>Regional</strong>entwicklung <strong>die</strong>nen gemäß § 13 ROG insgesamt der<br />

„raumordnerischen Zusammenarbeit“, insbesondere auch der „Vorbereitung <strong>und</strong> Verwirklichung von<br />

Raumordnungsplänen“ sowie der „interkommunalen Zusammenarbeit“ (Höhnberg/Jacoby, 2011). Im<br />

Einzelnen handelt es sich in Umsetzung von § 13 Abs. 2 Nr. 2 ROG im Landkreis Neumarkt um <strong>die</strong><br />

Erarbeitung eines regionalen Entwicklungskonzepts, den Aufbau regionaler <strong>und</strong> interkommunaler<br />

Netzwerke <strong>und</strong> Kooperationsstrukturen sowie <strong>die</strong> Durchführung regionaler Foren <strong>und</strong> Erstellung von<br />

Aktionsprogrammen zu aktuellen Handlungsanforderungen. Mit dem Modellvorhaben KlimaNEU wurden<br />

in einem Dialog orientierte partizipative Verfahren unter Beteiligung der regionalen Planungsstellen<br />

wie auch der Gemeinden unter der Leitung des Verfassers, der bei <strong>die</strong>sem Vorhaben <strong>die</strong> „regionale<br />

Forschungsassistenz“ übernommen hat, im Ergebnis „Raumplanerische Handlungsempfehlungen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Regional</strong>planung <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Regional</strong>entwicklung“ <strong>für</strong> den Klimaschutz <strong>und</strong> <strong>die</strong> Anpassung an den<br />

Klimawandel erarbeitet. Ergänzend wurden von dem mitwirkenden Planungsbüro Valentum, Regensburg,<br />

mit einem „Handlungskonzept“ Empfehlungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gemeinden zusammengestellt. Nach einem<br />

Einblick in Struktur <strong>und</strong> Ablauf des Projekts KlimaNEU werden in <strong>die</strong>sem Beitrag <strong>die</strong> „Raumplanerischen<br />

Handlungsempfehlungen“, <strong>die</strong> <strong>als</strong> Entwurf <strong>für</strong> ein „Aktionsprogramm zu aktuellen Handlungsanforderungen“<br />

gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 ROG zu sehen sind, im Schwerpunkt vorgestellt.<br />

2. Struktur <strong>und</strong> Ablauf des Modellvorhabens KlimaNEU<br />

Im Rahmen des Modellvorhabens der Raumordnung (MORO) „Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel“<br />

(KlimaMORO) wurden in dem Modellraum Landkreis Neumarkt i.d.OPf. in dem Zeitraum<br />

von Mitte 2009 bis Mitte 2011 raumplanerische Strategien <strong>und</strong> Maßnahmen zum Klimaschutz <strong>und</strong><br />

insbesondere zur Anpassung an den Klimawandel <strong>für</strong> drei Themen- bzw. Handlungsfelder entwickelt:<br />

� Energien,<br />

� Siedlungs- <strong>und</strong> Infrastruktur, Bauwesen, Ges<strong>und</strong>heit sowie<br />

� Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Naturschutz, Tourismus.<br />

Hinzu kam <strong>als</strong> vierter Handlungsbereich <strong>die</strong> Bewusstseinsbildung der Akteure <strong>und</strong> Bürger im Landkreis<br />

mit Hilfe einer begleitenden Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere mit einer eigenen Webseite<br />

(http://www.klimaanpassung-landkreis-neumarkt.de/), mit der <strong>die</strong> erarbeiteten Stu<strong>die</strong>n, <strong>die</strong> durchgeführten<br />

Veranstaltungen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Workshop-Ergebnisse <strong>als</strong> auch <strong>die</strong> abschließenden Handlungsempfehlungen<br />

einer breiteren (Fach-)Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.<br />

Die Erarbeitung der Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel fand in dem Modellraum Landkreis<br />

Neumarkt i.d.OPf. unter intensiver Beteiligung der in der Region verantwortlichen Akteure wie<br />

auch der interessierten Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger statt. Zu <strong>die</strong>sem kooperativen <strong>und</strong> partizipativen Ansatz<br />

gehörte neben der allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit <strong>und</strong> Bewusstseinsbildung insbesondere <strong>die</strong><br />

Durchführung von mehreren Workshops während der Laufzeit des Modellvorhabens. Zu jedem der<br />

drei oben genannten Themen- bzw. Handlungsbereiche wurden Workshops mit den interessierten<br />

Vertretern aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft <strong>und</strong> Bürgerschaft durchgeführt.<br />

Die ersten Workshops in den drei Themenfeldern, <strong>die</strong> Anfang 2010 stattfanden, <strong>die</strong>nten der Erörterung<br />

der Aufgaben- <strong>und</strong> Problemstellung <strong>und</strong> hatten zum Ziel, jeweils auf Basis einer von der regionalen<br />

Forschungsassistenz erarbeiteten Stu<strong>die</strong> (Jacoby/Beutler/Heinisch/Wappelhorst, 2010 a-c) den<br />

Untersuchungsrahmen <strong>für</strong> den weiteren Ablauf des Forschungsvorhabens abzustecken <strong>und</strong> dabei<br />

insbesondere Schwerpunkte/Prioritäten <strong>für</strong> <strong>die</strong> weiteren Forschungsarbeiten zu bestimmen. Eine ergänzende<br />

schriftliche Befragung ausgewählter regionaler Institutionen <strong>und</strong> Akteure aus Verwaltung<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

<strong>und</strong> Wirtschaft im Zeitraum April/Mai 2010 <strong>die</strong>nte der Bewertung der in den ersten Workshops erarbeiteten<br />

Handlungsfelder.<br />

In einer zweiten Workshop-R<strong>und</strong>e in den drei Themenfeldern, <strong>die</strong> im Sommer 2010 stattfand, wurden<br />

<strong>die</strong> in den Befragungen erarbeiteten Ideen sowie Ergebnisse der Akteursbefragung weiterentwickelt<br />

sowie konkrete Handlungsvorschläge erarbeitet. Der dritte <strong>und</strong> letzte Workshop Anfang 2011 <strong>die</strong>nte<br />

der Konkretisierung von Maßnahmen zu ausgewählten raumplanerischen Handlungsvorschlägen. Zur<br />

Einschätzung der regionalen Klimafolgen wurden darüber hinaus zwei schriftliche Befragungen unter<br />

den Workshop-Teilnehmern durchgeführt:<br />

� eine ausführliche Befragung am Ende der ersten Workshop-R<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

� eine kurze (nicht repräsentative) Befragung am Ende der ersten Workshops <strong>und</strong> nach Beendigung<br />

des dritten Workshops, um <strong>die</strong> Effekte des Projektes auf <strong>die</strong> Einschätzung der regionalen<br />

Klimafolgen zu messen.<br />

Auf Gr<strong>und</strong>lage der von der regionalen Forschungsassistenz erarbeiteten Inputs <strong>für</strong> <strong>die</strong> Workshops<br />

(Überblick über <strong>die</strong> möglichen Folgen des Klimawandels, <strong>die</strong> übergeordneten Anpassungsstrategien<br />

sowie das verfügbare Planungsinstrumentarium) <strong>und</strong> den Ergebnissen der Workshops <strong>und</strong> Befragungen<br />

wurden <strong>die</strong> wesentlichen <strong>für</strong> den Modellraum Landkreis Neumarkt i.d.OPf. erarbeiteten raumplanerischen<br />

Handlungsempfehlungen <strong>für</strong> den Klimaschutz <strong>und</strong> <strong>die</strong> Anpassung an den Klimawandel <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> regionale Handlungsebene (<strong>Regional</strong>planung, <strong>Regional</strong>entwicklung <strong>und</strong> <strong>Regional</strong>management) in<br />

einem gesonderten Dokument dargestellt (Jacoby/Beutler/Wappelhorst, 2011). Neben <strong>die</strong>sen Vorschlägen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> regionale Handlungsebene wurde <strong>für</strong> <strong>die</strong> kreisangehörigen Kommunen ein entsprechendes<br />

Handlungskonzept von dem Büro Valentum Consulting Group, Regensburg, erstellt.<br />

Abbildung 1: Auszug aus den Stu<strong>die</strong>n <strong>für</strong> KlimaNEU <strong>als</strong> Input <strong>für</strong> <strong>die</strong> Workshops, hier: Änderung<br />

der Sommer- (links) <strong>und</strong> Winterniederschläge (rechts) im Zeitraum 2021-2050 gegenüber<br />

1971-2000 (ECHAM 5, WETTREG_2006)<br />

Quelle: KLIWA 2010, in: Jacoby/Beutler/Heinisch/Wappelhorst, 2010 a-c, 10<br />

Die Erkenntnisse aus dem Forschungsvorhaben sollen in <strong>die</strong> weiteren Planungsprozesse auf regionaler,<br />

Landkreis- <strong>und</strong> Gemeindeebene einfließen. Die Verlängerung des Modellvorhabens KlimaNEU im<br />

Rahmen der „Verstetigungsphase“ von KlimaMORO soll genutzt werden, um <strong>die</strong> Resilienz (Widerstandsfähigkeit/Robustheit)<br />

der regionalen Siedlungs-, Freiraum- <strong>und</strong> Infrastruktur in Bezug auf den<br />

Klimawandel durch erfolgreiche Planungen <strong>und</strong> Maßnahmen mittelfristig deutlich zu verbessern.<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

3. Handlungsempfehlungen <strong>für</strong> <strong>Regional</strong>planung <strong>und</strong> -entwicklung<br />

Die im Rahmen des Modellvorhabens KlimaNEU erarbeiteten Stu<strong>die</strong>n sowie durchgeführten Workshops<br />

<strong>und</strong> Befragungen führten im Ergebnis zu raumplanerischen Handlungsempfehlungen <strong>für</strong> den<br />

Klimaschutz <strong>und</strong> <strong>die</strong> Anpassung an den Klimawandel insbesondere <strong>für</strong> <strong>die</strong> regionale Handlungsebene,<br />

das heißt <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Regional</strong>planung in der Region Regensburg <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Regional</strong>entwicklung im<br />

Landkreis Neumarkt i.d.OPf. Diese Empfehlungen werden im Folgenden untergliedert nach den drei<br />

Themengruppen „Energien“, „Siedlungs- <strong>und</strong> Infrastruktur, Bauwesen, Ges<strong>und</strong>heit“ sowie „Land- <strong>und</strong><br />

Forstwirtschaft, Naturschutz, Tourismus“ zusammenfassend vorgestellt.<br />

3.1 Themengruppe „Energien“<br />

Förderung alternativer Produktionsformen von Biomasse<br />

Mit dem Anbau von Energiepflanzen geht regelmäßig auch eine Zunahme von Monokulturen einher,<br />

womit sich <strong>die</strong> vom Klimawandel bedingten Probleme potenzieren. Einerseits soll <strong>die</strong> Produktion von<br />

Biomasse zur Förderung des Klimaschutzes forciert werden, andererseits entstehen durch ihre vermehrte<br />

Erzeugung landwirtschaftliche Strukturen, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Folgen des Klimawandels besonders<br />

gefährdet sind. Deshalb soll der Anbau von neuen, ökologisch verträglichen, sowohl einjährigen <strong>als</strong><br />

auch mehrjährigen Energiepflanzen im Rahmen von Pilotprojekten verstärkt im Landkreis untersucht<br />

<strong>und</strong> gefördert werden, um Erkenntnisse zu alternativen Formen der Produktion von Energiepflanzen<br />

zu gewinnen <strong>und</strong> <strong>die</strong>se zu verbreiten. <strong>Regional</strong>entwicklung <strong>und</strong> <strong>Regional</strong>management im Landkreis<br />

Neumarkt können <strong>die</strong> Weiterentwicklung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Züchtung <strong>die</strong>ser Pflanzen unterstützen, indem Kontakte<br />

zu entsprechenden Forschungseinrichtungen aufgenommen <strong>und</strong> Netzwerke aufgebaut sowie<br />

landwirtschaftliche Betriebe in der Region <strong>für</strong> Pilotprojekte gewonnen werden. Weiterhin sollte vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> der klimabedingten Veränderungen verstärkt informiert <strong>und</strong> somit Sensibilität <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

ökologischen Gefahren von Monokulturen geschaffen werden.<br />

Im Rahmen von <strong>Regional</strong>entwicklung <strong>und</strong> -management sollte auch das Wissen über <strong>die</strong> weiteren<br />

Möglichkeiten der Bioenergienutzung verstärkt gefördert <strong>und</strong> verbreitet werden, damit eine einseitige<br />

Ausrichtung auf wenige Fruchtarten vermieden wird. Neben den Energiepflanzen bieten auch<br />

schnellwachsende Baumarten („Energiewaldpflanzungen“) sowie <strong>die</strong> Nutzung von Gülle <strong>und</strong> anderen<br />

Reststoffen Bioenergiepotenziale. Vor allem letzteres könnte <strong>die</strong> Flächenkonkurrenz zur sonstigen<br />

landwirtschaftlichen Produktion vermindern.<br />

Förderung effizienter Nutzungsformen von Biomasse<br />

Beim Betrieb von Biomasseanlagen bleiben gegenwärtig große Potenziale zur Effizienzsteigerung<br />

ungenutzt. So könnte durch <strong>die</strong> konsequente Nutzung der Abwärme der Wirkungsgrad von Bioenergieanlagen<br />

wesentlich erhöht werden. Der Landkreis <strong>und</strong> das <strong>Regional</strong>management können den Anlagenbetreibern<br />

durch Beratungs- <strong>und</strong> Informationsangebote Möglichkeiten der Effizienzsteigerung<br />

aufzeigen <strong>und</strong> bei der Beantragung von Fördergeldern <strong>für</strong> Effizienzsteigerungsmaßnahmen Unterstützung<br />

geben. Daneben sollte ein Pool aus (regionalen) Fachleuten, <strong>die</strong> bereits spezialisierte Erfahrungen<br />

auf <strong>die</strong>sem Gebiet gesammelt haben <strong>und</strong> an <strong>die</strong> sich Interessierte bei Bedarf wenden können,<br />

gebildet werden. Weiterhin sind <strong>die</strong> Effizienzpotenziale auch bei der Aufstellung bzw. Fortschreibung<br />

von regionalen Energie- <strong>und</strong> Klimaschutzkonzepten zu berücksichtigen, insbesondere auch im Zusammenhang<br />

mit dem möglichen Ausbau von Nahwärmenetzen.<br />

Einrichten eines Flächenmanagements <strong>für</strong> landwirtschaftliche Flächen<br />

Die Nutzungskonflikte auf landwirtschaftlichen Flächen zwischen Nahrungsmittel- <strong>und</strong> Energiepflanzenproduktion<br />

nehmen zu. Der Anbau von Energiepflanzen geht dabei zumeist auf Kosten der land-<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

wirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion. Der Bedarf an landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen<br />

darf gleichzeitig aber nicht auf Kosten von extensiven Landnutzungsflächen oder Biotopflächen<br />

gehen, weil dadurch – zusätzlich zu den Gefahren aus den Folgen des Klimawandels – <strong>die</strong> ökologische<br />

Leistungs- <strong>und</strong> Funktionsfähigkeit der Kulturlandschaft reduziert wird <strong>und</strong> ein Verlust von Struktur-<br />

<strong>und</strong> Artenvielfalt droht.<br />

<strong>Regional</strong>entwicklung <strong>und</strong> -management im Landkreis sollten mit Unterstützung der Landwirtschaftsverbände<br />

Diskussions- <strong>und</strong> Abstimmungsprozesse zwischen den Akteuren anstoßen sowie Schulungs-<br />

oder Weiterbildungsprogramme fördern, mit dem Ziel, mittel- bis langfristig ein regionales Management<br />

der landwirtschaftlichen Flächennutzung <strong>für</strong> ein ausgewogenes Verhältnis von Nahrungsmittel-<br />

<strong>und</strong> Energiepflanzen-Anbauflächen zu installieren. Die regional benötigte Nahrungsmittel- <strong>und</strong><br />

Energiepflanzenmenge bzw. <strong>die</strong> entsprechend da<strong>für</strong> benötigten Flächen müssen hierbei <strong>als</strong> Abstimmungsgr<strong>und</strong>lage<br />

<strong>die</strong>nen, um regionale Nahrungsmittel- <strong>und</strong> Energiekreisläufe zu ermöglichen. Eventuelle<br />

Markt- oder Preisschwankungen sind dann verstärkt auch mit dem Einsatz von Anreizinstrumenten<br />

auszugleichen, zum Beispiel durch Unterstützung der Vermarktung von regionalen Produkten im<br />

Rahmen von regionalen Messen, Märkten <strong>und</strong> sonstigen Veranstaltungen.<br />

<strong>Regional</strong>es Energie- <strong>und</strong> Klimaschutzkonzept erarbeiten<br />

Das regionale Energie- <strong>und</strong> Klimaschutzkonzept, das vom Landratsamt bereits beauftragt wurde, soll<br />

<strong>als</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> ein zielgerichtetes Umsetzen von energiepolitischen Zielen im Bereich der Energieeinsparung,<br />

der Effizienzsteigerung <strong>und</strong> der dezentralen Energiebereitstellung aus Erneuerbaren<br />

Energien im Landkreis Neumarkt <strong>die</strong>nen. Dabei sollten <strong>die</strong> derzeitigen Verbräuche <strong>und</strong> ihre prognostizierten<br />

Veränderungen erfasst, <strong>die</strong> kurz- bis mittelfristig technisch <strong>und</strong> wirtschaftlich umsetzbaren<br />

Energieeinsparpotenziale einberechnet sowie <strong>die</strong> Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung <strong>und</strong> zur Nutzung<br />

regenerativer Energien bewertet werden (deENet, 2010, 4).<br />

Bei der Erstellung des Konzeptes ist weiterhin darauf zu achten, regionale Stoffkreisläufe <strong>für</strong> <strong>die</strong> Produktion<br />

von Biomasse <strong>und</strong> Nahrungsmittel zugr<strong>und</strong>e zu legen <strong>und</strong> eine Vermeidung möglicher Flächennutzungskonflikte<br />

zu berücksichtigen. Ein weiteres Kernthema im Rahmen der Effizienzbetrachtung<br />

müssen das Ausbaupotenzial von Verteilungsnetzen (zum Beispiel Nahwärmenetze) sowie <strong>die</strong><br />

Berücksichtigung optimierter Verbindungsmöglichkeiten lokaler Produktions- <strong>und</strong> Abnehmerstrukturen<br />

von Energie sein. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang sind hinsichtlich der erwarteten zusätzlichen Hitzebelastungen<br />

neben Wärme- auch verstärkt Kälteverbünde in <strong>die</strong> Überlegungen einzubeziehen.<br />

Weiterhin sollten im Rahmen eines regionalen Energie- <strong>und</strong> Klimaschutzkonzeptes <strong>die</strong> bestehenden<br />

<strong>und</strong> zukünftigen Standorte von Energieproduktions- <strong>und</strong> Energieverteilungsanlagen hinsichtlich ihrer<br />

Vulnerabilität gegenüber Extremwetterereignissen <strong>und</strong> deren Folgen (beispielsweise ein Erdrutsch)<br />

analysiert werden. Zur Verminderung der Auswirkungen von eventuellen Ausfällen ist gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

eine vielfältige dezentrale Energieerzeugung <strong>und</strong> -verteilung anzustreben. Um neben Lastspitzen<br />

auch Unterbrechungen der Energieproduktion ausgleichen zu können, sind weiterhin mögliche Technologien<br />

<strong>und</strong> Ausbaupotenziale der Energiespeicherung (zum Beispiel Pumpspeicherkraftwerk,<br />

Druckluftspeicher, Stromspeicher) in der Region anzudenken <strong>und</strong> zu berücksichtigen.<br />

Raumplanerische Steuerungsmöglichkeiten der Windenergiegewinnung nutzen<br />

Im 2007 aufgestellten Entwicklungskonzept wurde <strong>für</strong> den Landkreis Neumarkt eine vollständige Versorgung<br />

aus erneuerbaren Energien anvisiert. Zur Erreichung <strong>die</strong>ses Ziels ist auch <strong>die</strong> verstärkte Nutzung<br />

der Windenergie erforderlich. Die damit verb<strong>und</strong>ene Beeinträchtigung des Landschaftsbildes <strong>und</strong><br />

weitere mögliche negative Umweltauswirkungen müssen durch eine verbindliche Steuerung der<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

Standorte minimiert werden. Solange Vorgaben der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der<br />

Windenergienutzung fehlen, ist eine im Landkreis abgestimmte Ausweisung geeigneter, konfliktarmer<br />

Standorte auf kommunaler Ebene dringend zu empfehlen.<br />

In den Gemeinden müssen da<strong>für</strong> windhöffige Standorte nach den Anforderungen des Natur-, Umwelt<strong>und</strong><br />

Landschaftsschutzes ausgewählt <strong>und</strong> <strong>als</strong> sogenannte Konzentrationszonen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Windkraftnutzung<br />

im Flächennutzungsplan ausgewiesen werden. Es besteht weiterhin <strong>die</strong> Möglichkeit, einen Teilflächennutzungsplan<br />

gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 BauGB <strong>und</strong> vorhabenbezogene Bebauungspläne aufzustellen.<br />

<strong>Regional</strong>entwicklung <strong>und</strong> -management sollten bei den Kommunen werben, im Sinne einer<br />

Angebots- aber auch Konzentrationsplanung in ihrem Gemeindegebiet Vorrang- <strong>und</strong> Tabuzonen <strong>für</strong><br />

Windkraft festzulegen <strong>und</strong> dabei eine interkommunale Abstimmung der Flächenausweisungen vorzunehmen.<br />

Da zu Beginn der Projektlaufzeit eine Festsetzung von Konzentrationszonen zugunsten von Windkraftanlagen<br />

im <strong>Regional</strong>plan <strong>für</strong> <strong>die</strong> Planungsregion Regensburg insgesamt nicht durchsetzbar erschien,<br />

hat der Landkreis eine Teilfortschreibung des <strong>Regional</strong>plans hinsichtlich der Ausweisung von<br />

Vorrangflächen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Windenergienutzung ausschließlich <strong>für</strong> das Gebiet des Landkreises Neumarkt<br />

in Gang gesetzt. Zum Ende der Projektlaufzeit wurde deutlich, dass <strong>die</strong>se Initiative des Landkreises<br />

<strong>als</strong> Planungsimpuls <strong>für</strong> <strong>die</strong> anderen Landkreise <strong>und</strong> damit <strong>für</strong> <strong>die</strong> gesamte Planungsregion wirkte.<br />

Monitoring hinsichtlich der Nachfrage nach Flächen <strong>für</strong> Photovoltaik-Freiflächenanlagen<br />

Durch <strong>die</strong> derzeitigen Regelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) aus dem Jahr 2010 zur<br />

Strom-Einspeisevergütung aus Photovoltaik-Freiflächenanlagen ist der bis vor kurzem noch bestehende<br />

enorme Handlungsdruck bezüglich einer Flächensteuerung <strong>für</strong> Freiflächenanlagen nicht mehr<br />

gegeben, da <strong>die</strong> <strong>die</strong>sbezügliche Nachfrage stark nachgelassen hat. Aufgr<strong>und</strong> der momentanen Umbrüche<br />

in der b<strong>und</strong>esweiten Energiepolitik können sich aber schon bald wieder Änderungen der Rahmenbedingungen<br />

<strong>für</strong> Photovoltaik-Freiflächenanlagen ergeben. Deshalb sollte ein Monitoring hinsichtlich<br />

der Nachfrage nach Flächen <strong>für</strong> Photovoltaik-Freiflächenanlagen im Landkreis installiert werden,<br />

um im Bedarfsfall auf kommunaler <strong>und</strong> interkommunaler Ebene schnell reagieren zu können.<br />

In einer perspektivischen, vorausschauenden Beschäftigung mit <strong>die</strong>sem Thema sollten entsprechend<br />

dem Vorbild der Planungsempfehlungen <strong>für</strong> Kommunen der Obersten Baubehörde im Bayerischen<br />

Staatsministerium des Innern (OBB 2011) auch seitens des <strong>Regional</strong>en Planungsverbandes Kriterien<br />

festgelegt werden, wie eine zukünftige raumverträgliche Steuerung großflächiger Anlagen bei einer<br />

wieder größeren Flächennachfrage in der Region auf überörtlicher Ebene zu behandeln ist.<br />

Solarflächenkataster <strong>und</strong> Solarflächenbörse aufbauen<br />

Mit einem Solarflächenkataster sollen alle bebauten <strong>und</strong> unbebauten Flächen im Landkreis Neumarkt<br />

erfasst werden, <strong>die</strong> städtebaulich <strong>und</strong> landschaftsplanerisch verträglich <strong>für</strong> eine Solarenergienutzung<br />

zur Verfügung stehen. Das Ergebnis der Potenzialanalyse muss auch in das Energie- <strong>und</strong> Klimaschutzkonzept<br />

des Landkreises einfließen. <strong>Regional</strong>entwicklung <strong>und</strong> <strong>Regional</strong>management im Landkreis<br />

Neumarkt können zur Förderung der Solarenergie den Aufbau eines Solarflächenkatasters initiieren<br />

<strong>und</strong> das Einrichten <strong>und</strong> Verwalten einer Solarflächenbörse übernehmen. Alternativ könnte <strong>die</strong>se<br />

Aufgabe der Bürgergenossenschaft „Jurenergie“, <strong>die</strong> vom Landratsamt <strong>und</strong> der Regina GmbH initiiert<br />

worden ist, übertragen werden. Für <strong>die</strong> Solarflächenbörse bietet sich eine jeweils eigene Sparte auf<br />

der Internetseite des Landkreises oder des <strong>Regional</strong>managements an.<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

3.2 Themengruppe „Siedlungs- <strong>und</strong> Infrastruktur, Bauwesen, Ges<strong>und</strong>heit“<br />

<strong>Regional</strong>planerische Steuerung flächensparender Siedlungsstrukturen<br />

Flächensparende Siedlungsstrukturen <strong>die</strong>nen dem Boden- <strong>und</strong> Freiraumschutz, aber auch dem Klimaschutz<br />

durch Förderung kompakter Bauformen <strong>und</strong> Vermeidung von Verkehrsleistungen. Auch der<br />

vorbeugende Hochwasserschutz, der durch <strong>die</strong> Folgen des Klimawandels in Zukunft noch an Bedeutung<br />

gewinnen wird, kann damit durch Verminderung der Bodenversiegelung unterstützt werden.<br />

Interkommunale Zusammenarbeit bei der Siedlungsplanung<br />

In Ergänzung oder gegebenenfalls auch <strong>als</strong> Ersatz <strong>für</strong> eine fehlende regionalplanerische Steuerung<br />

der Siedlungsentwicklung sollen <strong>Regional</strong>entwicklung <strong>und</strong> <strong>Regional</strong>management im Landkreis Neumarkt<br />

darauf hinwirken, dass <strong>die</strong> Gemeinden bei der Entwicklung von Siedlungsflächen, insbesondere<br />

Gewerbegebieten, eine interkommunal oder sogar im gesamten Landkreis langfristig abgestimmte<br />

Siedlungskonzeption entwickeln, um so <strong>die</strong> Ziele einer umweltgerechten, flächensparenden <strong>und</strong> verkehrsvermeidenden<br />

Siedlungsentwicklung besser umsetzen zu können.<br />

Förderung einer energetischen, umwelt- <strong>und</strong> klimaverträglichen Bauleitplanung<br />

Im Rahmen der Aktivitäten der <strong>Regional</strong>entwicklung <strong>und</strong> des <strong>Regional</strong>managements sollten <strong>die</strong> Anstrengungen<br />

der Gemeinden hinsichtlich der verstärkten Berücksichtigung der Umwelt- <strong>und</strong> insbesondere<br />

der Klimabelange in der Bauleitplanung unterstützt werden. So könnte etwa eine Zusammenstellung<br />

guter Beispiele einer energetisch optimierten, klimaverträglichen wie auch flächensparenden<br />

Flächennutzungs- <strong>und</strong> Bebauungsplanung <strong>als</strong> Hilfestellung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gemeinden des Landkreises erarbeitet<br />

werden. Mit Hilfe der kommunalen Landschaftsplanung <strong>und</strong> naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung<br />

sowie einem konstruktiven Umgang mit der Umweltprüfung in der Bauleitplanung können <strong>die</strong><br />

Einflüsse der Bebauung auf das Klima einerseits <strong>und</strong> <strong>die</strong> klimarelevanten Funktionen von Natur <strong>und</strong><br />

Freiräumen andererseits auf <strong>die</strong> Frisch- <strong>und</strong> Kaltluftversorgung in Siedlungsgebieten besser berücksichtigt<br />

werden. Mit integrierten Konzepten zur Freiraumentwicklung können Beiträge zur Minimierung<br />

von Aufheizungseffekten, zur Sicherung von Frischluftschneisen, zur Förderung standortangepasster<br />

Bewässerungssysteme <strong>für</strong> öffentliche Grünflächen <strong>und</strong> vieles mehr erzielt werden. Ferner wäre zu<br />

prüfen, ob mit der Einrichtung (inter-)kommunaler Flächenpools <strong>die</strong> Umsetzung der verschiedenen<br />

<strong>Klimaanpassung</strong>smaßnahmen im praktischen Vollzug erleichtert werden kann.<br />

Risikoanalyse der Hochwassergefährdung von Siedlungsräumen durchführen<br />

In Ergänzung der Risikoanalysen im Zuge der Erstellung von Hochwassergefahrenkarten, Hochwasserrisikokarten<br />

<strong>und</strong> Hochwasserrisikomanagementpläne gemäß des Wasserhaushaltsgesetzes<br />

(WHG) sollte <strong>für</strong> den Landkreis Neumarkt i.d.OPf. eine kleinräumige Risikoanalyse der Hochwassergefährdung<br />

von Siedlungsräumen durchgeführt werden. Die Koordinierung kann beispielsweise durch<br />

den Landkreis Neumarkt erfolgen, in Zusammenarbeit mit dem Wasserwirtschaftsamt <strong>und</strong> den betroffenen<br />

Gemeinden. Zur Vorbereitung von Anpassungsmaßnahmen können durch <strong>die</strong>se Risikoanalyse<br />

direkte <strong>und</strong> indirekte potenzielle Schäden eines Hochwassers im Landkreis Neumarkt abgeschätzt<br />

werden. Diese Informationen können auch dazu beitragen, das Bewusstsein hinsichtlich der<br />

Notwendigkeit privater <strong>und</strong> öffentlicher Hochwasservorsorge zu stärken.<br />

Vermehrte Festsetzung von Überschwemmungsgebieten<br />

Die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten erfolgt mit dem Ziel, Schäden durch Hochwasserereignisse<br />

zu verringern oder gänzlich zu vermeiden <strong>und</strong> zählt zu den strategischen Vorsorgemaßnahmen<br />

im vorbeugenden Hochwasserschutz. Als Berechnungsgr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bestimmung der Grenzen<br />

von Überschwemmungsgebieten wird in der Regel ein Hochwasserereignis herangezogen, wie es<br />

statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist (HQ 100). Da sich der Klimawandel verstärkt auf den<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

Wasserhaushalt auswirkt <strong>und</strong> sich auch deshalb schwere Hochwasserereignisse häufen, wird in der<br />

Fachdiskussion gefordert, den Orientierungswert HQ 100 um einen „Klimaaufschlag“ zu erhöhen. Im<br />

Freistaat Bayern ist entsprechend bereits in 2004 <strong>für</strong> den technischen Hochwasserschutz ein Klimaänderungszuschlag<br />

von 15% eingeführt worden (BayStMUG, 2009, 18). Für <strong>die</strong> Region Regensburg<br />

bedeutet <strong>die</strong>s, dass <strong>die</strong> Landratsämter auf Vorschlag der Wasserwirtschaftsämter alle ermittelten<br />

Überschwemmungsgebiete konsequent ausweisen <strong>und</strong> <strong>die</strong>se im <strong>Regional</strong>plan nachrichtlich übernommen<br />

werden. Darüber hinaus sollte <strong>die</strong> <strong>Regional</strong>planung Vorranggebiete <strong>für</strong> den Hochwasserschutz<br />

ausweisen (siehe weiter unten). Hinsichtlich der Bestimmung der Überschwemmungsgebietsgrenzen<br />

wäre es sinnvoll, wenn <strong>die</strong> Landratsämter auch hier einen Klimaaufschlag einführen. Dies<br />

sollte <strong>als</strong> bisher noch freiwillige Maßnahme im Einvernehmen mit den betroffenen Gemeinden geschehen,<br />

solange keine landesweite Regelung <strong>für</strong> Bayern erfolgt.<br />

Überprüfung <strong>und</strong> Weiterentwicklung wasserwirtschaftlicher Vorranggebiete<br />

Zur Verringerung zukünftiger Hochwasserschäden stellt <strong>die</strong> Flächenvorsorge eine wichtige Maßnahme<br />

dar. Vor <strong>die</strong>sem Hintergr<strong>und</strong> sollten Überschwemmungsgebiete von Bebauung freigehalten werden.<br />

Die <strong>Regional</strong>planung spielt in <strong>die</strong>sem Zusammenhang eine bedeutende Rolle, da auf <strong>die</strong>ser<br />

Ebene <strong>die</strong> Belange des Hochwasserschutzes in einem überörtlichen Rahmen abgestimmt <strong>und</strong> gesichert<br />

werden können durch <strong>die</strong> Ausweisung von Vorranggebieten <strong>für</strong> den Hochwasserabfluss <strong>und</strong><br />

Hochwasserrückhalt (Vorranggebiete Hochwasserschutz).<br />

In der Region Regensburg sind vor dem Hintergr<strong>und</strong> der dargestellten Klimaszenarien <strong>und</strong> Risiken<br />

von Seiten des <strong>Regional</strong>en Planungsverbandes/des Regionsbeauftragten in Abstimmung mit den<br />

Wasserwirtschaftsämtern <strong>und</strong> den Gemeinden wasserwirtschaftliche Vorranggebiete zu überprüfen<br />

<strong>und</strong> gegebenenfalls zu erweitern. Diese erweiterten Vorranggebiete sollten im Sinne eines Klimaaufschlags<br />

neben den nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 WHG festzusetzenden Überschwemmungsgebieten auch<br />

weitere Flächen wie potenzielle Überflutungsbereiche <strong>und</strong> rückgewinnbare Überschwemmungsbereiche<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Hochwasserentlastung <strong>und</strong> -rückhaltung gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 2 WHG umfassen, insbesondere<br />

wenn eine verstärkte Hochwassergefährdung durch den Klimawandel im Rahmen einer Risikoanalyse<br />

festgestellt wird. Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob eine Ergänzung der wasserwirtschaftlichen<br />

Vorranggebiete um entsprechende Vorbehaltsgebiete im <strong>Regional</strong>plan zur Berücksichtigung<br />

der Unsicherheiten bei den Klimaszenarien sinnvoll ist, um Gebiete <strong>für</strong> den Hochwasserschutz<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Trinkwasserversorgung langfristig zu sichern, insbesondere vor dem Hintergr<strong>und</strong> zunehmender<br />

Hochwasserereignisse einerseits <strong>und</strong> Hitzeperioden in den Sommermonaten andererseits.<br />

Erweiterte Integration der Wasserrückhaltung in <strong>die</strong> multifunktionalen <strong>Regional</strong>en Grünzüge<br />

Als eine Anpassungsmaßnahme können im <strong>Regional</strong>plan <strong>für</strong> <strong>die</strong> Region Regensburg neben Vorrang<strong>und</strong><br />

gegebenenfalls Vorbehaltsgebieten <strong>für</strong> den Hochwasserschutz auch Gebiete zur Erhaltung <strong>und</strong><br />

Verbesserung des Wasserrückhaltevermögens aufgenommen werden, um <strong>die</strong> Hochwasserentstehung<br />

„in der Fläche“ zu vermeiden. Diese Gebiete lassen sich wie auch <strong>die</strong> Vorbehaltsgebiete sehr gut in<br />

<strong>die</strong> multifunktionalen <strong>Regional</strong>en Grünzüge integrieren.<br />

Unterstützung der Kommunen beim Hochwasserschutz<br />

Bei der Berücksichtigung der ausgewiesenen Überschwemmungsgebiete, der vorgeschlagenen Vorrang-<br />

<strong>und</strong> Vorbehaltsgebiete sowie sonstiger Vorgaben zum Hochwasserschutz im Rahmen der<br />

kommunalen Bauleitplanung müssen <strong>die</strong> Kommunen unterstützt werden. Hier kann über <strong>die</strong> vorliegenden<br />

Leitfäden hinaus insbesondere der Landkreis Neumarkt in Kooperation mit der Wasserwirtschaftsverwaltung<br />

den Gemeinden Hilfestellung bieten.<br />

67


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Zusätzliche Rückhalteräume <strong>und</strong> Flutgräben in Siedlungsbereichen<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> zunehmender Extremwetter-/Starkregenereignisse sollten in den Siedlungsbereichen<br />

zusätzliche Rückhalteräume <strong>und</strong> Flutgräben festgelegt werden. Da <strong>die</strong>s in einzelnen Teilräumen<br />

auch von überörtlicher Relevanz sein kann, sollte auch hier der Landkreis <strong>als</strong> Initiator <strong>und</strong> Koordinator<br />

auftreten <strong>und</strong> in Zusammenarbeit mit dem Wasserwirtschaftsamt <strong>und</strong> den betroffenen Gemeinden<br />

Bereiche ermitteln, <strong>die</strong> im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung zu sichern sind.<br />

Sicherung der Trinkwasserversorgung/Überprüfung der Wasserschutzgebiete<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong>, dass <strong>die</strong> Sommermonate immer trockener werden, ist auf regionaler Ebene <strong>die</strong><br />

Trinkwasserversorgung durch entsprechende Festlegungen von Vorranggebieten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Trinkwassergewinnung<br />

zu sichern. Da<strong>für</strong> ist zu prüfen, ob weitere Standorte <strong>für</strong> Speicher zur Niedrigwasseraufhöhung<br />

erforderlich sind. Langfristig könnte auch <strong>die</strong> Anlage einer Trinkwassert<strong>als</strong>perre in Verbindung<br />

mit einer Wasserkraftanlage <strong>und</strong>/oder einem Pumpspeicherkraftwerk in Frage kommen.<br />

3.3 Themengruppe „Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Naturschutz, Tourismus“<br />

Ausgewogene, bedarfsgerechte Entwicklung der regionalen Biomasseproduktion<br />

Im Bereich der Landwirtschaft ist durch Maßnahmen der <strong>Regional</strong>entwicklung <strong>und</strong> des <strong>Regional</strong>managements<br />

eine ausgewogene Entwicklung regionaler Nahrungsmittelproduktion <strong>und</strong> regionaler Versorgung<br />

mit nachwachsenden Rohstoffen zu fördern. Die Erstellung einer Biomassestu<strong>die</strong> <strong>für</strong> den<br />

Landkreis kann hierbei eine wertvolle Informations- <strong>und</strong> Diskussionsgr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> <strong>die</strong> erforderlichen<br />

Abstimmungsprozesse in der Landwirtschaft sein.<br />

Förderung von Anpassungsstrategien in der Landwirtschaft im Bereich des Pflanzenbaus<br />

Der landwirtschaftliche Pflanzenbau ist nicht nur im Hinblick auf den Klimaschutz in Richtung einer<br />

Senkung der mit der Landbewirtschaftung verb<strong>und</strong>enen Treibhausgasemissionen zu optimieren, sondern<br />

auch an <strong>die</strong> mit dem Klimawandel verb<strong>und</strong>enen höheren Kohlendioxid-Konzentrationen, Temperaturerhöhungen,<br />

häufigeren Extremwetterereignissen <strong>und</strong> ungünstigeren Niederschlagsverteilungen<br />

anzupassen (Verband der Landwirtschaftskammern, 2010, 3). Dieser Anpassungsprozess wird vor<br />

allem von den Ämtern <strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft <strong>und</strong> Forsten sowie den Landwirtschaftskammern<br />

<strong>und</strong> –verbänden vorangetrieben, kann jedoch von der <strong>Regional</strong>entwicklung im Landkreis Neumarkt<br />

aus einer gesamträumlichen Sicht mit unterstützt werden.<br />

Vorrangausweisungen <strong>für</strong> eine klimaverträgliche <strong>und</strong> -resiliente Landwirtschaft<br />

Sofern das in Aufstellung befindliche neue Landesplanungsgesetz Bayern <strong>die</strong>s zulässt, könnte <strong>die</strong><br />

<strong>Regional</strong>planung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Region Regensburg in intensiver Abstimmung mit den zuständigen Landwirtschaftskammern<br />

<strong>und</strong> Verbänden/Vereinen in der Landwirtschaft regionale Vorranggebiete <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Landwirtschaft speziell <strong>für</strong> solche Flächen festlegen, <strong>die</strong> unter Berücksichtigung der derzeitigen Anbaubedingungen<br />

(Bodengüte, klimatische Faktoren, Bodenwasserhaushalt etc.) <strong>und</strong> insbesondere der<br />

Folgen des Klimawandels besonders günstige Voraussetzungen <strong>für</strong> eine umwelt- <strong>und</strong> klimaverträgliche<br />

wie auch klimaresiliente Landbewirtschaftung bieten. Sollen dabei <strong>die</strong> hohen Unsicherheiten bei<br />

den Klimaszenarien stärker berücksichtigt werden, können alternativ oder in Kombination mit den<br />

Vorranggebieten auch Vorbehaltsgebiete <strong>für</strong> <strong>die</strong> Landwirtschaft ausgewiesen werden. Denkbar wäre<br />

auch eine spezielle Ausweisung <strong>für</strong> den biologischen Landbau.<br />

Die Überlegungen <strong>für</strong> eine differenzierte Ausweisung von Vorranggebieten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Landwirtschaft (mit<br />

klimaresilienten Anbauvoraussetzungen) wurden in den Workshop-R<strong>und</strong>en zugunsten von informellen<br />

Abstimmungs- <strong>und</strong> Planungsprozessen, vorzugsweise auf kommunaler Ebene, zurückgestellt.<br />

68


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Unterstützung des Waldumbaus hin zu reich strukturierten, klimaresilienten Waldflächen<br />

Für den Bereich der Forstwirtschaft wird <strong>die</strong> Weiterführung der Aktivitäten der Forstverwaltung in Richtung<br />

eines klimaangepassten Waldumbaus empfohlen. Hierbei sollen <strong>die</strong> möglichen Synergieeffekte,<br />

<strong>die</strong> mit reich strukturierten, klimaresilienten Waldflächen in Bezug auf <strong>die</strong> Entwicklung des Tourismus,<br />

aber auch mit Blick auf den Arten- <strong>und</strong> Biotopschutz verb<strong>und</strong>en sind, konsequent im Sinne einer „No<br />

regret–Strategie“ genutzt werden.<br />

Vorrangausweisungen <strong>für</strong> einen (dynamischen, klimaangepassten) Arten- <strong>und</strong> Biotopschutz<br />

Zur Unterstützung des Naturschutzes <strong>und</strong> der Landschaftspflege wird <strong>die</strong> (weitergehende) Ausweisung<br />

von Vorranggebieten <strong>für</strong> den Arten- <strong>und</strong> Biotopschutz empfohlen. Ergänzend ist zu prüfen, ob –<br />

unter Berücksichtigung der hohen Unsicherheiten hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels<br />

auf <strong>die</strong> Arten- <strong>und</strong> Biotopentwicklung sowie Biodiversität – mit der Ausweisung von zusätzlichen regionalen<br />

Vorbehaltsgebieten <strong>für</strong> den Arten- <strong>und</strong> Biotopschutz potenzielle Entwicklungs- <strong>und</strong> Verb<strong>und</strong>flächen<br />

<strong>als</strong> klimabedingte Ersatz- <strong>und</strong> Erweiterungsflächen im Sinne eines dynamischen Naturschutzes<br />

mit einer geringeren Steuerungsintensität (Vorbehaltsgebiet <strong>als</strong> Gr<strong>und</strong>satz der Raumordnung) gesichert<br />

werden könnten. Großer Wert ist bei <strong>die</strong>sen Planungen auf eine intensive Information <strong>und</strong> Beteiligung<br />

der Gemeinden <strong>und</strong> der Öffentlichkeit zu legen, damit <strong>die</strong> erforderliche Akzeptanz <strong>für</strong> <strong>die</strong> Flächenvorsorge<br />

geschaffen werden kann. Eine höhere Sensibilität der Bevölkerung <strong>und</strong> der Stakeholder<br />

in den Gemeinden in Bezug auf <strong>die</strong> durch Klimaänderungen möglichen zusätzlichen Gefährdungen<br />

der Tier- <strong>und</strong> Pflanzenwelt, der biologischen Vielfalt <strong>und</strong> der natürlichen Ressourcen ließe sich vor<br />

allem auch mit einer aktiven, dialogorientierten Landschafts(rahmen)planung erreichen.<br />

Weiterentwicklung der regionalen Grünzüge<br />

Die bisherige Ausweisung der regionalen Grünzüge in der Region Regensburg sollte im Hinblick auf<br />

mögliche klimabedingte Änderungen der Freiraumqualitäten (Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Biotopstrukturen,<br />

Erholungseignung etc.) <strong>und</strong> hinsichtlich der Erfordernisse, <strong>die</strong> im Grünzug unter anderem gesicherten<br />

Klimafunktionen (Kalt-/Frischluftentstehung <strong>und</strong> -abfluss) gegebenenfalls stärker zu gewichten<br />

(„Klimaaufschlag“), überprüft <strong>und</strong> an <strong>die</strong> Folgen des Klimawandels angepasst werden.<br />

Aktive Nutzung der Instrumente der Landschaftsplanung <strong>und</strong> Umweltprüfung<br />

Die Instrumente der Landschaftsplanung <strong>und</strong> (Strategischen) Umweltprüfung sollten aktiv zur umwelt<strong>und</strong><br />

klimabezogenen Optimierung in der <strong>Regional</strong>- <strong>und</strong> Bauleitplanung genutzt werden. Erkenntnisse<br />

aus dem laufenden ExWoSt-Vorhaben in Regensburg, in dem <strong>die</strong> Erfordernisse des Klimawandels in<br />

<strong>die</strong> Umweltprüfung der Flächennutzungsplanung integriert werden, können <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Regional</strong>planung<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> kommunale Bauleitplanung der Gemeinden des Landkreises Neumarkt genutzt werden.<br />

Vorrangausweisungen <strong>für</strong> den landschaftsbezogenen Tourismus<br />

Für den Bereich des Tourismus sollte überprüft werden, ob regionale Vorrang-/Vorbehaltsgebiete <strong>für</strong><br />

den naturnahen, landschaftsbezogenen Tourismus unter Berücksichtigung ausgewiesen werden können.<br />

Dabei sollten Konflikte mit anderen Raumnutzungen, insbesondere mit den vorgeschlagenen<br />

Vorranggebieten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Windkraftnutzung, aufgedeckt <strong>und</strong> in einem abgestimmten räumlichen Konzept<br />

ausgeräumt werden.<br />

Maßnahmenvorschlag Tourismuskonzept Schwarze Laaber<br />

Für den landschaftlich attraktiven Verlauf der Schwarzen Laaber zwischen Neumarkt <strong>und</strong> Regensburg<br />

bietet sich eine Intensivierung des Tourismus <strong>und</strong> der Erholungsnutzung an. Hierzu sollte vom Landkreis<br />

Neumarkt im Rahmen der <strong>Regional</strong>entwicklung – in Abstimmung mit dem benachbarten Landkreis<br />

Regensburg – ein integriertes „Tourismuskonzept Schwarze Laaber“ erstellt werden, mit dem<br />

69


KLIMZUG-Workingpaper<br />

touristische Ziele <strong>und</strong> Maßnahmen im Einklang mit den Zielen des Hochwasserschutzes, Naturschutzes<br />

<strong>und</strong> Kulturlandschaftspflege formuliert werden.<br />

Maßnahmenvorschlag <strong>Regional</strong>er Klimalehrpfad<br />

Ein weiterer Maßnahmenvorschlag betrifft <strong>die</strong> Errichtung eines regionalen, das heißt über Gemeindegrenzen<br />

anzulegenden „Klimalehrpfads“, <strong>die</strong> in Zusammenarbeit mit Schulen <strong>und</strong> Vereinen des Landkreises<br />

erfolgen sollte <strong>und</strong> zur weiteren Sensibilisierung der Öffentlichkeit <strong>für</strong> <strong>die</strong> Folgen des Klimawandels<br />

beitragen kann. Ansatzpunkte hier<strong>für</strong> bestehen in einem bereits vorhandenen Energielehrpfad<br />

<strong>und</strong> in dem „Solardorf Mühlhausen“ im Landkreis.<br />

Maßnahmenvorschlag Ausbau von Wander-/Radwanderwegen entlang der Flüsse<br />

Neben der Schwarzen Laaber gibt es im Landkreis Neumarkt weitere landschaftlich attraktive Fließgewässer<br />

<strong>und</strong> Kanäle, an denen ein umweltverträglicher Ausbau von Wander-/Radwanderwegen erfolgen<br />

kann. Im Hinblick auf <strong>die</strong> Anpassung an den Klimawandel ist dabei auf eine ausreichende<br />

Schattenbildung durch Bäume <strong>und</strong> eine robuste Ausführung vor dem Hintergr<strong>und</strong> von zunehmenden<br />

Hochwasser- <strong>und</strong> Starkregenereignissen zu achten. Auch hierbei kann der Landkreis im Rahmen der<br />

<strong>Regional</strong>entwicklung <strong>die</strong> Initiative ergreifen <strong>und</strong> in Zusammenarbeit mit dem Tourismusverband, den<br />

Gemeinden <strong>und</strong> Fachbehörden entsprechende Konzepte aufstellen.<br />

4. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Die neuen <strong>Herausforderung</strong>en des Klimawandels <strong>und</strong> der Energiewende verlangen nach neuen strategischen<br />

Planungsansätzen auch in der Aufgabenteilung von regionaler <strong>und</strong> kommunaler Planungsebene.<br />

Viele Landkreise im Freistaat Bayern tragen bereits aktiv mit informellen Konzepten (insbes.<br />

<strong>Regional</strong>e Entwicklungskonzepte) <strong>und</strong> Maßnahmen des <strong>Regional</strong>managements zu einer nachhaltigen<br />

<strong>Regional</strong>entwicklung bei. In jüngster Zeit werden von den Landkreisen Energie- <strong>und</strong> Klimaschutzkonzepte<br />

erarbeitet <strong>und</strong> entsprechende Maßnahmen umgesetzt, so auch im Landkreis Neumarkt in der<br />

Oberpfalz <strong>als</strong> ein Modellraum im Rahmen von KlimaMORO. Darüber hinaus unterstützen <strong>die</strong> Landkreise<br />

<strong>als</strong> Initiatoren, Moderatoren <strong>und</strong> teilweise Koordinatoren <strong>die</strong> Gemeinden bei ihrer klimagerechten<br />

Ortsplanung <strong>und</strong> insbesondere bei der interkommunalen Zusammenarbeit (zum Beispiel gemeinsame<br />

Teilflächennutzungspläne aller Gemeinden eines Landkreises <strong>für</strong> <strong>die</strong> Windkraftnutzung).<br />

Darüber hinaus wirken <strong>die</strong> Landkreise <strong>als</strong> Vermittler zwischen kommunaler Bauleitplanung <strong>und</strong> <strong>Regional</strong>planung,<br />

fördern das Bewusstsein der Gemeinden <strong>für</strong> <strong>die</strong> Notwendigkeit einer überörtlichen Koordination<br />

von raumbedeutsamen Flächennutzungen <strong>und</strong> Maßnahmen durch eine verbindliche Raumordnung<br />

<strong>und</strong> geben vor dem Hintergr<strong>und</strong> der kommunalen Problemstellungen wichtige Impulse <strong>für</strong><br />

eine problembezogene, evidenzbasierte Arbeit der <strong>Regional</strong>planung. Dieses Potenzial der Landkreise<br />

gilt es im Rahmen eines „<strong>Regional</strong> Governance“ – auch zur problemgerechten Umsetzung des Subsidiaritäts-<br />

<strong>und</strong> Gegenstromprinzips in der Raumplanung – stärker <strong>als</strong> bisher zu nutzen.<br />

Auch wenn <strong>die</strong> Landkreise keine formellen Kompetenzen im Bereich der Raumplanung haben <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

(kommunal verfassten) <strong>Regional</strong>en Planungsverbände in Bayern nach dem aktuellen Entwurf eines<br />

neuen Bayerischen Landesplanungsgesetzes weiterhin <strong>für</strong> <strong>die</strong> formelle <strong>Regional</strong>planung wie auch<br />

darüber hinaus <strong>für</strong> freiwillige Aktivitäten der <strong>Regional</strong>entwicklung zuständig sein werden, können <strong>die</strong><br />

Landkreise in der Verantwortungsgemeinschaft von Regionen <strong>und</strong> Kommunen im Hinblick auf <strong>die</strong><br />

Verwirklichung einer nachhaltigen, klimagerechten Raumentwicklung ihre aktive Rolle weiter festigen.<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

Literatur<br />

BayStMUG, Bayerisches Staatsministerium <strong>für</strong> Umwelt <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit, 2009, Bayerische Klima-<br />

Anpassungsstrategie (BayKLAS), München.<br />

B<strong>und</strong>esregierung, 2008, Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel, vom B<strong>und</strong>eskabinett<br />

am 17. Dezember 2008 beschlossen, Berlin.<br />

B<strong>und</strong>esregierung, 2011, Aktionsplan Anpassung der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel,<br />

vom B<strong>und</strong>eskabinett am 31. August 2011 beschlossen, Berlin.<br />

deENet (Hrsg.), 2010, <strong>Regional</strong>e Energie- <strong>und</strong> Klimaschutzkonzepte <strong>als</strong> Instrument <strong>für</strong> <strong>die</strong> Energiewende,<br />

URL: http://www.100-ee.de/ [Stand: 2011-03-30].<br />

Höhnberg, Ulrich / Jacoby, Christian, 2011, Verwirklichung <strong>und</strong> Sicherung der Raumordnung, in:<br />

ARL (Hrsg.), Gr<strong>und</strong>riss der Raumordnung <strong>und</strong> Raumentwicklung, Hannover, S. 499–566.<br />

Jacoby, Christian / Beutler, Klaus / Heinisch, Timo / Wappelhorst, Sandra, 2010a, KlimaNEU - Stu<strong>die</strong><br />

<strong>als</strong> Diskussionsgr<strong>und</strong>lage zum 1. Workshop „Energien“ am 27.01.2010, URL:<br />

http://www.klimamoro.de [Stand: 2012-03-01].<br />

Jacoby, Christian / Beutler, Klaus / Heinisch, Timo / Wappelhorst, Sandra, 2010b, KlimaNEU - Stu<strong>die</strong><br />

<strong>als</strong> Diskussionsgr<strong>und</strong>lage zum 1. Workshop „Siedlungs- <strong>und</strong> Infrastruktur, Bauwesen, Ges<strong>und</strong>heit“<br />

am 02.02.2010, URL: http://www.klimamoro.de [Stand_2012_03_01].<br />

Jacoby, Christian / Beutler, Klaus / Heinisch, Timo / Wappelhorst, Sandra, 2010c, KlimaNEU - Stu<strong>die</strong><br />

<strong>als</strong> Diskussionsgr<strong>und</strong>lage zum 1. Workshop „Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Naturschutz, Tourismus“<br />

am 10.02.2010, URL: http://www.klimamoro.de [Stand 2012-03-01].<br />

Jacoby, Christian / Beutler, Klaus / Wappelhorst, Sandra, 2011, KlimaNEU - Strategien zum Klimawandel<br />

<strong>für</strong> den Landkreis Neumarkt i.d.OPf. Raumplanerische Handlungsempfehlungen <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Regional</strong>planung <strong>und</strong> <strong>Regional</strong>entwicklung, URL: http://www.klimamoro.de/ [Stand: 2012-03-01].<br />

KLIWA, 2010, Klimaveränderung <strong>und</strong> Konsequenzen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Wasserwirtschaft, KLIWA-Berichte, URL:<br />

http://www.kliwa.de/ [Stand 2010-10-10].<br />

MKRO, Ministerkonferenz <strong>für</strong> Raumordnung, 2009, Raumordnung <strong>und</strong> Klimawandel, Beschluss vom<br />

10. Juni 2009, Berlin, URL: http://www.bmvbs.de/ [Stand 2009-10-22].<br />

MKRO, Ministerkonferenz <strong>für</strong> Raumordnung, 2010, Räumliche Konsequenzen des Klimawandels,<br />

Beschluss vom 19. Mai 2010, Berlin, URL: http://www.bmvbs.de/ [Stand 2010-05-19].<br />

OBB, Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, 2011, R<strong>und</strong>schreiben Freiflächen-Photovoltaikanlagen<br />

vom 14.01.2011, München.<br />

Verband der Landwirtschaftskammern (Hrsg.), 2010, Klimawandel <strong>und</strong> Landwirtschaft. Anpassungsstrategien<br />

im Bereich Pflanzenbau, Berlin.<br />

71


KLIMZUG-Workingpaper<br />

<strong>Regional</strong>klimakarten <strong>und</strong> ihre Nutzung <strong>für</strong> <strong>Klimaanpassung</strong>smaßnahmen<br />

Lutz Katzschner / Sebastian Kupski<br />

1. Einleitung<br />

Eine Klimafunktionskarte (KFK) stellt ein klimaökologisches Gutachten dar, welches <strong>für</strong> eine bestimmte<br />

geografische Verortung angefertigt wird. Hauptsächlich werden <strong>die</strong>se Gutachten <strong>für</strong> Ballungsräume<br />

<strong>und</strong> größere Städte erstellt. Gr<strong>und</strong>lage ist stets <strong>die</strong> Analyse der Ist-Situation, <strong>als</strong>o eine möglichst präzise<br />

Abbildung der realen Klimafunktionen im Untersuchungsraum. Für <strong>die</strong>se komplexe Aufgabe ist<br />

eine entsprechende Datenbasis Gr<strong>und</strong>voraussetzung. Aus klimaökologischen Gesichtspunkten sind<br />

Faktoren wie Höheninformationen <strong>und</strong> Fließgewässer ein erster Anhaltspunkt, um <strong>die</strong> natürlichen<br />

Bedingungen abzubilden. Analog hierzu spielen natürlich <strong>die</strong> anthropogenen Einflüsse eine entscheidende<br />

Rolle. Gerade in den Städten hat <strong>die</strong> vom Menschen verursachte Veränderung der Erdoberfläche<br />

den größten <strong>und</strong> in den meisten Fällen auch negativen Einfluss. Deshalb werden ebenso Daten<br />

bezüglich der Flächennutzung <strong>und</strong> Gebäudeinformationen benötigt. Je detaillierter <strong>die</strong> Eingangsdaten<br />

vorliegen, umso präziser <strong>und</strong> kleinteiliger können <strong>die</strong> Analysen ausfallen.<br />

Neben <strong>die</strong>sen Geoinformationen ist das Wissen bezüglich klimarelevanter Parameter ebenso von<br />

Bedeutung. Besonders <strong>die</strong> Belüftung eines verdichteten Stadtgebietes, der eine sehr hohe positive<br />

Wirkung nachweisbar ist, hängt von der Lage in Bezug auf das regionale Zirkulationssystem ab. Aber<br />

auch lokale <strong>und</strong> kleinräumige Zirkulationen entwickeln sich durch physikalische Prozesse <strong>und</strong> können<br />

im Rahmen einer Klimafunktionskarte berechnet werden. Hier ist allerdings ein Messdatensatz <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Kalibrierung der Ergebnisse notwendig. Neben kontinuierlichen, stationären Messungen sollten auch<br />

mobile Messkampagnen bei entsprechenden Wetterlagen durchgeführt werden, <strong>die</strong> eine vergleichsweise<br />

hohe räumliche Auflösung haben. Weitere Klimaparameter lassen sich durch <strong>die</strong> geografische<br />

Lage des Untersuchungsraumes ableiten.<br />

Im Rahmen des Forschungsprojektes KLIMZUG Nordhessen sollte <strong>die</strong> skizzierte Methodik weiterentwickelt<br />

werden, um sie auf eine Region anwenden zu können. Nach einer Erprobungsphase mit der<br />

dazugehörigen Ergebniskontrolle am Beispiel der Klimafunktionskarte Zweckverband Raum Kassel<br />

2009 (ZRK 2010), konnten <strong>die</strong> Berechnungen mit einer geringfügig erweiterten Methodik durchgeführt<br />

werden. Ergebnis ist eine Darstellung der Klimafunktionen, <strong>die</strong> durch eine weitere Berechnung auch<br />

den Trend des prognostizierten Klimawandels abbilden kann.<br />

2. Methodik zur Erstellung von Klimafunktionskarten<br />

Bei der Verknüpfung verschiedenster Sachinformationen ist <strong>die</strong> Gewichtung bzw. <strong>die</strong> Einflussnahme<br />

der einzelnen Faktoren von sehr großer Bedeutung. Da <strong>die</strong>se Faktoren aus klimatischen Gründen von<br />

Untersuchungsraum zu Untersuchungsraum unterschiedlich sind, besteht derzeit noch kein automatisiertes<br />

System zur Erstellung einer Klimafunktionskarte (Lohmeyer, 2008). Diesbezüglich können nur<br />

systematische Vorgehensweisen von Fallbeispielen herangezogen werden, da <strong>die</strong> klimatische Einordnung<br />

in den jeweiligen übergeordneten Kontext stets an das Gebiet angepasst werden muss.<br />

Klimatische Rahmenbedingungen sind sehr heterogen, was durch <strong>die</strong> geografische Lage, der absoluten<br />

Höhen über dem Meeresspiegel des Untersuchungsgebietes oder durch eine kontinentale oder<br />

maritime Beeinflussung verursacht wird. Neben <strong>die</strong>sen übergeordneten Faktoren gibt es eine Vielzahl<br />

72


KLIMZUG-Workingpaper<br />

kleinräumiger Einflüsse. Auf einer kleineren Skala können unterschiedliche Effekte, wie Binnenseen<br />

oder Tallagen, <strong>die</strong> örtlichen klimatischen Verhältnisse stark prägen. Somit ist eine vorgeschaltete klimatische<br />

Einschätzung unumgänglich, wobei entsprechend ein größerer Ausschnitt <strong>als</strong> der abgegrenzte<br />

Untersuchungsraum zu betrachten ist.<br />

Nordhessen liegt in einer gemäßigten Klimazone <strong>und</strong> wird in der Regel von den deutschen Mittelgebirgen<br />

geprägt. Somit ist <strong>die</strong> vorherrschende Windrichtung Westen (HLUG 1999). Die Besonderheit im<br />

Untersuchungsraum ist eine ausgeprägte Gebirgslandschaft mit vielen Höhenzügen <strong>und</strong> Flusstälern.<br />

Das verwendete Datenmaterial <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berechnungen beinhaltet topografische Karten, ein digitales<br />

Geländemodell (DGM), <strong>die</strong> Flächennutzungen, verschiedene Luftbilder <strong>und</strong> Thermalbefliegungen,<br />

klimaökologische Stu<strong>die</strong>n, sowohl kontinuierliche Messstationsdaten <strong>als</strong> auch räumlich hoch aufgelöste<br />

Messkampagnen. Aus der Vielzahl der Eingangsdaten werden unterschiedliche Themenkarten<br />

generiert, welche in einem darauffolgenden Schritt durch verschiede Geo-Analyse-Prozesse in unterschiedlichen<br />

Gewichtungen miteinander verschnitten werden (siehe Abbildung 1). Bei allen Berechnungen<br />

kam das Programm ArcGIS Desktop Version 9.3.1 der Firma ESRI mit den Erweiterungen<br />

SpatialAnalyst <strong>und</strong> 3DAnalyst zum Einsatz.<br />

Abbildung 1: Schematisches Anwendungsbeispiel der Gruppierung unterschiedlicher Themenkarten<br />

in <strong>die</strong> klimatischen Komponenten Dynamik <strong>und</strong> Thermik mit anschließendem Ergebnisbeispiel<br />

Eigene Darstellung<br />

Nach der Gruppierung der Themenkarten in <strong>die</strong> beiden klimatischen Komponenten Dynamik <strong>und</strong><br />

Thermik, <strong>die</strong> beide unterschiedlichen Einfluss auf <strong>die</strong> Ebenen des <strong>Regional</strong>klimas haben, wird durch<br />

geeignete Funktionen <strong>und</strong> anschließende Generalisierungen das Produkt in Form der Klimafunktionskarte<br />

aggregiert – in <strong>die</strong>sem Beispiel <strong>als</strong> farbig unterschiedene Klimatopsausweisung.<br />

73


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Die dynamische Komponente beinhaltet <strong>die</strong> Luftbewegungen <strong>und</strong> damit <strong>die</strong> Frischluft- <strong>und</strong> Kaltluftabflüsse,<br />

<strong>die</strong> physikalisch bedingt auch ohne Antrieb der regionalen Strömungsbedingung entstehen,<br />

<strong>und</strong> der Hauptwindrichtung, <strong>die</strong> bei entsprechenden Wetterlagen <strong>die</strong> Zirkulation bestimmt. Eine zusätzliche,<br />

entscheidende Themenkarte der Dynamik ist <strong>die</strong> Einflussnahme der Hangwinde. Diese<br />

Strömungen entstehen durch das Berg-Tal-Wind-System, das tagesperiodisch auftritt <strong>und</strong> gerade bei<br />

einem ausgeprägten Relief an Mächtigkeit gewinnen kann (Häckel, 1985). Die entsprechende Themenkarte<br />

wurde auf Gr<strong>und</strong>lage des DGM <strong>und</strong> der Strömungsmessdaten angefertigt. Weitere Kriterien<br />

wie Rauhigkeitslängen der Erdoberfläche wurden ebenfalls in <strong>die</strong>se Rechenschritte integriert, um das<br />

Belüftungssystem realgetreu darzustellen <strong>und</strong> <strong>die</strong> tatsächlichen Wirkungsgrade mit Hilfe der Messdaten<br />

zu kalibrieren.<br />

Das klimatische Wechselspiel setzt sich neben der Belüftungssituation zusätzlich noch aus der thermischen<br />

Eigenschaft der Erdoberfläche zusammen. Da <strong>die</strong>se Komponente <strong>die</strong> Basis darstellt <strong>und</strong><br />

dementsprechend flächendeckend kartiert sein muss, wurde <strong>als</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>die</strong> aktuelle Flächennutzungskartierung<br />

verwendet, um eine Kategorisierung vorab vornehmen zu können. Dieser detaillierte<br />

Eingangsdatensatz wird mit weiteren Themenkarten ergänzt, wobei der Oberflächenversiegelungsgrad<br />

Aufschluss über <strong>die</strong> Wärmespeicherkapazität gibt, <strong>und</strong> Freiflächen mit niedriger Oberflächenrauhigkeit<br />

Kaltluftentstehungsflächen darstellen. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang ist <strong>die</strong> Albedo der Oberfläche<br />

eine zentrale Größe, da unterschiedliche Reflexions- <strong>und</strong> Absorptionsverhalten maßgeblich den Wärmehaushalt<br />

der städtischen Grenzschicht bestimmen (Oke, 2006). In <strong>die</strong>sen Themenfeld ist der Effekt<br />

der Wärmeinsel Stadt besonders gut erkennbar, denn durch <strong>die</strong> Erwärmung der künstlichen Baumaterialien,<br />

gekoppelt mit der hohen Wärmespeicherleistung <strong>und</strong> der langsamen Abkühlrate, werden gerade<br />

in den Nachtst<strong>und</strong>en höhere Lufttemperaturen <strong>als</strong> im unbebauten Umland verursacht (Hupfer/Kuttler,<br />

2006; Baumüller, 1993 et al.).<br />

Aufgr<strong>und</strong> der zum Teil sehr genauen Themenkarten entstehen durch <strong>die</strong> GIS-Berechnungen kleinräumige<br />

Ergebnisse, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sem Maßstab allerdings nicht aussagekräftig sind <strong>und</strong> zu Fehlinterpretationen<br />

führen können. Deshalb werden Nachbarschaftsanalysen mit unterschiedlichen Kriterien angeschlossen<br />

um Klimatope abzubilden, <strong>die</strong> auf einem regionalklimatischen Maßstab abgestimmt sind<br />

<strong>und</strong> eine Genauigkeit von ca. 1:100.000 bis 1:400.000 aufweisen. Analog zu <strong>die</strong>ser Generalisierung<br />

werden <strong>die</strong> ermittelten Werte in sieben Klimatopstypen kategorisiert, um eine übersichtliche <strong>und</strong> aussagekräftige<br />

Klassifizierung bereitzustellen. Das Ergebnis der Analyse ist eine Klimafunktionskarte der<br />

Region Nordhessen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> klimatischen Verhältnisse in der bodennahen Atmosphärenschicht darstellt.<br />

In Abbildung 2 ist das Produkt dargestellt, welches <strong>die</strong> unterschiedlichen Klimatope durch <strong>die</strong><br />

Farbgebung illustriert <strong>und</strong> das Belüftungssystem über <strong>die</strong> Schraffuren mit Pfeilsymbolen in einer zweiten<br />

Ebene hervorhebt.<br />

Legende<br />

Die Legende der Klimafunktionskarte (thermische Analyse) ist aufgr<strong>und</strong> der eindeutigen Farbgebung<br />

sehr leicht deko<strong>die</strong>rbar <strong>und</strong> beinhaltet neben der Bezeichnung der Klimatope eine Beschreibung deren<br />

Eigenschaften. Sie ist unterteilt in klimaökologische Potenzialbereiche <strong>und</strong> klimaökologische Defizitbereiche.<br />

Außerdem ist <strong>die</strong> Ebene der Luftleitbahnen bei dem fertigen Produkt dargestellt, obwohl<br />

<strong>die</strong> klimatischen Wirkungen schon in der Klimatopanalyse mit eingegangen sind. Dies <strong>die</strong>nt lediglich<br />

einer besseren Orientierung <strong>und</strong> zur Verständigung über Wirkzusammenhänge. Eine Erklärung befindet<br />

sich in Tabelle 1.<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

Abbildung 2: Klimafunktionskarte Nordhessen<br />

Quelle: Universität Kassel 2011<br />

Tabelle 1: Beschreibung der Klimatope der KFK Nordhessen<br />

Klimatop Beschreibung<br />

Naturklima Höhenlagen<br />

(Klimaökologischer Potentialbereich)<br />

Naturklima Wald<br />

(Klimaökologischer Potentialbereich)<br />

Naturklima Freiland<br />

(Klimaäkologischer Potentialbereich)<br />

Misch- /Übergangsklima<br />

(Klimaökologischer Konfliktbereich)<br />

Überwärmungstendenzen<br />

(Klimaökologischer Defizitbereich)<br />

Moderate Überwärmung<br />

(Klimaökologischer Defizitbereich)<br />

Starke Überwärmung<br />

(Klimaökologischer Defizitbereich)<br />

Luftleitbahnen<br />

Quelle: Universität Kassel 2011<br />

� Frisch- <strong>und</strong> Kaltluftentstehungsgebiet,<br />

� Höhenlagen, Kuppen mit deutlicher Überhöhung zum restlichen Untersuchungsgebiet,<br />

� aufgr<strong>und</strong> der Höhe eine Reduzierung der Lufttemperatur durch adiabatische Veränderung,<br />

� exponierte Bereiche <strong>für</strong> Wind <strong>und</strong> Niederschlag,<br />

� fern ab von Emissionsquellen.<br />

� Hauptsächlich Frischluftentstehungsgebiete,<br />

� tendenziell hochgelegene Flächen, <strong>die</strong> durch Vegetation <strong>und</strong>/oder Hangneigung ausgezeichnet<br />

sind <strong>und</strong> somit zu einer reduzierten Lufttemperatur gegenüber dem regionalen Durchschnitt<br />

führen,<br />

� keine dauerhaften Emissionsquellen.<br />

� Kaltluftenstehungsgebiete mit direkter Ausgleichswirkung auf Ungunsträume,<br />

� Naturbereiche, <strong>die</strong> günstige thermische Eigenschaften besitzen, z.T. auch siedlungsnah,<br />

� geringe Emissionen <strong>und</strong> hoher Freiflächenanteil.<br />

� Pufferzonen zwischen Defizit- <strong>und</strong> Potentialbereichen,<br />

� durchaus mit Bebauung <strong>und</strong> sonstigen Nutzungen belegt aber überdurchschnittlich positive<br />

Parameter wie Hangneigung, geringe Versiegelung <strong>und</strong>/oder Freiflächennähe.<br />

� Stadtrandklima, Überwärmungsgebiete,<br />

� baulich geprägte Flächen mit hohem Vegetationsanteil <strong>und</strong>/oder geeignete topografische Lage,<br />

� Emissionen durch Verkehr, Industrie <strong>und</strong> Hausbrand möglich.<br />

� Städtisches Überwärmungsgebiet,<br />

� hauptsächlich stark verdichtete Räume, <strong>die</strong> eine ungünstige topographische Lage <strong>und</strong> dadurch<br />

verb<strong>und</strong>ene ungünstige Belüftungssituationen verursachen,<br />

� Anreicherung von Luftschadstoffen.<br />

� Innerstädtisches Überwärmungsgebiet,<br />

� sehr hohe bauliche Dichte einer Großstadt (Kassel),<br />

� hohes Bauvolumen, nahezu keine Vegetation,<br />

� sehr reduzierte Belüftung <strong>und</strong> zusätzlich hohe Emissionswerte.<br />

� Teil des topografisch bedingten Belüftungs- <strong>und</strong> Zirkulationssystem,<br />

� wesentlicher Faktor <strong>für</strong> <strong>die</strong> bioklimatischen Verhältnisse <strong>und</strong> Lufthygiene.<br />

75


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Klimafunktionskarten <strong>als</strong> Hilfsmittel, um zukünftige Entwicklungen darzustellen<br />

Neben der Darstellung der aktuellen klimatischen Verhältnisse können darauf aufbauend auch Prognosen<br />

über zukünftige Veränderungen modelliert werden. So können klimatische Veränderungen,<br />

verursacht durch den globalen Klimawandel, skizziert werden. Hierzu wird <strong>die</strong> Klimafunktionskarte mit<br />

den analysierten Klimatopeigenschaften um prognostizierte Klimatrends der aktuellen Projektionen<br />

erweitert.<br />

Gr<strong>und</strong>lage der regionalen Klimaprojektionen sind <strong>die</strong> globalen Simulationen der ECHAM5 Reihe (A1b<br />

Szenario), <strong>die</strong> durch das dynamische <strong>Regional</strong>isierungsmodell CLM <strong>und</strong> das statistische Modell<br />

WETTREG2010 verfeinert wurden. Diese großräumigen Mittelungsdaten wurden anschließend analysiert<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> relevanten Parameter mit den Klimatopkategorien verschnitten.<br />

Die Hauptannahme der zukünftigen klimatischen Ereignisse ist eine Zunahme an austauscharmen<br />

Hochdruckwetterlagen. Daraus ergeben sich eine Zunahme der jährlichen Einstrahlungssumme sowie<br />

länger andauernde Strahlungsperioden. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang kommt der Albedo der Erdoberfläche<br />

eine höhere Bedeutung zu <strong>und</strong> <strong>die</strong> Klimaveränderung in Form von einer Steigerung der Hitzebelastung<br />

nimmt zu. Ausgehend von <strong>die</strong>ser Annahme wurden den Klimatopen spezifische Attributwerte<br />

zugeordnet, <strong>die</strong> ein realistisches Downscaling der regionalen Projektionen auf einen anwendertauglichen<br />

Maßstab ermöglichen. Ein deutliches Ergebnis ist eine Zunahme in den ohnehin benachteiligten<br />

Gebieten mit einem hohen Anteil künstlicher Baumaterialien, im Gegenzug sind unversiegelte Bereiche<br />

mit Vegetation nicht so stark betroffen. Die Konsequenz ist eine ungleichmäßige Belastungssteigerung<br />

der schon aktuell benachteiligten Stadtgebiete.<br />

Aus Abbildung 3 geht <strong>die</strong> Verschiebung der räumlichen Lage der Wärmeinsel Stadt hervor, wie sie<br />

durch <strong>die</strong> Landnutzungsänderung bzw. <strong>die</strong> Stadtentwicklung (Bildmitte) verursacht wird sowie der<br />

zusätzliche Effekt durch den Klimatrend (rechtes Bild). Bereiche der lokalen nächtlichen Frischluftzufuhr<br />

können ebenfalls dargestellt werden. Ableitend aus Abbildung 3 sind Beschattungsmaßnahmen<br />

nur im westlichen Stadtteil Kassels ohne wesentlichen Luftaustausch sinnvoll, um den Energiegewinn<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Speicherung am Tag zu verhindern, während in den östlichen Stadtteilen <strong>die</strong> Frischluftzufuhr<br />

eine wesentliche nächtliche Abkühlung bewirken kann.<br />

Abbildung 3: Entwicklung der Wärmeinsel Kassel unter Berücksichtigung der Landnutzungsänderung<br />

<strong>und</strong> dem Klimatrend (Farbgebung äquivalent einer 6-stufigen Klimaklassifikation<br />

nach thermischen Gesichtspunkten)<br />

2009 Planungen 2015 Prognose 2030<br />

Eigene Darstellung<br />

76


KLIMZUG-Workingpaper<br />

3. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Auf Basis der Klimafunktionskarten, welche eine detaillierte Kenntnis der mikroklimatischen Bedingungen<br />

im thermischen <strong>und</strong> dynamischen Bereich ermöglichen, ist es möglich <strong>die</strong> Auswirkungen des<br />

Klimawandels auf eine Region abzuschätzen. Aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass der Klimawandel weder<br />

linear erfolgt noch räumlich konstant ist, können Maßnahmen an <strong>die</strong> jeweilige Raumstruktur <strong>und</strong> lokale<br />

Lage angepasst werden. Somit ergibt sich eine bessere Differenzierung der Maßnahmen. Generelle<br />

Empfehlungen wie Beschattungsmaßnahmen gegen Hitze oder ein ausreichender Luftaustausch zur<br />

Abpufferung der Luftbelastung oder der innerstädtischen Wärmeinseln sind so gezielter möglich <strong>und</strong><br />

auf <strong>die</strong> lokale Situation bezogen. Die Unsicherheiten der Modellrechnungen aus den globalen Modellen<br />

können ausgeglichen <strong>und</strong> in Handlungsempfehlungen umgesetzt werden.<br />

Literatur<br />

Baumüller, Jürgen / Hoffmann, Ulrich / Reuter, Ulrich, 1998, Städtebauliche Klimafibel – Hinweise <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Bauleitplanung, Wirtschaftschaftsministerium Baden-Württemberg, Stuttgart.<br />

Häckel, Hans, 1985, Meteorologie, Stuttgart.<br />

Hessische Landesanstalt <strong>für</strong> Umwelt <strong>und</strong> Geologie (Hrsg.), 1999, Umweltatlas Hessen; Wiesbaden.<br />

Höppe, Peter, 1999, The physiological equivalent temperature – A universal index for the biometeorological<br />

assessment of the thermal environment, in: International Journal of Biometeorology, 43,<br />

S.71-75.<br />

Hupfer, Peter / Kuttler, Wilhelm 1998, Witterung <strong>und</strong> Klima B.G.Teubner, Stuttgart<br />

Kreienkamp, Frank / Spekat, Arne / Enke, Wolfgang, 2010, Ergebnisse eines regionalen Szenarienlaufs<br />

<strong>für</strong> Deutschland mit dem statistischen Modell WETTREG2010, Umweltb<strong>und</strong>esamt 2010.<br />

Lohmeyer, Achim, 2008, Klimafunktions- <strong>und</strong> Klimaplanungskarten, Lohmeyer Aktuell, 20/2008,<br />

Karlsruhe.<br />

OKE, Tim, 2006, Bo<strong>und</strong>ary layer climates, Routledge, London, New York.<br />

Universität Kassel, 2011, Klimafunktionskarte Nordhessen, Fachgebiet Umweltmeteorologie, Kassel.<br />

Zweckverband Raum Kassel (ZRK), 2010, Klimafunktionskarte Zweckverband Raum Kassel 2009<br />

mit Zukunftsprognosen, ZRK 2010.<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

Raumbezogene Planung im Klimawandel – ebenen- <strong>und</strong> sektorübergreifend<br />

Uta Steinhardt / Claudia Henze<br />

1. Einleitung<br />

Die spezifischen <strong>Herausforderung</strong>en zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels in Brandenburg<br />

liegen im Spannungsfeld einer tendenziell zunehmenden Trockenheit in Verbindung mit einer Häufung<br />

von Extremwetterereignissen – insbesondere Starkniederschlägen. „Wasser ohne Ende?“ oder „Am<br />

Ende ohne Wasser?“ ist demnach das Spannungsfeld, in dem sich <strong>die</strong> notwendigen Anpassungsstrategien<br />

bewegen müssen. Diese beschränken sich jedoch nicht allein auf den Landschaftswasserhaushalt<br />

(Konkurrenz um Wasser bei Trockenheit <strong>und</strong> <strong>die</strong> schadlose Wasserabfuhr in niederschlagsreichen<br />

Perioden), sondern sind in Kombination mit einer zunehmenden Flächenkonkurrenz angesichts<br />

eines steigenden Flächenverbrauchs, insbesondere durch Siedlung <strong>und</strong> Verkehr <strong>und</strong> eine eingeschränkte<br />

Flächenverfügbarkeit, zu entwickeln. Hinzu treten <strong>als</strong> flankierende Problemfelder unangepasste<br />

Nutzungsformen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Ressource Boden <strong>und</strong> dessen Fruchtbarkeit beeinträchtigen sowie<br />

Nutzungsintensivierungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Biodiversität gefährden.<br />

Dies impliziert <strong>die</strong> Notwendigkeit der Überwindung sektoraler Betrachtungen ebenso wie <strong>die</strong> Sicherung<br />

der Anschlussfähigkeit der erarbeiteten Anpassungsoptionen auf verschiedenen räumlichen<br />

Ebenen. Die <strong>Regional</strong>planung kann dabei den hohen Abstraktionsgrad der Anpassungspolitik des<br />

B<strong>und</strong>es sowie <strong>die</strong> Zielsetzungen der Anpassungsstrategien der Länder mit Blick auf <strong>die</strong> spezifischen<br />

Gegebenheiten der Region konkretisieren <strong>und</strong> dabei <strong>die</strong> Interessen der Kommunen berücksichtigen<br />

<strong>und</strong> in integrativer Weise zusammenführen. Bei allen Unsicherheiten, mit denen <strong>die</strong> Klimaprojektionen<br />

im Detail behaftet sind, ergibt sich <strong>die</strong> Notwendigkeit zur rechtzeitigen Anpassung insbesondere durch<br />

den Erhalt von Handlungsspielräumen durch Flächensicherung <strong>und</strong> multifunktionale Nutzungen. Anschlussstellen<br />

zwischen den verschiedenen Planungshierarchien gemäß dem raumordnerischen Gegenstromprinzip<br />

müssen demnach ebenso identifiziert werden wie Synergien zwischen verschiedenen<br />

Fachplanungen.<br />

In einem gemeinsamen Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsprozess erarbeiten, erproben <strong>und</strong> evaluieren<br />

Wissenschaftler/innen <strong>und</strong> Mitarbeiter/innen von Fachbehörden <strong>und</strong> Verwaltung – gemeinsam mit<br />

Landnutzern im INKA BB Teilprojekt zur Klimaadaptierten <strong>Regional</strong>planung – Planungs- <strong>und</strong> Managementmethoden,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> an der <strong>Regional</strong>planung beteiligten Akteure zur strategischen Anpassung<br />

an <strong>die</strong> Folgen des Klimawandels befähigen <strong>und</strong> <strong>die</strong> flexible Einbindung von entsprechenden Maßnahmen<br />

in das existierende Instrumentarium der Raumplanung sicher stellen können. Dies geschieht<br />

unter anderem exemplarisch in der Planungsregion Uckermark-Barnim <strong>und</strong> auf kommunaler Ebene in<br />

enger Kooperation mit der Gemeinde Panketal am nördlichen Berliner Stadtrand.<br />

2. <strong>Regional</strong>e Systemzusammenhänge<br />

Der Wissenschaftliche Beirat der B<strong>und</strong>esregierung Globale Umweltveränderungen hat bereits 1993<br />

eine spezifische graphische Darstellung <strong>als</strong> methodisches Hilfsmittel zur vernetzten Betrachtungsweise<br />

vorgestellt, in dem sich <strong>die</strong> komplexe, das heißt verflochtene Dynamik des globalen Wandels widerspiegelt<br />

(WBGU, 1993). Diese graphische Darstellung wurde so konzipiert, dass in erster Linie<br />

globale Prozesse abgebildet werden können. Es wurde jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass<br />

78


KLIMZUG-Workingpaper<br />

<strong>die</strong> Methode regionalisiert werden kann, um somit Aussagen auf einer anderen Ebene treffen zu können.<br />

Eine solche geometrische Kennzeichnung von Zusammenhängen erscheint zwar oft verwirrender<br />

<strong>als</strong> eine algebraische (beispielsweise in Matrixform), verdeutlicht aber <strong>die</strong> direkte <strong>und</strong> indirekte Vernetzung<br />

der Systemkomponenten wesentlich besser. Daran anknüpfend wird <strong>für</strong> <strong>die</strong> zu betrachtenden<br />

Planungsregionen Uckermark-Barnim <strong>und</strong> Lausitz-Spreewald ein regionales Wirkungsgefüge mit<br />

Hauptaugenmerk auf der Hydrosphäre erarbeitet. Ziel ist somit <strong>die</strong> Abbildung regionaler Systemzusammenhänge<br />

im Klimawandel mittels eines „wasserzentrierten regionalen Beziehungsgeflechts“<br />

(siehe Abbildung 1) in Analogie zu dem „bodenzentrierten globalen Beziehungsgeflecht“ (WBGU,<br />

1994), dass der WBGU unter erstmaliger Anwendung <strong>die</strong>ses Instruments schuf.<br />

Abbildung 1: <strong>Regional</strong>e Systemzusammenhänge im Klimawandel<br />

Eigene Darstellung in Anlehnung an Arndt et al. 2008<br />

Abbildung 1 gibt einen Überblick über <strong>die</strong> klimawandel-relevanten Zusammenhänge in Brandenburg<br />

<strong>und</strong> fokussiert dabei auf Wassermanagement <strong>und</strong> Naturschutz <strong>als</strong> Querschnittsthemen. Elemente der<br />

Darstellung sind Geokompartimente (Geosphären <strong>als</strong> natürliche Systembestandteile in eckigen Kästen)<br />

<strong>und</strong> Aktivitätsfelder (Landnutzungssektoren in ger<strong>und</strong>eten Kästen) mit ihren jeweiligen Elementen<br />

<strong>und</strong> Funktionen sowie <strong>die</strong> sich zwischen den Elementen <strong>und</strong> Funktionen ausbildenden Zusammenhänge,<br />

<strong>die</strong> bezüglich ihrer Einwirkung (Verstärkung, Abschwächung, unbekannte Nettoeffekte) unterschieden<br />

werden. Diese Art der Darstellung bietet <strong>die</strong> Möglichkeit einer schnellen Übersicht des Wirkungsgefüges<br />

ohne sich in sektorale Abhandlungen zu vertiefen. Wichtige Trends werden schnell<br />

offensichtlich. Zur Untersetzung der den Trends oder Wechselwirkungen zugr<strong>und</strong>e liegenden Phänomene<br />

sind entsprechende Quellen (graphisch) assoziiert. Die Ergebnisse <strong>die</strong>ser empirischphänomenologischen<br />

Systemanalyse <strong>die</strong>nen <strong>als</strong> Gr<strong>und</strong>lage aller weiteren Arbeitsschritte, in denen<br />

geklärt wird, inwiefern einzelne Zusammenhänge/Wechselwirkungen Folgen des Klimawandels ver-<br />

79


KLIMZUG-Workingpaper<br />

schärfen oder mindern, inwiefern sie Konflikte oder Synergien darstellen <strong>und</strong> ob sie eine unmittelbare<br />

bzw. mittelbare Planungsrelevanz aufweisen.<br />

3. Grenzen zwischen Planungshierarchien <strong>und</strong> Fachplanungen überwinden:<br />

Wasserwirtschaft <strong>und</strong> Naturschutz auf kommunaler <strong>und</strong> regionaler Ebene<br />

Der Flächenverbrauch vor allem durch Siedlungs- <strong>und</strong> Verkehrsflächen in Brandenburg war analog<br />

zur B<strong>und</strong>esrepublik in den letzten Jahren stetig sehr hoch – trotz des in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie<br />

festgesetzten Ziels, den Flächenverbrauch b<strong>und</strong>esweit von derzeit 130 auf 30 Hektar<br />

pro Jahr bis zum Jahr 2020 zu reduzieren. Voraussetzung <strong>für</strong> eine integrierte Wasserwirtschaft auf<br />

regionaler <strong>und</strong> kommunaler Ebene ist jedoch unter anderem eine geeignete Flächenbewirtschaftung<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> da<strong>für</strong> unverzichtbare Flächenverfügbarkeit (Geiger et al., 2010). Die Identifikation von Retentionsräumen<br />

<strong>und</strong> Versickerungspotentialen auf regionaler Ebene sollte vor <strong>die</strong>sem Hintergr<strong>und</strong> in Abstimmung<br />

mit integralen Siedlungswasserbewirtschaftungskonzepten mit Fokus auf eine dezentrale<br />

<strong>und</strong> naturnahe Regenwasserbewirtschaftung durch eine geeignete Kombination von technischen <strong>und</strong><br />

nichttechnischen Lösungen erfolgen.<br />

3.1 Wasserwirtschaft <strong>und</strong> Naturschutz<br />

Werden Gewässer durch Menschen notwendigerweise in Anspruch genommen, so gerät <strong>die</strong>s nicht<br />

selten in Konflikt mit geltenden naturschutzrechtlichen Zielsetzungen <strong>und</strong> Einschränkungen. Die Bohrung<br />

eines Brunnens zur Trinkwassergewinnung, der Bau von Hochwasserschutzanlagen, <strong>die</strong> Nutzung<br />

der Wasserkraft in einem Kleinkraftwerk, <strong>die</strong> Niederbringung von Erdwärmesonden oder auch<br />

<strong>die</strong> Nassauskiesung: Eine Wasserkraftturbine gefährdet den vorhandenen Fischbestand, ein Deich<br />

verändert den Lebensraum einheimischer Arten, eine Gr<strong>und</strong>wasserentnahme verändert Zustand <strong>und</strong><br />

Population des Bodens. Hier konfligiert das Interesse an der Inanspruchnahme eines Gewässers mit<br />

dem Ideal unberührter Natur. Friktionen entstehen demnach immer dann, wenn sich wasserrechtliche<br />

Belange nicht auf den ökologischen Gewässerschutz beschränken <strong>und</strong> damit nicht per se gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

naturgesetzliche Zielsetzungen verfolgen (Reinhardt, 2009).<br />

Vielfach entsteht mit den derzeit in Planung befindlichen Gewässerentwicklungskonzepten zur Umsetzung<br />

der Wasserrahmenrichtlinie ein zusätzlicher Flächenanspruch, etwa durch <strong>die</strong> Mäandrierung von<br />

Gewässerläufen <strong>und</strong> Schaffung von Ersatzauen oder Reaktivierung von Altarmen. Primär auf <strong>die</strong> Verbesserung<br />

des ökologischen Zustandes der Gewässer ausgerichtet, lassen sich in <strong>die</strong>sen Vorhaben<br />

vielfältige Schnittstellen zu Konzepten <strong>für</strong> eine integrative Siedlungswasserwirtschaft, insbesondere<br />

der Niederschlagswasserbewirtschaftung identifizieren.<br />

Abbildung 2: Rechtlicher Rahmen <strong>und</strong> potentielle Instrumente <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erschließung von Synergien<br />

zwischen Gewässerplanung <strong>und</strong> Landschaftsentwicklung<br />

Quelle: Schmidt, 2009, S. 2 <strong>und</strong> 4<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

Aber Synergieeffekte zwischen Wasserwirtschaft <strong>und</strong> Naturschutz können weit darüber hinaus reichen,<br />

wenn beispielsweise Folgen des Klimawandels in <strong>die</strong> Bewirtschaftung der Gewässer mit einbezogen<br />

werden: Die im Rahmen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie zyklisch <strong>und</strong> adaptiv angelegte<br />

Bewirtschaftungsplanung auf Einzugs- <strong>und</strong> Subeinzugsgebietsebene ist ein zentrales <strong>und</strong> übergreifendes<br />

Instrument der Anpassung an Qualitätsveränderungen wie Quantitätsfragen (siehe Abbildung<br />

2).<br />

Dies gilt beispielsweise auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Einbindung der Belange der Regenwasserbewirtschaftung innerhalb<br />

von Siedlungsgebieten in <strong>die</strong> naturschutzfachliche Planung – beispielsweise durch <strong>die</strong> Nutzung<br />

von Niederschlagswasser zur Stützung des Wasserhaushaltes von Feuchtgebieten. Wird Niederschlagswasserbewirtschaftung<br />

im Siedlungsbereich konsequent prioritär durch Versickerung <strong>und</strong><br />

Rückhalt in Kombination mit nicht vermeidbarer Ableitung realisiert, ist <strong>die</strong>se Verbindung von technischen<br />

<strong>und</strong> nicht-technischen Lösungen eine zielführende Strategie zur Anpassung der Siedlungswasserwirtschaft.<br />

Dabei sollten allgemeine Gr<strong>und</strong>sätze wie der eines weitmöglichen Erhalts des natürlichen Wasserkreislaufes<br />

ebenso Berücksichtigung finden wie <strong>die</strong> Erlebbarkeit des Wassers in Siedlungszusammenhängen.<br />

Zudem könnte eine multifunktionale Flächennutzung in Siedlungsräumen unkontrollierte<br />

Überschwemmungen verhindern, indem Freiflächen mit diversen Hauptnutzungen bei Starkregenereignissen<br />

(das heißt im Ausnahmefall) gezielt geflutet <strong>und</strong> damit <strong>als</strong> Niederschlagsretentionsraum<br />

genutzt werden. Dadurch kann das Überflutungsrisiko an Orten mit hohem Schadenspotential verringert<br />

werden (Benden/Vallée, 2010). In Neubaugebieten sind flächensparende Bebauungs- <strong>und</strong> Erschließungsformen<br />

zu entwickeln <strong>und</strong> zu realisieren <strong>und</strong> befestigte (teil-)versiegelte Flächen bei Neuerschließung<br />

unbedingt zu vermeiden. Bei Maßnahmen im Bestandsgebiet dagegen sind befestigte<br />

(teil-)versiegelte Flächen bei Sanierung zu vermeiden <strong>und</strong> Flächenentsiegelung bei Erneuerungsmaßnahmen<br />

zu realisieren.<br />

Integrative Niederschlagswasserkonzepte <strong>die</strong>ser Art, <strong>die</strong> sowohl dem Prinzip der Entsorgungssicherheit<br />

folgen, gleichzeitig aber auch den Wasserrückhalt in der Landschaft unterstützen, ermöglichen<br />

eine synergistische Verknüpfung der unterschiedlichen Flächennutzungsansprüche. So können Retentionsflächen<br />

dem Regenrückhalt <strong>die</strong>nen – in Regenrückhaltebecken gespeichertes Niederschlagswasser<br />

<strong>die</strong>nt der Vermeidung negativer Folgen von Überschwemmungen (etwa Abdrift von Fauna),<br />

wenn das überschüssige Wasser verzögert dem Vorfluter zugeführt wird. Andererseits kann es zur<br />

Aufhöhung bei Niedrigwasserführung des Gewässers genutzt werden <strong>und</strong> einer Verschlechterung der<br />

Gewässergüte entgegenwirken (Geiger et al., 2010).<br />

Um dem Anspruch gerecht zu werden, durch <strong>die</strong> Rückhaltung von Niederschlagswasser hohe <strong>und</strong><br />

schnelle Abflüsse in <strong>die</strong> Kanalisation, Hochwassergefahren <strong>und</strong> Gewässerbelastungen zu vermeiden,<br />

ist <strong>die</strong> Förderung der Errichtung von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser durch Kommunen<br />

oder Länder empfehlenswert. Das Rahmenprogramm „Ökologische Regenwasserbewirtschaftung“<br />

des Landes Bremen kann da<strong>für</strong> <strong>als</strong> Beispiel angeführt werden (Bremer Umwelt Beratung 2011).<br />

Zudem ist eine Einbindung von Versickerungsleistungen in <strong>die</strong> Eingriffs- <strong>und</strong> Ausgleichsregelung anzustreben.<br />

3.2 Wasserbezogene Planung auf kommunaler <strong>und</strong> regionaler Ebene<br />

Angesichts einer zunehmenden Sommertrockenheit in Nordostbrandenburg <strong>und</strong> einer Umverteilung<br />

der Niederschläge vom Sommer in den Winter gekoppelt mit lokalen Überlastungen der Entwässerungssysteme<br />

durch Siedlungsdruck im Berliner Verdichtungsraum <strong>und</strong> bei Starkregenereignissen<br />

sowie Niedrigwassersituationen <strong>und</strong> Trockenfallen von Gewässern bzw. Gewässerabschnitten ist eine<br />

planerische Sicherung von Retentionsflächen unverzichtbar. Diese fehlt jedoch ebenso wie eine Ab-<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

stimmung zwischen den verschiedenen Planungsebenen <strong>und</strong> Fachplanungen. Vor <strong>die</strong>sem Hintergr<strong>und</strong><br />

gilt es, Konzepte <strong>und</strong> planerische Instrumente <strong>für</strong> eine raumbezogene <strong>und</strong> adaptive wassersensible<br />

Strategie im Klimawandel zu entwickeln, <strong>die</strong> einer abgestimmten planerischen Sicherung geeigneter<br />

Retentionsflächen (kommunal <strong>und</strong> regional) <strong>die</strong>nen.<br />

Für <strong>die</strong> kommunale <strong>und</strong> regionale Ebene in INKA BB (Gemeinde Panketal, Planungsregion Uckermark-Barnim)<br />

wurde eine gemeinsame methodische Vorgehensweise zur GIS-gestützten Ermittlung<br />

potentieller Retentionflächen (siehe Abbildung 3) auf Gr<strong>und</strong>lage des digitalen Geländemodells (DGM)<br />

erarbeitet, <strong>die</strong> <strong>die</strong> nachfolgenden Kriterien berücksichtigt:<br />

� Lage der Flächen in Korrespondenz mit theoretischen Retentionskategorien nach Kühn et al.<br />

2004,<br />

� Gr<strong>und</strong>wasserflurabstand > 1 Meter,<br />

� Abgleich der auf regionaler <strong>und</strong> kommunaler Ebene identifizierten Flächen unter Beachtung<br />

des Gegenstromprinzips der Raumordnung <strong>und</strong><br />

� abgestimmte Flächensicherung zur Anpassung an den Klimawandel.<br />

Abbildung 3: GIS-gestützte Ermittlung potentieller Retentionsflächen auf kommunaler <strong>und</strong> regionaler<br />

Ebene<br />

Quelle: Stephani-Pessel et al., 2012<br />

Auf <strong>die</strong>se Weise lassen sich geeignete Retentionsflächen übereinstimmend auf kommunaler wie regionaler<br />

Ebene identifizieren; <strong>die</strong> GIS-gestützte Analyse erweist sich <strong>als</strong> eine hier<strong>für</strong> geeignete Methodik.<br />

Unverzichtbar sind jedoch nähere Betrachtungen der Abfluss- <strong>und</strong> Infiltrationsgeschwindigkeit der<br />

Einzugsgebiete der Senken zur Vali<strong>die</strong>rung der Ergebnisse auf regionaler Ebene.<br />

Dem Maßstab der <strong>Regional</strong>planung von 1:100.000 geschuldet ist <strong>die</strong> Identifikation großer <strong>und</strong> möglichst<br />

zusammenhängender Suchräume <strong>für</strong> <strong>die</strong> Flächensicherung auf regionaler Ebene. Diesem Anspruch<br />

folgt <strong>die</strong> Berechnung der Dichte der Senken aus dem DGM 25 mittels Moving-Windows-<br />

Technologie, in deren Ergebnis wenige, da<strong>für</strong> größere Flächen zur Ausweisung <strong>als</strong> Vorrang- oder<br />

Vorbehaltsgebiete identifiziert werden können. Hier sind auch <strong>die</strong> zuvor (vgl. Abschnitt 3.1.) erwähnten<br />

Synergien mit Ausweisungen anderer Fachplanungen (zum Beispiel Naturschutz) zu finden. Wird <strong>die</strong><br />

Identifikation von Retentionsräumen im nächsten Arbeitsschritt gekoppelt mit der Berechnung der<br />

Abfluss- <strong>und</strong> Infiltrationsgeschwindigkeiten, wird eine quantifizierte Betrachtung möglich.<br />

Auf kommunaler Ebene, <strong>als</strong>o der Ebene der Flächennutzungs- <strong>und</strong> Bauleitplanung, <strong>die</strong> im Maßstab<br />

1:25.000 <strong>und</strong> größer realisiert wird, ist eine Identifikation von Flächen mit höherer räumlicher Auflösung<br />

<strong>und</strong> (bei Verfügbarkeit entsprechender Daten) größerer sachlicher Gliederungstiefe möglich. Die<br />

Suchräume sind entsprechend klein <strong>und</strong> flächenscharf <strong>und</strong> ermöglichen <strong>die</strong> Erarbeitung von Steckbriefen<br />

mit konkretem Flächenbezug <strong>für</strong> Flächen größer 1000 m². Werden <strong>die</strong>se mit Akteuren vor Ort<br />

– Fachverwaltungen der Gemeinde, Wasser- <strong>und</strong> Bodenverband (WBV) <strong>und</strong> Untere Wasserbehörde –<br />

abgestimmt, führt <strong>die</strong>se Herangehensweise zu deutlich mehreren <strong>und</strong> kleineren Flächen im Vergleich<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

zur regionalen Ebene. Die Vali<strong>die</strong>rung vor Ort unter Einbeziehung der zuvor genannten Stakeholder<br />

erlaubt Aussagen mit höherem Vertrauensintervall <strong>und</strong> bietet zudem Synergien mit anderen wasserwirtschaftlichen<br />

Maßnahmen wie beispielsweise der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie über das<br />

Gewässerentwicklungskonzept (GEK) Panke. Auf <strong>die</strong>sem Weg gelingt es, an andere Arbeiten im Bereich<br />

siedlungswasserwirtschaftlicher Anpassungsmaßnahmen anzuknüpfen (siehe Abbildung 4),<br />

jedoch durch <strong>die</strong> primäre Berücksichtigung naturräumlicher Potentiale <strong>die</strong> Limits technischer Lösungen<br />

zu überwinden.<br />

Abbildung 4: Übersicht über siedlungswasserwirtschaftliche Anpassungsmaßnahmen an veränderte<br />

Klimaverhältnisse bei Wasserüberangebot (links) <strong>und</strong> Wassermangel (rechts)<br />

Quelle: Mack et. al., 2012, S. 2<br />

4. Vom Flächenmanagement zum Landnutzungsmanagement<br />

Die im Rahmen des Verb<strong>und</strong>projektes INKA BB bisher erworbenen Erfahrungen decken sich mit denen<br />

anderer Wissenschaftler <strong>und</strong> Praktiker (unter anderem Fröhlich et al., 2011, Galler et al., 2011):<br />

Der Informationsfluss zwischen Kommunen, <strong>Regional</strong>planung <strong>und</strong> Genehmigungsbehörden ist unzureichend<br />

<strong>und</strong> tritt oft in Kombination mit einer unzureichenden (digitalen) Geodatenlage auf. Als zentrales<br />

Element der Bewusstseinsbildung von Akteuren <strong>und</strong> Entscheidungsträgern auf kommunaler <strong>und</strong><br />

regionaler Ebene <strong>die</strong>nen qualifizierte Übersichten über Flächenpotentiale (hier: Retentionspotentiale,<br />

Entsiegelungspotenziale), denn <strong>die</strong>se Flächenübersichten <strong>und</strong> deren graphische Aufarbeitung erzielen<br />

nicht selten einen „Aha-Effekt“.<br />

Aktivitäten zum Flächenmanagement finden bisher vorrangig bezogen auf Siedlungsentwicklung oder<br />

bauliche Aktivitäten statt. Diese gilt es auszuweiten in Richtung einer Analyse der komplexen räumlichen<br />

Ursache-Wirkung-Zusammenhänge (etwa Stadt-Umland-Beziehungen: Metropole Berlin –<br />

„Speckgürtel“ – Peripherie), in <strong>die</strong> alle relevanten Landnutzungssysteme (insbesondere Land- <strong>und</strong><br />

Forstwirtschaft, Tourismus, Energieerzeugung) mit ihren differenzierten Steuerungssystemen einer<br />

integrativen Betrachtung zugeführt werden. Erforderlich ist in Zeiten des Klimawandels insbesondere<br />

ein Paradigmenwechsel bezogen auf <strong>die</strong> Gewässerunterhaltung <strong>und</strong> zwar weg vom Gewässer <strong>und</strong> hin<br />

zum Wasser in der Landschaft (Stornowski, 2011). Dabei gilt es, <strong>die</strong> Vielzahl der Steuerungsmöglichkeiten<br />

in der räumlichen Planung zu nutzen <strong>und</strong> organisatorische Veränderungen (beispielsweise<br />

Flächenbörsen, interkommunale Abstimmung) mit der Beeinflussung von Verhaltensweisen (zum Beispiel<br />

Beratung von Gr<strong>und</strong>stückseigentümern) zu kombinieren. Es gilt, <strong>die</strong> bisherige Fixierung auf<br />

rechtlich-planerische Instrumente aufzubrechen <strong>und</strong> auch ökonomische sowie kommunikative Ansätze<br />

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KLIMZUG-Workingpaper<br />

weiterzuentwickeln, so dass <strong>die</strong> Gesamtheit der strategisch-instrumentellen Ansätze zur Anwendung<br />

kommt. In der Praxis sind <strong>die</strong> Weiterentwicklung bestehender Instrumente sowie kommunikative <strong>und</strong><br />

kooperative Ansätze akzeptiert. Jedoch muss <strong>die</strong> Frage erlaubt sein, ob <strong>die</strong>se tatsächlich ausreichen,<br />

um bei harten Nutzungskonflikten zu langfristig tragfähigen Lösungen zu gelangen. Die (vermeintlich)<br />

effektivsten Instrumente bieten wohl ökonomische Anreizlösungen, wie sie mit Niederschlagswassersatzungen<br />

auf kommunaler Ebene geschaffen werden.<br />

5. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Nur ein abgestimmtes Vorgehen zwischen Raumplanung, Wasserwirtschaft <strong>und</strong> anderen Fachplanungen<br />

wird bei allen aktuellen Bemühungen um Anpassung an <strong>die</strong> unvermeidbaren Folgen des Klimawandels<br />

zu einem dauerhaften Erfolg führen <strong>und</strong> eine Nachhaltigkeit aller (sektoral) entwickelten<br />

Strategien sichern. Unverzichtbare Voraussetzung da<strong>für</strong> sind realitätsgerechte Umweltinformationssysteme,<br />

in denen alle raumrelevanten Umweltdaten konsistent <strong>und</strong> in einer angemessenen Detaillierung<br />

vorgehalten werden <strong>und</strong> austauschbar sind. Die Erfassung <strong>die</strong>ser Daten <strong>und</strong> deren Aus-<br />

/Bewertungsmethoden sind fachübergreifend aufeinander abzustimmen. Akteure der <strong>Regional</strong>planung<br />

können den Anstoß zu einer gemeinsamen Strategieentwicklungen der unterschiedlichen Fachplanung<br />

geben <strong>und</strong> <strong>die</strong> Prozesse der Entwicklung <strong>und</strong> Umsetzung konstruktiver multifunktionaler Lösungen<br />

auch moderieren, da sie häufig <strong>als</strong> „Unparteiische“ akzeptiert sind <strong>und</strong> zudem überfachlich agieren.<br />

Es scheint wenig erfolgreich den Klimawandel allein zu thematisieren, da zugleich Anpassungen an<br />

andere sich ändernde Rahmenbedingungen (demographischer Wandel, Finanzkrise, EU-Agrarpolitik,<br />

<strong>und</strong> vieles mehr) notwendig werden. Es gilt <strong>als</strong>o, den Klimawandel „mitzudenken“ <strong>und</strong> „mitzuplanen“!<br />

Eine Erweiterung oder Ergänzung des bestehenden Planungsrechtes scheint da<strong>für</strong> nicht erforderlich,<br />

jedoch sind <strong>die</strong> B<strong>und</strong>esländer aufgefordert, Erweiterungen der Gebietskategorien <strong>und</strong> Planzeichen<br />

aktiv zu erproben (Fahrenkrug et al., 2011). Anpassung an den Klimawandel sollte sich generell stärker<br />

auf <strong>die</strong> Sicherung von Raumfunktionen <strong>und</strong> weniger auf den Erhalt von Raumstrukturen beziehen.<br />

Literatur<br />

Arndt, Torsten / Bloch, Ralf / Steinhardt, Uta, 2008: Wasserzentrierte Strukturanalyse der Planungsregion<br />

Uckermark-Barnim vor dem Hintergr<strong>und</strong> des Klimawandels, in: Archiv <strong>für</strong> Forstwesen <strong>und</strong><br />

Landschaftsökologie, Heft 42, Berlin/Eberswalde, S. 49-61.<br />

Benden, Jan / Vallée, Dirk, 2010: Städtebauliche Anpassung an Starkregenereignisse durch multifunktionale<br />

Flächennutzung – Beispiele aus den Niederlanden, in: Pinnekamp, J.: Gewässerschutz<br />

– Wasser – Abwasser 220. Tagungsband zur 43. Essener Tagung <strong>für</strong> Wasser- <strong>und</strong> Abfallwirtschaft<br />

– Perspektiven <strong>und</strong> Risiken.<br />

Bremer Umwelt Beratung e.V., 2011: Ökologische Regenwasserbewirtschaftung. URL:<br />

http://www.foerderdatenbank.de [Stand: 2012-03-27].<br />

Fahrenkrug, Katrin /Vallée, Dirk; Diller, Christian, 2011: Handlungsansätze <strong>für</strong> <strong>die</strong> Raumplanung:<br />

Ergebnisse aus den KlimaMORO-Modellvorhaben, URL:<br />

84


KLIMZUG-Workingpaper<br />

http://www.klimamoro.de/fileadmin/Dateien/Veranstaltungen/4._KlimaMORO_Konferenz/Pr%C3%A<br />

4sentationen/Pr%C3%A4sentation_Forschungsassistenz.pdf [Stand: 2012-01-31].<br />

Fröhlich, Jannes / Knieling, Jörg / Schaerffer, Mareike / Zimmermann, Thomas, 2011: Instrumente<br />

der regionalen Raumordnung <strong>und</strong> Raumentwicklung zur Anpassung an den Klimawandel, HafenCity<br />

Universität Hamburg. neopolis working papers: urban and regional stu<strong>die</strong>s; no 10,<br />

Galler, Carolin / Müller, Peter / Prinzensing, Gregor / Trautmann, Katlen, 2011: Mehr Raum <strong>für</strong> Wasser!<br />

In: Leibniz-Gemeinschaft (Hrsg.), Zwischenruf. Wasser: Achtung! Klimawandel – Sek<strong>und</strong>äreffekte<br />

auf das Wasser, Berlin, S. 20-24.<br />

Geiger, Bettina / Stephani-Pessel, Heide / Steinhardt, Uta, 2010: Zwischen Trockenheit <strong>und</strong> Überflutung<br />

– Die Notwendigkeit einer raumbezogenen Gesamtstrategie zum Umgang mit den Folgen des<br />

Klimawandels, in: Kaiser, K., Libra, J., Merz, B., Bens, O., Hüttl, R.F. (Hrsg.), 2010, Aktuelle Probleme<br />

im Wasserhaushalt von Nordostdeutschland: Trends, Ursachen, Lösungen. Scientific Technical<br />

Report 10/10, Deutsches GeoForschungsZentrum, Potsdam.<br />

Kühn, Dieter / Bohl, Steffen / Schultz-Sternberg, Rüdiger, 2004: Ausweisung potenzieller Retentionsflächen<br />

auf der Basis der Bodenübersichtskarte 1:300.000 am Beispiel des B<strong>und</strong>eslandes Brandenburg.<br />

Beiträge <strong>für</strong> Forstwirtschaft <strong>und</strong> Landschaftsökologie 38, S. 8-13.<br />

Mack, Alexander / Müller, Karsten / Siekmann, Thomas, 2011: <strong>Klimaanpassung</strong>sstrategien <strong>für</strong> Entwässerungssysteme.<br />

Literatur- <strong>und</strong> Internetrecherche. dynaklim-Publikation Nr.6, Juni 2011.<br />

Reinhardt, Michael, 2009: Zum Verhältnis von Wasserrecht <strong>und</strong> Naturschutzrecht, in: Natur <strong>und</strong><br />

Recht, Jahrgang 31, S. 517-525.<br />

Schmidt, Thomas, 2009: Gewässerplanung <strong>und</strong> Landschaftsentwicklung im Lichte des neuen Wasser-<br />

<strong>und</strong> Naturschutzrechts, URL: http://www.ipu-erfurt.de/download/091112_gewaesserplan.pdf<br />

[Stand: 2012-01-31].<br />

Stephani-Pessel, Heide / Geiger, Bettina / Steinhardt, Uta, 2012: Konzeption wasserwirtschaftlicher<br />

Anpassungsmöglichkeiten an den Klimawandel auf kommunaler <strong>und</strong> regionaler Ebene, in: Wasser<br />

ohne Grenzen. Beiträge zum Tag der Hydrologie am 22./23. März 2012 an der Universität Freiburg.<br />

Stornowski, Karsten, 2011: Anpassung der Landnutzung an den Klimawandel = Verlust von Arbeitsplätzen<br />

in der Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft?,<br />

URL: http://www.irs-net.de/download/aktuelles/Statement-Stornowski.pdf [Stand: 2012-01-31].<br />

WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der B<strong>und</strong>esregierung Globale Umweltveränderungen, 1993: Welt<br />

im Wandel: Gr<strong>und</strong>struktur globaler Mensch-Umwelt-Beziehungen; Jahresgutachten 1993, Bonn,<br />

Economica Verlag.<br />

WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der B<strong>und</strong>esregierung Globale Umweltveränderungen, 1994: Welt<br />

im Wandel: Die Gefährdung der Böden; Jahresgutachten 1994, Bonn, Economica Verlag.<br />

85


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Anpassung an den Küsten: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Planung<br />

Roland Wenk<br />

Küstenschutz <strong>als</strong> Bestandteil der vorpommerschen Raumentwicklungsstrategie –<br />

Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der <strong>Regional</strong>planung<br />

Bastian Schuchardt / Stefan Wittig<br />

Anpassung hat begonnen: Wie <strong>und</strong> weshalb wird der Klimawandel an der deutschen<br />

Nordseeküste bereits berücksichtigt?<br />

Rieke Müncheberg / Fritz Gosselck / Timothy Coppack / Alexander Weidauer<br />

Klimawandel an der Ostsee: Interessenskonflikte zwischen Natur- <strong>und</strong><br />

Küstenschutz bei der Gewinnung mariner Sande<br />

86


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Küstenschutz <strong>als</strong> Bestandteil der vorpommerschen Raumentwicklungsstrategie<br />

– Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der <strong>Regional</strong>planung<br />

Roland Wenk<br />

1. Einleitung<br />

Der folgende Beitrag zeigt anhand einer Raumentwicklungsstrategie das Zusammenwirken von<br />

Raumplanung <strong>und</strong> Küstenschutz zur Anpassung an <strong>die</strong> Folgen des Klimawandels. Die Planungsregion<br />

Vorpommern, im Nordosten der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland <strong>und</strong> an der südlichen Ostsee gelegen,<br />

weist aufgr<strong>und</strong> ihrer küstenmorphologischen Eigenarten eine besondere Empfindlichkeit gegenüber<br />

einem zukünftig schneller ansteigenden Meeresspiegel auf. Die mittelfristig angelegte Raumplanung<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Fachplanungen des Küstenschutzes müssen hier intensiv abgestimmt werden, um nachteilige<br />

Wirkungen auf <strong>die</strong> <strong>Regional</strong>entwicklung zu minimieren.<br />

2. Stand der <strong>Regional</strong>planung in der Planungsregion Vorpommern unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Küstenschutzes<br />

Nach der politischen Wende 1989/90 wurde im Jahr 1992 <strong>die</strong> Planungsregion Vorpommern konstituiert<br />

<strong>und</strong> im Landesplanungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern verankert. Der erste verbindliche <strong>Regional</strong>plan,<br />

das <strong>Regional</strong>e Raumordnungsprogramm Vorpommern (RROP VP), stammt aus dem Jahre<br />

1998. Auf einer nicht der Verbindlichkeit unterliegenden Beikarte (Abbildung 1) zeigt <strong>die</strong>ses Programm<br />

in einer kartographischen Darstellung <strong>die</strong> „Hochwassergefährdeten Räume in Vorpommern“.<br />

Über einen informellen Status hinausreichende Instrumente der Raumordnung zur Steuerung der<br />

räumlichen Entwicklung wurden im RROP VP noch nicht eingesetzt. Allerdings verweist der Begründungstext<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> im Abschnitt 10.2.3 verbal dargestellten Erfordernisse der Raumordnung bereits auf<br />

<strong>die</strong> fachplanerische Gr<strong>und</strong>lage des seinerzeit geltenden „Generalplanes Küsten- <strong>und</strong> Hochwasserschutz<br />

des Landes Mecklenburg-Vorpommern“.<br />

Das 2010 <strong>für</strong> verbindlich erklärte <strong>Regional</strong>e Raumentwicklungsprogramm Vorpommern (RREP VP)<br />

geht über <strong>die</strong>se Darstellung deutlich hinaus <strong>und</strong> formt damit <strong>die</strong> in 5.3 (3) Landesraumentwicklungsprogramm<br />

Mecklenburg-Vorpommern (LEP MV) bestimmten Aufgaben der <strong>Regional</strong>planung aus. Das<br />

RREP VP enthält sowohl textlich <strong>als</strong> auch zeichnerisch dargestellte Ziele <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>sätze der Raumordnung,<br />

<strong>die</strong> unmittelbar auf den Küstenschutz <strong>und</strong> <strong>die</strong> räumliche Entwicklung in überflutungsgefährdeten<br />

Bereichen zielen. Der Text enthält im Abschnitt 5.3 ein raumordnerisches Ziel sowie weitere<br />

sechs Gr<strong>und</strong>sätze der Raumordnung. Die sich aus dem Ziel ergebenden Vorranggebiete Küstenschutz<br />

werden in der Begründung einzeln aufgeführt <strong>und</strong> beschrieben. Weiter führt <strong>die</strong> Begründung<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Vorbehaltsgebiete Küstenschutz aus:<br />

„Vorbehaltsgebiete Küstenschutz an den Außen- <strong>und</strong> Boddenküsten sowie in den tiefliegenden<br />

Flussmündungsbereichen im Wirkungsraum der Ostsee umfassen <strong>die</strong> Gebiete, <strong>die</strong> nach fachplanerischer<br />

Darstellung des Generalplanes Küsten- <strong>und</strong> Hochwasserschutz Mecklenburg-Vorpommern unterhalb<br />

des jeweiligen Bemessungshochwasserstandes liegen. Diese Gebiete sind, auch bei vorhandenen<br />

<strong>und</strong> funktionstüchtigen Küstenschutzanlagen, durch Sturmfluten potenziell <strong>und</strong> real gefährdet.<br />

Planungen <strong>und</strong> Maßnahmen in <strong>die</strong>sen Gebieten müssen deshalb <strong>die</strong> von möglichen Sturmfluten ausgehenden<br />

Gefahren <strong>für</strong> Leben, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Sachwerte in den Planungsprozess einbeziehen <strong>und</strong><br />

entsprechende Lösungen finden.<br />

Dabei ist zu beachten, dass aufgr<strong>und</strong> des voraussichtlich ansteigenden Meeresspiegels an der Ostseeküste<br />

<strong>die</strong> Aufwendungen der öffentlichen Hand <strong>für</strong> den Schutz von im Zusammenhang bebauten<br />

87


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Gebieten zunehmen, wenn Belange des Küstenschutzes ungenügend berücksichtigt werden. Die<br />

Festlegung der Vorbehaltsgebiete Küstenschutz erfolgt insbesondere aus Gründen der Vorsorge. Die<br />

Darstellung von Vorbehaltsgebieten Küstenschutz informiert alle Planungsträger über <strong>die</strong> hier bestehenden<br />

Gefährdungen durch Sturmfluten <strong>und</strong> räumt ihnen <strong>die</strong> Möglichkeit ein, auf Gefährdungen angemessen<br />

zu reagieren.<br />

Die vorhandenen Schutzanlagen <strong>für</strong> im Zusammenhang bebaute Gebiete an den Unterläufen der<br />

oberirdischen Fließgewässer (z.B. am Ryck, an der Peene, an der Uecker) sind Küstenschutzanlagen,<br />

da sie gegen Auswirkungen von Sturmfluten in der Ostsee schützen, <strong>die</strong> einen Rückstau bis in <strong>die</strong> mit<br />

geringem Gefälle fließenden Flüsse verursachen.<br />

Im Zusammenhang bebaute Gebiete sind baulich geschlossene Ortschaften, in denen durch Sturmfluten<br />

Gefahren <strong>für</strong> das Leben <strong>und</strong> <strong>die</strong> Ges<strong>und</strong>heit der dort lebenden Menschen sowie Schäden an<br />

Sachwerten <strong>und</strong> Kulturgütern entstehen können. Für <strong>die</strong>se Gebiete ist ein besonderer Schutz erforderlich.<br />

Aufgr<strong>und</strong> des voraussichtlich weiter ansteigenden Meeresspiegels der Ostsee empfiehlt es<br />

sich, Strategien zu erarbeiten, welche das Schadenspotenzial in <strong>die</strong>sen Gebieten langfristig verringern.“<br />

Die Abbildung 2 zeigt <strong>die</strong> zeichnerische Darstellung der Vorbehaltsgebiete Küstenschutz auf der verbindlichen<br />

Karte im Maßstab 1:100.000 mit einer dunkelblauen, v-förmigen Signatur <strong>und</strong> dunkelblauer<br />

Grenze.<br />

Das Zusammenwirken von Raumplanung <strong>und</strong> Küstenschutz wurde mit Beginn der regionalplanerischen<br />

Bearbeitung Vorpommerns 1993 auf neue Gr<strong>und</strong>lagen gestellt. Die fachplanerischen Entwicklungen<br />

des Küstenschutzes erfolgten in den neunziger Jahren nach den Vorgaben des mecklenburgvorpommerschen<br />

Landeswassergesetzes zunächst relativ autark <strong>und</strong> manifestierten sich im bereits<br />

erwähnten „Generalplan Küsten- <strong>und</strong> Hochwasserschutz Mecklenburg-Vorpommern“, der neuerdings<br />

zu einem „Regelwerk Küstenschutz Mecklenburg-Vorpommern“ fortgeschrieben wurde. Mit <strong>die</strong>ser<br />

Fortschreibung reagiert <strong>die</strong> Fachplanung auf <strong>die</strong> veränderte Haushaltslage des Landes, auf veränderte<br />

Schutzanforderungen der Gesellschaft, auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse der Küstenforschung<br />

<strong>und</strong> auf <strong>die</strong> Prognosen zum Anstieg des Meeresspiegels. Die fachplanerischen Vorarbeiten<br />

des Küstenschutzes wurden in <strong>die</strong> Aufstellung der regionalen Raumpläne einbezogen. Die Bedeutung<br />

des Küstenschutzes nicht nur <strong>für</strong> den Katastrophenschutz, sondern insgesamt <strong>für</strong> eine Sicherung der<br />

<strong>Regional</strong>entwicklung wurde dabei früh erkannt <strong>und</strong> in formale Instrumente der Raumordnung übersetzt.<br />

Dies blieb natürlich nicht ohne Rückwirkung auf <strong>die</strong> Fachplanung. Einerseits wird durch <strong>die</strong>se<br />

Aufnahme <strong>und</strong> Bestätigung fachlicher Aspekte in verbindliche Festlegungen der Raumplanung <strong>die</strong><br />

gesellschaftliche Bedeutung des Küstenschutzes gestützt. Andererseits steigen <strong>die</strong> Anforderungen an<br />

<strong>die</strong> Begründung von Planungen <strong>und</strong> Maßnahmen des Küstenschutzes. Und unverkennbar ist auch der<br />

Einsatz von raumplanerischen Instrumenten erforderlich, um den steigenden Platz- <strong>und</strong> Rohstoffbedarf<br />

<strong>für</strong> Projekte des Küstenschutzes zu gewährleisten. Die Abbildung 3 gibt einen Überblick über<br />

<strong>die</strong>sen Zusammenhang zwischen Fachplanung <strong>und</strong> Raumplanung.<br />

88


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Abbildung 1: Erläuterungskarte Nr. 16 des RROP VP: Hochwassergefährdete Räume in<br />

Vorpommern<br />

Quelle: RROP VP, Erläuterungskarte Nr. 16, S. 189<br />

89


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Abbildung 2: Vorbehaltsgebiete Küstenschutz in der Karte des RREP VP<br />

Quelle: RREP VP, Karte M 1 : 100.000<br />

Abbildung 3: Zusammenhang zwischen Fachplanung <strong>und</strong> Raumplanung<br />

Eigene Darstellung<br />

90


KLIMZUG-Workingpaper<br />

3. Die Raumentwicklungsstrategie „Anpassung an den Klimawandel <strong>und</strong> Klimaschutz<br />

in der Planungsregion Vorpommern“<br />

Von 2009 bis 2011 beteiligte sich der <strong>Regional</strong>e Planungsverband Vorpommern im Rahmen eines<br />

Modellvorhabens der Raumordnung (MORO, KlimaMORO) des BMVBS an der Aufstellung einer<br />

Raumentwicklungsstrategie. Kernelemente regionaler Raumentwicklungsstrategien sind <strong>die</strong> planerische<br />

Integration wichtiger naturräumlicher <strong>und</strong> sozialer Bereiche, <strong>die</strong> Koordination von Nutzungs- <strong>und</strong><br />

Schutzansprüchen, Langfristigkeit, Nachhaltigkeit, Partizipation der Zivilgesellschaft im Prozess der<br />

Aufstellung <strong>und</strong> Umsetzung sowie <strong>die</strong> Beachtung des regionalen Rahmens. Die Raumentwicklungsstrategie<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Planungsregion Vorpommern setzt bei den Handlungsfeldern Biodiversität, Landnutzung,<br />

Wasserwirtschaft/Wasserhaushalt, Siedlungsentwicklung/Tourismus <strong>und</strong> Energie an. Fragen<br />

des Küstenschutzes entfalten in jedem <strong>die</strong>ser Handlungsfelder ihre Wirkung. Die folgende Abbildung 4<br />

aus der Raumentwicklungsstrategie zeigt deshalb auch neben den Klimaindikatoren Temperatur <strong>und</strong><br />

Niederschlag <strong>als</strong> wichtigen Wirkfaktor den Anstieg des Meeresspiegels. In einem ausführlichen Diskussionsprozess<br />

erfolgte hier <strong>die</strong> Einigung darauf, <strong>für</strong> <strong>die</strong> planerischen Aussagen der Strategie einen<br />

Anstieg des Meeresspiegels bis zum Jahr 2100 von 50 cm anzunehmen.<br />

Abbildung 4: Raumentwicklungsstrategie <strong>für</strong> <strong>die</strong> Planungsregion Vorpommern<br />

Quelle: <strong>Regional</strong>er Planungsverband Vorpommern, 2011, S. 41<br />

Die Bedeutung des Küstenschutzes <strong>für</strong> <strong>die</strong> Planungsregion Vorpommern resultiert unter anderem aus<br />

der enormen Länge der Küstenlinie von ca. 1.450 km. Viele Inseln <strong>und</strong> Halbinseln prägen <strong>die</strong> vorpommersche<br />

Küste <strong>und</strong> bilden mit den äußeren <strong>und</strong> inneren Küstengewässern (Bodden <strong>und</strong> Haffs)<br />

eine abwechslungsreiche, aber auch von Sturmfluten gefährdete Küstenlandschaft. Die überflutungsgefährdeten<br />

Flächen nehmen nach derzeitigem Kenntnisstand ca. 356 km 2 bei einem Wasserstand<br />

von 0,50 m über Höhennull ein.<br />

91


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Neben den überflutungsgefährdeten Flachküsten finden sich Steilküstenabschnitte, <strong>die</strong> in den letzten<br />

Jahren durch teils spektakuläre Hangrutschungen oder -abbrüche <strong>die</strong> Aufmerksamkeit auf sich gezogen<br />

haben.<br />

Flachküste südwestlich des Greifswalder Boddens<br />

Bild: <strong>Regional</strong>er Planungsverband Vorpommern<br />

Unter den an der vorpommerschen Küste vorliegenden Bedingungen ist eine möglichst gute Prognose<br />

über <strong>die</strong> Entwicklung des Meeresspiegels eine wichtige Voraussetzung <strong>für</strong> Planungen im Küstensaum.<br />

Allerdings gestaltet sich <strong>die</strong> Auswertung der vorliegenden Untersuchungen über den Zusammenhang<br />

von Küstenveränderungen <strong>und</strong> Meeresspiegelanstieg hier schwierig, weil <strong>die</strong>se sich meistens<br />

nur auf Teilaspekte des Geschehens konzentrieren. So geht der Synthesis Report Climate Change<br />

2007 des IPCC von einem globalen Anstieg des Meeresspiegels bis 2100 von 18 bis 59 cm aus<br />

(eustatischer Anstieg). Im Vorfeld des Weltklimagipfels von Kopenhagen wurden dagegen bereits<br />

Anstiegswerte zwischen 75 <strong>und</strong> 190 cm bis 2100 diskutiert. Das neue „Regelwerk Küstenschutz<br />

Mecklenburg-Vorpommern“ nutzt <strong>für</strong> seine Berechnungen einen sogenannten relativen säkularen<br />

Anstieg von circa 1-1,5 mm/a. Dieser Wert beruht auf den Messungen langjähriger Zeitreihen <strong>und</strong><br />

enthält ausdrücklich keine Komponente, <strong>die</strong> eine Beschleunigung des Anstiegs durch den Klimawandel<br />

induziert.<br />

Neben <strong>die</strong>sen Differenzen ist <strong>für</strong> <strong>die</strong> südliche Ostseeküste der isostatische Anstieg des Meeresspiegels<br />

von circa 1 mm/a bedeutsam, der aus der Hebung des skandinavischen Schildes <strong>und</strong> dadurch<br />

bedingter Absenkung des südlichen Ostseegebietes resultiert (Meyer, 2002).<br />

Inwieweit sich in <strong>die</strong>sen unterschiedlichen Aussagen über <strong>die</strong> Prognosewerte <strong>und</strong> <strong>die</strong> Ursachen des<br />

Anstiegs teilweise oder vollständige Überlappungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Resultate finden lassen, bedürfte einer<br />

eingehenden klimatologischen, geologischen <strong>und</strong> küstenmorphologischen Untersuchung.<br />

4. Raumplanerische Erfordernisse <strong>und</strong> Küstenschutz<br />

Eine Analyse der Wirkungen des ansteigenden Meeresspiegels muss zunächst zwischen Flach- <strong>und</strong><br />

Steilküsten differenzieren. Für beide Küstenformen sind unterschiedliche Wirkungspfade zu konstatieren,<br />

woraus sich auch an <strong>die</strong> Küstenformen angepasste Maßnahmen des Küstenschutzes ergeben.<br />

Insbesondere hinsichtlich der Reaktionen von Steilküsten aus Lockergestein sind <strong>die</strong> Wirkungen des<br />

92


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Meeresspiegelanstiegs in Verbindung mit der Veränderung anderer Klimaindikatoren noch nicht ausreichend<br />

erforscht.<br />

Anstieg des Meeresspiegels an Flachküsten<br />

Die technischen Möglichkeiten digitaler Höhen- <strong>und</strong> Landschaftsmodelle <strong>für</strong> <strong>die</strong> Küste erlauben heute<br />

im Zusammenhang mit Anstiegsanimationen eine vergleichsweise einfache Erfassung von Überflutungsgefahren<br />

<strong>und</strong> der Darstellung von Veränderungen des Mittelwasserstandes an Flachküsten. Sie<br />

stellen <strong>die</strong> Basisinformationen über <strong>die</strong> Höhenverhältnisse zur Verfügung, so dass planerische Überlegungen<br />

daran anknüpfen können. Die folgende Abbildung zeigt <strong>für</strong> einen typischen Bereich an der<br />

vorpommerschen Küste <strong>die</strong> Flächen, <strong>die</strong> bei einem Mittelwasserstand von +50 cm dauerhaft überflutet<br />

werden, sofern keine Maßnahmen zur Verhinderung solcher Überflutungen getroffen werden (dunkelblaue<br />

Flächensignatur). Die dunkelblau schraffiert angelegten Flächen werden überflutet, wenn der<br />

gegenwärtig amtlich festgelegte Bemessungshochwasserstand (BHW) einschließlich eines Zuschlages<br />

von 50 cm erreicht wird <strong>und</strong> ebenfalls weitere Maßnahmen unterbleiben.<br />

Abbildung 5: Anstieg des Meeresspiegels an Flachküsten<br />

Eigene Darstellung<br />

Dabei wird erkennbar, dass Gebiete mit sehr unterschiedlichen Schutz- <strong>und</strong> Nutzfunktionen von der<br />

Gefahr temporärer oder dauerhafter Überflutung betroffen sind. Die weitere Analyse <strong>die</strong>ser gebietsspezifischen<br />

Funktionen kann anhand ökonomischer, ökologischer oder anderer Bewertungen vorgenommen<br />

werden. Bevor jedoch weitere planerische Überlegungen zum Einsatz von formalen oder<br />

informellen Steuerungsinstrumenten angestellt werden, sollten im Sinne eines Governance-Prozesses<br />

bereits möglichst frühzeitig <strong>die</strong> Betroffenen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Institutionen einbezogen werden, deren Aufgabenbereiche<br />

durch eine regionalplanerische Steuerung berührt werden, in jedem Fall <strong>als</strong>o <strong>die</strong> Gemeinden<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> zuständigen Fachbehörden.<br />

Auf <strong>die</strong> betroffenen vielfältigen Schutz- <strong>und</strong> Nutzungsfunktionen muss natürlich raumplanerisch reagiert<br />

werden. Die bisher zum Einsatz gekommenen formalen Instrumente des raumordnerischen Zieles<br />

„Vorranggebiet Küstenschutz“ <strong>und</strong> des Gr<strong>und</strong>satzes „Vorbehaltsgebiet Küstenschutz“ können al-<br />

93


KLIMZUG-Workingpaper<br />

lerdings den differenzierten Problemlagen nicht gerecht werden. Aus <strong>die</strong>sem Gr<strong>und</strong> erscheint es sinnvoll<br />

beispielsweise zwischen Schutzbereichen <strong>für</strong> Siedlungen, Anpassungszonen <strong>für</strong> Siedlungen, Zonen<br />

der Verlagerung kritischer Infrastruktur oder auch Rückzugszonen <strong>für</strong> Siedlungen im Außenbereich<br />

zu unterscheiden. Inwieweit mit <strong>die</strong>ser Differenzierung verschiedene inhaltliche Ausrichtungen<br />

vorzunehmen sind, bleibt einer weiteren Diskussion <strong>und</strong> der Entscheidungsfindung der Planungsträger<br />

vorbehalten.<br />

Anstieg des Meeresspiegels an Steilküsten<br />

Unter dem Blickwinkel der planerischen Ausgangslage verhalten sich abbruchgefährdete Steilküsten<br />

deutlich anders <strong>als</strong> Flachküsten. Gegenwärtig ist noch nicht abschließend geklärt, ob <strong>die</strong> in den letzten<br />

Jahren zunehmenden Abbrüche <strong>und</strong> Rutschungen ebenso Folge eines ansteigenden Meeresspiegels<br />

sind oder ob <strong>und</strong> wie andere Faktoren bei <strong>die</strong>sen Vorgängen mitwirken. Da ein steigender Meeresspiegel<br />

Wasser <strong>und</strong> Wellenschlag näher an den Hangfuß heranführt, scheint ein gewisser Einfluss<br />

plausibel zu sein. Andererseits ist zu beachten, dass <strong>die</strong> Steilküsten <strong>als</strong> Bestandteil der vorpommerschen<br />

Ausgleichsküste stoffdynamischen Prozessen unterliegen, über deren Verhalten bei steigendem<br />

Meeresspiegel noch keine hinreichende Sicherheit in der Bewertung besteht. Auch <strong>die</strong> beobachteten<br />

Veränderungen des Niederschlags, des oberflächigen Abflusses, des Abflusses aus wasserführenden<br />

Schichten <strong>und</strong> der Temperaturen können auf <strong>die</strong> Stabilität der Lagerungsverhältnisse in den<br />

Steilhängen Einfluss nehmen.<br />

Abbildung 6: Steilküsten in der Planungsregion Vorpommern<br />

Quelle: <strong>Regional</strong>er Planungsverband Vorpommern, 2011, S. 33<br />

Eine regionale Prognose darüber, welche Steilküsten durch Abbrüche gefährdet sind, kann sich auf<br />

<strong>die</strong> vorliegenden Datenreihen zum Küstenrückgang stützen. Für den engeren lokalen Bereich kann<br />

<strong>die</strong>s um Daten aus der Beobachtung des Abbruchgeschehens sowie der gefährdeten Hangbereiche<br />

selbst ergänzt werden. Allein daraus können jedoch noch keine detaillierten Schlussfolgerungen darüber<br />

gezogen werden, wie sich <strong>die</strong> Küstenabbrüche in den nächsten Dekaden entwickeln werden.<br />

Abbrüche <strong>und</strong> Rutschungen bergen <strong>für</strong> Menschen <strong>und</strong> Siedlungen erhebliche Gefahren. Insofern wurde<br />

auch an <strong>die</strong> regionale Raumplanung <strong>die</strong> Forderung gestellt, mit ihren Instrumenten <strong>die</strong> Nutzungs-<br />

94


KLIMZUG-Workingpaper<br />

steuerung in solchen gefährdeten Bereichen zu unterstützen. In der Diskussion stehen beispielsweise<br />

Rückzugszonen <strong>für</strong> gefährdete Siedlungsbereiche. Auch der stringente Schutz des bauplanungsrechtlichen<br />

Außenbereichs könnte durch formale Instrumente der Raumordnung verstärkt werden, zum<br />

Beispiel in Form eines Vorranggebietes <strong>für</strong> den Ablauf natürlicher Landschaftsprozesse.<br />

5. Zielstellungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Abstimmung von Raumplanung <strong>und</strong> Küstenschutz sowie<br />

Governance-Prozesse<br />

Raumplanung <strong>und</strong> Küstenschutz sind spezialisierte Zweige staatlich-hoheitlicher Verwaltung. Im Verhältnis<br />

zueinander bezeichnen <strong>die</strong> originären Aufgaben des Küstenschutzes <strong>als</strong> Fachplanung gleichzeitig<br />

<strong>die</strong> Grenzen der Raumplanung. Deshalb ist es erforderlich, beide Aufgabenprofile gegenseitig<br />

klar zu definieren <strong>und</strong> <strong>die</strong> Schnittstellen zwischen beiden Planungen genau zu bestimmen.<br />

Als Schnittstellen lassen sich unter anderem folgende Punkte beschreiben:<br />

- <strong>die</strong> unterschiedliche Fokussierung der Betrachtung auf <strong>die</strong> Fachplanungsebene (Küstenschutz)<br />

bzw. auf <strong>die</strong> Ebene einer integrierten Gesamtplanung (Raumplanung),<br />

- Vorschläge der Fachplanung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anwendung von raumordnerischen Instrumenten gemäß<br />

§ 8 (5) bis (7) GeROG,<br />

- <strong>die</strong> Bindungswirkung raumordnerischer Ziele <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>sätze <strong>für</strong> <strong>die</strong> Fachplanung gemäß § 4<br />

GeROG<br />

- raumbedeutsame Planungen <strong>und</strong> Projekte gemäß § 3 (1) Nr. 6 GeROG.<br />

Neben <strong>die</strong>sen Schnittstellen gibt es eine erhebliche Anzahl gemeinsamer Zielstellungen von Raumplanung<br />

<strong>und</strong> Küstenschutz. Zu <strong>die</strong>sen gehören <strong>die</strong> Orientierung auf das übergeordnete Ziel der Nachhaltigkeit<br />

bei der Flächennutzung im Küstensaum, Aspekte der Vorsorge <strong>für</strong> Leben, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />

Sachwerte sowie <strong>die</strong> Berücksichtigung von Schutzgütern gemäß dem Gesetz über <strong>die</strong> Umweltverträglichkeitsprüfung.<br />

Die gegenseitige Ergänzung der Vorsorgeplanungen zur Risikominderung <strong>und</strong> Gefahrenvermeidung<br />

durch eine ausgearbeitete Freiraumplanung kann den <strong>für</strong> <strong>die</strong> erforderlichen Maßnahmen<br />

des Küstenschutzes notwendigen Raum gegenüber anderen Nutzungen sichern sowie Rückzugszonen<br />

oder Zonen mit öffentlichem Schutzbedarf bestimmen. Dies sichert nicht nur <strong>die</strong> Raumansprüche<br />

des Küstenschutzes im Freiraum <strong>und</strong> im Siedlungsraum, sondern kann durch <strong>die</strong> Steuerung<br />

der bau- <strong>und</strong> bergrechtlichen Planungsinstrumente unnötige Kosten der öffentlichen Hand vermeiden<br />

helfen. Die kommunale Siedlungsentwicklung, an <strong>die</strong> Ziele der Raumordnung geb<strong>und</strong>en, kann sich<br />

dann auf <strong>die</strong> Belange des Küstenschutzes einstellen. Auch <strong>für</strong> andere Fachplanungsträger können <strong>die</strong><br />

Ansprüche der Küstenschutzverwaltung transparent gemacht werden <strong>und</strong> so beispielsweise mit den<br />

Forderungen des Ökosystemschutzes <strong>für</strong> Küstenbiotope besser koordiniert werden.<br />

Die Anforderungen an eine moderne Raumplanung bleiben allerdings nicht bei den gegenseitigen<br />

Abstimmungen mit der Küstenschutzverwaltung stehen. Für eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit<br />

im Rahmen von Governance-Prozessen ist neben den der Planung zugr<strong>und</strong>eliegenden Fachdaten zur<br />

Hydrodynamik, Küstenmorphologie, Küstendynamik <strong>und</strong> Topographie der betreffenden Küstenabschnitte<br />

eine Vielzahl von Kommunikationsmethoden anzuwenden. Neben der Nutzung von Verbreitungsme<strong>die</strong>n<br />

lassen sich dazu alle Formen des direkten Gesprächs zählen wie Foren, Workshops<br />

oder öffentliche Konferenzen. Voraussetzung <strong>für</strong> <strong>die</strong> professionelle Gestaltung solcher Prozesse ist<br />

eine institutionalisierte Raumplanung.<br />

95


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Abbildung 7: Aufgabenteilung von Raumplanung <strong>und</strong> Küstenschutz<br />

Eigene Darstellung<br />

Neben <strong>die</strong>sen aus der Organisation von Governance sich entwickelnden Aufgaben wirken in den letzten<br />

Jahren <strong>die</strong> Anstrengungen der Europäischen Union (EU) verstärkt auf das Verhältnis von Raumplanung<br />

<strong>und</strong> Küstenschutz ein. Die Hochwasserschutz-Rahmenrichtlinie der EU verlangt neuerdings<br />

<strong>die</strong> Ermittlung gefährdeter Bereiche <strong>und</strong> <strong>die</strong> Entwicklung von Managementplänen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Vorsorge vor<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Bewältigung von gefährlichen Hochwasser- <strong>und</strong> Überflutungssituationen. Die Umsetzung solcher<br />

Managementanforderungen in raumplanerische Instrumente wird voraussichtlich eine der interessanten<br />

Aufgaben werden, welche Raumplanung <strong>und</strong> Küstenschutz gemeinsam meistern müssen.<br />

6. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Das Zusammenwirken von Raumplanung <strong>und</strong> Küstenschutz erfordert eine intensive Abstimmung. Die<br />

Aufnahme raumbedeutsamer fachplanerischer Aspekte des Küstenschutzes in <strong>die</strong> räumliche Gesamtplanung<br />

führt insgesamt zu einer verbesserten Koordination auch mit anderen Fachplanungen. Die<br />

räumliche Planung ermöglicht darüber hinaus eine zeitliche Ausweitung bei der Einbeziehung sukzessiv<br />

vonstattengehender Prozesse wie dem des Anstiegs des Meeresspiegels. Mit ihren Erfahrungen<br />

bei der Gestaltung von Governance-Prozessen <strong>und</strong> einem breiten Spektrum an Kommunikationsmethoden<br />

<strong>und</strong> -instrumenten bei der Aufstellung integrierter gesamträumlicher Entwicklungsplanungen<br />

unterstützt sie <strong>die</strong> Umsetzung fachplanerischer Erfordernisse des Küstenschutzes.<br />

Literatur<br />

Gesetz zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes <strong>und</strong> zur Änderung anderer Vorschriften<br />

(GeROG) vom 22.12.2008 (BGBl. I, S. 2986).<br />

IPCC, 2002, Zwischenstaatlicher Ausschuss <strong>für</strong> Klimaänderungen, Intergovernmental Panel on Climate<br />

Change IPCC, wwwipcc.ch, Climate Change 2001, Synthesis Report, Bonn.<br />

96


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Landesplanungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (LPlG M-V) vom 5.5.1998. GVOBl. M-V Nr. 16<br />

vom 20. Mai 1998.<br />

Meyer, Michael, 2002, Modellierung der Entwicklung von Küstenlinien der Ostsee im Holozän –<br />

Wechselspiel zwischen Isostasie <strong>und</strong> Eustasie, Diss., Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald.<br />

Ministerium <strong>für</strong> Arbeit, Bau <strong>und</strong> Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.), 2005,<br />

Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin.<br />

Ministerium <strong>für</strong> Bau, Landesentwicklung <strong>und</strong> Umwelt Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.), 1994,<br />

Generalplan Küsten- <strong>und</strong> Hochwasserschutz Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin.<br />

Ministerium <strong>für</strong> Landwirtschaft, Umwelt <strong>und</strong> Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern<br />

(Hrsg.), 2009, Regelwerk Küstenschutz Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin.<br />

<strong>Regional</strong>er Planungsverband Vorpommern (Hrsg.), 2011, Raumentwicklungsstrategie Anpassung<br />

an den Klimawandel <strong>und</strong> Klimaschutz in der Planungsregion Vorpommern, Greifswald.<br />

<strong>Regional</strong>er Planungsverband Vorpommern (Hrsg.), 1998, <strong>Regional</strong>es Raumordnungsprogramm<br />

Vorpommern, Greifswald.<br />

<strong>Regional</strong>er Planungsverband Vorpommern (Hrsg.), 2010, <strong>Regional</strong>es Raumentwicklungsprogramm<br />

Vorpommern, Greifswald.<br />

Wassergesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (LWaG) vom 30. November 1992 (GVOBl.<br />

M-V 1992, S. 669), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 4. Juli 2011 (GVOBl. M-V S.<br />

759, 765).<br />

97


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Anpassung hat begonnen: Wie <strong>und</strong> weshalb wird der Klimawandel<br />

an der deutschen Nordseeküste bereits berücksichtigt?<br />

Bastian Schuchardt / Stefan Wittig<br />

1. Einleitung<br />

Der Klimawandel wird sich an den Küsten durch den Anstieg der Mittel- <strong>und</strong> Extremwerte der Lufttemperaturen,<br />

<strong>die</strong> Veränderung der Niederschlagsverteilung <strong>und</strong> der Abflüsse vom Festland, den Anstieg<br />

des Meeresspiegels, eine Zunahme von Stürmen <strong>und</strong> Erosion <strong>und</strong> ein sich beschleunigt erhöhendes<br />

Risiko durch Sturmfluten manifestieren (EEA, 2008). Die Auswirkungen sind besonders ausgeprägt an<br />

flachen Küsten wie im Bereich der Deutschen Bucht, wo Inseln, Wattenmeer, Flussmündungen <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> befestigte Küste mit ihrer städtischen, ländlichen <strong>und</strong> industriellen Besiedlung betroffen sind (Sterr<br />

et al., 2000). Insbesondere <strong>die</strong> Ästuare von Elbe, Weser, Ems <strong>und</strong> Eider werden unter <strong>die</strong>sen Einwirkungen<br />

ihre physischen <strong>und</strong> ökologischen Eigenschaften zum Teil deutlich verändern <strong>und</strong> über<strong>die</strong>s<br />

den Anstieg des Meeresspiegels <strong>und</strong> <strong>die</strong> erhöhten Sturmflutgefahren bis weit ins Hinterland nach<br />

Bremen <strong>und</strong> Hamburg, immerhin gut 100 km von der Küste entfernt, transportieren<br />

(Schuchardt/Schirmer, 2005). Infolge <strong>die</strong>ser Gegebenheiten muss auch <strong>die</strong> Deutsche Nordseeküste<br />

mit etwa 3,5 Millionen Einwohnern <strong>als</strong> hoch sensibel gegenüber dem Klimawandel bezeichnet werden.<br />

Die Küstenregion gehört deshalb in Deutschland zu den Regionen mit einer besonderen Vulnerabilität<br />

(Zebisch et al., 2005) <strong>und</strong> der Küstenschutz an der Nordsee ist eines der ersten gesellschaftlichen<br />

Handlungsfelder, in dem <strong>die</strong> Anpassung an den beschleunigten Meeresspiegelanstieg bereits begonnen<br />

hat (NLWKN, 2007; NLWKN, 2010).<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Ergebnisse abgeschlossener (vor allem Klimaänderung Unterweser –<br />

KLIMU: Schuchardt/Schirmer 2005; Klimaänderung <strong>und</strong> Risikomanagement – KRIM:<br />

Schuchardt/Schirmer, 2007a) <strong>und</strong> laufender (nordwest2050: www.nordwest2050.de) vom B<strong>und</strong>esministerium<br />

<strong>für</strong> Bildung <strong>und</strong> Forschung geförderter Verb<strong>und</strong>vorhaben wird im Folgenden am Beispiel der<br />

Metropolregion Bremen-Oldenburg umrissen, weshalb <strong>und</strong> wie der Küstenschutz an der Nordsee <strong>als</strong><br />

eines der ersten gesellschaftlichen Handlungsfelder begonnen hat Anpassung an den beschleunigten<br />

Meeresspiegelanstieg zu realisieren <strong>und</strong> welche Voraussetzungen <strong>die</strong>sen Prozess begünstigt haben.<br />

2. Klimawandel <strong>und</strong> Küstenschutz: Sensitivität <strong>und</strong> potenzielle Auswirkungen<br />

2.1 Küstenschutz in der Metropolregion<br />

Der Küstenschutz ist in der Metropolregion Bremen-Oldenburg ebenso wie an der gesamten deutschen<br />

Nordseeküste von existenzieller Bedeutung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Sicherung des küstennahen Siedlungs-,<br />

Wirtschafts- <strong>und</strong> Kulturraums <strong>und</strong> damit <strong>für</strong> das Leben <strong>und</strong> Wirtschaften in <strong>die</strong>ser Region. Neben der<br />

Sicherung der Küstenlinie von Nordsee <strong>und</strong> Jadebusen spielt der Küstenschutz auch entlang des<br />

Weserästuars bis weit ins Binnenland eine wichtige Rolle.<br />

Die große Bedeutung des Küstenschutzes in der Metropolregion Bremen-Oldenburg wird bereits bei<br />

der Betrachtung der topografischen Verhältnisse deutlich. So liegen <strong>die</strong> Geländehöhen der niedersächsischen<br />

Marschengebiete überwiegend zwischen 1,4 m über <strong>und</strong> 0,5 m unter Normal Null (NN),<br />

abgesehen von einigen bis zu NN +2,5 m aufsedimentierten, ufernahen Küsten- <strong>und</strong> Flussmarschen.<br />

Auch Bremen <strong>und</strong> Bremerhaven liegen überwiegend auf niedrigem Marschengelände (NLWKN,<br />

2007).<br />

98


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Der Schutz des Binnenlandes vor Überflutungen wird in der Metropolregion durch ein System verschiedener<br />

technischer <strong>und</strong> natürlicher Küstenschutzelemente gewährleistet. Zu den technischen<br />

Küstenschutzelementen zählen neben der Hauptdeichlinie zum Beispiel <strong>die</strong> Sommerdeiche <strong>und</strong> noch<br />

bestehende zweite Deichlinien sowie <strong>die</strong> Sturmflutsperrwerke an den tidebeeinflussten Nebenflüssen<br />

der Unterweser (Geeste, Hunte, Lesum, Ochtum). Zu den natürlichen Küstenschutzelementen gehören<br />

<strong>die</strong> der Küste bzw. Hauptdeichlinie vorgelagerten Wattflächen, Inseln, Dünen, Platen <strong>und</strong> Deichvorländer.<br />

Die natürlichen Schutzelemente haben eine wichtige Bedeutung <strong>für</strong> das Küstenschutzsystem,<br />

da sie maßgeblich zur Verringerung der auf <strong>die</strong> technischen Schutzelemente einwirkenden Wellenenergie<br />

<strong>und</strong> Seegangsbelastung beitragen (Regulationsfunktion der Watt- <strong>und</strong> Vorlandökosysteme)<br />

(vgl. NLWKN, 2007; Wittig et al., 2007).<br />

Abbildung 1: Die Metropolregion Bremen-Oldenburg<br />

Quelle: Metropolregion Bremen-Oldenburg<br />

Die Küstengebiete der Metropolregion Bremen-Oldenburg weisen eine hohe Sensitivität gegenüber<br />

Sturmflutereignissen auf, da <strong>die</strong>se im Extremfall zu einem Versagen des Küstenschutzsystems <strong>und</strong><br />

daraus resultierenden Sturmflutschäden in den deichgeschützten Bereichen sowie zu Verlusten an<br />

Menschenleben führen können. Zwar stellt der deterministisch ermittelte Bemessungswasserstand <strong>für</strong><br />

Küstenschutzbauwerke ein festgelegtes Sicherheitsmaß dar, das höher liegt <strong>als</strong> bisher eingetretene<br />

Sturmflutwasserstände. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass schon heute Sturmflutereignisse<br />

oberhalb <strong>die</strong>ses Bemessungswasserstandes eintreten können. Es gibt daher keinen absoluten<br />

Schutz gegen extreme Sturmflutereignisse (NLWKN, 2007), sondern es verbleibt immer ein gewisses<br />

Restrisiko hinsichtlich des Versagens von Küstenschutzelementen (Deiche, Sperrwerke,<br />

Schleusen etc.) durch zum Beispiel Wellenüberlauf, Überströmen oder Deichbruch (Mai et al., 2007;<br />

Schuchardt et al., 2011).<br />

Gleichzeitig weisen <strong>die</strong> Küstengebiete der Metropolregion Bremen-Oldenburg aufgr<strong>und</strong> der dort bestehenden<br />

Siedlungen, Gewerbe- <strong>und</strong> Industriebetriebe, Infrastrukturen <strong>und</strong> (land)wirtschaftlichen<br />

oder touristischen Nutzungen hohe Werte <strong>und</strong> damit ein hohes Schadenspotenzial auf, das in direkte<br />

99


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Schäden (Vermögens- <strong>und</strong> Anlageschäden sowie ökologische Schäden) <strong>und</strong> indirekte Schäden (zum<br />

Beispiel Produktionsausfall, Wertschöpfungs- <strong>und</strong> Einkommensverluste) unterschieden werden kann<br />

(Mai et al., 2007). Während direkte Schäden nur in von Überflutungsereignissen betroffenen Bereichen<br />

entstehen, sind indirekte Schäden nicht allein auf <strong>die</strong>se Gebiete begrenzt, sondern können aufgr<strong>und</strong><br />

der volkswirtschaftlichen Verflechtungen mit anderen Regionen auch weit darüber hinaus reichen.<br />

Ein Überflutungsereignis hat demnach nicht nur auf <strong>die</strong> Wirtschaftstätigkeit <strong>und</strong> Beschäftigungssituation<br />

der unmittelbar von der Sturmflut betroffenen Gebiete negative Effekte, sondern kann sich<br />

sowohl in räumlicher <strong>als</strong> auch in zeitlicher Hinsicht über das betroffene Gebiet bzw. das eigentliche<br />

Ereignis hinaus auswirken (Elsner et al., 2005).<br />

2.2 Klimawandel <strong>und</strong> Küstenschutz in der Metropolregion<br />

Wie sich der Klimawandel in der Metropolregion nach derzeitigem Stand des Wissens voraussichtlich<br />

manifestiert, ist <strong>für</strong> 2050 (2036–2065) <strong>und</strong> 2085 (2071–2100) in den sogenannten „nordwest2050“-<br />

Klimaszenarien abgeschätzt worden. Danach werden der beschleunigte mittlere Meeresspiegelanstieg,<br />

der zusätzliche Anstieg des mittleren Tidehochwassers <strong>und</strong> <strong>die</strong> Zunahme des Windstaus auch<br />

zu einem Anstieg der Sturmflutwasserstände mit insgesamt sehr großen Spannweiten führen (siehe<br />

Schuchardt et al., 2010).<br />

Damit werden sowohl <strong>die</strong> Höhe <strong>als</strong> auch <strong>die</strong> Häufigkeit der den Deich erreichenden Wasserstände<br />

zunehmen (Wittig et al., 2007). Zudem ist mit länger anhaltenden Sturmfluten zu rechnen, da ein hoher<br />

windstaubedingter Wasserstand nicht wie bisher im Mittel sieben bis acht St<strong>und</strong>en am Deich stehen<br />

würde, sondern möglicherweise zwei bis drei St<strong>und</strong>en länger (Woth/von Storch, 2008). Beides<br />

führt zu einer Zunahme der Belastung von Küstenschutzbauwerken. Darüber hinaus könnten klimawandelbedingte<br />

Veränderungen der morphodynamischen Prozesse im Küstenvorfeld eine Verringerung<br />

der seegangs- <strong>und</strong> strömungsdämpfenden Eigenschaften der natürlichen Schutzelemente (Wattflächen,<br />

Platen, Deichvorländer) <strong>und</strong> damit Einschränkungen der Regulationsfunktion <strong>für</strong> den Küstenschutz<br />

bewirken (Wittig et al., 2007).<br />

In den interdisziplinären Verb<strong>und</strong>vorhaben KRIM <strong>und</strong> INNIG (Integriertes Hochwasserrisikomanagement<br />

in einer individualisierten Gesellschaft) wurden in der jüngeren Vergangenheit <strong>für</strong> verschiedene<br />

Gebiete der Metropolregion Untersuchungen hinsichtlich der potenziellen Auswirkungen des Klimawandels<br />

auf <strong>die</strong> Versagenswahrscheinlichkeit des Küstenschutzsystems <strong>und</strong> das Sturmflutschadensrisiko<br />

in deichgeschützten Bereichen durchgeführt. Dabei wurde mit Hilfe einer so genannten erweiterten<br />

probabilistischen Risikoanalyse sowohl <strong>die</strong> Sicherheit des Küstenschutzsystems unter Status quo-<br />

Bedingungen <strong>als</strong> auch unter den Randbedingungen des zugr<strong>und</strong>e gelegten KLIMU-Klimaszenarios<br />

betrachtet (siehe Schirmer, 2005; Schuchardt et al., 2010). Darüber hinaus wurde eine Quantifizierung<br />

der bei einem Versagen des Küstenschutzsystems auftretenden Folgeschäden im Deichhinterland<br />

vorgenommen. Durch <strong>die</strong> Multiplikation von Versagenswahrscheinlichkeit <strong>und</strong> potenziellen Folgeschäden<br />

konnte das Sturmflutschadensrisiko der untersuchten Küstenbereiche ermittelt werden (vgl.<br />

Brencher et al., 2007).<br />

Die Ergebnisse der Modellierungen zeigen, dass es unter den Randbedingungen des KLIMU-<br />

Klimaszenarios zu erhöhten Belastungen der Schutzsysteme kommt, was zur Folge hat, dass sich <strong>die</strong><br />

Versagenswahrscheinlichkeiten der Küstenschutzelemente – ohne entsprechende Anpassungsmaßnahmen<br />

– erhöhen werden. Hinsichtlich der potenziellen Folgeschäden im Deichhinterland lässt sich<br />

folgendes Bild skizzieren: Aufgr<strong>und</strong> der zu erwartenden höheren Sturmflutwasserstände erhöhen sich<br />

<strong>die</strong> bei einem Versagen des Küstenschutzsystems einströmenden Wassermassen, woraus sowohl<br />

eine Vergrößerung des von der Überflutung betroffenen Gebietes <strong>als</strong> auch der Überflutungshöhen<br />

100


KLIMZUG-Workingpaper<br />

resultiert. Aus der Multiplikation der reduzierten Versagenssicherheiten des Küstenschutzsystems mit<br />

den gestiegenen potenziellen Folgeschäden im Deichhinterland ergibt sich <strong>für</strong> <strong>die</strong> zugr<strong>und</strong>e gelegten<br />

Klimawandelbedingungen ein deutlich erhöhtes Sturmflutschadensrisiko in den Küstenbereichen (vgl.<br />

Wittig et al., 2007; Brencher et al., 2007).<br />

3. Wie wird der Klimawandel vom Küstenschutz berücksichtigt?<br />

Der Küstenschutz ist in der Metropolregion Bremen-Oldenburg von existenzieller Bedeutung <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Sicherung des küstennahen Siedlungs-, Wirtschafts- <strong>und</strong> Kulturraums <strong>und</strong> damit <strong>für</strong> das Leben <strong>und</strong><br />

Wirtschaften in <strong>die</strong>ser Region. Die beiden Generalpläne Küstenschutz Niedersachsen/Bremen<br />

(NLWKN, 2007) <strong>und</strong> Ostfriesische Inseln (NLWKN, 2010) bilden <strong>die</strong> zentralen Planungsdokumente<br />

des Küstenschutzes in Niedersachsen <strong>und</strong> Bremen. In ihnen sind <strong>die</strong> Ziele, <strong>die</strong> notwendigen Maßnahmen<br />

<strong>und</strong> der Finanzbedarf des Küsten- <strong>und</strong> Inselschutzes zusammengestellt sowie festgelegt,<br />

dass <strong>die</strong> Sollhöhen der Küstenschutzanlagen alle zehn Jahre überprüft werden müssen (NLWKN,<br />

2010). Bei der Neufassung der Generalpläne in 2007 (<strong>für</strong> das Festland) <strong>und</strong> 2010 (<strong>für</strong> <strong>die</strong> Ostfriesischen<br />

Inseln) haben sich <strong>die</strong> zuständigen Fachbehörden der Länder dazu entschlossen, nicht nur wie<br />

bisher schon den sogenannten säkularen, sondern zusätzlich den erwarteten klimawandelbedingt<br />

beschleunigten Meeresspiegelanstieg bei der Bemessung der Deichhöhen zu berücksichtigen.<br />

Es gelten seit Juli 2007 folgende Regelungen (NLWKN, 2007; NLWKN, 2010): Bei der Ermittlung des<br />

Bemessungswasserstandes <strong>für</strong> Küstenschutzbauwerke wird <strong>als</strong> Vorsorgemaß ein Zuschlag von insgesamt<br />

50 cm berücksichtigt, der sich zusammensetzt aus 25 cm <strong>für</strong> den säkularen Meeresspiegelanstieg<br />

<strong>und</strong> zusätzlichen 25 cm „Klimawandelzuschlag“. Zudem sollen Küstenschutzbauwerke statisch<br />

so ausgelegt werden, dass sie erforderlichenfalls nachträglich um r<strong>und</strong> einen Meter erhöht werden<br />

können. In Verbindung mit dem oben genannten Vorsorgemaß beinhalten <strong>die</strong> beiden Generalpläne<br />

folglich <strong>die</strong> Möglichkeit, auf einen Anstieg der Sturmflutwasserstände von insgesamt r<strong>und</strong> 150 cm zu<br />

reagieren (Schuchardt et al., 2011).<br />

Ein Vergleich des oben genannten Vorsorgemaßes <strong>und</strong> der Reservevorhaltung <strong>für</strong> nachträgliche Erhöhungen<br />

der Küstenschutzbauwerke mit den in den “nordwest2050“-Klimaszenarien festgelegten<br />

Werten <strong>für</strong> den Anstieg der Sturmflutwasserstände zeigt folgendes Bild: Während der <strong>für</strong> das 2050-<br />

Szenario festgelegte mittlere Wert des Sturmflutwasserstandanstiegs (+43 cm) noch mit dem Bemessungsvorsorgemaß<br />

von 50 cm aufgefangen werden kann, muss <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bewältigung der oberen<br />

Spannweitenbereiche des 2050-Szenarios (+111 cm) bereits <strong>die</strong> oben genannte Reserve <strong>für</strong> eine<br />

nachträgliche Erhöhung der Küstenschutzbauwerke von einem Meter in Anspruch genommen werden.<br />

Insgesamt ist bis zur Mitte des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts mittels Vorsorgemaß <strong>und</strong> Reservevorhaltung aber <strong>die</strong><br />

gesamte Spannweite des zu erwartenden Anstiegs der Sturmflutwasserstände zu bewältigen. Ein<br />

anderes Bild ergibt sich dagegen <strong>für</strong> das 2085-Szenario: Hier wird bereits <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bewältigung des<br />

mittleren Sturmflutwasserstandanstiegs (+90 cm) <strong>die</strong> Reservevorhaltung <strong>für</strong> eine nachträgliche Erhöhung<br />

der Küstenschutzbauwerke erforderlich. Die oberen Bereiche der Spannweiten des zu erwartenden<br />

Anstiegs der Sturmflutwasserstände (+216 cm) können dagegen auch über <strong>die</strong> volle Ausnutzung<br />

der Baureserve nicht abgedeckt werden. Je nachdem wie stark der Anstieg der Sturmflutwasserstände<br />

bis zum Ende des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts ausfällt, können <strong>als</strong>o durchaus weitere Zuschläge auf <strong>die</strong> Bemessungshöhen<br />

<strong>und</strong> zusätzliche Ausbauten der Küstenschutzbauwerke notwendig werden<br />

(Schuchardt et al., 2011).<br />

101


KLIMZUG-Workingpaper<br />

4. Welche Faktoren haben zur frühzeitigen Berücksichtigung des Klimawandels<br />

geführt?<br />

Der Prozess der Anpassung an den Klimawandel, der derzeit unter anderem durch <strong>die</strong> Deutsche Anpassungsstrategie<br />

(B<strong>und</strong>esregierung, 2008) strukturiert wird, hat <strong>als</strong>o im Küstenschutz bereits begonnen<br />

<strong>und</strong> führt schon zu entsprechenden Maßnahmen. Damit ist der Küstenschutz eines der ersten in<br />

der Deutschen Anpassungsstrategie differenzierten Handlungsfelder, in dem der Anpassungsprozess<br />

zu konkreten Investitionsentscheidungen <strong>und</strong> deren Umsetzung geführt hat. Die frühzeitige Berücksichtigung<br />

des Klimawandels im Küstenschutz hat damit einen gewissen Pilotcharakter <strong>für</strong> <strong>die</strong> zukünftige<br />

Berücksichtigung des Klimawandels auch in anderen Handlungsfeldern.<br />

Im Folgenden sollen deshalb <strong>die</strong> Randbedingungen skizziert werden, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se frühzeitige Berücksichtigung<br />

möglich oder notwendig gemacht haben.<br />

1. Randbedingung: Anpassung hat schon immer stattgef<strong>und</strong>en<br />

Der Lebensraum Küste ist durch kontinuierliche Anpassung an dynamische <strong>und</strong> sich auch langzeitlich<br />

ändernde Randbedingungen gekennzeichnet. Das gilt sowohl <strong>für</strong> <strong>die</strong> ökologische Situation <strong>als</strong> auch<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Küstengesellschaft. Ein zentraler Parameter ist in <strong>die</strong>sem Zusammenhang der Meeresspiegel,<br />

der seit der Besiedlung des Küstenraumes <strong>die</strong>sen durch seine Trans- <strong>und</strong> Regressionsphasen geprägt<br />

hat. Seit Jahrh<strong>und</strong>erten ist der steigende Meeresspiegel von der Küstengesellschaft durch umfangreiche,<br />

immer wieder verstärkte Küstenschutzanlagen beantwortet worden, <strong>die</strong> auch <strong>die</strong> soziale<br />

Organisation <strong>und</strong> <strong>die</strong> Wahrnehmung geprägt haben (Fischer/Reise, 2011).<br />

Es hat <strong>als</strong>o seit Jahrh<strong>und</strong>erten bereits eine gesellschaftlich organisierte Anpassung an einen steigenden<br />

Meeresspiegel stattgef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ein durch den Klimawandel beschleunigt steigender Meeresspiegel<br />

stellt damit keine gr<strong>und</strong>sätzlich neue <strong>Herausforderung</strong> dar.<br />

2. Randbedingung: Hohes Schadenspotenzial<br />

Die deutsche Nordseeküste ist durch <strong>die</strong> geographische Lage, <strong>die</strong> Topographie <strong>und</strong> <strong>die</strong> Konzentration<br />

von Menschen <strong>und</strong> Werten durch extreme Wasserstände stark gefährdet <strong>und</strong> es besteht ein hohes<br />

Schadenspotenzial.<br />

3. Randbedingung: Klimafolgenforschung<br />

Die möglichen Auswirkungen eines beschleunigten Meeresspiegelanstiegs <strong>als</strong> wesentlichem Parameter<br />

des anthropogenen Klimawandels auf <strong>die</strong> deutsche (Nordsee-)Küste waren Auslöser <strong>und</strong> Beginn<br />

der Klimafolgenforschung in Deutschland. 1994 wurde der Förderschwerpunkt „Klimawandel <strong>und</strong> Küste“<br />

vom BMBF eingerichtet, in dem querschnittsorientiert <strong>die</strong> Auswirkungen vor allem in den Fallstu<strong>die</strong>n<br />

„Sylt“ (Daschkeit/Schottes, 2002) <strong>und</strong> „Unterweser“ (KLIMU; Schuchardt/Schirmer, 2005) untersucht<br />

wurden. Auch in den nachfolgenden Programmen wurden jeweils Projekte zum Zusammenhang<br />

Meeresspiegelanstieg <strong>und</strong> Küstenschutz gefördert, so dass eine umfassende wissenschaftliche Diskussion<br />

frühzeitig begann. Die Berücksichtigung in der aktuellen Maßnahmenplanung erfolgte in Niedersachsen/Bremen<br />

etwa zwölf Jahre nach Auflage des ersten Förderprogramms; in Schleswig-<br />

Holstein etwas früher.<br />

4. Randbedingung: Vorhandener Anpassungsmechanismus <strong>und</strong> Langfristigkeit<br />

Wie oben skizziert, hat bereits seit Jahrh<strong>und</strong>erten eine gesellschaftlich organisierte Anpassung an den<br />

steigenden Meeresspiegel stattgef<strong>und</strong>en. Zur gemeinsamen Anpassung daran haben sich regional<br />

unterschiedliche Organisationsformen etabliert <strong>und</strong> ein „Anpassungsmechanismus“ ist durch <strong>die</strong><br />

Deichgesetze der Länder <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gemeinschaftsaufgabe Küstenschutz rechtlich verankert. Ein durch<br />

den Klimawandel beschleunigt steigender Meeresspiegel (bzw. <strong>die</strong> Erwartung desselben) trifft <strong>als</strong>o auf<br />

102


KLIMZUG-Workingpaper<br />

einen bereits etablierten Anpassungsmechanismus, der auf <strong>die</strong> Berücksichtigung langfristiger, gerichteter<br />

Veränderungen ausgelegt ist.<br />

5. Randbedingung: Hohes Vertrauen der Bevölkerung<br />

Die Ergebnisse der interdisziplinären Klimafolgenforschung haben deutlich gemacht, dass <strong>die</strong> Öffentlichkeit<br />

(an der Küste) ein sehr hohes Vertrauen in <strong>die</strong> <strong>für</strong> den Küstenschutz verantwortlichen Organisationen<br />

<strong>und</strong> Behörden besitzt <strong>und</strong> eine breite gesellschaftliche Akzeptanz der Notwendigkeit des<br />

Küstenschutzes besteht (Lange et al., 2007). Durch <strong>die</strong> breite öffentliche Berichterstattung <strong>und</strong> Diskussion<br />

über den Klimawandel <strong>und</strong> (an der Küste) den beschleunigten Meeresspiegelanstieg (Peters/Heinrichs,<br />

2007) ist auch eine Erwartungshaltung seitens der Öffentlichkeit entstanden, <strong>die</strong> ein<br />

Handeln der zuständigen Stellen notwendig erscheinen ließ.<br />

6. Randbedingung: Finanzierung<br />

Da Küstenschutz laut Art. 91a Gr<strong>und</strong>gesetz <strong>als</strong> national bedeutsame Aufgabe definiert ist, erfolgt <strong>die</strong><br />

Finanzierung von Deichneubauten sowie Deicherhöhungen <strong>und</strong> -verstärkungen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe<br />

zur Verbesserung der Agrarstruktur <strong>und</strong> des Küstenschutzes (GAK) gemeinsam<br />

durch B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Länder, wobei der B<strong>und</strong> 70 Prozent <strong>und</strong> das jeweilige Land 30 Prozent der Kosten<br />

trägt. Zusätzlich werden Mittel der Europäischen Union eingesetzt. Nur <strong>die</strong> Unterhaltungsarbeiten an<br />

den Deichen werden von den Deichverbänden geleistet, <strong>die</strong> da<strong>für</strong> <strong>die</strong> Beiträge der Deichverbandsmitglieder<br />

einsetzen, <strong>die</strong> von allen Eigentümern im deichgeschützten Bereich zu entrichten sind<br />

(NLWKN, 2007; Lange et al., 2007).<br />

Mit dem im Jahr 2009 aufgestellten Sonderrahmenplan der GAK, der aus dem Klimawandel resultierende<br />

Mehrausgaben <strong>für</strong> den Küstenschutz abdecken soll, verpflichtet sich der B<strong>und</strong> im Zeitraum<br />

2009 bis 2025 insgesamt zusätzlich 380 Millionen € <strong>für</strong> den Küstenschutz bereitzustellen (vgl. BMVEL,<br />

2009). Während <strong>als</strong>o <strong>die</strong> Finanzierung von Deicherhöhungen wesentlich durch den B<strong>und</strong> erfolgt, wird<br />

<strong>die</strong> Festlegung der erforderlichen Deichhöhen selbst durch <strong>die</strong> einzelnen Länder vorgenommen.<br />

5. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />

Der Küstenschutz hat <strong>als</strong> eines der ersten Handlungsfelder den Klimawandel <strong>als</strong> neue Randbedingung<br />

akzeptiert <strong>und</strong> mit der Planung <strong>und</strong> Umsetzung von praktischen Maßnahmen begonnen. Diese<br />

relativ zügige Berücksichtigung des Klimawandels im Küstenschutz wurde vermutlich vor allem durch<br />

folgende Faktoren gefördert:<br />

� Breite wissenschaftliche <strong>und</strong> öffentliche Diskussion der Folgen des Klimawandels <strong>für</strong> <strong>die</strong> Küste;<br />

� Hohes Schadenspotenzial bei Deichversagen;<br />

� Anpassung an säkularen Meeresspiegelanstieg rechtlich verankert <strong>und</strong> seit Jahrh<strong>und</strong>erten<br />

praktiziert;<br />

� Etablierte organisatorische <strong>und</strong> technische Voraussetzungen <strong>für</strong> Anpassungsmaßnahmen;<br />

� Finanzierung der Anpassungsmaßnahmen zu einem erheblichen Teil durch den B<strong>und</strong>; Entscheidung<br />

über Anpassung durch <strong>die</strong> Länder.<br />

Die Bemessung der erforderlichen Bestickhöhen ist in der Vergangenheit durch <strong>die</strong> Extrapolation der<br />

historischen Veränderungen des Meeresspiegels bzw. der Sturmflutscheitelstände erfolgt. Durch <strong>die</strong><br />

Entwicklung der Klimaforschung besonders in den letzten Jahren <strong>und</strong> <strong>die</strong> Etablierung von gekoppelten<br />

Ozean-Atmosphäre-Modellen ist eine Abschätzung zukünftiger Veränderungen, <strong>die</strong> nicht nur auf einer<br />

103


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Extrapolation eines beobachteten Trends, sondern auf einer Nachbildung der wesentlichen Systemzusammenhänge<br />

beruht, möglich geworden (von Storch, 2005). Trotz der immanenten Unsicherheit,<br />

<strong>die</strong> in den zum Teil großen Spannweiten möglicher Klimaänderungen zum Ausdruck kommen, erweitern<br />

<strong>die</strong> Ergebnisse der Klimaforschung <strong>und</strong> der internationale Abstimmungsprozess im IPCC <strong>die</strong> Entscheidungsgr<strong>und</strong>lagen<br />

des Küstenschutzes qualitativ <strong>und</strong> quantitativ ganz erheblich.<br />

Allerdings stellt <strong>die</strong> Art der Information über den beschleunigten Meeresspiegelanstieg <strong>als</strong> Ergebnis<br />

von Simulationen des Klimasystems unter der Annahme verschiedener Emissions-Szenarien eine<br />

neue Form der Information dar. Diese wurde/wird vom politisch-administrativen System (PAS) <strong>als</strong><br />

unsicher interpretiert (Peters/Heinrich 2005, Lange et al. 2005), während <strong>die</strong> Fortschreibung des beobachteten<br />

Trends von Pegelständen <strong>als</strong> „sichere Information“ interpretiert wird – was sie mitnichten<br />

ist. Die Berücksichtigung <strong>die</strong>ser neuen, scheinbar unsichereren Information durch das PAS stellte eine<br />

<strong>Herausforderung</strong> dar <strong>und</strong> kann <strong>als</strong> wesentliches Hemmnis bei der Berücksichtigung der neuen Randbedingung<br />

beschleunigter Meeresspiegelanstieg bezeichnet werden.<br />

Obwohl <strong>die</strong>ses Hemmnis durch den Diskussionsprozess der vergangenen Jahre deutlich reduziert<br />

worden ist erscheint es zum einen sinnvoll, <strong>die</strong> Informationsbasis über den Klimawandel <strong>und</strong> seine<br />

Prognostizierbarkeit weiter zu verbessern. Zum anderen sollte unseres Erachtens, wie wir bereits<br />

2007 angeregt haben (Schuchardt/Schirmer, 2007b), ein „Mechanismus“ etabliert werden, mit dem<br />

der Klimawandel zu einer „sichereren“ Randbedingung – im Sinne einer belastbaren Handlungs- <strong>und</strong><br />

Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> regionale <strong>und</strong> lokale Akteure – <strong>für</strong> den Küstenschutz <strong>und</strong> <strong>die</strong> anderen<br />

gesellschaftlichen Handlungsfelder gemacht werden kann.<br />

Hier lohnt ein Blick nach Süddeutschland <strong>und</strong> in <strong>die</strong> Niederlande, wo ähnliche Problemkonstellationen<br />

in der Wasserwirtschaft <strong>und</strong> dem Küstenschutz bewältigt werden mussten <strong>und</strong> wo gute Beispiele hinsichtlich<br />

der Frage wer auf welcher Basis Entscheidungen <strong>für</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> treffen soll existieren.<br />

Die B<strong>und</strong>esländer Baden-Württemberg <strong>und</strong> Bayern haben schon im Jahr 1998 zusammen mit dem<br />

Deutschen Wetter<strong>die</strong>nst (DWD) eine Rahmenvereinbarung beschlossen <strong>die</strong> vorsieht, durch das Kooperationsvorhaben<br />

„Klimaveränderung <strong>und</strong> Konsequenzen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Wasserwirtschaft“ (KLIWA) langfristig<br />

<strong>die</strong> klimawandelbedingten Auswirkungen auf den Wasserhaushalt herauszuarbeiten <strong>und</strong> verbindliche<br />

Handlungsempfehlungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Wasserwirtschaft abzuleiten (www.kliwa.de). Auf der Basis<br />

des jeweils aktuellsten Wissens über <strong>die</strong> Veränderungen der Hochwasserabflüsse aller Flusseinzugsgebiete<br />

werden heute aus Vorsorgegründen bei der Bemessung neuer Hochwasserschutzanlagen <strong>die</strong><br />

Auswirkungen des Klimawandels durch einen sogenannten „Klimaänderungsfaktor“ berücksichtigt (<strong>für</strong><br />

das bemessungsrelevante statistisch alle 100 Jahre auftretende Hochwasserereignis – HQ100)<br />

schwankt <strong>die</strong>ser zwischen 1,15 <strong>und</strong> 1,25; <strong>für</strong> ein HQ5 beträgt er maximal 1,67; KLIWA, 2006; KLIWA,<br />

2009). Dieser Faktor hat auch Eingang in technische Regelungen wie zum Beispiel den Leitfaden<br />

„Festlegung des Bemessungshochwassers <strong>für</strong> Anlagen des technischen Hochwasserschutzes“ in<br />

Baden-Württemberg (LfU, 2005) gef<strong>und</strong>en, der damit eine <strong>für</strong> <strong>die</strong> Fachverwaltungen verbindlichere<br />

Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage liefert.<br />

Die Erkenntnisse von KLIWA sind weiterhin auch im bayerischen Klimaprogramm aufgenommen worden,<br />

wo <strong>für</strong> <strong>Klimaanpassung</strong> betont wird, dass eine Weiterentwicklung regionaler Klimamodelle zur<br />

Verbesserung der Abschätzung des zukünftigen Klimawandels, eine Auswahl <strong>und</strong> Bewertung geeigneter<br />

regionaler Klimaszenarien sowie eine einheitliche Szenarienauswahl <strong>für</strong> <strong>die</strong> bayerischen Fachverwaltungen<br />

notwendig ist (Bayerische Staatsregierung, 2007).<br />

In den Niederlanden ist <strong>die</strong> sogenannte „Delta Commission“ von der Regierung beauftragt worden,<br />

Empfehlungen <strong>für</strong> einen „climate proof“ Küstenschutz abzugeben. Aufgr<strong>und</strong> des Anspruchs, den ge-<br />

104


KLIMZUG-Workingpaper<br />

genwärtigen Sicherheitsstandard im Küstenschutz um den Faktor zehn zu erhöhen, ist das „Delta<br />

Programme“ aufgelegt worden, das finanziell, politisch <strong>und</strong> administrativ im neuen „Delta Act“ verankert<br />

ist. Ausgangspunkt <strong>für</strong> den zukünftigen Schutz der niederländischen Küste ist ein Szenario über<br />

den regionalen Meeresspiegelanstieg, in dem auf der Basis des verfügbaren wissenschaftlichen Wissens<br />

davon ausgegangen wird, dass er bis 2100 um 0,65 bis 1,3 Meter <strong>und</strong> bis 2200 um 2 bis 4 Meter<br />

angestiegen sein wird (Deltacommissie, 2008). Die politisch-administrative Organisation <strong>und</strong> finanzielle<br />

Absicherung ist dabei folgendermaßen: Der Delta Act schreibt vor, dass ein Delta-Kommissar ernannt,<br />

ein jährliches Delta-Programm aufgestellt <strong>und</strong> ein Fortschrittsbericht vorgelegt werden muss.<br />

Dieses bildet <strong>die</strong> Rechtsgr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> <strong>die</strong> Einrichtung eines Delta-Fonds, aus dem das Delta-<br />

Programm finanziert wird <strong>und</strong> der vom niederländischen Parlament genehmigt werden muss. Am 29.<br />

November 2011 billigte der Ministerrat einstimmig den „Delta Act“ was bedeutet, dass das Delta-<br />

Programm, der Delta-Fonds <strong>und</strong> der Delta-Kommissar rechtlich verbindliche Form haben<br />

(http://www.deltacommissaris.nl/english/).<br />

Um <strong>die</strong> „neue Randbedingung“ Klimawandel operationabel zu machen, sind unseres Erachtens <strong>als</strong><br />

externer Input ähnlich wie <strong>für</strong> <strong>die</strong> süddeutschen B<strong>und</strong>esländer oder <strong>die</strong> Niederlande ein oder gegebenenfalls<br />

mehrere „autorisierte“ oder „legitimierte“ Klimaszenarien erforderlich, <strong>die</strong> auf dem kontinuierlich<br />

weiterentwickelten Wissen über den regionalen Klimawandel basieren müssen. Diese sollten,<br />

soweit rechtlich möglich, <strong>für</strong> alle B<strong>und</strong>esländer zentrale Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage sein <strong>und</strong> nicht nur<br />

Angaben zum Meeresspiegelanstieg, sondern auch zu den Veränderungen anderer Klimaparameter<br />

enthalten. Dazu empfehlen wir, an den etablierten <strong>und</strong> aufwändigen IPCC-Prozess anzuschließen <strong>und</strong><br />

dazu einen „Klima-Rat“ aus Vertretern von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern sowie unabhängigen Experten zu etablieren.<br />

Dieser hat <strong>die</strong> Aufgabe, <strong>die</strong> Ergebnisse des IPCC-Prozesses <strong>für</strong> <strong>die</strong> Situation in Deutschland<br />

unter Nutzung zusätzlicher regionalisierter Modelle zu interpretieren <strong>und</strong> ein oder gegebenenfalls<br />

mehrere regional differenzierte Klimaszenarien zu formulieren, <strong>die</strong> <strong>als</strong> einheitliche Basis <strong>für</strong> <strong>die</strong> Planung<br />

<strong>und</strong> Umsetzung von Adaptationsstrategien genutzt werden. Da in <strong>die</strong>sem Schritt Setzungen <strong>und</strong><br />

Wertungen erforderlich sind, ist das Ergebnis entsprechend politisch zu legitimieren, zum Beispiel<br />

durch Leitfäden, deren Anwendung zur allgemein anerkannten Regel der Technik wird (LfU, 2005),<br />

verbindliche Kooperationsvereinbarungen oder einen Kabinettsbeschluss wie in den Niederlanden.<br />

Für <strong>die</strong> regionalen <strong>und</strong> lokalen Akteure würde <strong>die</strong>s eine einheitliche <strong>und</strong> belastbarere Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage<br />

schaffen <strong>und</strong> damit <strong>die</strong> Berücksichtigung des „unsicheren Wissens“ zum Klimawandel erleichtern.<br />

Literatur<br />

Bayerische Staatsregierung, 2007, Klimaprogramm Bayern 2020: Minderung von Treibhausgasen,<br />

Anpassung an den Klimawandel, Forschung <strong>und</strong> Entwicklung, S.35 , URL:<br />

http://www.bayern.de/Klimaprogramm-Bayern-2020-.1526/index.htm [Stand 2012-02-01].<br />

BMELV – B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft <strong>und</strong> Verbraucherschutz, 2009, Rahmenplan<br />

der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur <strong>und</strong> des Küstenschutzes“ <strong>für</strong> den<br />

Zeitraum 2009-2012 <strong>und</strong> Sonderrahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur<br />

<strong>und</strong> des Küstenschutzes“: Maßnahmen des Küstenschutzes in Folge des Klimawandels,<br />

Bonn, URL:<br />

http://www.bmelv.de/cae/servlet/contentblob/559830/publicationFile/27741/Rahmenplan2009-2012.pdf<br />

[Stand 2010-04-01].<br />

105


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Brencher, Jan / Elsner, Anne / Spekker, Heiko / Matheja, Andreas / Zimmermann, Claus, 2007,<br />

Risikomanagement extremer Hochwasser (RIMAX). Verb<strong>und</strong>projekt: Integriertes Hochwasserrisikomanagement<br />

in einer individualisierten Gesellschaft (INNIG). Teilprojekt 1: Risikoanalyse <strong>und</strong> -<br />

steuerung. Schlussbericht, URL: http://www.innig.uni-bremen.de/endbericht_tp1.pdf [Stand 2010-03-<br />

08].<br />

B<strong>und</strong>esregierung, 2008, Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Vom B<strong>und</strong>eskabinett<br />

am 17. Dezember 2008 beschlossen, S.78, URL:<br />

http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/das_gesamt.pdf [Stand 2008-12-18].<br />

Daschkeit, Achim / Schottes, Peter (Hrsg.), 2002, Klimafolgen <strong>für</strong> Mensch <strong>und</strong> Küste am Beispiel der<br />

Nordseeinsel Sylt, Springer, Heidelberg.<br />

Deltacommissie, 2008, Working together with water. A living land builds for its future. Findings of the<br />

Deltacommissie 2008, S.134, URL: http://www.deltacommissie.com/doc/deltareport_full.pdf [Stand<br />

2012-02-01].<br />

EEA – European Environment Agency, 2008, Impacts of Europe’s changing climate – 2008 indicator<br />

based assessment. EEA Report No 4/2008, Joint EEA-JRC-WHO report: S.247, URL:<br />

http://www.eea.europa.eu/publications/eea_report_2008_4 [Stand 2011-01-12].<br />

Elsner, Wolfram / Otte, Christoph / Yu, Inhi, 2005, Klimawandel <strong>und</strong> regionale Wirtschaft. Vermögensschäden<br />

<strong>und</strong> Einkommensverluste durch extreme Klimaereignisse sowie Kosten-Nutzen-<br />

Analysen von Schutzmaßnahmen – Am Beispiel der nordwestdeutschen Küstenregion. Projektendbericht<br />

des Teilprojekts 5 im Verb<strong>und</strong>vorhaben „Klimawandel <strong>und</strong> präventives Risiko- <strong>und</strong> Küstenschutzmanagement<br />

an der deutschen Nordseeküste (KRIM)“, URL: http://www.krim.uni-bremen.de<br />

[Stand 2010-03-01].<br />

Fischer, Ludwig / Reise, Karsten (Hrsg.), 2011, Küstenmentalität <strong>und</strong> Klimawandel. Küstenwandel <strong>als</strong><br />

kulturelle <strong>und</strong> soziale <strong>Herausforderung</strong>. oekom Verlag München, S.230.<br />

KLIWA, 2006, Unser Klima verändert sich / Folgen – Ausmaß – Strategien. Broschüre, S.18, URL:<br />

http://www.kliwa.de/download/KLIWA.pdf [Stand 2012-02-01].<br />

KLIWA, 2009, Klimawandel im Süden Deutschlands / Ausmaß – Folgen – Strategien. Broschüre,<br />

S.19 , URL: http://www.kliwa.de/download/Klimawandel_im_Sueden_Deutschlands.pdf [Stand 2012-<br />

02-01].<br />

Lange, Helmuth / Wiesner, Andreas / Haarmann, Marion / Voosen, Esther, 2007, „Handeln nur auf<br />

der Basis sicheren Wissens“. Die Konstruktion des Risikos aus Sturmfluten <strong>und</strong> Klimawandel im politisch-administrativen<br />

System. In: B. Schuchardt & M. Schirmer (Hrsg.), Land unter? Klimawandel,<br />

Küstenschutz <strong>und</strong> Risikomanagement in Nordwestdeutschland: <strong>die</strong> Perspektive 2050, München: oekom<br />

verlag, S. 145-166.<br />

Lange, Helmuth / Haarmann, Marion / Wiesner-Steiner, Andreas / Voosen, Esther, 2005, Politischadministrative<br />

Steuerungsprozesse (PAS). Endbericht des Teilprojekts 4 im Verb<strong>und</strong>projekt „Klimawandel<br />

<strong>und</strong> präventives Risiko- <strong>und</strong> Küstenschutzmanagement an der deutschen Nordseeküste<br />

(KRIM)“, Universität Bremen, artec – Forschungszentrum Nachhaltigkeit, BMBF-Förderkennzeichen<br />

01LD0011, S.133.<br />

106


KLIMZUG-Workingpaper<br />

LfU – Landesanstalt <strong>für</strong> Umweltschutz Baden-Württemberg (Hrsg.), 2005, Festlegung des Bemessungshochwassers<br />

<strong>für</strong> Anlagen des technischen Hochwasserschutzes. Leitfaden, S.91.<br />

Mai, Stephan / Elsner, Anne / Elsner, Wolfram / Eppel, Dieter P. / Grabemann, Iris / Grabemann,<br />

Hans-Jürgen / Kraft, Dietmar / Meyer, Volker / Otte, Christoph / Wittig, Stefan / Yu, Inhi / Zimmermann,<br />

Claus, 2007, Der beschleunigte Meeresspiegelanstieg <strong>und</strong> <strong>die</strong> Küstenschutzsysteme: Methoden<br />

der erweiterten Risikoanalyse. In: B. Schuchardt & M. Schirmer, (Hrsg.), Land unter? Klimawandel,<br />

Küstenschutz <strong>und</strong> Risikomanagement in Nordwestdeutschland: <strong>die</strong> Perspektive 2050, München:<br />

oekom verlag; S. 75-92.<br />

NLWKN – Niedersächsischer Landesbetrieb <strong>für</strong> Wasserwirtschaft, Küsten- <strong>und</strong> Naturschutz (Hrsg.),<br />

2007, Generalplan Küstenschutz Niedersachsen/Bremen – Festland, Norden.<br />

NLWKN – Niedersächsischer Landesbetrieb <strong>für</strong> Wasserwirtschaft, Küsten- <strong>und</strong> Naturschutz (Hrsg.),<br />

2010, Generalplan Küstenschutz Niedersachsen – Ostfriesische Inseln, Norden.<br />

Peters, Hans Peter / Heinrichs, Harald, 2007, Das öffentliche Konstrukt der Risiken durch Sturmfluten<br />

<strong>und</strong> Klimawandel, in: B. Schuchardt & M. Schirmer, (Hrsg.), Land unter? Klimawandel, Küstenschutz<br />

<strong>und</strong> Risikomanagement in Nordwestdeutschland: <strong>die</strong> Perspektive 2050, München: oekom verlag,<br />

S. 115-144.<br />

Peters, Hans Peter / Heinrichs, Harald, 2005, Öffentliche Kommunikation über Klimawandel <strong>und</strong><br />

Sturmflutrisiken. Bedeutungskonstruktion durch Experten, Journalisten <strong>und</strong> Bürger, Schriften des Forschungszentrums<br />

Jülich, Reihe Umwelt / Environment, Band 58: S. 470.<br />

Schirmer, Michael, 2005, Das Klimaszenario der Fallstu<strong>die</strong> „Klimaänderung <strong>und</strong> Unterweserregion“<br />

(KLIMU). In: Schuchardt, Bastian & Michael Schirmer (Hrsg.), Klimawandel <strong>und</strong> Küste. Die Zukunft der<br />

Unterweserregion. Umweltnatur- <strong>und</strong> Umweltsozialwissenschaften, Springer, Berlin, Heidelberg, New<br />

York, S. 50-56.<br />

Schuchardt, Bastian / Schirmer, Michael (Hrsg.), 2005, Klimawandel <strong>und</strong> Küste. Die Zukunft der<br />

Unterweserregion, Springer-Verlag, Heidelberg, S.341.<br />

Schuchardt, Bastian / Schirmer, Michael (Hrsg.), 2007a, Land unter? Klimawandel, Küstenschutz<br />

<strong>und</strong> Risikomanagement in Nordwestdeutschland: <strong>die</strong> Perspektive 2050, oekom Verlag, München,<br />

S.237.<br />

Schuchardt, Bastian / Schirmer, Michael, 2007b, Wie können wir den Klimawandel an der Küste<br />

bewältigen?: <strong>die</strong> Perspektive 2050. Berichte zur deutschen Landesk<strong>und</strong>e 81 (2), Leipzig, S. 159-176.<br />

Schuchardt, Bastian / Wittig, Stefan / Spiekermann, Jan, 2010, Klimaszenarien <strong>für</strong> ‚nordwest2050’.<br />

Teil 2: Randbedingungen <strong>und</strong> Beschreibung, 3. Werkstattbericht, Juni 2010, S.76, URL:<br />

http://www.nordwest2050.de/index_nw2050.php?obj=file&aid=8&id=184&unid=9b37dc9f3d7d3948506<br />

c0e0b2e39d5ef [Stand 2012-11-29].<br />

Schuchardt, Bastian / Wittig, Stefan / Spiekermann, Jan, 2011, Klimawandel in der Metropolregion<br />

Bremen-Oldenburg. <strong>Regional</strong>e Analyse der Vulnerabilität ausgewählter Sektoren <strong>und</strong> Handlungsbe-<br />

107


KLIMZUG-Workingpaper<br />

reiche. 11. Werkstattbericht im Rahmen des Forschungsverb<strong>und</strong>es „nordwest2050 – Perspektiven <strong>für</strong><br />

klimaangepasste Innovationsprozesse in der Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten“,<br />

BioConsult, S. 502, URL:<br />

http://www.nordwest2050.de/index_nw2050.php?obj=file&aid=8&id=272&unid=558d5bd2dde8647264f<br />

e98b295d6675e [Stand 2011-06-23].<br />

Sterr, Horst / Klein, Richard. / Reese, Stefan, 2000, Climate Change and Coastal Zones: An Overview<br />

of the State-of-the-Art on <strong>Regional</strong> and Local Vulnerability Assessment, in: Fondazione Eni Enrico<br />

Mattei, Nota di Lavorno, 38, S. 1-24.<br />

von Storch, Hans, 2005, Veränderliches Küstenklima – Die vergangenen <strong>und</strong> <strong>die</strong> zukünftigen 100<br />

Jahre, in: FANSA, M. (Hrsg.), Kulturlandschaft Marsch: Natur, Geschichte <strong>und</strong> Gegenwart, Isensee-<br />

Verlag, S. 230-245.<br />

Website Delta Programme Commissioner, URL: http://www.deltacommissaris.nl/english/ [Stand<br />

2012-02-01].<br />

Website KLIWA – Klimaveränderung <strong>und</strong> Konsequenzen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Wasserwirtschaft: Was ist KLIWA?,<br />

URL: http://www.kliwa.de/ [Stand 2012-02-01].<br />

Wittig, Stefan / Elsner, Anne / Elsner, Wolfram /. Eppel, Dieter P / Grabemann, Iris / Grabemann,<br />

Hans-Jürgen / Kraft, Dietmar / Mai, Stephan / Meyer, Volker / Otte, Christoph / Schirmer, Michael /<br />

Schuchardt, Bastian / Yu, Inhi / Zimmermann, Claus, 2007, Der beschleunigte Meeresspiegelanstieg<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Küstenschutzsysteme: Ergebnisse der erweiterten Risikoanalyse, in: Schuchardt, Bastian /<br />

Schirmer, Michael (Hrsg.), Land unter? Klimawandel, Küstenschutz <strong>und</strong> Risikomanagement in Nordwestdeutschland:<br />

<strong>die</strong> Perspektive 2050, München: oekom verlag, S. 93-113.<br />

Woth, Katja / von Storch, Hans, 2008, Klima im Wandel: Mögliche Zukünfte des Norddeutschen Küstenklimas,<br />

in: Dithmarschen: Landesk<strong>und</strong>e – Kultur – Natur, Heft 1/2008, S. 20-31.<br />

Zebisch, Marc / Grothmann, Torsten / Schröter, Dagmar / Hasse, Clemens / Fritsch, Uta / Cramer,<br />

Wolgang, 2005, Klimawandel in Deutschland. Vulnerabilität <strong>und</strong> Anpassungsstrategien klimasensitiver<br />

Systeme. Forschungsbericht, Potsdam-Institut <strong>für</strong> Klimafolgenforschung, im Auftrag des Umweltb<strong>und</strong>esamtes,<br />

S.205, URL: http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/2947.pdf [Stand 2005-10-19].<br />

108


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Klimawandel an der Ostsee: Interessenskonflikte zwischen Natur<strong>und</strong><br />

Küstenschutz bei der Gewinnung mariner Sande<br />

Rieke Müncheberg / Fritz Gosselck/ Timothy Coppack / Alexander Weidauer<br />

1. Einleitung<br />

Die Entwicklung von Strategien zur Anpassung an <strong>die</strong> Folgen des Klimawandels ist Ziel im Projekt<br />

RADOST. Hier werden regionale Anpassungsstrategien speziell <strong>für</strong> <strong>die</strong> deutsche Ostseeküste erforscht.<br />

RADOST ist Teil der Fördermaßnahme KLIMZUG (Klimawandel in Regionen zukunftsfähig<br />

gestalten) <strong>und</strong> wird vom B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Bildung <strong>und</strong> Forschung gefördert. Ein Arbeitsschwerpunkt<br />

innerhalb von RADOST ist <strong>die</strong> Entwicklung von Anpassungsstrategien <strong>für</strong> <strong>die</strong> nachhaltige Nutzung<br />

mariner Ressourcen im Kontext des Klimawandels.<br />

Das Ökosystem der Ostsee ist wie andere marine Naturräume der Erde den Auswirkungen des Klimawandels<br />

unterworfen. So wird in den nächsten 100 Jahren je nach berechnetem IPCC-Szenario<br />

(A1B, B1) eine Temperaturerhöhung von 3 Kelvin (K) <strong>und</strong> ein Abfall des Salzgehaltes um 2 Practical<br />

Salinity Units (PSU) erwartet. Gleichzeitig geht man an der deutschen Ostseeküste von einem Wasserstandanstieg<br />

von 30 bis 90 cm innerhalb der nächsten 100 Jahre aus. Um <strong>die</strong>sen neuen Umweltbedingungen<br />

begegnen zu können, werden Anpassungsmaßnahmen zum Küstenschutz in Mecklenburg-Vorpommern<br />

langfristig geplant <strong>und</strong> umgesetzt. Bei der Umsetzung verfolgt das Land Mecklenburg-Vorpommern<br />

eine naturnahe Küstenschutzstrategie an der Außenküste, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Staatlichen<br />

Ämter <strong>für</strong> Landwirtschaft <strong>und</strong> Umwelt (StÄLU) umgesetzt wird. Dabei werden bevorzugt natürliche<br />

Materialen eingesetzt. Durch <strong>die</strong> Aufspülung von Sanden wird der natürlichen Sedimentdynamik<br />

Rechnung getragen, indem an zu schützenden Küstenabschnitten das ero<strong>die</strong>rte Material wieder hinzu<br />

geführt wird. Die erheblichen Mengen an Sanden, <strong>die</strong> zum Ausgleich der negativen Sedimentbilanz<br />

benötigt werden, können ökologisch <strong>und</strong> ökonomisch vertretbar ausschließlich aus der Ostsee gewonnen<br />

werden. Die Alternative zu <strong>die</strong>sem naturnahen Küstenschutz wären beispielsweise Ufermauern,<br />

<strong>die</strong> zu einer Verfelsung der Küste führen würden <strong>und</strong> hier wiederum den Erhalt wertvoller Lebensräume<br />

nicht zuließen. Die Gewinnung mariner Kiese <strong>und</strong> Sande ist dabei ein wichtiger Gr<strong>und</strong>baustein<br />

deren Umfang <strong>und</strong> Bedeutung in Zukunft zunehmen wird. Dies ist <strong>für</strong> den Küstenschutz genauso zu<br />

erwarten wie auch <strong>für</strong> gewerbliche Nutzungen wie Offshore Windenergieanlagen oder <strong>die</strong> Trassenführung<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Energiewirtschaft.<br />

Diese wichtigen <strong>und</strong> notwendigen Hochwasser- <strong>und</strong> Küstenschutzmaßnahmen <strong>und</strong> <strong>die</strong> damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Sedimententnahmen stehen gleichzeitig im Konflikt mit anderen Nutzungsansprüchen des Naturraums.<br />

So führt <strong>die</strong> Entnahme großer Mengen Kies <strong>und</strong> Sand mit Laderaumsaugbaggern zu temporären<br />

Beeinträchtigungen der dort befindlichen marinen Lebensräume. Diese Beeinträchtigungen <strong>und</strong><br />

das damit verb<strong>und</strong>ene Abtragen der vorher vorhandenen Flora <strong>und</strong> Fauna haben Einfluss auf andere<br />

ökologisch <strong>und</strong> ökonomisch wichtige Funktionen des Naturraums. So ist <strong>für</strong> <strong>die</strong> Dauer der Wiederbesiedlung<br />

der Fischereiertrag wie auch <strong>die</strong> Funktion <strong>als</strong> Nahrungsgebiet <strong>für</strong> überwinternde Wasservögel<br />

eingeschränkt. Die Wiederbesiedlung mit der im <strong>und</strong> auf dem Sediment lebenden Fauna <strong>und</strong> Flora<br />

ist von den jeweiligen morphologischen Verhältnissen, der Struktur der benthischen Tiergemeinschaft<br />

<strong>und</strong> der Hydrographie sowie deren Dynamik abhängig.<br />

Mit steigendem Meeresspiegel <strong>und</strong> einer möglichen Zunahme von Sturmfluten durch <strong>die</strong> Veränderung<br />

des Klimas erhöhen sich <strong>die</strong> Aufwendungen der erforderlichen Küstenschutzmaßnahmen. Durch <strong>die</strong><br />

109


KLIMZUG-Workingpaper<br />

damit verb<strong>und</strong>ene intensivere Nutzung der durchaus begrenzten Kies- <strong>und</strong> Sandvorkommen ergibt<br />

sich ein übergeordneter Ordnungsbedarf, der über <strong>die</strong> reine politische Moderation von Konfliktszenarien<br />

hinausgeht. So werden neben weiterem Forschungsbedarf zur objektiven Einschätzung des Eingriffs<br />

in das Ökosystem auch Möglichkeiten zur Sicherstellung des Küstenschutzes <strong>und</strong> der da<strong>für</strong> benötigten<br />

Ressourcen an marinen Sanden bei künftig möglicherweise erhöhtem Bedarf <strong>als</strong> notwendig<br />

erachtet. Der marinen Sandgewinnung sollte im raumordnerischen Sinne der Vorrang eingeräumt<br />

werden, sofern sich <strong>die</strong> Flächen außerhalb von Schutzgebieten befinden. Ein umweltschonender Abbau<br />

kann nur gewährleistet werden, wenn <strong>die</strong> Lagerstätte <strong>für</strong> den staatlichen Küstenschutz auch künftig<br />

in der öffentlichen Hand liegt. Damit verb<strong>und</strong>en sind hohe Kosten hinsichtlich Erk<strong>und</strong>ung <strong>und</strong> Monitoring<br />

<strong>die</strong>ser Lagerstätten.<br />

2. Naturschutzfachliche Belange bei der Kiesgewinnung<br />

Die diskutierten negativen Auswirkungen der Kiesgewinnung auf <strong>die</strong> Umwelt sind vielschichtig, lassen<br />

sich jedoch in zwei Kategorien einteilen: (a) art- <strong>und</strong> lebensraumspezifische Flächenverluste <strong>und</strong> (b)<br />

graduelle Funktionsverluste von Habitaten <strong>und</strong> Ökosystemen. In der deutschen Ostsee sind im<br />

Wesentlichen drei Schutzgüter betroffen: benthische Organismen <strong>und</strong> ihre Habitate, Seevögel (im<br />

speziellen benthophage <strong>und</strong> piscivore Enten <strong>und</strong> Taucher) sowie Meeressäuger (beispielsweise durch<br />

temporäre <strong>und</strong> lokale Schallemission während des Abbaus). Unmittelbare Auswirkungen auf Seevögel<br />

sind durch Störungen während des Abbaus im Bereich der Abbaufläche, der Fahrwege <strong>und</strong> der<br />

Anlandung zu erwarten, wogegen der Entzug von Nahrungsressourcen durch <strong>die</strong> Entnahme von<br />

Sedimenten sich indirekt <strong>und</strong> langfristig auf <strong>die</strong> Überlebenswahrscheinlichkeit von Individuen<br />

auswirken könnte.<br />

Die Erheblichkeitsbewertung erfordert ein zeitlich <strong>und</strong> räumlich detailliertes Monitoring, was im<br />

Idealfall vor, während <strong>und</strong> nach dem Eingriff erfolgen sollte. Dies wird durch das Staatliche Amt <strong>für</strong><br />

Landwirtschaft <strong>und</strong> Umwelt (StALU) Mittleres Mecklenburg seit einigen Jahren realisiert. So werden in<br />

Mecklenburg-Vorpommern gegenwärtig in vier repräsentativen Referenzgebieten <strong>die</strong> Auswirkungen<br />

des Kiesabbaus auf das marine Ökosystem untersucht. Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> <strong>die</strong> Durchführung der Umweltuntersuchungen<br />

bildet der Leitfaden zur Prüfung der Umweltverträglichkeit bei Vorhaben zur Gewinnung<br />

mariner Sedimente in den Hoheitsgewässern <strong>und</strong> in der Ausschließlichen Wirtschaftszone<br />

(AWZ) der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland (BLANO, 2001). Dabei werden folgende Etappen in den Untersuchungen<br />

zu Gr<strong>und</strong>e gelegt:<br />

1.Monitoring: Aufnahme vor der Baggerung (status quo ante)<br />

2.Monitoring: Aufnahme spätestens bis einen Monat nach der Baggerung<br />

3.Monitoring: Aufnahme 24 Monate nach der Baggerung<br />

4.Monitoring: Aufnahme 60 bis 72 Monate nach der Baggerung<br />

Alle Stufen eines Monitoring <strong>für</strong> eine Lagerstätte kosten etwa so viel wie <strong>die</strong> einmalige Sandentnahme<br />

<strong>für</strong> eine Aufspülung. Das Untersuchungsprogramm zur Feststellung des Regenerationsverlaufs wird<br />

neben geologisch-geophysikalischen <strong>und</strong> bathymetrischen Aufnahmen durch weitere Arbeitsschritte<br />

ergänzt. So werden abiotische Parameter wie Sauerstoff <strong>und</strong> Salzgehalt, Temperatur <strong>und</strong> Sichttiefe<br />

erfasst. Durch Greifer-Beprobung wird <strong>die</strong> im Boden lebende Fauna sowie durch Videokartierung einzelne<br />

Biotoptypen hinsichtlich Vorkommen <strong>und</strong> Verteilung erfasst. Die Ergebnisse münden in statistische<br />

Auswertungen, Habitatbeschreibungen <strong>und</strong> Aussagen zur Hydrographie.<br />

110


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Abgeschlossene Untersuchungen liegen bis heute <strong>für</strong> zwei Gebiete vor, in denen ein hohes Regenerationspotential<br />

festgestellt wurde, bei nach wie vor geringfügigen bis deutlichen Veränderungen des<br />

Meeresbodenreliefs. Innerhalb der Biozönose waren <strong>die</strong> Änderungen nach fünf Jahren nicht mehr<br />

signifikant. Unter Sicherstellung eines umweltschonenden Abbaus mariner Sande zeigen <strong>die</strong> Monitorings<br />

des Staatlichen Amtes <strong>für</strong> Landwirtschaft <strong>und</strong> Umwelt Mittleres Mecklenburg keine erheblichen<br />

<strong>und</strong> nachhaltigen Einwirkungen der Gewinnungsmaßnahmen auf <strong>die</strong> ökologische Situation. Um<br />

potentielle Auswirkungen des Kiesabbaus von natürlichen Bestands- <strong>und</strong> Verteilungsschwankungen<br />

sicher voneinander zu trennen, können <strong>die</strong> Standardmethoden weiter entwickelt werden. Ein effektives<br />

Untersuchungskonzept muss stets vor dem Hintergr<strong>und</strong> der natürlichen Dynamik des marinen<br />

Ökosystems entwickelt werden. In der Praxis gibt es hinsichtlich der Erfassung <strong>die</strong>ser Dynamik methodische<br />

Grenzen <strong>und</strong> Wissenslücken <strong>und</strong> somit entsprechenden Forschungsbedarf.<br />

Innerhalb der naturschutzfachlichen Gremien entspinnt sich derzeit eine Kontroverse, <strong>die</strong> sich<br />

zwischen Konservierung des natürlichen Raumes einerseits <strong>und</strong> der nachhaltigen Gestaltung eines<br />

Kulturraumes andererseits bewegt. So ist immer wieder in der Diskussion, dass nachhaltige<br />

Managementkonzepte auch positive ökologische Bilanzen haben könnten. Innerhalb <strong>die</strong>ser<br />

Diskussion bleibt es zu erörtern <strong>und</strong> empirisch zu belegen, ob <strong>die</strong> langfristigen Konsequenzen der<br />

Kies- <strong>und</strong> Sandgewinnung nicht auch zu einer Verbesserung der Habitatqualität <strong>für</strong> bestimmte Arten<br />

führen könnten. Andererseits ist <strong>die</strong>s nicht im Sinne des Naturschutzes <strong>und</strong> entspricht auch nicht der<br />

aktuellen Gesetzgebung, <strong>die</strong> Erhalt <strong>und</strong> Schutz des ursprünglichen Zustandes des Naturraumes<br />

verfolgt. Um <strong>die</strong>se marinen Flächen mit mehreren Entwicklungszielen belegen zu können, bedürfte es<br />

einer gezielten Forschung. So wäre ein Forschungsansatz <strong>die</strong> „künstliche Verjüngung“ von<br />

benthischen Nahrungsressourcen im Zusammenhang mit der Kiesgewinnung <strong>als</strong><br />

Managementinstrument. Dabei ist zwingend zu beachten, dass <strong>die</strong> naturschutzfachliche Bewertung<br />

der ökologischen Konsequenzen einer, wie auch immer gearteten, Bewirtschaftung <strong>die</strong> gesamte<br />

Bandbreite der ökosystemaren Reaktionen berücksichtigen muss.<br />

3. Marine Sande <strong>für</strong> den Küstenschutz<br />

Die Küste von Mecklenburg-Vorpommern weist eine negative Sedimentbilanz auf, <strong>die</strong> dauerhaft ausgeglichen<br />

werden muss, um <strong>die</strong> Stabilität von Küstenschutzanlagen zu gewährleisten. Für <strong>die</strong>se Aufgabe<br />

werden jährlich etwa 500.000 m³ Sand benötigt (siehe Abbildung 1). Dieses Material wird durch<br />

Aufspülungsarbeiten in Dünen, Strand, Schorre <strong>und</strong> Deichen der Küste Mecklenburg-Vorpommerns<br />

eingebaut. Um <strong>die</strong> gesellschaftlich wichtige Aufgabe des Küstenschutzes langfristig <strong>und</strong> nachhaltig zu<br />

sichern, werden <strong>die</strong> derzeit benötigten Sande in erheblichem Umfang aus marinen Abbaugebieten der<br />

Ostsee gewonnen. Berücksichtigt man bei der Erschließung <strong>und</strong> Gewinnung des Materi<strong>als</strong> wirtschaftliche<br />

Kriterien wie Verfügbarkeit, technologische Machbarkeit <strong>und</strong> Transportwege, so kann das Material<br />

nur aus dem flachmarinen Küstenraum gewonnen werden. Darüber hinaus bestehen gesellschaftliche<br />

<strong>und</strong> ökonomische Ansprüche gegenüber gleich- oder nebengeordneten Schutzgütern innerhalb<br />

<strong>die</strong>ses Naturraums wie Fischereigründe, ökologische Funktionsräume <strong>und</strong> Schutzgebiete, Verkehrs<strong>und</strong><br />

Leitungstrassen bis hin zu Bodendenkmälern <strong>und</strong> privatrechtlichen Ansprüchen. Zum Schutz der<br />

Küste <strong>und</strong> des dahinter liegenden Siedlungsraumes werden vom Land Mecklenburg-Vorpommern<br />

umfängliche Unterhaltungs-, Planungs- <strong>und</strong> Erk<strong>und</strong>ungsaktivitäten geleistet.<br />

Im Küstengebiet der deutschen Ostsee gibt es umfangreiche Lagerstätten, deren Eignung durch <strong>die</strong><br />

Zusammensetzung der <strong>für</strong> den Küstenschutz eingesetzten Sande bestimmt ist. Ein wichtiges Kriterium<br />

ist <strong>die</strong> Gewährleistung einer relativ hohen Lagestabilität an Land, <strong>die</strong> nur bei gemischtkörnigen Sedimenten<br />

mit Grob-, Mittel- <strong>und</strong> Feinsand <strong>als</strong> Hauptkomponenten gegeben ist. Abweichungen von den<br />

111


KLIMZUG-Workingpaper<br />

gewünschten Zusammensetzungen sind möglich, wenn das Material nicht <strong>für</strong> <strong>die</strong> Errichtung oder Verstärkung<br />

von Küstenschutzdünen, sondern <strong>als</strong> Baustoff <strong>für</strong> den Kern von Küstenschutzdeichen vorgesehen<br />

ist.<br />

Abbildung 1: Gewinnung mariner Sande<br />

Quelle: Bergamt Str<strong>als</strong><strong>und</strong> / Staatliches Amt <strong>für</strong> Landwirtschaft <strong>und</strong> Umwelt Mittleres Mecklenburg<br />

Da <strong>die</strong> Küste <strong>als</strong> Erholungsraum durch den Menschen genutzt wird, spielen neben der Korngrößenzusammensetzung<br />

weitere Faktoren eine wichtige Rolle, <strong>die</strong> bereits im Rahmen der Aufsuchung <strong>und</strong><br />

Erk<strong>und</strong>ung der marinen Sedimente untersucht werden. So darf der Gehalt an ges<strong>und</strong>heitsgefährdenden<br />

Stoffen kritische Grenzen nicht überschreiten. Hier gelten <strong>die</strong> Standards <strong>für</strong> Kinderspiel- sowie<br />

Park- <strong>und</strong> Freiflächen. Die Aufspülsande müssen ebenfalls frei von Munitionsaltlasten sein, <strong>die</strong> in der<br />

gesamten Ostsee angetroffen, jedoch separiert werden können. Lagerstätten mit Anteilen organogener<br />

Sedimente, <strong>die</strong> Gerüche <strong>und</strong> Verfärbung verursachen (Schlick, Torf, Mudde, Holz) oder anderer<br />

bindiger Sedimente (Ton sowie Geschiebemergel) von mehr <strong>als</strong> 5 Prozent werden vom Abbau ausgeschlossen.<br />

Um <strong>die</strong>se Qualitätskriterien zu gewährleisten, wird ein umfangreicher geologischgeophysikalischer<br />

Erk<strong>und</strong>ungsprozess betrieben. Dazu gehören geophysikalische Vermessungen mit<br />

hydroakustischen Verfahren <strong>und</strong> <strong>die</strong> Aufnahme von Videotransekten zur optischen Bemusterung des<br />

Meeresbodens. Aus verschiedenen Bohraufschlüssen werden <strong>die</strong> Korngrößenverteilung sowie der<br />

Schadstoffgehalt des potentiellen Abbaugutes bestimmt. Neben den geophysikalischen Erk<strong>und</strong>ungen<br />

wird eine ökologische Begleituntersuchung zur Folgenabschätzung des Eingriffs im Untersuchungsgebiet<br />

durchgeführt (nach UVP-V Bergbau 4 , BNatSchG 5 , NatschAG MV 6 , FFH 7 Verträglichkeitsprüfung),<br />

aufgr<strong>und</strong> derer zulässige Gewinnungsflächen ausgewiesen sowie Ausgleichs- <strong>und</strong> Ersatzmaßnahmen<br />

festgelegt werden. Die gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lagen dazu werden in Kapitel vier näher beschrieben.<br />

4<br />

Verordnung über <strong>die</strong> Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben<br />

5<br />

B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetz<br />

6<br />

Naturschutzausführungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern<br />

7 Flora-Fauna-Habitat Richtlinie<br />

112


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Erhält eine geeignete Lagerstätte den Status eines Bewilligungsfeldes, so kann <strong>die</strong> Sedimentgewinnung<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Maßnahmen an Küstenschutzanlagen (<strong>für</strong> relativ nahe liegende Küstenabschnitte) mit<br />

bergrechtlichen Betriebsplanverfahren in <strong>die</strong> Wege geleitet <strong>und</strong> durchgeführt werden. Dabei werden<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Sicherstellung eines umweltschonenden Abbaus verschiedene Faktoren berücksichtigt. In<br />

Mecklenburg-Vorpommern ist nur <strong>die</strong> oberflächennahe Entnahme von Rohstoffen erlaubt. Dabei sind<br />

<strong>die</strong> Abbautechnologie <strong>und</strong> -technik von Bedeutung. Der Abbau erfolgt hydraulisch mit Hilfe von Laderaumsaugspülbaggern<br />

mit einem ein bis drei Meter breiten Schleppkopf ausschließlich flächenhaft in<br />

Streifen bis in Tiefen von maximal 50 cm. Gleichzeitig darf nach dem Eingriff <strong>die</strong> Mächtigkeit des Sediments<br />

50 cm nicht unterschreiten. Um eine Regenerationszeit <strong>für</strong> benthische Lebensgemeinschaften<br />

von fünf Jahren zu ermöglichen, werden entsprechende Nutzungsintervalle eingehalten. Mit der Dokumentation<br />

ist der Abbau auf der Hauptbetriebsplanfläche eindeutig nachweisbar. Die bei der Baggerung<br />

entstandenen Rinnen auf dem Meeresboden ebnen sich durch Nivellierungsprozesse innerhalb<br />

weniger Jahre zum Teil komplett ein. Die biologische Wiederbesiedlung erfolgt aus den nicht abgebauten,<br />

höher liegenden Bereichen.<br />

4. Gesetzliche Rahmenbedingungen <strong>und</strong> Regelungsbedarf<br />

Die rechtliche Situation zur Gewinnung mariner Kiese <strong>und</strong> Sande <strong>für</strong> den Küstenschutz ist durch verschiedene<br />

zum Teil parallele rechtliche Zuständigkeiten geprägt <strong>und</strong> regional stark differenziert. Unter<br />

Berücksichtigung aller Nutzungsinteressenten <strong>und</strong> Konfliktparteien sind <strong>die</strong> Zuständigkeiten vom<br />

kommunalen Bereich der landseitigen Uferzone über <strong>die</strong> vom B<strong>und</strong>esland Mecklenburg-Vorpommern<br />

verwaltete 12 Seemeilenzone bis hin zum B<strong>und</strong>, der <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bereiche der Ausschließlichen Wirtschaftszone<br />

(AWZ) zuständig ist, verteilt. Das bestehende nationale Rechts- <strong>und</strong> Verwaltungsgefüge<br />

wird zusätzlich mit Planungs-, Schutz- <strong>und</strong> Entwicklungszielen der EU belegt, <strong>die</strong> EU-rechtlich abgesichert<br />

<strong>und</strong> mit der naturschutzfachlichen Landes- <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esgesetzgebung Deutschlands umgesetzt<br />

werden. Dadurch hat sich in den letzten Jahren <strong>die</strong> Gesamtsituation zur Umsetzung von Planungs<strong>und</strong><br />

Nutzungszielen im Bereich der deutschen Ostsee insgesamt verkompliziert. Die zukünftige Nutzung<br />

von Naturraum <strong>und</strong> Ressourcen wird in den Verordnungen über <strong>die</strong> Raumordnung sowie dem<br />

Raumordnungsplan in der deutschen AWZ der Ostsee (ROP-OS-2009) <strong>und</strong> dem Landesraumentwicklungsprogramm<br />

(LEP-MV-2005) beschrieben <strong>und</strong> reguliert.<br />

In der AWZ der deutschen Ostsee findet momentan keine Rohstoffgewinnung statt <strong>und</strong> eine Wiederaufnahme<br />

der bis 1989 vorgenommenen Nutzung wird vorerst nicht angestrebt. Falls der Bedarf an<br />

Grob- <strong>und</strong> Mittelsanden zum Beispiel auf Gr<strong>und</strong> des prognostizierten Meeresspiegelanstiegs von circa<br />

30 bis 90 cm steigen sollte, stehen in der AWZ umfangreiche Vorkommen zur Verfügung. Dem gegenüber<br />

werden ein Großteil der marinen Lagerstätten Mecklenburg-Vorpommerns <strong>für</strong> Strandaufspülungen<br />

<strong>und</strong> Deichbau im Rahmen des Küstenschutzes genutzt. Entlang der Küste befinden sich <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong>se Zwecke zahlreiche Vorbehalts- <strong>und</strong> Abbauflächen. Einige Lagerstätten, <strong>für</strong> <strong>die</strong> mittlerweile Bewilligungen<br />

vorliegen, sind demnach Vorranggebiete <strong>für</strong> <strong>die</strong> marine Rohstoffsicherung.<br />

Die Entnahme <strong>die</strong>ser marinen Rohstoffe des B<strong>und</strong>eslandes erfolgt ausschließlich aus Lagerstätten,<br />

<strong>die</strong> Bestandteil der Richtlinie marine Sandgewinnung <strong>für</strong> Küstenschutz (RL-MSK-1997) sind.<br />

Das Land Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch das StALU Mittleres Mecklenburg, ist Inhaber<br />

von Bewilligungen zur Gewinnung des Bodenschatzes Sand in gegenwärtig fünfzehn Bewilligungsfeldern<br />

nach § 8 B<strong>und</strong>esberggesetz (BBergG), <strong>für</strong> <strong>die</strong> in den kommenden Jahren bergrechtliche Planfeststellungsverfahren<br />

zur Zulassung von Rahmenbetriebsplänen angestrebt werden. Die Erteilung<br />

von Bergbauberechtigungen <strong>und</strong> Betriebsplanverfahren auf der Gr<strong>und</strong>lage von Aufsuchungen zur<br />

Gewinnung von marinen Sedimenten im Bereich des zu Mecklenburg-Vorpommern gehörigen Küs-<br />

113


KLIMZUG-Workingpaper<br />

tenmeeres sowie des Festlandsockels obliegt dem Bergamt Str<strong>als</strong><strong>und</strong> auf der Gr<strong>und</strong>lage des BBergG,<br />

welches sowohl in der Aufsuchung <strong>als</strong> auch in der Gewinnung mariner Sande Berücksichtigung findet.<br />

Vom ökologischen Standpunkt aus gesehen führt <strong>die</strong> Entnahme der Rohstoffe zu temporären Beeinträchtigungen<br />

der marinen Lebensräume, vor allem des Benthos. Gleichzeitig ist <strong>die</strong> Regenerationszeit<br />

der Zönosen von den jeweiligen Sedimentverhältnissen, von der Besiedlungsstruktur, von Hydrographie<br />

<strong>und</strong> Gewässerdynamik sowie von der Methodik der Entnahme abhängig. Das Benthos in der<br />

Ostsee regeneriert sehr schnell, wenn <strong>die</strong> Substratzusammensetzung erhalten bleibt. Das haben <strong>die</strong><br />

Untersuchungen an den Schürfflächen <strong>und</strong> begleitende Monitoringprogramme des Landes ergeben.<br />

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass <strong>die</strong> Abbaugebiete oft dicht an <strong>und</strong> auch zum Teil in Gebieten<br />

liegen, <strong>die</strong> eine große Bedeutung <strong>für</strong> das Ökosystem der Ostsee haben. Diese Nähe ist der Tatsache<br />

geschuldet, dass <strong>die</strong> <strong>für</strong> den Küstenschutz erforderlichen Grob- <strong>und</strong> Mittelsande im Umfeld pleistozäner<br />

Hügel liegen. Diese Untiefen <strong>und</strong> riffähnlichen Strukturen sind per Definition <strong>als</strong> FFH-<br />

Lebensraumtyp EU-code 1170 "Riff" ausgewiesen. Blöcke, Steine <strong>und</strong> Geröllfelder bilden außerdem<br />

<strong>die</strong> einzigen Hartsubstratareale an der südlichen Ostseeküste. Diese Hartsubstrate stellen den Lebensraum<br />

<strong>für</strong> Aufwuchsorganismen <strong>und</strong> Großalgen dar <strong>und</strong> <strong>die</strong>nen <strong>als</strong> Aufzucht- <strong>und</strong> Laichgebiet <strong>für</strong><br />

Kleinfische <strong>und</strong> kommerziell genutzte Arten wie zum Beispiel Hering <strong>und</strong> Hornhecht. Miesmuscheln,<br />

<strong>die</strong> sich an <strong>die</strong> Hartböden anheften <strong>und</strong> Bänke bilden, sind <strong>die</strong> Hauptnahrung der überwinternden<br />

Wasservögel aus dem gesamten Baltikum (RL-Aves-2009).<br />

Um <strong>die</strong>se Lebensräume zu schützen gibt es eine Reihe von Landes-, B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> EU-<br />

Naturschutzgesetzen (NatSchG-2010, BNatSchG-2009). Sie werden im Sinne eines Handlungsrahmens<br />

in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL-1992) zusammengefasst <strong>und</strong> <strong>die</strong>nen dem Aufbau<br />

des Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000. Der Abbau von marinen Sedimenten ist auf Gr<strong>und</strong> <strong>die</strong>ser<br />

Gesetzeslage genehmigungspflichtig <strong>und</strong> muss langfristig geplant werden. Gr<strong>und</strong>sätzlich ist es bei der<br />

Genehmigung nicht relevant, ob ein Projekt oder Plan direkt Flächen innerhalb des Natura 2000-<br />

Gebietes in Anspruch nimmt oder von außen auf das Gebiet einwirkt. Sind erhebliche Beeinträchtigungen<br />

nicht mit Sicherheit auszuschließen, muss zur weiteren Klärung des Sachverhaltes eine FFH-<br />

Verträglichkeitsprüfung (RL-UVP-EU-1985, UVPG-EU-2010) durchgeführt werden. Die FFH-<br />

Verträglichkeitsprüfung erfolgt auf der Basis der <strong>für</strong> das Gebiet festgelegten Erhaltungsziele beziehungsweise<br />

Schutzzweck <strong>und</strong> der zugr<strong>und</strong>e gelegten Schutzgebietsverordnung (BfN-Habitat-Mare).<br />

Zentrale Frage ist, ob ein Projekt oder Plan zu erheblichen Beeinträchtigungen eines Natura 2000-<br />

Gebiets in seinen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen führen kann.<br />

Um großräumige Veränderungen des Wasseraustauschs zu vermeiden, darf der Abbau von Rohstoffen<br />

nicht zu überregionalen hydromorphologischen Veränderungen führen. Diese Forderung betrifft<br />

vor allem „Kammlagen“ solcher Gebiete, <strong>die</strong> den Wasseraustausch zwischen zwei Becken limitieren<br />

<strong>und</strong> damit den vorherrschenden Salzgehalt <strong>und</strong> Grad der Exposition bestimmen. Solche Gebiete sind<br />

zum Beispiel der Fehmarnbelt, <strong>die</strong> Kadetrinne <strong>und</strong> <strong>die</strong> Darßer Schwelle in der Ausschließlichen Wirtschaftszone.<br />

Im Hoheitsgebiet von Mecklenburg-Vorpommern stellen <strong>die</strong> Boddenrandschwellen der<br />

Wismarbucht <strong>und</strong> des Greifswalder Boddens solche Problemzonen dar.<br />

Das gemeinsame Interesse des Naturschutzes <strong>und</strong> der Fischerei einerseits <strong>und</strong> der bergbaubetreibenden<br />

Industrie <strong>und</strong> deren Abnehmern andererseits, führt zu Nutzungskonflikten (siehe Abbildung 2).<br />

Bei den durchaus kontrovers geführten Abwägungs- <strong>und</strong> Abstimmungsprozessen zur Erschließung<br />

<strong>und</strong> Nutzung der Rohstoffquellen <strong>für</strong> den Küstenschutz konkurrieren naturschutzfachliche Standpunkte<br />

auf der einen Seite mit dem prioritären Anspruch auf "Schutz <strong>für</strong> Leib <strong>und</strong> Leben" auf der anderen<br />

Seite.<br />

114


KLIMZUG-Workingpaper<br />

Abbildung 2: Nutzungskonflikt: Natura 2000 – Marine Sandgewinnung (Gewerbe sowie Küstenschutz)<br />

Quelle: IfAÖ<br />

Abbauflächen (bestehend <strong>und</strong> geplant)<br />

Naturschutzgebiete<br />

Pleistozäne Rümpfe, Hartsubstrate, Riffe<br />

Sedimentationsbecken Schlick <strong>und</strong> Mudden<br />

Mittel- <strong>und</strong> Grobsande<br />

Feine Sande mit hohem Schluffanteil<br />

Dabei zeichnet sich in den letzten Jahren (seit 2009) folgende Entwicklung ab: Die Bedeutung des<br />

Küstenschutzes nimmt mit steigendem Wasserstand zu. Das Land ist zum Schutz von Leben <strong>und</strong><br />

Eigentum seiner Bürger gesetzlich verpflichtet. Die Prognose von 30 bis 90 cm Anstieg des Meeresspiegels<br />

erscheint gering. An Flachküsten bedeutet <strong>die</strong>ser Anstieg aber große Flächen, <strong>die</strong> potentiell<br />

überschwemmt werden können. Hinzu kommen Extremwetterlagen mit Stürmen, wie sie in den letzten<br />

Jahren mit zunehmender Häufigkeit auftraten.<br />

Die erwähnte gesetzliche Lage verpflichtet andererseits zum Naturschutz. Konsequenterweise stellt<br />

der internationale Naturschutz <strong>die</strong> Bedeutung des Biotopschutzes (Lebensraumschutz) gegenüber<br />

dem Artenschutz in den Vordergr<strong>und</strong>. Die Ostseebiotope unterteilen sich in der südlichen Ostsee in<br />

einen schmalen „belebten“ Abschnitt an den Küsten <strong>und</strong> einen „toten“ Abschnitt („dead bottoms“) in<br />

den Becken unterhalb der Halokline. Der „lebende“ Küstenabschnitt ist schmal, <strong>die</strong> wirtschaftlichen<br />

Aktivitäten konzentrieren sich auf <strong>die</strong>sen Teil.<br />

Eine begrenzte, kontrollierte <strong>und</strong> regulierte Nutzung <strong>die</strong>ser wertvollen Lebensräume ist möglich. Grenzenloser<br />

Abbau ohne Prüfung der Auswirkungen ist nicht zu verantworten <strong>und</strong> wird auch nicht mehr<br />

gehandhabt. Um künftige Beeinträchtigungen zu minimieren <strong>und</strong> gleichzeitig Sedimentressourcen im<br />

angestrebten Umfang erschließen zu können, wurden in den letzten Jahren seitens des Staatlichen<br />

Amtes <strong>für</strong> Landwirtschaft <strong>und</strong> Umwelt Mittleres Mecklenburg große Anstrengungen unternommen, um<br />

den Prozess der Sedimentgewinnung nachhaltig zu gestalten. Da man viele ökologische Phänomene<br />

<strong>und</strong> Abläufe bei der Wiederbesiedelung der genutzten Abbauflächen nur unzureichend verstand, wurden<br />

umweltrelevante Auswirkungen durch eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen erfasst.<br />

Schon im Jahr 2004 begann das Land Mecklenburg-Vorpommern mit der Durchführung von Monitorings<br />

in Sandgewinnungsgebieten. Dieses Instrument wird auch bei der gewerblichen Nutzung mari-<br />

115


KLIMZUG-Workingpaper<br />

ner Sande gefordert <strong>und</strong> durchgeführt <strong>und</strong> stellt damit ein Instrument zur Regelung dar, <strong>die</strong> in Managementplänen<br />

weiter auszubauen sind, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Kenntnisse über ein Gebiet zusammenfassen <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> Entwicklung bewerten.<br />

Wo kommen marine Sande her?<br />

Riffe sind (wie oben schon gesagt) eiszeitliche Erhebungen, <strong>die</strong> sich aus Flächen mit Restsedimenten mit<br />

Hartböden <strong>und</strong> aus Sandflächen zusammensetzten. Der gesamte Lebensraum ist nach EU-Recht geschützt.<br />

Die mit Hartböden bedeckten Flächen regenerieren im Falle des Abbaus (Steinfischerei) schwer (>100 Jah-<br />

re). Bei Erosion des Geschiebemergels werden Blöcke wieder freigesetzt. Die Grobsand- <strong>und</strong> Kiesflächen<br />

(ebenfalls Restsedimente) unterliegen gewöhnlich einer schnelleren Regeneration. Das Bergrecht schreibt<br />

vor, dass <strong>die</strong> Sedimentzusammensetzung durch <strong>die</strong> Entnahme nicht verändert werden darf. In <strong>die</strong>sem Falle<br />

ist eine Regeneration der benthischen Lebensgemeinschaften innerhalb von 3 bis 15 Jahren gewährleistet.<br />

Sandbänke dagegen bestehen aus Feinsanden. Ihnen kommt besonders eine Bedeutung bei der typischen<br />

Ausbildung der Ausgleichsküste <strong>und</strong> ihrer Küstenlebensräume zu (Lagunen, Windwatten, Salzwiesen u.a.).<br />

Sie prägen das Landschaftsbild von Mecklenburg-Vorpommern, mit dem <strong>die</strong> Tourismusindustrie Gäste an-<br />

wirbt. Industrieller Nutzungsanspruch besteht kaum.<br />

5. Zusammenfassung <strong>und</strong> Entwicklungsperspektiven<br />

Die im Zuge des globalen Klimawandels lokal in Gang gesetzten Klimaschutz- <strong>und</strong> <strong>Klimaanpassung</strong>smaßnamen<br />

werden unweigerlich zu einer Nutzungsintensivierung in der Ostsee führen. Der<br />

Bedarf an marinen Kiesen <strong>und</strong> Sanden <strong>für</strong> einen effektiven Küstenschutz steht derzeit im Konflikt zu<br />

den Belangen des Naturschutzes, <strong>und</strong> <strong>die</strong> gegenwärtige Diskussion verläuft weitestgehend unmoderiert.<br />

Die nachhaltige Nutzung von marinen Ressourcen führt zunehmend zu einer Umgestaltung des<br />

natürlichen Raums in einen Kulturraum. Doch anders <strong>als</strong> auf dem Festland, fehlt derzeit im marinen<br />

Bereich eine anwendbare Raumordnung. Es fehlen dazu zunächst <strong>die</strong> Kommunikationsstrukturen<br />

zwischen Administrationsebenen (EU, B<strong>und</strong>, Land, Kommune) <strong>und</strong> ein juristisches Regelwerk um<br />

antagonistische Rechtsansprüche zwischen Interessengruppen auszugleichen. RADOST (<strong>Regional</strong>e<br />

Anpassungsstrategien <strong>für</strong> <strong>die</strong> deutsche Ostseeküste) bildet <strong>als</strong> Bestandteil von KLIMZUG – Klimawandel<br />

in Regionen zukunftsfähig gestalten, den Rahmen <strong>für</strong> erste Schritte auf dem Weg zu einer<br />

integrierten marinen Raumordnung. Durch Förderung des politischen Diskurses unter Einbeziehung<br />

von Wissenschaft, Ethik <strong>und</strong> den Erfahrungen aus der Gestaltung des nachhaltigen Ressourcenmanagements<br />

aus dem terrestrischen Bereich können Anreize geschaffen werden, den "Kulturraum<br />

Meer" unter ökologischen, ökonomischen <strong>und</strong> humanitären Gesichtspunkten nachhaltig zu gestalten.<br />

Literatur<br />

Regelwerk Küstenschutz Mecklenburg-Vorpommern – Marine Aufspülsande, Ministerium <strong>für</strong><br />

Landwirtschaft, Umwelt <strong>und</strong> Verbraucherschutz M-V, Staatliches Amt <strong>für</strong> Landwirtschaft <strong>und</strong> Umwelt<br />

(StALU) Mittleres Mecklenburg, Dezernatsgruppe Küste, unveröffentlichte Fassung, März 2011.<br />

Leitfaden zur Prüfung der Umweltverträglichkeit bei Vorhaben zur Gewinnung mariner Sedimente<br />

in den Hoheitsgewässern <strong>und</strong> in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland, B<strong>und</strong>/Länder-Ausschuss Nord- <strong>und</strong> Ostsee (BLANO), Januar 2001.<br />

116


KLIMZUG-Workingpaper<br />

NatSchG-2010, Gesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Ausführung des B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetzes<br />

(Naturschutzausführungsgesetz - NatSchAG M-V) vom 23. Februar 2010; GVOBl. M-<br />

V 2010, S. 66 letzte berücksichtigte Änderung: §§ 1, 3, 5 geändert durch Artikel 14 des Gesetzes vom<br />

12. Juli 2010 (GVOBl. M-V S. 383, 395).<br />

BNatSchG-2009, B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch<br />

Artikel 2 des Gesetzes vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2557) geändert worden ist.<br />

FFH-Richtlinie-1992, Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen<br />

Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere <strong>und</strong> Pflanzen, Amtsblatt Nr. L 206 vom 22/07/1992<br />

S. 0007-0050; zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/105/EG des Rates vom 20. November 2006.<br />

BfN-Habitat-Mare – aktiv <strong>für</strong> den Schutz der marinen Lebensvielfalt,<br />

URL:http://www.bfn.de/habitatmare/de/schutzgebiete-uebersicht.php [Stand 2011].<br />

RL-Aves-2009, Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments <strong>und</strong> des Rates vom 30. November<br />

2009 über <strong>die</strong> Erhaltung der wildlebenden Vogelarten.<br />

RL-UVP-EU-1985, UVP-Richtlinie der EU, Richtlinie 85/337/EWG vom 27. Juni 1985 über <strong>die</strong> Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

bei bestimmten öffentlichen <strong>und</strong> privaten Projekten.<br />

RL-UVPG-EU-2010, UVPG – Gesetz über <strong>die</strong> Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung<br />

vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom<br />

6. Oktober 2011 (BGBl. I S. 1986) geändert worden ist.<br />

UVPVwV-1995, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über <strong>die</strong> Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

(UVPVwV), vom 18. September 1995.<br />

RL-MSK-1997, Richtlinie <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erteilung von Bergbauberechtigungen <strong>und</strong> zur Zulassung von Hauptbetriebsplänen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Aufsuchung <strong>und</strong> Gewinnung von marinen Sanden im Bereich der Küstengewässer<br />

<strong>und</strong> des Festlandsockels des Landes Mecklenburg-Vorpommern <strong>für</strong> Strandaufspülungen <strong>und</strong><br />

Küstenschutzmaßnahmen (Richtlinie marine Sandgewinnung <strong>für</strong> Küstenschutz - RL - MSK); Erlass<br />

des Wirtschaftsministeriums im Einvernehmen mit dem Ministerium <strong>für</strong> Bau, Landesentwicklung <strong>und</strong><br />

Umwelt vom 9. Dezember 1997; AmtsBl. M-V 1997 S. 1327; Zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift<br />

vom 06.04.2009 im Amtsblatt M-V 2009 S. 385.<br />

ROP-OS-2009, Die Verordnung des BMVBS über <strong>die</strong> Raumordnung in der deutschen AWZ in der<br />

Ostsee vom 10.12.2009 (BGBl. I S. 3861), <strong>die</strong> <strong>als</strong> Anlage den Raumordnungsplan (Text- <strong>und</strong> Kartenteil)<br />

enthält, ist am 19. Dezember 2009 in Kraft getreten.<br />

LEP-MV-2005, Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern (LEP M-V); Bekanntmachung<br />

des Ministeriums <strong>für</strong> Arbeit, Bau <strong>und</strong> Landesentwicklung vom 3. Mai 2005; Amtsblatt M-V<br />

2005 S. 797.<br />

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