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braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong>Rezensionen und Anzeigen 273maßgebender Faktor aus. Die ältere Forschung hielt die sächsische Stammeskomponentefür ausschlaggebend, während neuere Forscher und der Verfasser fränkische Verwaltungsstrukturenals Ursache des sächsischen Herzogtums ansehen. Zugleich relativiert B., genausowie diese, noch weitergehender als R. Wenskus in seinem epochemachenden Werk(1961) die Vorstellung von einem gleichsam naturgewachsenen, hauptsächlich völkischdurch Sprache, Recht, Tradition bestimmten sächsischen Stamm.Bekanntlich sind die Quellen sowohl für die Entstehung und Entwicklung des Sachsenstammessowie für die Anfänge des sächsischen Herzogtums spärlich und vieldeutig. Somuß der Verfa~ser ebenso wie viele seiner Vorgänger ein umfangreiches, diffiziles Theoriengebäudezur Klärung dieser Fragen entwerfen, um der geschichtlichen Realität überhauptnahekommen zu können. Mit souveräner Beherrschung des von der Forschung aufgehäuftenMaterials entwickelt er in klarem Gedankengang folgende Thesen:Nach der gewaltsamen Eingliederung in das Frankenreich hatten die Sachsen von 804bis 919 als fränkische "Kolonie" bei starkem Traditionsverlust keinerlei politisches Eigenleben,sondern waren nicht viel mehr als Bewohner einer durch Grafen verwalteten Provinz,deren Repräsentant und Bezugsperson der fränkische König war. Das zeigt sich sogarin der um 865 erstmals niedergeschriebenen sächsischen Stammessage, in welcher demfränkischen König bei der Landnahme eine ausschlaggebende Rolle zugesprochen wurde.Mehrere Geschichtsschreiber des 9./10. Jahrhunderts berichten ferner, daß die Sachseninsbesondere seit ihrer Christianisierung mit den Franken zu "einem Volk" verschmolzenseien. Unter dem Karolinger Ludwig dJ. entstand seit 865 ein "Königreich der Frankenund Sachsen" (mit Thüringen) als Teilreich, auf das hin das sächsische Stammesbewußtseinorientiert war. Die Lindolfinger waren kein betont sächsisches, sondern ein eher überstammlicheingestelltes Adelsgeschlecht der fränkischen Reichsaristokratie; auch waren sieweder in Sachsen führend noch gar dort Inhaber von herzoglichen Funktionen. Erst mit derKönigserhebung des Lindolfingers Heinrich I. (919) und seiner erzwungenermaßen ständigenPräsenz in Sachsen bildete sich in diesem Stamm wieder ein starkes politisches Selbstbewußtseinaus, das bei den dortigen Geschichtsschreibern des 10. Jahrhunderts (u. a.Hrotsvith von Gandersheim) zur politischen L'berhöhung von Heinrichs Vorfahren zusächsischen Stammesherzögen führte. Da Otto der Große sich seit 953 kaum mehr in Sachsenaufhielt, ernannte er als seinen Vertreter Hermann Billung zum sächsischen Herzog,der dann in eine vizekönigliche Stellung zwischen König und Adel hineinwuchs. SowohlHeinrich I. wie Otto der Große betonten als Könige keineswegs ihr Sachsenturn. Ganz andersdie erwähnten zeitgenössischen Geschichtsschreiher, für die die Sachsen seit 919 einbevorzugtes "Reichsvolk" sind.Als Hauptergebnis dieser Arbeit stellt sich heraus: der sächsische Volksstamm hatte im9. Jahrhundert kaum ein stammlich-volkliches und in keiner Weise ein politisches Eigenleben.Das erneute eigenständige Stammesleben ab 919 ist ausschließlich aus den Herrschafts-und Verwaltungsstrukturen des fränkischen Königtums entstanden und so überhauptnur zu erklären. Politische, nicht stammliche Faktoren führten zum Herzogtum Sachsen.Der schon vordem in der Forschung krititierte Begriff "Stammes-Herzog" wird jetztnoch problematischer.Für die braunschweigische Geschichte ist Bechers Werk zweifellos von besonderem Belang,da die Lindolfinger einen Besitzschwerpunkt in Ostsachsen und speziell im <strong>Braunschweig</strong>ischen(Gandersheim) hatten, was auch im Namenindex des Buches deutlich wird.Ob sich jedoch seine zwar im Forschungstrend liegenden, aber einseitig in eine einzigeRichtung zielenden Thesen in der Wissenschaft durchsetzen, bleibt abzuwarten.Dieter Lenthttp://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042675

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