CL 43 - Cthulhus Ruf
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Sie stehen am Rand einer Wüste, die sich bis zum Horizont erstreckt, hinter sich eine<br />
Okkulathalle, wo die Ernte gereinigt, gewogen und der Reinheitsgrad bestimmt wird.<br />
Einfache, weiße Gebäude, die flirrend in der Hitze stehen. Ignatius wischt sich mit einem<br />
Tuch den Schweiß von der Stirn. Das Vorkommen ist schier unvorstellbar. Selbst in seinen<br />
kühnsten Träumen hätte sich Ignatius solche Mengen Okkulat nicht vorstellen können. Es<br />
wird von ausgewiesenen Sammlern mit der Hand geerntet, faustgroße Brocken sind keine<br />
Seltenheit. Ignatius verfolgt den Ablauf von der Ernte bis zum Transport und kann an keiner<br />
Schnittstelle Möglichkeiten finden, wie das Okkulat verunreinigt werden könnte.<br />
»Gut«, sagt er an seinen Dolmetscher gewandt, »ich habe genug gesehen.« Mit der<br />
Dampfdroschke fährt er zurück zu seiner Unterkunft. Wenn es nicht das Okkulat ist, was ist<br />
es dann, was die Maschine zu … Fehlern verleitet? Bei diesem Wort zieht sich Ignatius der<br />
Magen zusammen. Die Maschine macht keine Fehler, reagiert er beinahe physisch auf<br />
diesen frevlerischen Gedanken.<br />
In seiner Residenz wartet eine Nachricht aus dem Vatikan auf ihn. Schwindelig vor Zweifel<br />
nimmt Ignatius sie dem Boten aus der Hand, holt das Pergament aus dem versiegelten<br />
Umschlag und beginnt auf dem Weg vom Foyer in seine Suite zu lesen. Im Aufzug nach<br />
oben hält die Kabine zischend und Ignatius taumelt, erschüttert durch die neue Kunde aus<br />
seiner Heimat, in seine Gemächer. Die Liturgie zur anstehenden Papstwahl, so bestimmt die<br />
Maschine, erfährt zum ersten Mal seit Jahren, Jahrzehnten gravierende Veränderungen.<br />
Ignatius vergleicht mühelos aus seinem Wissensfundus das kleinste Detail damaliger<br />
Konklaven mit jenen der bevorstehenden. Abfolge, Speisen, Einladungen, alles soll in<br />
Nuancen oder in der Gesamtheit verändert werden. Warum? Eine weitere Botschaft, Worte<br />
der Offenbarung: Ein Reisender findet Wahrheiten.<br />
Ignatius muss sich setzen. Wahrheiten. Er schluckt. Wahrheiten! Wie kann es mehrere<br />
Wahrheiten geben? Wie kann die Maschine mehrere Wahrheiten zulassen, wo es nur die<br />
eine Wahrheit gibt? Was passiert hier? Ignatius weitet den Kragen seines Hemds und reibt<br />
sich die Schläfen, als es an seiner Tür klopft. Er steht auf, besinnt sich und öffnet sie. Eine<br />
junge Frau steht vor ihm, die Haare kurz geschnitten, das Gesicht hübsch, aber nicht schön.<br />
Und Ignatius kennt sie, weiß aber nicht woher. Er beherrscht seine aufkeimende<br />
Unsicherheit. Von Berufs wegen sollte er imstande sein, einmal getroffene Persönlichkeiten<br />
beim Namen zu nennen, sie doch zumindest, sofern sie sich nicht vorgestellt wurden, einer<br />
Begebenheit zuordnen zu können. Er versagt. Weder Name noch Begebenheit fallen ihm ein<br />
und dieser Umstand behagt ihm nicht.<br />
»Verzeihung«, sagt sie, »ich bin Suleika, eine Nichte des Sultans. Er trug mir auf, Euch zur<br />
Grabstelle unserer Göttin zu führen. Ich bin die Hüterin des Grabes.« Sie verbeugt sich<br />
leicht und er erwidert diese Geste.