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CL 43 - Cthulhus Ruf

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Marrakesch. Zweierlei Angelegenheiten führten Ignatius in die sagenumwobene Stadt, die<br />

ihn mahnend an einen Sündenpfuhl erinnert. Zum einen ist es das Okkulat, welches sich, der<br />

lucardischen Vorhersehung folgend, aus Gotteshand in diesem Landstrich so üppig aus dem<br />

Himmel ergossen hatte und den ostentativen Reichtum des Sultans begründet.<br />

Zum anderen ist es ein geheimes und in hohem Maße prekäres Gewebe, welches seinem<br />

Amt zugestellt wurde. Hinweise auf den Verbleib Lucardus’, der, nachdem er einen<br />

biblischen Code entschlüsselnd die Maschine erbaut und die Apokalypse vorhergesehen<br />

hatte, verschwunden war. Angeblich hatte er auch einige Zeit in dieser Stadt gelebt,<br />

zumindest weist ein Briefwechsel zwischen den Ingenieuren Johannes und Lukas darauf<br />

hin. Eben jene Briefe führt Ignatius wie einen Schatz während seines Aufenthaltes bei sich.<br />

Kaum, dass er nach einer beschwerlichen Reise dem Luftschiff entstiegen war, wurde er von<br />

Ketzermücken geplagt, die ihm einen derart heftigen Fieberwahn beschert hatten, dass er<br />

glaubte, der Leibhaftige sei ihm begegnet und folge ihm auf Schritt und Tritt. Erst nach drei<br />

Tagen Ruhe konnte er der Einladung des Sultans in sein Luftschloss Folge leisten, immer<br />

noch angeschlagen, aber im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, wie er meinte. In die<br />

Insignien eines Erzbischofs gekleidet ließ er sich von einer Dampfdroschke zum Lufthafen<br />

bringen, wo er erwartet und zum Luftschiff transferiert wurde. Zugegeben: Er war<br />

beeindruckt. Nicht ein einzelnes Schloss schwebte, von mächtigen Streben getragen, die zu<br />

gold- und sandfarbenen Luftschiffen hoch in den Himmel emporschossen, eine ganze Stadt<br />

lebte unter den Wolken. Er musste sich konzentrieren, um das ausgestoßene Kondensat im<br />

hellen Blau des Himmels erkennen zu können. Wie viel Okkulat nötig war, um diese Stadt<br />

zu versorgen, fragte er sich und erstickte seine aufkeimende Ohnmacht ob der<br />

Verschwendung und der Gotteslästerung, die sich in all dem Reichtum des ungläubigen<br />

Sultans manifestierte. Er war ein Gesandter Gottes, aber auch ein Diplomat des Vatikans<br />

und Marrakesch stellte mit Abstand die größte Menge Okkulat zum Handel bereit. Auf dem<br />

Weg zum weißen Marmorschloss fächerten ihm Bedienstete des Sultans demütig frische<br />

Luft mit Palmwedeln zu, aber sein Unbehagen vor der anstehenden Audienz konnte sie nicht<br />

verflüchtigen.<br />

Der Sultan war ein Mann, dem man ewige Jugend und vollendete Schönheit nachsagte und<br />

beides traf, wie Ignatius feststellt, zu. Nach dem Protokoll der Begrüßung und den<br />

gegenseitig geäußerten diplomatischen Wertschätzungen befinden sich die beiden Männer<br />

allein in einer lichtdurchfluteten Bibliothek mit Panoramablick auf die unter ihnen liegende<br />

Stadt und die hohen Gipfel des Atlasgebirges. Mechanische Installationen, Technologien<br />

eines neuen Zeitalters, setzen als Miniaturen interessante Akzente und wecken Ignatius<br />

Neugier.<br />

»Ihr interessiert Euch für Mechanik?«, fragt der Sultan und Ignatius ist sich nicht sicher, ob<br />

eine Note Ironie in seiner Stimme mitschwingt.

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