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RUMÄNIEN - Kitzler Verlag

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Länderschwerpunkt<br />

Rumänien<br />

Ein Land ist angekommen<br />

Von Hubertus Godeysen<br />

Rumäniens erster Auft ritt auf<br />

der Weltbühne erfolgte eher<br />

zufällig und war die Folge<br />

eines Skandals im fernen Rom. Im<br />

Jahr 8 n. Chr. beherrschte der mächtige<br />

römische Kaiser Augustus zwar<br />

die damalige Welt, aber nicht seine<br />

liebestolle Enkelin. Und weil der berühmte<br />

Dichter Ovid zufällig Mitwisser<br />

eines anstößigen Liebesabenteuers<br />

dieser jungen Dame wurde, verlor er<br />

nicht nur die Gunst des Kaisers, sondern<br />

auch seine römische Heimat. Um<br />

zu verhindern, dass er sein Wissen<br />

ausplaudern konnte, verbannte ihn<br />

der Kaiser an den Rand seines Reiches<br />

nach Tomis, dem heutigen rumänischen<br />

Hafen Konstanza.<br />

Der 43 v. Chr. geborene Ovid entstammte<br />

dem wohlhabenden römischen Adel<br />

und lebte, von zahlreichen Mäzenen<br />

und Kaiser Augustus gefördert, ein behagliches<br />

Leben, bis ihn im 51. Lebensjahr<br />

unerwartet der Bannstrahl traf.<br />

Alle Begnadigungsgesuche blieben erfolglos<br />

und so starb er 17 n. Chr. zwar<br />

als Ehrenbürger der Stadt Tomis, durf-<br />

te aber sein geliebtes<br />

Rom nie wieder sehen.<br />

In dieser Exilzeit entstanden<br />

viele elegische<br />

und von resignativer<br />

Melancholie getragene<br />

Werke, die erstmals<br />

die rumänische Schwarzmeerregion<br />

weltweit bekannt machten.<br />

Es folgten noch viele rumänische Berühmtheiten,<br />

die europäische Kultur in<br />

die Welt hinaustrugen, vor allem großartige<br />

Musiker und Dichter. Dramaturgen<br />

wie Eugen Ionescu; der Komponist Béla<br />

Bartók; Wunderkind, Geigenvirtuose<br />

und Komponist George Enescu und<br />

Dirigent Sergiu Celibidache.<br />

Viele rumänische<br />

Künstler tragen die<br />

europäische Kultur in die<br />

Welt hinaus.<br />

Rumänen lieben ihre Künstler - das George-Enescu-Festival in Bukarest.<br />

Der „Vater der Weltraumfahrt“, Hermann<br />

Oberth (1884 – 1989), träumte<br />

als Knabe im rumänischen Hermannstadt<br />

vom Weltraum. 1922 wurde seine<br />

erste Doktorarbeit „Die Rakete zu den<br />

Planetenräumen“ noch als zu fantastisch<br />

abgelehnt, aber er ließ sich nicht<br />

beirren und zündetet<br />

1929 an der TU Berlin<br />

den ersten Raketenmotor.<br />

Mit seinem<br />

Schüler Wernher von<br />

Braun baute er zuerst<br />

in Peenemünde und<br />

dann in den USA Raketen und schuf<br />

die Grundlagen für die moderne Raumfahrt<br />

und die erste Mondlandung.<br />

400 Jahre früher lebte in Hermannstadt<br />

ein weiterer Raketenpionier, der Büchsen-<br />

und Zeugmeister Conrad Haas<br />

(1509 – 1579). In seiner Heimatstadt<br />

schoss er 1555 die erste dreistufi ge Rakete<br />

in den Himmel, entwickelte mit<br />

einem Gemisch aus Schwarzpulver und<br />

Branntwein den ersten fl üssigen Treib-<br />

stoff , baute zur Verteidigung seiner<br />

Stadt den ersten Raketenwerfer und die<br />

ersten Nebelkerzen.<br />

Doch wie entstand das rumänische<br />

Volk? Spuren einer ersten Besiedelung<br />

gibt es bereits aus der Altsteinzeit, aber<br />

die eigentlichen Vorfahren sind die<br />

indoeuropäischen Daker, die mit den<br />

Th rakern verwandt sind und im Gebiet<br />

zwischen Donau, Th eiß und dem Karpatenbogen<br />

seit dem 2. Jh. v. Chr. lebten.<br />

In der Mitte des 1. Jh. v. Chr. einte König<br />

Burebista erstmals diese Stämme zu<br />

einem Volk, das dann viele Kleinkriege<br />

gegen Rom führte, bis es Kaiser Trajan<br />

zwischen 101 und 106 n. Chr. unterwarf<br />

und als Provinz Dacia seinem Reich<br />

eingliederte. Dieser Sieg ist auf der Trajanssäule<br />

in Rom verewigt.<br />

Obwohl die Römer die neue Provinz<br />

gegen Überfälle durch eine große<br />

Mauer sicherten, die vom Hafen Konstanza<br />

durch die Region Dobrudscha<br />

bis zur Donau reichte, konnten sie Da-<br />

10 AußenSeiten 1 | 2008<br />

kien nur 170 Jahre halten. 256 n. Chr.<br />

vertrieben die Goten die Römer und<br />

271 gab Kaiser Aurelian die Provinz<br />

vollständig auf.<br />

Dennoch hatte der römische Einfl uss<br />

die Daker stark geprägt und ließ im ersten<br />

Jahrtausend das rumänische Volk<br />

entstehen, das dann später noch durch<br />

slawische Einfl üsse seinen unverwechselbaren<br />

Charakter erhielt. Mit Zähigkeit<br />

verteidigten die Menschen ihr romanisches<br />

Erbe und bewahrten es trotz<br />

Völkerwanderung, Eroberungen durch<br />

Ungarn, Mongolen und Türken. Im 5.<br />

Jh. nahmen sie das Christentum an und<br />

überdauerten als einzige Nachfahren<br />

der östlichen Romanität alle Fremdeinfl<br />

üsse. Mit ihrem romanischen Temperament,<br />

ihrer Kultur und Lebensfreude<br />

gelten die Rumänen zu Recht als die<br />

„Italiener“ Südosteuropas und sie sind<br />

stolz darauf. Diese romanische Seelenverwandtschaftver-<br />

körperte niemand besser<br />

als die berühmte<br />

rumänische Sängerin<br />

Hariclea Darclée (1860<br />

– 1939), die am 14.<br />

Jänner 1900 Puccinis „Tosca“ erstmalig<br />

sang und das Opernpublikum vor Begeisterung<br />

zum Rasen brachte. Nur für<br />

sie hatte Puccini die große Arie „Vissi<br />

AußenSeiten 1 | 2008<br />

Das Temperament macht<br />

Rumänen zu den „Italienern“<br />

Südosteuropas.<br />

d´arte, vissi d´amore“ extra komponiert,<br />

mit der Hariclea Darclée die Welt<br />

begeisterte.<br />

Der Weg bis zu einem<br />

unabhängigen rumänischen<br />

Staat war<br />

schwer, zuerst erfolgte<br />

ein langer Befreiungskampf, der im<br />

14. Jh. zur Gründung der Walachei<br />

und des Fürstentums Moldau führte.<br />

Die mühsam errungene Unabhängig-<br />

Auch während Fremdherrschaft und Kriegen, stets bewahrten die Klöster das nationale Kulturerbe.<br />

Die Karpaten bildeten schon immer das Rückgrat des Landes.<br />

Länderschwerpunkt<br />

keit dauerte nur gut 100 Jahre, dann<br />

musste sich das Land gegen die osmanische<br />

Fremdherrschaft wehren. Zu<br />

den Kämpfern gehörte auch der zeitweilige<br />

Herrscher der Walachei Vlad<br />

III. Draculea, der als türkische Geisel<br />

die Praxis des Pfählens erlernt hatte,<br />

womit er während seiner Regierungszeit<br />

Gegner wie Kriminelle tötete. Der<br />

Vatikan lobte ihn für seinen heldenhaft<br />

en Kampf gegen die Türken und<br />

seine Landsleute sehnten sich später<br />

nach seiner Regierung zurück, in der<br />

es weder Diebstahl noch Korruption<br />

gegeben hatte.<br />

1526 besiegten die Osmanen unter<br />

Süleiman II. in der Schlacht von<br />

Mohács das ungarische Heer und<br />

die rumänischen Länder kamen nun<br />

vollständig unter das türkische Joch.<br />

Mehrere Befreiungsversuche wurden<br />

blutig niedergeschlagen und jeder Widerstand<br />

im Keim erstickt. Vier Jahre<br />

nach der Befreiung Wiens besiegten<br />

1687 kaiserliche Truppen unter Karl<br />

V. von Lothringen und Maximilian<br />

II. das osmanische Heer und Siebenbürgen<br />

konnte aufatmen. Prinz Eugen<br />

drängte die Türken weiter zurück und<br />

befreite das Banat und die Kleine Walachei,<br />

um es für die österreichische<br />

Krone zu annektieren.<br />

Durch den weiteren Niedergang des<br />

Osmanischen Reiches wurde Ru-<br />

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