RUMÄNIEN - Kitzler Verlag
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Länderschwerpunkt<br />
Rumänien<br />
Dracula - Blutsauger oder Held?<br />
Von Felicitas F. Buchholz<br />
Vlad III. Draculea<br />
Vlad III. Draculea (Sohn des<br />
Drachen) wurde 1431 geboren.<br />
Sein Name wird oft fälschlicherweise<br />
als „Sohn des Teufels“ übersetzt,<br />
da das rumänische Wort „Drac“<br />
im modernen Sprachgebrauch zwar<br />
„Teufel“ bedeutet, im Mittelalter aber<br />
ein Synonym von Dragon = Drache<br />
war. Später gaben ihm seine Feinde,<br />
die Türken, den Beinamen Vlad Tepes<br />
(der Pfähler). Nationalkommunistische<br />
Lokalhistoriker in den 1970er<br />
Jahren stellten, auf politischen Befehl,<br />
die unbelegte Behauptung auf, dass<br />
Vlad Draculea in der Stadt Schäßburg<br />
(Sighisoara) geboren sei. So muss man<br />
sich nicht wundern, wenn diese Auskunft<br />
noch heute in so manchem Reiseführer<br />
zu fi nden ist. Man kann diese<br />
Behauptung zwar auch nicht ganz von<br />
der Hand weisen, da sich sein Vater,<br />
Vlad II. Dracul, der dem Drachenorden<br />
angehörte, etwa um 1431 kurz<br />
in Schäßburg aufgehalten haben soll<br />
- doch wurde das angebliche Geburtshaus<br />
erst nach dem großen Stadtbrand<br />
im Jahre 1676 errichtet.<br />
Vlad III. Draculea war in den Jahren<br />
1448, 1456-1462 und 1476 Herrscher<br />
der Walachei und die sich um ihn ran-<br />
kenden Legenden dienten als Vorlage<br />
für Bram Stokers Roman „Dracula“.<br />
Doch gehören die sagenumwobenen<br />
Blutsaugergeschichten, die „Graf Dracula“<br />
mit Vlad Draculea in Verbindung<br />
bringen, nicht alle in das Reich der<br />
Fantasien, denn Vlad Draculea war ein<br />
typischer Herrscher seiner Zeit.<br />
Das Pfählen hatte Vlad als Geisel bei<br />
der türkischen Besatzungsmacht kennen<br />
gelernt, die so Feinde und Kriminelle<br />
töteten. Zur Abschreckung ließ<br />
man Gepfählte in der Stadt anprangern,<br />
damit jeder sehen konnte, was ihm<br />
drohte, sollte er stehlen, lügen oder gar<br />
töten. Überzeugt von der Wirksamkeit<br />
dieser Strafen, platzierte Vlad auf dem<br />
Marktplatz Targovistes eine goldene<br />
Schale, die von jedermann benutzt<br />
werden durft e, um den Durst zu stillen,<br />
aber auf dem Marktplatz verbleiben<br />
musste. Die vorhandenen historischen<br />
Quellen berichten, dass zu Vlads Herrschaft<br />
szeiten diese Schale nie gestohlen<br />
wurde, Verbrechen<br />
und Korruption weitgehend<br />
verschwunden<br />
waren, sowie Handel<br />
und Kultur fl orierten.<br />
Viele Rumänen sahen<br />
in Vlad Draculea zu<br />
ihrer Zeit einen Helden, weil er sich<br />
mit unerbittlicher Härte für Ehrlichkeit<br />
und Ordnung einsetzte.<br />
Selbst heute zeigt sich diese Verehrung<br />
noch, wenn Vlad Draculea als<br />
gerechter Widersacher gegen Korruption<br />
und Unordnung mit den Worten<br />
„Wo bist du, Tepes, Herr?“ angerufen<br />
wird, weil Bürger aus dem Geburtsland<br />
„Vlad Tepes“ sich über regelwidriges<br />
Verhalten oder Desinteresse in<br />
der öff entlichen Verwaltung, über soziale<br />
Missstände oder Untätigkeit von<br />
Politikern ärgern. Bei dem Zitat han-<br />
„Wo bist du, Tepes, Herr“<br />
fragen noch heute Bürger,<br />
wenn sie sich ärgern.<br />
delt es sich um eine Zeile aus einem<br />
polemischen Gedicht des Dichters<br />
Mihai Eminescu (1850-1889), in dem<br />
das nationalpolitische Desinteresse<br />
der rumänischen Oberschicht angegriff<br />
en wird. Eminescu forderte seinen<br />
imaginären Ansprechpartner Dracula<br />
auf, die Hälft e der Oberschicht wie<br />
einst die Bojaren zu pfählen und die<br />
andere Hälft e, wie einst die Bettler<br />
und Herumtreiber in einer Festhalle<br />
zu verbrennen.<br />
Der 1989 gestürzte rumänische Diktator<br />
Nicolae Ceauşescu entwickelte seit<br />
den 1970er Jahren eine besondere Vorliebe<br />
für Vlad Draculea und gab einen<br />
Monumentalfi lm über den „Pfähler“<br />
in Auft rag, der Vlad Draculea wie einen<br />
direkten Vorläufer oder geistigen<br />
Ahnen des Diktators erscheinen ließ.<br />
Obwohl sich Ansätze zu einer Hochstilisierung<br />
des Wojwoden zum Nationalhelden<br />
bereits im 19. und vor allem<br />
im frühen 20. Jahrhundert nachweisen<br />
lassen, wurde Vlad<br />
unter Ceauşescu zu einer<br />
allgegenwärtigen<br />
Figur in der Literatur,<br />
in der Geschichtsschreibung<br />
und nicht<br />
zuletzt in den Schulbüchern.<br />
Die rumänischen Historiker<br />
waren angehalten, die angeblichen<br />
Grausamkeiten entweder zu bagatellisieren<br />
oder als Beweis für die strenge,<br />
aber gerechte Herrschaft Draculeas<br />
zu preisen. Schließlich sollte sogar<br />
der Name „Dracul(a)“ umgedeutet<br />
werden, weil er im modernen Rumänisch<br />
„Teufel“ und nicht „Drache“<br />
bedeutet. Mit einer unter sprachwissenschaft<br />
lichen Gesichtspunkten<br />
höchst abenteuerlichen Etymologie<br />
wurde der Name nun von einer slawischen<br />
Wortwurzel „drag-“ abgeleitet,<br />
die etwa auch im serbischen Vorna-<br />
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men Dragan erscheint und so viel wie<br />
„Liebling“ heißt. Dracula war also der<br />
„kleine Liebling“ seiner getreuen Untertanen<br />
- eine Argumentation ganz<br />
im Sinne von Nicolae Ceauşescu, der<br />
sich im Rahmen des um seine Person<br />
zelebrierten Personenkults gern als<br />
„der geliebte Sohn des rumänischen<br />
Volkes“ feiern ließ. Bei seiner Flucht<br />
aus Bukarest im Dezember 1989 soll er<br />
zuerst das Kloster Snagov, wo Dracula<br />
angeblich begraben liegt, angesteuert<br />
haben, als ob er vom „Pfähler“ Rat<br />
und Hilfe erwartete. Gefasst wurde<br />
das Ehepaar Ceauşescu schließlich in<br />
Targoviste, wo der Fürst einst Hof gehalten<br />
hatte. Dort wurden Elena und<br />
Nicolae Ceauşescu am 25. Dezember<br />
1989 nach kurzem Prozess standrechtlich<br />
erschossen.<br />
Der irische Schrift steller Abraham<br />
„Bram“ Stoker, geboren am 8. November<br />
1847 bei Dublin, traf 1890<br />
den ungarischen Professor Arminius<br />
Vámbéry (1832 - 1913), der ihm von<br />
der Legende des rumänischen Fürsten<br />
Vlad III. Draculea erzählte. Daraus<br />
entwickelte Stoker die Figur des Vampirs<br />
Dracula und aus Vámbéry wurde<br />
der Forscher van Helsing.<br />
Bram Stoker war das dritte von sieben<br />
Kindern, bis zu seinem achten Lebensjahr<br />
krank, und konnte alleine weder<br />
stehen noch gehen. Diese traumatische<br />
Erfahrung spiegelt sich in seiner literarischen<br />
Arbeit wider. Ewiger Schlaf<br />
und die Wiederauferstehung der Toten,<br />
das zentrale Th ema von Dracula,<br />
waren deshalb von großer Bedeutung<br />
AußenSeiten 1 | 2008<br />
für ihn. Er arbeitete sieben Jahre an<br />
der Vampirsaga „Dracula“, die am 18.<br />
Mai 1897 veröff entlicht wurde.<br />
Dafür studierte er die Kultur auf der Balkanhalbinsel<br />
und die historische Person<br />
Vlad. Als Unterlagen dienten ihm Militärkarten,<br />
Vampirsagen und Berichte<br />
englischer Reisender. Quellen waren<br />
unter anderem die Sammlung von Balkankarten<br />
im British Museum, „Th e<br />
Land beyond the Forest“ (Emily Gerard,<br />
1888), „Th e Golden Bough“ (James Frazer,<br />
London, 1890), „Th e Book of Were-<br />
wolves“ (Sabine Baring-Gould), „Epos<br />
über den Blutfürsten Vlad“ (Michael<br />
Beheim, Straßburger Druck, 1500),<br />
„Die histori von dem posen Dracol“<br />
(der früheste Druck entstand 1488 bei<br />
Marcus Ayrer in Nürn-<br />
berg) und die Legende<br />
der Gräfi n Elisabeth<br />
Bathory (1560 – 1614),<br />
die 1610 als „Blutgräfi<br />
n“ wegen angeblichen<br />
Vampirismus festgenommen<br />
und in einen Raum ihres<br />
Schlosses eingemauert wurde, sowie die<br />
Comentarii Papst Pius II.<br />
Seine Recherchen waren so genau, dass<br />
selbst die Zugfahrpläne, die im Roman<br />
genannt werden, mit der Wirklichkeit<br />
übereinstimmten. Diese und andere<br />
Daten entnahm er dem deutschen Reiseführer<br />
Baedeker. Bei einer solchen<br />
Akribie fallen die Fehler, die Stoker unterliefen,<br />
kaum ins Gewicht. So machte<br />
er aus Dracula einen Szekler, obwohl<br />
der historische Fürst ein Walache war.<br />
Auch schilderte er die transsilvanische<br />
Länderschwerpunkt<br />
Landschaft düsterer, als sie in Wirklichkeit<br />
ist. Wie Karl May ist auch Stoker<br />
niemals an den „exotischen“ Orten seines<br />
Romans gewesen.<br />
Dracula ist ein Unterhaltungsroman,<br />
der sich verschiedener literarischer Elemente<br />
aus Abenteuerbericht, Liebeserzählung,<br />
Horrorgeschichte und Detektivroman<br />
bedient und erstmals den<br />
untoten Vampir nicht seelenlos darstellt.<br />
Durch eine für das prüde Viktorianische<br />
Zeitalter ungekannte deutliche<br />
Erotik und Sexualität verknüpft e Stoker<br />
Ob „Dracula“ wirklich im Schloss Bran gewohnt hat ist fraglich - der Streit um die Burg zwischen Rumänischem Parlament und Familie Habsburg ist jedoch real.<br />
Wie Karl May ist auch<br />
Stoker nicht an den „exotischen“<br />
Orten gewesen.<br />
die Begriff e Vampir und Liebe, die inzwischen<br />
untrennbar geworden sind.<br />
Was Stoker ganz zeitgemäß nur andeutet,<br />
zeigen die Verfi lmungen deutlicher.<br />
In Coppolas Film „Bram Stoker´s<br />
Dracula“ werden die<br />
Liebesgeschichte und<br />
die erotischen Beziehungen<br />
zwischen den<br />
Charakteren zur zentralen<br />
Motivation und<br />
zum Mittelpunkt der<br />
Handlung. Die Detektivelemente treten<br />
dagegen in den Hintergrund.<br />
Den überragenden Erfolg seines Romans<br />
hat Stoker den zahlreichen Verfi<br />
lmungen zu verdanken, doch den<br />
großen Erfolg seines Romans erlebte<br />
er nicht mehr. Bram Stoker starb in<br />
fi nanziell bescheidenen Verhältnissen<br />
am 20. April 1912 in London; einige<br />
Quellen nennen als Todesursache Erschöpfung.<br />
Sein Neff e Daniel Farson<br />
behauptete in einer Biographie, er sei<br />
an Syphilis gestorben, wofür es allerdings<br />
keinen Beweis gibt.<br />
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