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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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83vordr<strong>in</strong>gen, daß er erschreckt aus dem Schlafe aufwachte. Under erzählte alles genau, wie er es gesehen hatte.15.Jesus ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>em Jüngl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> der Gestalt e<strong>in</strong>es Knaben.Man liest, daß e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong> junger Mönch lebte, der sich gern<strong>in</strong> fromme Betrachtung versenkte. Dieser dachte am Ostertagenach dem Empfange <strong>des</strong> Leibes Christi lange über das Sakramentnach <strong>und</strong> sprach endlich zu dem Brote: „Wer b<strong>in</strong> ich, <strong>und</strong> werbist du? Wahrhaftig, ich weiß, daß ich e<strong>in</strong> armer Sünder, duaber Gott bist. Wie konnte ich es wagen, dich Licht <strong>des</strong> Himmelsaufzunehmen <strong>in</strong> me<strong>in</strong> unre<strong>in</strong>es Haus?" So <strong>und</strong> ähnlich sprach er,<strong>und</strong> dann betete er, daß ihm se<strong>in</strong> Gast sichtbar ersche<strong>in</strong>en möchte,mit den Worten: „Herr Jesus Christ, wenn du im Gewände e<strong>in</strong>esKriegers <strong>in</strong> das Haus e<strong>in</strong>es Bürgers e<strong>in</strong>trätest, dann wür<strong>des</strong>t dudoch sicherlich mit de<strong>in</strong>em Wirte sprechen. Nun bist du, me<strong>in</strong>Jesus <strong>und</strong> Heiland, <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Hause,-' ersche<strong>in</strong>e mir also <strong>in</strong> sichtbarerGestalt <strong>und</strong> sprich mit mir." Und siehe, der Herr wolltese<strong>in</strong>e Frömmigkeit belohnen <strong>und</strong> erschien ihm unter der Gestalte<strong>in</strong>es w<strong>und</strong>erbar schönen K<strong>in</strong><strong>des</strong> <strong>und</strong> sprach zu ihm: „Ich dankedir, daß du mich so bereitwillig <strong>in</strong> de<strong>in</strong> Haus aufgenommen<strong>und</strong> so liebevoll behandelt hast. Noch besser aber ist es für dich,wenn du mich <strong>in</strong> Ehren bei dir behütest." Als der Jüngl<strong>in</strong>g dashörte, umarmte er den Knaben <strong>in</strong> höchster Wonne <strong>und</strong> küßte ihn.Nach e<strong>in</strong>iger Zeit aber spricht der Knabe: „Laß mich nun frei."Aber der Jüngl<strong>in</strong>g ruft: „Gebt mir Stricke, gebt mir Ketten, daßich me<strong>in</strong>en Jesus an mich kette, der me<strong>in</strong>e höchste Freude ist!"Jesus jedoch spricht: „Laß mich nun frei; <strong>in</strong> acht Tagen kehreich zu dir zurück, <strong>und</strong> dann sollst du ewiglich mit mir vere<strong>in</strong>twerden." Der Jüngl<strong>in</strong>g aber ruft ohne Unterlaß: „Gebt mirStricke, fesselt mich an me<strong>in</strong>en Jesus, an me<strong>in</strong>e Freude!" <strong>und</strong> erhört acht Tage lang nicht auf. Nach dieser Zeit aber sehen alleMönche, wie Jesus <strong>in</strong> gleicher Gestalt zu dem Jüngl<strong>in</strong>g zurückkehrt,<strong>und</strong> hören, wie er zu ihm spricht: „Du hast mich oft <strong>in</strong>Ehren <strong>in</strong> de<strong>in</strong> Haus aufgenommen, daher will ich dich heute <strong>in</strong>me<strong>in</strong>en Palast e<strong>in</strong>lassen." Mit diesen Worten führte er se<strong>in</strong>eSeele unter dem Gesänge der Engel mit sich h<strong>in</strong>auf zum Himmel.Klapper, Erzählungen <strong>des</strong> <strong>Mittelalters</strong> 3

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