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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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32Von der Höllenpe<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es Grafen, der den Leib Christi unwürdignahm.Man liest, daß e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong> Graf lebte, der von se<strong>in</strong>er Jugendbis zu se<strong>in</strong>em Tode e<strong>in</strong> gar weltliches Leben führte <strong>und</strong> vieleVerbrechen beg<strong>in</strong>g. Als dieser ernstlich erkrankte, ermahnte ihne<strong>in</strong> Geistlicher wiederholt, er möchte doch beichten <strong>und</strong> unter demAusdruck der Keue über se<strong>in</strong> Leben den Leib Christi empfangen,wie es sich für e<strong>in</strong>en guten Christen gehöre. Endlich ließ er sichdurch solche Ermahnungen <strong>und</strong> die Angst vor dem Tode bestimmen,se<strong>in</strong>en Kaplan mit dem Leibe Christi zu rufen. Alsdieser gekommen, war, beichtete er der Form wegen e<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>erSünden, aber die schwersten verschwieg er; dann verlangte erauf e<strong>in</strong>e Art, die mehr e<strong>in</strong>em Befehle als e<strong>in</strong>er Bitte gleichkam,das Sakrament. Doch kaum hatte der Unselige den Leib Christiso unwürdig zu empfangen gewagt, als er se<strong>in</strong>en Geist aufgab.Jener Geistliche aber betete zu Gott, er möchte ihm offenbaren,welches das Los <strong>des</strong> toten Grafen sei. Da fühlte er sich plötzlich imGeiste entrückt <strong>und</strong> erblickte e<strong>in</strong>en entsetzlichen Ort, an dem e<strong>in</strong>Brunnen stand, aus <strong>des</strong>sen Tiefe klagende Stimmen empordrangen,<strong>und</strong> e<strong>in</strong> unerträglicher Gestank entströmte se<strong>in</strong>er Öffnung. Dannsah er, wie e<strong>in</strong> furchtbar mit Fesseln beladener Mensch vonTeufeln an feuriger Kette unter Geißelhieben herangeschlepptwurde; <strong>und</strong> er sah, daß ihn die Teufel <strong>in</strong> jenen st<strong>in</strong>kendenBrunnen zu stürzen versuchten, aber es gelang ihnen nicht. Alser näher h<strong>in</strong>blickte, erkannte er <strong>in</strong> dem Unseligen, der die grausamenGeißelhiebe erhielt, den Grafen, für den er gebetet hatte,<strong>und</strong> als er ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em großen Schrecken betrachtete, sah er,wie der Apostel Petrus unter der ehrfürchtigen Begleitung derEngel mit e<strong>in</strong>em Kelche zu ihm kam <strong>und</strong> vor ihm ehrfurchtsvollniederkniete. Der Graf aber gab das Sakrament, das er unwürdiggenossen hatte, wieder von sich, <strong>und</strong> St. Petrus bewahrte es <strong>in</strong>dem Kelche auf. Darauf sprach er zu den Teufeln: „Gebt ihmnun den verdienten Lohn <strong>und</strong> habt ke<strong>in</strong> Erbarmen mit ihm." Unde<strong>in</strong> Teufel entgegnete: „Wo gäbe es bei uns Erbarmen!" Daraufstürzten sie den Grafen <strong>in</strong> den Brunnen. Der Geistlicheaber, der jene Vision hatte, hörte so klagende Schreie daraus her-

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