Erzählungen des Mittelalters in deutscher Ãbersetzung und ...
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30fliehen die Freunde, das sind die Vögel des Baumes, von dannenund lassen ihn im Stiche. Und als Opfer seiner Frevel tritt erin seinen Sünden nackt und bloß vor das Gericht: und das istdas Schrecklichste, was es auf Erden geben kann. Das fruchtbareFeld, das du sahst, mit den mageren Hirschen, das ist die Weltmit denen, die ihr dienen. Denn mögen diese auch noch soreiches Weideland haben, ihnen fehlt doch die Hut des heiligenGeistes und des guten und höchsten Hirten, da sie nicht ihm undseiner Ehre dienen. Die wohlgenährten Hirsche aber auf unfruchtbaremFelde sind jene, die die Welt verachtet, die zwar arm sindan irdischen Gütern und der Ehren und der Keichtümer entbehren,die aber reich sind an geistlichen Schätzen in ihrem Streben nachGott: und das ist das Stärkste, was es auf der Welt gibt. DerFluß endlich, aus dem du Stärkung und Erfrischung schöpftest,ist Gottes Wort.Das kommt hervor aus dem Munde des Predigers,denn ihn bezeichnet der Hund, da des Hundes Zunge alle Übelheilt. Es geht zu einem Ohre des Wolfes hinein und zum anderenhinaus; das sind die hartherzigen Menschen, die das Wort Gotteshören und verachten. Aber es geht ein in den Mund des Lammes,das heißt in das Herz des milden Menschen, der ihm sein Herznicht verschließt: und dieses Wort Gottes ist das Beste auf derWelt." Als der Eitter diese Deutung vernommen hatte, dankteer Gott. Und er berichtete alles dem Könige. Dann aber kehrteer zu dem Einsiedler zurück, indem er auf die Hand der Königstochterverzichtete, und entsagte im Dienste Gottes aller Herrlichkeitder Welt und führte ein Leben voll Entsagung. Nachkurzer Zeit entschlief er in Frieden.12.Christus erscheint einer Nonne als Kind.Man liest, daß eine vornehme Frau die Gnaden Christi undbesonders seine Kindheit mit inniger Frömmigkeit betrachtete.Eines Tages begann sie den Herrn inbrünstig zu bitten, daß erihr so erscheinen möchte, wie er als Kind ausgesehen habe. Undals sie unter Tränen darum bat, siehe, da trat ein wunderbarschöner Knabe vor sie, der zu ihr sprach: „Kannst du das AveMaria?" Und sie entgegnete: „Ja, ich kann es." Darauf fuhr
31der Knabe fort: „Bete also." Und als sie es hergesagt hatte undzuden Schlußworten kam: Gebenedeit ist die Frucht deines Leibes,da sprach der Knabe : „Das bin ich." Darauf verschwand er. DasWeib aber rief im Übermaß ihrer Freude: „Kehre zurück, süßerKnabe; komm zurück, du liebster Knabe!" Das rief sie dreißig Tagehindurch. Dann kam Jesus mit einer Engelschar und sprach: „Duhast mich zurückgerufen; siehe, hier bin ich. Du aber sollst mirfolgen und bei mir bleiben in meinem Reiche." Und die Engelschartrug ihre begnadete Seele zum Himmel.13.Von dem unseligen Tode eines Mainzer Bischofs.Gott warnt die Menschen, damit sie nicht in ihren Sündensterben. Man liest, daß in Mainz einst ein Bischof lebte, der vorden Eichterstuhl Gottes entrückt wurde. Und siehe, es kamen dieheiligen Engel herbei und klagten ihn wegen mannigfacher Verbrechenan. Zum Schluß kam auch die s'elige Jungfrau, die vorGott schwere Klagen darüber vorbrachte, daß der Bischof zur Gewohnheithatte, in seinen Unterhaltungen gotteslästerliche und unehrerbietigeReden zu führen. Und alsbald erhielt er sein Urteil:wenn er sich nicht besserte, dann würde er in drei Tagen seinHaupt verlieren und bis zum Tage des jüngsten Gerichtes ineinem Brunnen voll Feuer und Gestank gepeinigt werden. DiesesGesicht erzählte der Bischof seinen Kaplänen; doch sie verspottetenihn und sprachen, nur alte Weiber kümmerten sich umihre Träume, und es hieße in der Schrift: Lege auf Träumekeinen Wert. Der Unglückliche ließ sich wirklich beschwichtigen.Als er aber drei Tage später auf dem Söller in Gedanken auf undab ging, setzte er seinen Fuß auf eine Latte, die nicht festgenageltwar, und stürzte hinab, und eine andere Latte, die herunterfiel,schlug ihm das Haupt ab. So endete er, und es erfüllte sich anihm das Wort des Anseimus : „So, o Herr, beflecken wir uns amSchmutze der Sünden und merken nicht, wie sich uns das AntlitzdeinerBamherzigkeit verbirgt."
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- Seite 86 und 87: 74gebärerin; und er beugte alsbald
- Seite 88 und 89: 76keit diente. Diese bat lange Zeit
- Seite 90 und 91: 78die Nacht hindurch zu wachen. Wie
30fliehen die Fre<strong>und</strong>e, das s<strong>in</strong>d die Vögel <strong>des</strong> Baumes, von dannen<strong>und</strong> lassen ihn im Stiche. Und als Opfer se<strong>in</strong>er Frevel tritt er<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Sünden nackt <strong>und</strong> bloß vor das Gericht: <strong>und</strong> das istdas Schrecklichste, was es auf Erden geben kann. Das fruchtbareFeld, das du sahst, mit den mageren Hirschen, das ist die Weltmit denen, die ihr dienen. Denn mögen diese auch noch soreiches Weideland haben, ihnen fehlt doch die Hut <strong>des</strong> heiligenGeistes <strong>und</strong> <strong>des</strong> guten <strong>und</strong> höchsten Hirten, da sie nicht ihm <strong>und</strong>se<strong>in</strong>er Ehre dienen. Die wohlgenährten Hirsche aber auf unfruchtbaremFelde s<strong>in</strong>d jene, die die Welt verachtet, die zwar arm s<strong>in</strong>dan irdischen Gütern <strong>und</strong> der Ehren <strong>und</strong> der Keichtümer entbehren,die aber reich s<strong>in</strong>d an geistlichen Schätzen <strong>in</strong> ihrem Streben nachGott: <strong>und</strong> das ist das Stärkste, was es auf der Welt gibt. DerFluß endlich, aus dem du Stärkung <strong>und</strong> Erfrischung schöpftest,ist Gottes Wort.Das kommt hervor aus dem M<strong>und</strong>e <strong>des</strong> Predigers,denn ihn bezeichnet der H<strong>und</strong>, da <strong>des</strong> Hun<strong>des</strong> Zunge alle Übelheilt. Es geht zu e<strong>in</strong>em Ohre <strong>des</strong> Wolfes h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>und</strong> zum anderenh<strong>in</strong>aus; das s<strong>in</strong>d die hartherzigen Menschen, die das Wort Gotteshören <strong>und</strong> verachten. Aber es geht e<strong>in</strong> <strong>in</strong> den M<strong>und</strong> <strong>des</strong> Lammes,das heißt <strong>in</strong> das Herz <strong>des</strong> milden Menschen, der ihm se<strong>in</strong> Herznicht verschließt: <strong>und</strong> dieses Wort Gottes ist das Beste auf derWelt." Als der Eitter diese Deutung vernommen hatte, dankteer Gott. Und er berichtete alles dem Könige. Dann aber kehrteer zu dem E<strong>in</strong>siedler zurück, <strong>in</strong>dem er auf die Hand der Königstochterverzichtete, <strong>und</strong> entsagte im Dienste Gottes aller Herrlichkeitder Welt <strong>und</strong> führte e<strong>in</strong> Leben voll Entsagung. Nachkurzer Zeit entschlief er <strong>in</strong> Frieden.12.Christus ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>er Nonne als K<strong>in</strong>d.Man liest, daß e<strong>in</strong>e vornehme Frau die Gnaden Christi <strong>und</strong>besonders se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dheit mit <strong>in</strong>niger Frömmigkeit betrachtete.E<strong>in</strong>es Tages begann sie den Herrn <strong>in</strong>brünstig zu bitten, daß erihr so ersche<strong>in</strong>en möchte, wie er als K<strong>in</strong>d ausgesehen habe. Undals sie unter Tränen darum bat, siehe, da trat e<strong>in</strong> w<strong>und</strong>erbarschöner Knabe vor sie, der zu ihr sprach: „Kannst du das AveMaria?" Und sie entgegnete: „Ja, ich kann es." Darauf fuhr