Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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212198.Wie sich Maria über nachlässiges Gebet beldagte.Einst lebte in England ein sehr eifriger und äußerst frommerMönch, der in eine schwere Krankheit fiel und vor den RichterstuhlGottes entrückt wurde. Da hörte er, wie sich die seligeJungfrau über jene Menschen beklagte, die das Breviergebet nachlässigund die Tagzeiten unandächtig verrichteten. Ihr Sohnsprach darauf zu ihr: „Wir wollen diesen hier zu seinen Brüdernsenden; er soll sie warnen, daß sie diesen Fehler meiden." Undder entrückte Mönch kam wieder zu sich und richtete sich aufseinem Lager auf, kündete, was er gehört hatte, und ermahnte seineMitbrüder und alle Geistlichen, die Tagzeiten der seligen Jungfrauandächtig zu beten. Nach diesen Mahnungen starb er wieder,und seine Seele ruht in Frieden.199.Das Gesicht des Priesters Ravenus.In einer Stadt lebte einst ein Priester, Ravenus mit Namen,der in eine schwere Krankheit fiel. Als er schon im Todeskampflag, rief er aus: „Wehe euch Priestern, die ihr den Gottesdienstnachlässig verrichtet! Die Seelen im Fegefeuer beklagen sich darüber,daß ihr ihnen nur langsam und widerwillig zukommen laßt,was ihr ihnen schuldet; und auch die selige Jungfrau beklagt sichbei ihrem Sohne über euch; denn ihr betet das wenige, was inihren Tagzeiten steht, nur säumig und unandächtigen Herzens.Daher gilt auch euer Gottesdienst nichts im Himmel. Und so rateich euch, bemüht euch, euren Gottesdienst mit größerer Frömmigkeitzu verrichten, sonst wird euch dafür von Gott kein Lohn werden."Als er dies gesprochen hatte, entschlief er im Herrn.200.Wie der heilige Andreas einen Bischof vor dem Teufel errettete.Wir lesen, daß der heilige Andreas einst von einem Bischöfein besonderer Weise verehrt wurde. Dieser Bischof gab jedes Almosenaus Liebe zu Christus und zum heiligen Andreas; und auch

213sonst lebte er in der Furcht und im Dienste Gottes. Da geschahes, daß ihn einst der Teufel in der Gestalt einer Jungfrau aufsuchte,die vorgab, bei ihm beichten zu wollen. Der Bischof ließder Jungfrau sagen, sie solle sich an seine Untergebenen wenden.Sie aber wollte niemand anderem als dem Bischöfe allein beichten.So wurde sie vorgelassen. Und sie erzählte dem Bischöfe, sie seidie Tochter eines vornehmen Herrn und habe ewige Keuschheitgelobt. Und sie erzählte noch manches andere, und der Bischof ludsie schließlich zum Frühstück ein. Sie aber erwiderte: „Darankann ich nicht teilnehmen, denn wenn ich allein mit euch speisenwollte, dann könnte man euch verdächtigen." Der Bischof aberentgegnete: „Es sollen noch viele andere mit uns speisen, damituns niemand zu verdächtigen wagt." Und so speisten sie gemeinsam.Die Jungfrau setzte sich dem Bischöfe gegenüber, undniemand ahnte, daß es der Teufel war, der unter dieser Gestaltden Bischof zu verführen trachtete. Und es kam so weit, daß derBischof solches Gefallen an der Jungfrau fand, daß er beinahe zusündhaften Gedanken verleitet wurde. Aber unser Beschützer JesusChristus ließ ihn nicht ganz in sündige Begierden fallen. Dennin diesem Augenblick klopfte ein Fremder an die Tür des bischöflichenPalastes, das war der heilige Andreas. Der bat, man möchte ihmEinlaß gewähren. Der Pförtner aber eilte zum Bischöfe und fragteihn, ob er den Fremden hereinlassen dürfte. Der Bischof verbietetes. Doch der Fremde klopft von neuem und bittet mit lauterStimme um Einlaß, so daß der Pförtner wiederum den Bischoffragt, ob er ihm öffnen solle oder nicht. Da überlegen des BischofsGäste, was man tun solle, und schließlich fragen sie die Jungfrau,was sie wünsche. Und diese, das heißt, der Teufel, spricht: „DerFremde soll nicht eingelassen werden, wenn er nicht sagen kann,welches das gewaltigste Zeichen ist, das Gott unter den geringstenZeichen schuf." Der Pförtner eilt hin und fragt den Fremden,was das sei. Der Fremde aber, der ja kein anderer als der heiligeAndreas ist, antwortet ihm: „Dieses, daß Gott die Menschen allein verschiedenen Gestalten schuf, so daß nicht eii) Mensch demanderen gleicht,sondern sich jeder von dem anderen unterscheidet."Der Pförtner teilt dem Bischöfe diese Antwort mit, und alle sprechen,er habe diese Frage trefflich beantwortet. Die Jungfrau aber läßtvon neuem fragen, wo die Erde erhabener sei als der Himmel.

212198.Wie sich Maria über nachlässiges Gebet beldagte.E<strong>in</strong>st lebte <strong>in</strong> England e<strong>in</strong> sehr eifriger <strong>und</strong> äußerst frommerMönch, der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e schwere Krankheit fiel <strong>und</strong> vor den RichterstuhlGottes entrückt wurde. Da hörte er, wie sich die seligeJungfrau über jene Menschen beklagte, die das Breviergebet nachlässig<strong>und</strong> die Tagzeiten unandächtig verrichteten. Ihr Sohnsprach darauf zu ihr: „Wir wollen diesen hier zu se<strong>in</strong>en Brüdernsenden; er soll sie warnen, daß sie diesen Fehler meiden." Undder entrückte Mönch kam wieder zu sich <strong>und</strong> richtete sich aufse<strong>in</strong>em Lager auf, kündete, was er gehört hatte, <strong>und</strong> ermahnte se<strong>in</strong>eMitbrüder <strong>und</strong> alle Geistlichen, die Tagzeiten der seligen Jungfrauandächtig zu beten. Nach diesen Mahnungen starb er wieder,<strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Seele ruht <strong>in</strong> Frieden.199.Das Gesicht <strong>des</strong> Priesters Ravenus.In e<strong>in</strong>er Stadt lebte e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong> Priester, Ravenus mit Namen,der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e schwere Krankheit fiel. Als er schon im To<strong>des</strong>kampflag, rief er aus: „Wehe euch Priestern, die ihr den Gottesdienstnachlässig verrichtet! Die Seelen im Fegefeuer beklagen sich darüber,daß ihr ihnen nur langsam <strong>und</strong> widerwillig zukommen laßt,was ihr ihnen schuldet; <strong>und</strong> auch die selige Jungfrau beklagt sichbei ihrem Sohne über euch; denn ihr betet das wenige, was <strong>in</strong>ihren Tagzeiten steht, nur säumig <strong>und</strong> unandächtigen Herzens.Daher gilt auch euer Gottesdienst nichts im Himmel. Und so rateich euch, bemüht euch, euren Gottesdienst mit größerer Frömmigkeitzu verrichten, sonst wird euch dafür von Gott ke<strong>in</strong> Lohn werden."Als er dies gesprochen hatte, entschlief er im Herrn.200.Wie der heilige Andreas e<strong>in</strong>en Bischof vor dem Teufel errettete.Wir lesen, daß der heilige Andreas e<strong>in</strong>st von e<strong>in</strong>em Bischöfe<strong>in</strong> besonderer Weise verehrt wurde. Dieser Bischof gab je<strong>des</strong> Almosenaus Liebe zu Christus <strong>und</strong> zum heiligen Andreas; <strong>und</strong> auch

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