Erzählungen des Mittelalters in deutscher Ãbersetzung und ...
Erzählungen des Mittelalters in deutscher Ãbersetzung und ... Erzählungen des Mittelalters in deutscher Ãbersetzung und ...
210er ihm zeige, wie groß einst sein Lohn sein werde. Da antworteteihm die Stimme Gottes: „Bisher hast du noch nicht so viele Verdiensteerworben, wie ein Weib, das in der nächsten Stadt alsBaderin lebt." Der Einsiedler wollte nun wissen, was für ein Lebenjenes Weib führte, und so ging er in die Stadt und traf sie, wiesie die Kranken badete, einen Aussätzigen und einen Grindigen,wie sie ihnen den Hunger stillte und die unreinen Köpfe salbteund dabei betete. Das Weib nahm den Einsiedler in aller Demutund Bescheidenheit auf und wusch ihm die Füße. Sie hoffte, vonihm einige gute Lehren zu hören, und sprach zu ihm: „HeiligerVater, lehre mich etwas, wodurch meine Seele in der Tugend gefördertwird." Er aber entgegnet: „Ich bin gekommen, um vondir erleuchtet zu werden." „Wie kannst du von mir erleuchtetwerden", spricht die Frau, „da ich doch nur eine arme Baderinbin?" Und sie bewirtete ihn, so gut sie konnte. Am Abend abersprach ein Engel zum Einsiedler: „Du wirst in dem gleichenRäume schlafen wie sie, damit du Zeuge dessen wirst, was mit ihrim verborgenen geschieht." Als sich der Einsiedler zur Buhe gelegthatte und das Weib glaubte, daß er schlafe, warf sie sich imGebet nieder, und der Herr neigte sich über sie und schloß ihreSeele in seine Arme und sprach zu ihr: „Komm in meinen Garten,geliebte Schwester, du meine Taube. Ich befehle euch Engeln,daß ihr sie nicht erweckt oder aufwecken laßt, bis sie es selbstwill." Und so geschah es auch. Die ganze Nacht verweilte derHerr bei dieser seiner geliebten Seele. Als das der Einsiedlersah, sprach er: „Ich habe gar kein Verdienst, denn nie ist mir etwasGleiches widerfahren." Am nächsten Tage aber dient das Weibwieder den Kranken und Gebrechlichen. Als der Einsiedler dieMahlzeit einnehmen soll, da graut es ihm davor, weil er gesehenhat, daß sie mit ihren Händen den Unrat der mit Grinden Behaftetenberührt hatte. Sie aber hielt ihm ihre Hände an die Nase,und von den Händen strömte ein solcher Duft aus, als ob der Duftaller edlen Spezereien von ihnen ausging, und der Einsiedler sagte :„Wahrhaftig, in meiner Zelle habe ich nie solche Düfte wahrgegenommen."In der folgenden Nacht, als das Weib wieder imGebete auf der Erde hingestreckt lag, sah der Einsiedler, wie dieselige Jungfrau gleichsam vom Glänze der Sonne umstrahlt herniederstiegund sprach: „Freu dich, du meine Tochter, du meine
211Schwester; komm und lausche meinen Worten, bis der Tag anbrichtund die Schatten der Nacht sich neigen." Das war für denEinsiedler eine neue Erleuchtung. Als sie aber in der drittenNacht im Gebet ausgestreckt lag, sah der Einsiedler, wie sich dieHeiligen und die gesamte Kirche in ihrem Gebete mit den Gebetendieses Weibes vereinigten und ihre Bitten aufstiegen vordie Gottheit, so daß viele Seelen durch ihre Fürbitte aus demFegefeuer erlöst wurden. Am dritten Tage endlich forschte er eindringlichnach, wie sie dazu gekommen sei, daß sie so hohe undso viele Gnaden verdiene. Sie aber wollte es ihm nicht offenbaren.Da sprach der Einsiedler: „Die Stimme Gottes hat mich hierhergeschickt, um den Grad dieser Heiligkeit kennen zu lernen, unddu würdest all dein Verdienst vor dem Herrn verlieren, wenn dues mir nicht genau offenbarst." Darauf erzählte ihm das Weib:„Ich bin die Lieblingstochter eines Königs gewesen. Aber als icheinsah, daß alles Irdische vergänglich ist, habe ich der irdischenHerrschaft und all ihrer Pracht entsagt. Heimlich verließ ichmeine Eltern und entfloh und kam in diese fremde Stadt, wo ichden Armen, wie du siehst, seit dreißig Jahren diene. Was ichdurch meine Arbeit verdiente,habe ich für die Armen hingegeben."Darauf bat der Einsiedler: „Offenbare mir etwas von den Gnaden,die dir Gott für deine Tugenden erweist." Und sie sprach: „Wennich in der Messe bin und der Leib Christi vom Priester emporgehobenwird, dann sehe ich den Sohn der Jungfrau gleichsamausgestreckt am Ki'euze in den Händen des Priesters, und wenner den Leib Christi zu sich nimmt, dann geht Christus auch inmeinen Mund ein. Und wenn der Priester den Friedenskuß gibt,dann wird er auch mir von der seligen Jungfrau und dem heiligenJohannes gegeben. Das stärkt mich so, daß ich keine Sünde begeheund meine Keinheit nicht verlieren kann." Da ruft der Einsiedler:„0 wie groß ist deine Heiligkeit, und wie groß ist dieGnade Gottes in dir!" So erzählte sie ihm noch manches von ihremZustande. „Nichts von alle dem", entgegnet ihr der Einsiedler,„ist mir bisher geschehen. Ich will heimkehren und nie wiederan Gott eine so vermessene Bitte richten; denn noch habe ich inmir keinen Beweis der göttlichen Gnade gefühlt,während du mittenin der Welt, mitten im Feuer, und doch unversehrt, dich so reinbewahren und Gott so fromm dienen konntest."14*
- Seite 172 und 173: 160Kinder dieser Welt von Wert sind
- Seite 174 und 175: 162hinderte und sprach: „Seit fü
- Seite 176 und 177: 164kommen, wo sich die Mönche zum
- Seite 178 und 179: 166Lanzen gekehrt, die mir die Lust
- Seite 180 und 181: 168Dann übergab er den Knecht und
- Seite 182 und 183: 170draußen bleiben muß, der wird
- Seite 184 und 185: 172Barmherzigkeit, du Helferin alle
- Seite 186 und 187: 174Siedler weinte und ging weiter i
- Seite 188 und 189: 176wurde der Bauer krank, und diese
- Seite 190 und 191: 178dann will ich dir drei Eäte geb
- Seite 192 und 193: 180er wirklich ihr Gemahl sei. Aber
- Seite 194 und 195: 182dient, erwirbt sich die Dankbark
- Seite 196 und 197: 184So wird die Treue, Geliebte, von
- Seite 198 und 199: 186bringen. Solche Leute lieben Got
- Seite 200 und 201: 188werden und dieses Gleichnis und
- Seite 202 und 203: 190den Orden der Zisterzienser eint
- Seite 204 und 205: 192Jungfrau verspricht ihm dies und
- Seite 206 und 207: 194noch Jäger beachteten. Als die
- Seite 208 und 209: 196halte dich heute so auf den Tod
- Seite 210 und 211: 198gab er die Rinde des Baumes; die
- Seite 212 und 213: 200das Leiden unseres Herrn Jesus C
- Seite 214 und 215: 202191.Von einem Priester, der zu s
- Seite 216 und 217: 204oder sonst eine ritterliche Tat
- Seite 218 und 219: 206so viele Kirchen stiften für da
- Seite 220 und 221: 208Sohn mit Schmerz und Schrecken.
- Seite 224 und 225: 212198.Wie sich Maria über nachlä
- Seite 226 und 227: 214Der heilige Andreas erwidert:„
- Seite 228 und 229: 216war der, dnß jeder Weltkörper
- Seite 230 und 231: 218nun war ich dort auf Wache und h
- Seite 232 und 233: 220beschenkte ihn der König reichl
- Seite 234 und 235: 222Erden das Gute zu vergelten, das
- Seite 236 und 237: 224Dann kamen sie in das Haus eines
- Seite 239: LateinischeTexte15'
- Seite 242 und 243: 230dampnacionis. Qui cum magno demo
- Seite 244 und 245: 232clamore magno familiam conuocaui
- Seite 246 und 247: 234uolens castigare, respexit in eu
- Seite 248 und 249: 236autem anno tricesimö quidam cec
- Seite 250 und 251: 238die aus Erfurt stammt, wo der Ri
- Seite 252 und 253: 240totus fluuius fluxit in os vnins
- Seite 254 und 255: 242monitus per quendam virum spirit
- Seite 256 und 257: 244Et mater cum fletu ait: O mi fil
- Seite 258 und 259: 246Ähnlich bei Jacques de Vitry (e
- Seite 260 und 261: 248Et statim extracto mucrone, id e
- Seite 262 und 263: 250Quelle sind die Vitae patrum, Mi
- Seite 264 und 265: 252nobis portam regni celestis aper
- Seite 266 und 267: 254pulchritudine illico ipsam decip
- Seite 268 und 269: 256mee et omnium meorum restituo et
- Seite 270 und 271: 258curatori, ut nulli aliquid daret
211Schwester; komm <strong>und</strong> lausche me<strong>in</strong>en Worten, bis der Tag anbricht<strong>und</strong> die Schatten der Nacht sich neigen." Das war für denE<strong>in</strong>siedler e<strong>in</strong>e neue Erleuchtung. Als sie aber <strong>in</strong> der drittenNacht im Gebet ausgestreckt lag, sah der E<strong>in</strong>siedler, wie sich dieHeiligen <strong>und</strong> die gesamte Kirche <strong>in</strong> ihrem Gebete mit den Gebetendieses Weibes vere<strong>in</strong>igten <strong>und</strong> ihre Bitten aufstiegen vordie Gottheit, so daß viele Seelen durch ihre Fürbitte aus demFegefeuer erlöst wurden. Am dritten Tage endlich forschte er e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glichnach, wie sie dazu gekommen sei, daß sie so hohe <strong>und</strong>so viele Gnaden verdiene. Sie aber wollte es ihm nicht offenbaren.Da sprach der E<strong>in</strong>siedler: „Die Stimme Gottes hat mich hierhergeschickt, um den Grad dieser Heiligkeit kennen zu lernen, <strong>und</strong>du wür<strong>des</strong>t all de<strong>in</strong> Verdienst vor dem Herrn verlieren, wenn dues mir nicht genau offenbarst." Darauf erzählte ihm das Weib:„Ich b<strong>in</strong> die Liebl<strong>in</strong>gstochter e<strong>in</strong>es Königs gewesen. Aber als iche<strong>in</strong>sah, daß alles Irdische vergänglich ist, habe ich der irdischenHerrschaft <strong>und</strong> all ihrer Pracht entsagt. Heimlich verließ ichme<strong>in</strong>e Eltern <strong>und</strong> entfloh <strong>und</strong> kam <strong>in</strong> diese fremde Stadt, wo ichden Armen, wie du siehst, seit dreißig Jahren diene. Was ichdurch me<strong>in</strong>e Arbeit verdiente,habe ich für die Armen h<strong>in</strong>gegeben."Darauf bat der E<strong>in</strong>siedler: „Offenbare mir etwas von den Gnaden,die dir Gott für de<strong>in</strong>e Tugenden erweist." Und sie sprach: „Wennich <strong>in</strong> der Messe b<strong>in</strong> <strong>und</strong> der Leib Christi vom Priester emporgehobenwird, dann sehe ich den Sohn der Jungfrau gleichsamausgestreckt am Ki'euze <strong>in</strong> den Händen <strong>des</strong> Priesters, <strong>und</strong> wenner den Leib Christi zu sich nimmt, dann geht Christus auch <strong>in</strong>me<strong>in</strong>en M<strong>und</strong> e<strong>in</strong>. Und wenn der Priester den Friedenskuß gibt,dann wird er auch mir von der seligen Jungfrau <strong>und</strong> dem heiligenJohannes gegeben. Das stärkt mich so, daß ich ke<strong>in</strong>e Sünde begehe<strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Ke<strong>in</strong>heit nicht verlieren kann." Da ruft der E<strong>in</strong>siedler:„0 wie groß ist de<strong>in</strong>e Heiligkeit, <strong>und</strong> wie groß ist dieGnade Gottes <strong>in</strong> dir!" So erzählte sie ihm noch manches von ihremZustande. „Nichts von alle dem", entgegnet ihr der E<strong>in</strong>siedler,„ist mir bisher geschehen. Ich will heimkehren <strong>und</strong> nie wiederan Gott e<strong>in</strong>e so vermessene Bitte richten; denn noch habe ich <strong>in</strong>mir ke<strong>in</strong>en Beweis der göttlichen Gnade gefühlt,während du mitten<strong>in</strong> der Welt, mitten im Feuer, <strong>und</strong> doch unversehrt, dich so re<strong>in</strong>bewahren <strong>und</strong> Gott so fromm dienen konntest."14*