Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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12.07.2015 Aufrufe

204oder sonst eine ritterliche Tat vollführen durfte! Wie sehr hätteich mich gefreut, wenn ich so glücklich gewesen wäre." Die Frauaber erwiderte: „Ich bin jene Frau, für die ihr viele Abenteuerbestanden habt." Da fragte der Eitter: „Wer seid ihr, wie heißtihr? Ich möchte das all zu gern erfahren". „Ich werde Frau Weltgenannt und bin es auch", entgegnete die Frau. „Nie habe ich",sprach der Ritter, „ein herrlicheres Weib auf Erden gesehen."Und sie fuhr fort: „Herr Ritter, schaut euch nach Herzenslust meineSchönheit und Pracht an.Stillt euer Verlangen an meinem Anblick."Nach einer Weile sprach sie: „Nun habt ihr die Schönheit meinesAntlitzes geschaut. Das wird jeder loben, jeder wird sich daranerfreuen. Doch jetzt seht auch, wie ich im Rücken bin. Sehtmich von der anderen Seite." Sie wandte ihm den Rücken zu,und dem Ritter strömte solcher Pestgeruch entgegen, daß er fastdie Besinnung verloren hätte. Er erblickte Kröten und Schlangenund unreine Würmer, Kot und Schmutz und Unrat, der die Luftverpestete. Wie nun der Ritter all diesen unsagbaren Schmutz,den Moder und das abscheuliche Gewürm erblickt hatte, sprachdas Weib: „Das ist der Lohn, das sind die Gaben, die ich meinentreuen Dienern am Ende reiche. Das sind die Geschenke und Belohnungender Welt." Damit verschwand sie. Der Ritter aberkehrte um, ritt heim, entsagte der Welt und diente von nun anGott. So beschloß er seine Tage in Frömmigkeit und rettete seineSeele.194.Von einer Königin, die durch ihren Sohn aus den Händen desTeufels gerettet wurde.Es lebt einst ein König, der über drei Reiche herrschte. Derhatte einen einzigen Sohn, den er auf die hohe Schule nach Parisschickte. Als dieser König starb ,erhoben sich alle Barone, Ritterund Adligen gegen die Königin und nahmen ihre alle Länder,Städte, Burgen und Kastelle und ließen ihr nur eine einzige kleineStadt, die keinen Zins brachte. Da kam der Königin in ihremtiefen Leide der Gedanke, sich dem Teufel zu übergeben, um mitHilfe der bösen Geister das geraubte Gut wiederzugewinnen undsich an ihren Feinden zu rächen. Das merkten die zwanzig oberstenTeufel, und ihr Herr, Asmodeus mit Namen, ein Jüngling von

205herrlicher Mannesgestalt, erschien der Königin und sprach: „Wenndu tun willst, was du dachtest, dann wirst du mit unserer Hilfealles wiedererlangen. Sieh, obwohl man uns Teufel nennt, sindwir doch so schöne Wesen, und wir haben ein ewiges Keich, dasaller Herrlichkeit voll ist. Blicke aufwärts." Sie blickte in dieHöhe, und sah Bilder von unsagbarer Wonne. „Zu dieser Wonnewerden wir dich führen, dorthin werden wir nach deinem TodeLeib und Seele geleiten." So sprachen die Teufel. Die Königinversprach sich ihnen mit Leib und Seele. Dann fuhren die Teufelfort: „Wenn du uns angehören willst, dann schwöre ab dem Vater,dem Sohne und dem heiligen Geiste und jener Maria, die denweiten Mantel trägt." Und sie schwor ihnen ab, und die Teufelnahmen unter ihrer Zunge ein wenig Blut und schrieben zur Bekräftigungeinen Vertrag, und einer von ihnen trug ihn alsbaldzu Luzifer, ihrem Herrn. Die anderen aber sprachen: „In deinemPalaste wirst du in allen Ecken Schätze finden; in der einen Gold,in der anderen Silber, in der dritten prächtige Edelsteine, in dervierten andere Kleinode. Mit diesen Schätzen kannst du alle deineGegner überwinden. So wird dir im ersten Jahre wieder das ersteKönigreich in die Hände fallen. Daraus sollst du alle Klerikerund Priester und alle Mönche vertreiben, dann die Kirchen zerstörenund die Laien, die |ein eheloses Leben gelobten, zur sündigenEhe verführen." Die Königin ging in ihren Palast und fand eineungeheure Menge Gold und Silber und wertvolle Sachen, wie ihrgesagt worden war, und unterwarf sich das Land und erfüllte alleBefehle des Teufels. So wurde sie im ersten Jahre wieder Herrindes ersten Königreiches; dann vertrieb sie alle Kleriker, zerstörtedie Kirchen und verführte die Menschen zur Sünde. Im zweitenJahre erschienen ihr die Teufel wieder und sprachen: „Wenn dudas zweite Reich wiedererhalten willst, dann bringe alle, die inden beiden Reichen leben, dazu, daß sie ihre Ehe auflösen undmit Mutter und Schwester und Verwandten sündigen, daß sie keinGesetz mehr anerkennen, sondern wie die Tiere untereinander leben."Sie unterwarf sich auch das zweite Reich und erfüllte die Befehleder Teufel. Im dritten Jahre erschienen die bösen Geister wiederund sprachen: „Wenn du das dritte Reich zurückhaben willst,dann lasse alle Armen in den drei Reichen zusammenrufen, laßvierzig oder fünfzig Gruben machen mit dem Vorgeben, du wolltest

204oder sonst e<strong>in</strong>e ritterliche Tat vollführen durfte! Wie sehr hätteich mich gefreut, wenn ich so glücklich gewesen wäre." Die Frauaber erwiderte: „Ich b<strong>in</strong> jene Frau, für die ihr viele Abenteuerbestanden habt." Da fragte der Eitter: „Wer seid ihr, wie heißtihr? Ich möchte das all zu gern erfahren". „Ich werde Frau Weltgenannt <strong>und</strong> b<strong>in</strong> es auch", entgegnete die Frau. „Nie habe ich",sprach der Ritter, „e<strong>in</strong> herrlicheres Weib auf Erden gesehen."Und sie fuhr fort: „Herr Ritter, schaut euch nach Herzenslust me<strong>in</strong>eSchönheit <strong>und</strong> Pracht an.Stillt euer Verlangen an me<strong>in</strong>em Anblick."Nach e<strong>in</strong>er Weile sprach sie: „Nun habt ihr die Schönheit me<strong>in</strong>esAntlitzes geschaut. Das wird jeder loben, jeder wird sich daranerfreuen. Doch jetzt seht auch, wie ich im Rücken b<strong>in</strong>. Sehtmich von der anderen Seite." Sie wandte ihm den Rücken zu,<strong>und</strong> dem Ritter strömte solcher Pestgeruch entgegen, daß er fastdie Bes<strong>in</strong>nung verloren hätte. Er erblickte Kröten <strong>und</strong> Schlangen<strong>und</strong> unre<strong>in</strong>e Würmer, Kot <strong>und</strong> Schmutz <strong>und</strong> Unrat, der die Luftverpestete. Wie nun der Ritter all diesen unsagbaren Schmutz,den Moder <strong>und</strong> das abscheuliche Gewürm erblickt hatte, sprachdas Weib: „Das ist der Lohn, das s<strong>in</strong>d die Gaben, die ich me<strong>in</strong>entreuen Dienern am Ende reiche. Das s<strong>in</strong>d die Geschenke <strong>und</strong> Belohnungender Welt." Damit verschwand sie. Der Ritter aberkehrte um, ritt heim, entsagte der Welt <strong>und</strong> diente von nun anGott. So beschloß er se<strong>in</strong>e Tage <strong>in</strong> Frömmigkeit <strong>und</strong> rettete se<strong>in</strong>eSeele.194.Von e<strong>in</strong>er König<strong>in</strong>, die durch ihren Sohn aus den Händen <strong>des</strong>Teufels gerettet wurde.Es lebt e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong> König, der über drei Reiche herrschte. Derhatte e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Sohn, den er auf die hohe Schule nach Parisschickte. Als dieser König starb ,erhoben sich alle Barone, Ritter<strong>und</strong> Adligen gegen die König<strong>in</strong> <strong>und</strong> nahmen ihre alle Länder,Städte, Burgen <strong>und</strong> Kastelle <strong>und</strong> ließen ihr nur e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige kle<strong>in</strong>eStadt, die ke<strong>in</strong>en Z<strong>in</strong>s brachte. Da kam der König<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihremtiefen Leide der Gedanke, sich dem Teufel zu übergeben, um mitHilfe der bösen Geister das geraubte Gut wiederzugew<strong>in</strong>nen <strong>und</strong>sich an ihren Fe<strong>in</strong>den zu rächen. Das merkten die zwanzig oberstenTeufel, <strong>und</strong> ihr Herr, Asmodeus mit Namen, e<strong>in</strong> Jüngl<strong>in</strong>g von

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