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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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198gab er die R<strong>in</strong>de <strong>des</strong> Baumes; dieser war Judas, <strong>des</strong>sen Herzverhärtet war wie die R<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>es Baumes, als er se<strong>in</strong>en Vater,unsern Herrn Jesus Christus um ger<strong>in</strong>gen Lohn verriet. Daherspricht Ambrosius: „Weh dir, Judas, was hast du getan? Wostand dir de<strong>in</strong> S<strong>in</strong>n, als du den Herrn <strong>und</strong> Schöpfer dieser Weltverrietest, mit dem du gegessen, getrunken <strong>und</strong> manch geheimesWort gesprochen hast? Du Unseliger, wie konntest du dir diehimmlische Seligkeit rauben?" Mit Judas aber werden all diehabsüchtigen Verräter verurteilt, die <strong>in</strong> böser Gier mehr nach irdischemGut als nach (xottes Huld trachten. Der zweite Sohnwar Pilatus, der Treulose; dem sprach der Vater die Wurzeln <strong>des</strong>Baumes zu. Was anders bedeuten die Wurzeln als die Untreue,die die Wurzel je<strong>des</strong> Übels ist? Isidorus spricht: „Wie sich dieWurzel <strong>in</strong> der Erde begräbt <strong>und</strong> verbirgt, so verbirgt sich dieUntreue im Herzen <strong>des</strong> Treulosen." Pilatus verbarg sich bei derVerurteilung Christi, <strong>in</strong>dem er sprach: „Ich f<strong>in</strong>de ke<strong>in</strong>e To<strong>des</strong>schuldan ihm." So entschuldigte er sich arglistig vor denMenschen, während er sich doch gleich blieb <strong>in</strong> treulosem S<strong>in</strong>ne<strong>und</strong> Böses tat, da er Christus <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gegenwart <strong>in</strong> mannigfacherWeise zu verunehren erlaubte, <strong>in</strong>dem er sprach: „Nehmtihn <strong>und</strong> urteilt ihn ab nach eurem Gesetze." Mit Pilatus werdenalle ungerechten Richter verurteilt; denn es steht im Evangelium :„Urteilet nicht, damit ihr nicht verurteilt werdet." Und imEkklesiastikus: „Mach dich nicht zum Richter, außer du vermagstmit de<strong>in</strong>er Tugend das Unrecht zu überw<strong>in</strong>den." August<strong>in</strong>us aberspricht: „Wer aus Liebe oder Haß, aus Furcht oder um <strong>des</strong> Gew<strong>in</strong>neswillen ungerecht urteilt, der verdient nicht den Namene<strong>in</strong>es Richters, sondern den e<strong>in</strong>es Verleumders." Der dritte Sohn,dem der Vater die Zweige <strong>des</strong> Baumes zusprach, war Long<strong>in</strong>us. Ervers<strong>in</strong>nbildet uns die Büßer. Er verw<strong>und</strong>ete das Herz <strong>des</strong> Vaters,als er, der mit Bl<strong>in</strong>dheit geschlagen war, das Herz se<strong>in</strong>es himmlischenVaters mit der Lanze öffnete, nicht aus Liebe sondern ausHaß. Aber als er durch das Wasser <strong>und</strong> Blut, das aus der SeiteChristi hervorströmte, <strong>und</strong> mit dem er sich die Augen netzte,se<strong>in</strong> Gesicht wiedererlangt hatte, begann er alsbald zu glauben<strong>und</strong> Buße zu tun. Nachher wurde er zur Zeit <strong>des</strong> Kaisers Othovon den Aposteln selbst getauft <strong>und</strong> wurde e<strong>in</strong> eifriger Prediger<strong>des</strong> Weges Christi <strong>und</strong> bekehrte unzählige zum Glauben der Kirche.

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