Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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178dann will ich dir drei Eäte geben. Und wenn du diese befolgst,dann wird es dein Glück sein." Der Sohn verspricht dem Vaterauf seine Bitten fest, daß er für ihn die Wallfahrt antreten wird.Dies aber sind die Eäte, die ihm der Vater gab. Der erste war,daß er alle Tage die Messe hören und seinen wahren Schöpfer anschauensolle, da Augustinus spricht: „Der Anblick des Erlösersist das Heil des Sünders." Der zweite Rat war, er solle in jedemAugenblicke den ewigen Tod fürchten, da Augustinus spricht.„Der natürliche Tod scheidet die Seele vom Leibe, der ewige Todscheidet die Seele von ihrem Schöpfer." Der dritte Rat war, ersolle frommen Herzens die Hilfe der seligen Jungfrau Maria anrufen,da Augustinus spricht: „Wer Maria anruft, erlangt Gnade."Nach kurzer Zeit stirbt der Vater, und auf den Rat derFreunde verheiratet sich der Sohn. Doch da er an seines VatersSchicksal denkt und fürchtet, es möchte ihm ebenso gehen, sorüstet er sich zur Fahrt, noch bevor sein Weib Mutter gewordenist, und tritt die Wallfahrt an. Mit vielen anderen kommt ernach Akka. Dort zieht er auf den Rat der Kreuzherren, die ausden Fremden ein Heer gebildet haben, gegen die Heiden. Dochin der Schlacht werden die Christen besiegt, und viele werden getötetoder gefangen genommen. Unter den Gefangenen ist auchunser Jüngling, der dem Tode entgangen ist, weil er dem Rateseines Vaters gemäß auch an jenem Tage die Messe gehört hatte.Aber in der Gefangenschaft bei den Heiden hatte er viel unterHunger, Schlägen und Schmerzen zu dulden. Als er so sechsJahre lang in diesem Elend so schwere Pein erduldet hat und dieSchmerzen schon nicht mehr ertragen kann, da ruft er in Gedankenden Teufel um Hilfe an. Alsbald erscheint ihm der Böse inMenschengestalt und spricht: „Dabin ich; was soll ich dir tun?" —„Ich will, daß du mich aus dieser Gefangenschaft entführst undin meine Heimat zurückbringst." Darauf der Teufel: „Ich willes tun, wenn du die Sakramente, die Kirche, deinen Schöpfer unddie Hilfe aller Heiligen und der Jungfrau Maria abschwörst." DerJüngling willfahrt dem Teufel in allem, aber dem Rate seinesVaters gemäß entsagte er in seinem Herzen nicht der Hilfe der seligenJungfrau. Als der Teufel dem Jünglinge den Schwur abgeforderthat, läßt er ihn alsbald aufsitzen und steigt in die Lüfte und erhebtsich mit dem Jünglinge so hoch, daß es ihm scheint, als ob

179er mit dem Haupte die Sterne berühre. Da fängt der Teufel an,zu pfeifen und einen solchen Lärm zu machen, daß eine MengeTeufel herbeikommen, die ihn einmütig mit Geschrei auffordern,den Jüngling fallen zu lassen. Einige von ihnen wollen ilm dannerwürgen, andere schinden, wieder andere sonstwie umbringen.Aber der Teufel will sein Wort nicht brechen und läßt ihm nichtsBöses widerfahren. Um den Jüngling aber durch ein erneutes Versprechennoch fester an sich zu ketten, führt er ihn auf das Meerund spricht: „Entsage der Taufe und dem Namen des Gottes, indem du getauft bist." Der Jüngling antwortet: „Ich entsage." Daraufder Teufel: „Halte dich fest, ich will dich im Namen des Teufelstaufen, da du nicht im Namen Gottes getauft sein willst." Daraufführt er ihn übers Meer, und in einem einzigen Augenblicke taucht erihn dreimal in die Tiefe. Der Jünglinge erbebt vor Schrecken, und dieAngst macht sein Haar so weiß, daß man seinesgleichen nirgendshätte finden können. Nach dieser fürchterlichen Taufe spricht derTeufel zu ihm: „Gleich wird eine große Schar meiner Genossenkommen." Alsbald hört der Jüngling eine Teufelsschar herankommen,die unter gewaltigem Lärm viele Seelen in die Unterweltschleppt; und diese Seelen rufen alle mit klagender Stimme:„Weh uns, um unserer Sünden willen werden wir so elendiglicheinhergeschleppt und zu ewiger Pein geführt!" Als diese Stimmenverhallt sind, nimmt der Teufel den Jüngling und tiägt ihn nochvor Hahnenschrei nach Straßburg und setzt ihn auf seinem Gutenn einem Ackerhaufen nieder. Dabei spricht er: „Freund, sei beständigund brich dein Versprechen nicht, dann will ich dir beistehenin allen deinen Nöten." Nach diesen Worten ist er verschwunden.Den Jüngling aber hat die Aufregung und die langeFahrt so ermüdet, daß er kein Glied rühren kann, aber er kannauch nicht schlafen. Am Morgen, bei Tagesanbruch kommt einBauer, der ihn findet und fragt, wer er sei, und woher er komme.Da gibt er sich ihm als den Herrn des Gutes zu erkennen. Alsdas der Bauer vernimmt, eilt er unverzüglich zu seiner Herrinmit der Nachricht, daß sein Herr, ihr Gemahl, wieder da sei. DieFrau ruft alle ihre Bekannten herbei und eilt hinaus, um ihrenGemahl zu sehen. Aber als sie sein schneeweißes Haar erblickt,erschrickt sie, denn sie glaubt, man wolle sie zum besten halten.Der Unglückliche sucht ihr auf mannigfache Art zu beweisen, daß12*

178dann will ich dir drei Eäte geben. Und wenn du diese befolgst,dann wird es de<strong>in</strong> Glück se<strong>in</strong>." Der Sohn verspricht dem Vaterauf se<strong>in</strong>e Bitten fest, daß er für ihn die Wallfahrt antreten wird.Dies aber s<strong>in</strong>d die Eäte, die ihm der Vater gab. Der erste war,daß er alle Tage die Messe hören <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en wahren Schöpfer anschauensolle, da August<strong>in</strong>us spricht: „Der Anblick <strong>des</strong> Erlösersist das Heil <strong>des</strong> Sünders." Der zweite Rat war, er solle <strong>in</strong> jedemAugenblicke den ewigen Tod fürchten, da August<strong>in</strong>us spricht.„Der natürliche Tod scheidet die Seele vom Leibe, der ewige Todscheidet die Seele von ihrem Schöpfer." Der dritte Rat war, ersolle frommen Herzens die Hilfe der seligen Jungfrau Maria anrufen,da August<strong>in</strong>us spricht: „Wer Maria anruft, erlangt Gnade."Nach kurzer Zeit stirbt der Vater, <strong>und</strong> auf den Rat derFre<strong>und</strong>e verheiratet sich der Sohn. Doch da er an se<strong>in</strong>es VatersSchicksal denkt <strong>und</strong> fürchtet, es möchte ihm ebenso gehen, sorüstet er sich zur Fahrt, noch bevor se<strong>in</strong> Weib Mutter gewordenist, <strong>und</strong> tritt die Wallfahrt an. Mit vielen anderen kommt ernach Akka. Dort zieht er auf den Rat der Kreuzherren, die ausden Fremden e<strong>in</strong> Heer gebildet haben, gegen die Heiden. Doch<strong>in</strong> der Schlacht werden die Christen besiegt, <strong>und</strong> viele werden getötetoder gefangen genommen. Unter den Gefangenen ist auchunser Jüngl<strong>in</strong>g, der dem Tode entgangen ist, weil er dem Ratese<strong>in</strong>es Vaters gemäß auch an jenem Tage die Messe gehört hatte.Aber <strong>in</strong> der Gefangenschaft bei den Heiden hatte er viel unterHunger, Schlägen <strong>und</strong> Schmerzen zu dulden. Als er so sechsJahre lang <strong>in</strong> diesem Elend so schwere Pe<strong>in</strong> erduldet hat <strong>und</strong> dieSchmerzen schon nicht mehr ertragen kann, da ruft er <strong>in</strong> Gedankenden Teufel um Hilfe an. Alsbald ersche<strong>in</strong>t ihm der Böse <strong>in</strong>Menschengestalt <strong>und</strong> spricht: „Dab<strong>in</strong> ich; was soll ich dir tun?" —„Ich will, daß du mich aus dieser Gefangenschaft entführst <strong>und</strong><strong>in</strong> me<strong>in</strong>e Heimat zurückbr<strong>in</strong>gst." Darauf der Teufel: „Ich willes tun, wenn du die Sakramente, die Kirche, de<strong>in</strong>en Schöpfer <strong>und</strong>die Hilfe aller Heiligen <strong>und</strong> der Jungfrau Maria abschwörst." DerJüngl<strong>in</strong>g willfahrt dem Teufel <strong>in</strong> allem, aber dem Rate se<strong>in</strong>esVaters gemäß entsagte er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Herzen nicht der Hilfe der seligenJungfrau. Als der Teufel dem Jüngl<strong>in</strong>ge den Schwur abgeforderthat, läßt er ihn alsbald aufsitzen <strong>und</strong> steigt <strong>in</strong> die Lüfte <strong>und</strong> erhebtsich mit dem Jüngl<strong>in</strong>ge so hoch, daß es ihm sche<strong>in</strong>t, als ob

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