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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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175fand, was ich Gutes getan hatte. Nach ihnen aber trat e<strong>in</strong>e gewaltigeSchar Teufel mit großem Ungestüm here<strong>in</strong>, die vor miche<strong>in</strong> ungeheures Buch stellten, <strong>in</strong> dem ich verzeichnet fand, wasich seit me<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit Böses getan habe. Und der oberste derTeufel fragte die beiden Jüngl<strong>in</strong>ge, was sie da wollten, da siedoch wohl wüßten, daß ich die Beute <strong>des</strong> Teufels wäre. Da standendie beiden Jüngl<strong>in</strong>ge alsbald auf <strong>und</strong> ließen mich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Verzweiflung<strong>in</strong> den Händen der Teufel zurück. Und ich Unseligerrief, als ich das sah, nicht weil ich wirklich Reue empfand, sondernaus Angst: »0 Herr, hilf mir!« Aber e<strong>in</strong>e Stimme vom Himmelantwortete mir: »Warum denkst du erst an de<strong>in</strong>en Gott zur Zeit,wo sich die Sonne de<strong>in</strong>es Lebens verf<strong>in</strong>stert?« Da stürzten sichauf Befehl <strong>des</strong> obersten Teufels zwei se<strong>in</strong>er Genossen mit scharfenMessern auf mich, <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er schnitt mich vom Kopf her, derandere von den Füßen her entzwei. Und nun sterbe ich, <strong>und</strong> dieTeufel schleppen mich <strong>in</strong> die Hölle." Bei diesen Worten starbder Unselige, <strong>und</strong> die bösen Geister entführten ihn zur ewigenPe<strong>in</strong>. Diese Geschichte erzähle ich, damit ihr nicht e<strong>in</strong>e aufrichtigeBuße <strong>und</strong> Beicht bis zur To<strong>des</strong>st<strong>und</strong>e verschiebt. Daherspricht Hieronymus: „Wenn dich de<strong>in</strong>e Krankheit bedrückt, dannvermagstdu kaum an etwas anderes zu denken als an de<strong>in</strong>e Leiden,denn der Geist ist dorth<strong>in</strong> gerichtet, woher der Schmerz kommt."Aber August<strong>in</strong>us spricht auch: „Es ist besser, sich spät zu bekehren,als nie." Doch rate ich, daß sich der Mensch nicht allzusehr auf se<strong>in</strong>e letzte St<strong>und</strong>e verlasse. Denn wenn er krank liegt,dann ist er traurig, daß er se<strong>in</strong> Eigentum verlassen muß, daß ersich von se<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dern trennen soll, daß se<strong>in</strong> Leib h<strong>in</strong>fällig wird.Aber wenig denkt er leider an se<strong>in</strong>e Seele. Daher wollen wirden Herrn anrufen, daß er uns <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gnade e<strong>in</strong> seliges Endeverleihe.180.Von e<strong>in</strong>er Jungfrau, die das Schicksal ihrer Eitern im Jenseits sah.E<strong>in</strong>st lebte e<strong>in</strong> Bauer, der war sehr e<strong>in</strong>fach <strong>und</strong> gut <strong>und</strong>arbeitete gern <strong>und</strong> fleißig, um sich, se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Weibzu ernähren. Dieser war <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>falt so schweigsam, daßihn se<strong>in</strong>e Nachbarn für stumm hielten. Nach e<strong>in</strong>em langen Leben

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