Erzählungen des Mittelalters in deutscher Ãbersetzung und ...
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166Lanzen gekehrt, die mir die Lust zum Lachen nehmen und michzum Weinen zwingen. Es ist das bittere Leiden und die Marter,die der Herr für mich am Kreuze litt, der keine Qual gleichkommenkann, wie uns die Wunderzeichen des Todestages unseresHerrn beweisen, wo alle Elemente mit ihm litten, wo die Sonneihren Schein verlor, die Erde bebte und die Felsen sprangen unddie Toten aus den Gräbern erstanden. Und alles dies geschahder Menschen wegen, für die der Herr gelitten hat. Daher sprichtHieronymus: »Alle meine Freunde haben mich verlassen.« Unddie Glosse dazu sagt: »Es ist niemand, der mit mir in meinemLeiden Mitleid hätte, außer meiner liebsten Mutter Maria.« Dasist die erste Lanze, die mein Herz so tief verwundet, daß ichlieber weinen als lachen möchte. Deswegen ruft der heilige Bernhard:»0 guter Jesus, du hast für mich am Kreuze geweint undnie gelacht, wie kann ich dir mit gleichen Tränen vergelten?«Diese erste Lanze, die mir die Brust durchbohrt, hat mir dasLachen genommen. Die zweite Lanze aber dringt mir in denKücken und verwundet mein Herz.Das ist der Gedanke an meinenTod, der meine Seele trennen wird vom Leibe, vom Besitze, vonallen Freunden und sie führen wird in ein unbekanntes Land, vondem ich nicht weiß, ob mich dort Haß oder Liebe erwartet, undwelche Herberge mir dort bestimmt ist. Ich weiß, daß ich demleiblichen Tode nicht entgehen kann, wie es der heilige Gregorbezeugt mit den Worten: »Sage mir, wo sind die Könige, wodie Fürsten, wo die Machthaber, wo sind die Reichen dieser Welt?Sie gingen alle dahin, wie ein Schatten schwanden sie. Manfragt nach ihnen, und sie sind nicht mehr. Gehet zu den Gräbernder Toten, seht dort ihren Leichnam, eine Speise der Würmer!«Diese verderbliche Lanze zwingt mich zum Weinen und raubtmir das Lachen. Die dritte Lanze, die mein Herz durch dielinke Seite trifft, ist die Ungewißheit meiner Todesstunde; dennich weiß nicht, ob ich wachen oder schlafen werde, wenn der Todmeine Seele aus dem Kerker dieses Fleisches entführen wird. Vondiesem unvorhergesehenen Tode spricht Salomon: »Nichts istsicherer als der Tod, nichts unsicherer als die Todesstunde.«Ach, wie viele Seelen hat der leidige Tod schon Gott entrissen!Daher ruft Salomon: »0 Tod der Sünder, wie bitter ist deinAndenken!« Und der Psalmist spricht: »Der Tod der Sünder ist
167das Schrecklichste, der Tod der Gerechten ist ein Schatz.« Undder heilige Gregor fragt: »Warum begehrt der Sünder das Lebendieser Welt, in der er, je länger er lebt, um so ärger sündigt,in der täglich seine Sünden zunehmen und seine Verdiensteständig geringer werden? Das Menschenleben schwankt zwischenGut und Böse hin und her, und ihr wißt nicht, wann der Menschstirbt.« Diese Lanze hat mir alle irdische Freude genommen.Die vierte Lanze wird mir durch die rechte Seite ins Herz gestoßen.Das ist die Furcht vor dem Tage, an dem Gott kommenwird, um strenges Gericht zu halten. Dann wird er zu denSündern sprechen: »Geht, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer,dort werdet ihr immerdar brennen, und Vergessenheit wird euerewiges Los sein.« Von dieser Stimme spricht Hieronymus: »AmTage des Gerichtes wird eine furchtbare Stimme ertönen, bei derenSchall die Sünder bis ins Innerste erzittern werden.« UndAugustinus spricht: »Es ist nicht zu verwundern, wenn die Sünderda erseufzen werden, wo die Engel und alle Heiligen in Furchtstehen werden, zu denen doch gesprochen werden wird: Kommet,ihr Gesegneten meines Vaters, empfanget das Keich, das euch bereitetist vom Anbeginn der Welt.« Ob ich dann den Auserwähltenoder den Verdammten ewiglich zugehören werde, das weiß ichnicht. Das sind die Lanzen, die mein Herz durchdringen, diemich mit ständiger Trauer erfüllen und das Lachen von mirbannen." Als der König dies gesprochen hatte, ließ er den Bruderfrei ; und dieser begann alsbald nach seinem Rate die begangenenSünden zu bereuen und hütete sich von nun an vor neuen Fehlern.Er liebte Gott reinen Herzens. Das verleihe auch uns der allmächtigeGott.173.Von einem ungetreuen Verwalter.Es wird uns auch berichtet von einem gar weisen Könige,der zwei Länder besaß. Dieser weilte in dem einen Reiche solange, daß die Bewohner des anderen großes Verlangen nach seinemAnblick hatten. Da wollte er auch jenes Land besuchen. Erhatte aber einen weisen Verwalter und einen treuen Knecht undeine Tochter, die er über alles liebte. Diese berief er vor sich.
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166Lanzen gekehrt, die mir die Lust zum Lachen nehmen <strong>und</strong> michzum We<strong>in</strong>en zw<strong>in</strong>gen. Es ist das bittere Leiden <strong>und</strong> die Marter,die der Herr für mich am Kreuze litt, der ke<strong>in</strong>e Qual gleichkommenkann, wie uns die W<strong>und</strong>erzeichen <strong>des</strong> To<strong>des</strong>tages unseresHerrn beweisen, wo alle Elemente mit ihm litten, wo die Sonneihren Sche<strong>in</strong> verlor, die Erde bebte <strong>und</strong> die Felsen sprangen <strong>und</strong>die Toten aus den Gräbern erstanden. Und alles dies geschahder Menschen wegen, für die der Herr gelitten hat. Daher sprichtHieronymus: »Alle me<strong>in</strong>e Fre<strong>und</strong>e haben mich verlassen.« Unddie Glosse dazu sagt: »Es ist niemand, der mit mir <strong>in</strong> me<strong>in</strong>emLeiden Mitleid hätte, außer me<strong>in</strong>er liebsten Mutter Maria.« Dasist die erste Lanze, die me<strong>in</strong> Herz so tief verw<strong>und</strong>et, daß ichlieber we<strong>in</strong>en als lachen möchte. Deswegen ruft der heilige Bernhard:»0 guter Jesus, du hast für mich am Kreuze gewe<strong>in</strong>t <strong>und</strong>nie gelacht, wie kann ich dir mit gleichen Tränen vergelten?«Diese erste Lanze, die mir die Brust durchbohrt, hat mir dasLachen genommen. Die zweite Lanze aber dr<strong>in</strong>gt mir <strong>in</strong> denKücken <strong>und</strong> verw<strong>und</strong>et me<strong>in</strong> Herz.Das ist der Gedanke an me<strong>in</strong>enTod, der me<strong>in</strong>e Seele trennen wird vom Leibe, vom Besitze, vonallen Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> sie führen wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong> unbekanntes Land, vondem ich nicht weiß, ob mich dort Haß oder Liebe erwartet, <strong>und</strong>welche Herberge mir dort bestimmt ist. Ich weiß, daß ich demleiblichen Tode nicht entgehen kann, wie es der heilige Gregorbezeugt mit den Worten: »Sage mir, wo s<strong>in</strong>d die Könige, wodie Fürsten, wo die Machthaber, wo s<strong>in</strong>d die Reichen dieser Welt?Sie g<strong>in</strong>gen alle dah<strong>in</strong>, wie e<strong>in</strong> Schatten schwanden sie. Manfragt nach ihnen, <strong>und</strong> sie s<strong>in</strong>d nicht mehr. Gehet zu den Gräbernder Toten, seht dort ihren Leichnam, e<strong>in</strong>e Speise der Würmer!«Diese verderbliche Lanze zw<strong>in</strong>gt mich zum We<strong>in</strong>en <strong>und</strong> raubtmir das Lachen. Die dritte Lanze, die me<strong>in</strong> Herz durch diel<strong>in</strong>ke Seite trifft, ist die Ungewißheit me<strong>in</strong>er To<strong>des</strong>st<strong>und</strong>e; dennich weiß nicht, ob ich wachen oder schlafen werde, wenn der Todme<strong>in</strong>e Seele aus dem Kerker dieses Fleisches entführen wird. Vondiesem unvorhergesehenen Tode spricht Salomon: »Nichts istsicherer als der Tod, nichts unsicherer als die To<strong>des</strong>st<strong>und</strong>e.«Ach, wie viele Seelen hat der leidige Tod schon Gott entrissen!Daher ruft Salomon: »0 Tod der Sünder, wie bitter ist de<strong>in</strong>Andenken!« Und der Psalmist spricht: »Der Tod der Sünder ist