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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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146Gott hat es gefügt, daß ihm die Welt nicht gehorcht. Und erfürchtet zu verlieren, was er hat, <strong>und</strong> möchte err<strong>in</strong>gen, was er nichthat. Dar<strong>in</strong> widersteht ihm die Welt; denn sie möchte, daß erverliert, was er hat, <strong>und</strong> daß er nicht erreicht, was er nicht hat*Der Arme aber hat sich im Gegenteil die Welt Untertan gemacht;denn er wünscht nichts zu err<strong>in</strong>gen, <strong>und</strong> da er nichts besitzt,fürchtet er ke<strong>in</strong>en Verlust."146.Kleidermachen Leute.E<strong>in</strong> armer Philosoph wollte zu Hof gehn, aber man ließ ihnnicht vor den Kaiser. Da zieht er prächtige Kleider an <strong>und</strong> stelltsich an die Tür. Und sogleich wird er vorgelassen. Und er trittvor den Kaiser <strong>und</strong> küßt se<strong>in</strong> eigenes Kleid. Der Fürst fragt ihnvoll Staunen, was er tue. Doch der erwiedert: „Ich ehre den,der mich zu Ehren brachte. Was die Philosophie nicht vermochte,das hat dies Kleid zuwege gebracht."147.Von e<strong>in</strong>em Mönche, der sich für zu heilig hielt, um zu arbeiten.E<strong>in</strong> Bruder kam zu e<strong>in</strong>em alten E<strong>in</strong>siedler <strong>und</strong> fand dortBrüder, die mit ihren Händen arbeiteten. Da sprach er zu ihnen:„Was schafft ihr Nahrung, die vergänglich ist?" Der Greis aberruft e<strong>in</strong>en der Se<strong>in</strong>en <strong>und</strong> spricht zu ihm: „Nimm diesen Bruder,der nichts zu tun hat, führe ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Zelle <strong>und</strong> gib ihm e<strong>in</strong>Buch zum Lesen." Das geschieht. Wie aber die Zeit zum Essenkommt, sieht sich der Bruder <strong>in</strong> der Zelle vergeblich um nache<strong>in</strong>em, der ihn zum Essen ruft, <strong>und</strong> als die Zeit schon längstvorüber ist, verläßt er se<strong>in</strong>e Zelle <strong>und</strong> geht zum Greise <strong>und</strong> fragtihn: „Vater, esst ihr denn heute nicht?" Da spricht der Greis:„Gewiß. Doch du brauchst ke<strong>in</strong>e Nahrung, die vergänglich ist.Du betest <strong>und</strong> liest den ganzen Tag <strong>und</strong> lebst wie e<strong>in</strong> Engel."Da fällt der Bruder dem Greise zu Füßen <strong>und</strong> ruft: „Vergib mir,Vater, ich habe gefehlt." Der Greis aber erwidert: „Du siehst,ohne Marta kommt Maria nichtaus."

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