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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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135e<strong>in</strong>zigen Sohne se<strong>in</strong>e Geschäfte. Doch dieser war noch jung <strong>und</strong>unüberlegt, so daß er die Befehle se<strong>in</strong>es Vaters nur nachlässigerfüllte. Das machte dem Vater Sorge, <strong>und</strong> er nahm die Eechtsprechungwieder <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e eigenen Hände <strong>und</strong> bestimmte, daßjeder, der von e<strong>in</strong>er Sorge bedrückt wäre, e<strong>in</strong>e öffentlich aufgehängteGlocke läuten sollte, <strong>und</strong> alsbald würde er den Bedrängtenrufen lassen. Auf diese Weise führte der König, obschon erbl<strong>in</strong>d war, doch wieder e<strong>in</strong>e gerechte Gerichtsbarkeit e<strong>in</strong>, <strong>und</strong>viele kamen <strong>und</strong> läuteten <strong>und</strong> fanden ihr Recht. Doch siehe,welches W<strong>und</strong>er sich ereignet ! E<strong>in</strong>e Schlange merkt, daß vieleSeufzende <strong>und</strong> Bedrückte die Glocke läuten <strong>und</strong> darauf frohenAngesichtes heimkehren. E<strong>in</strong>es Tages nun, als sie merkt, daßniemand <strong>in</strong> der Nähe ist, kommt sie zur Glocke <strong>und</strong> setzt sie <strong>in</strong>Bewegung, bis sie läutet. Alsbald läßt der König nachsehen,wer geläutet hat, aber man kann niemanden f<strong>in</strong>den. Und mansucht von neuem, <strong>und</strong> endlich f<strong>in</strong>det man die Schlange an derGlocke hängen. Alsbald berichtet man dem Könige den Vorfall<strong>und</strong> trägt die zischende Schlange vor ihn, <strong>und</strong> da es e<strong>in</strong>eunschuldige Schlange ist, kriecht sie vor <strong>des</strong> Königs Füße<strong>und</strong> bezeugt ihre Trauer durch klagen<strong>des</strong> Zischen. Der Königerkennt sofort <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Weisheit <strong>und</strong> E<strong>in</strong>sicht, daß das Tier <strong>in</strong>Bedrängnis ist, <strong>und</strong> spricht zu se<strong>in</strong>en Dienern: „Folgt dieserSchlange an die Stelle, die sie aufzeigen wird, <strong>und</strong> verhelft ihrzu ihrem Rechte." Die Diener folgen ihr, <strong>und</strong> als sie e<strong>in</strong>en altenZaun überstiegen haben, f<strong>in</strong>den sie dah<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>e große Kröte, dieauf den Eiern der Schlange sitzt. Diese töten sie auf der Stelle<strong>und</strong> erzählen dem Könige, was sie gef<strong>und</strong>en haben. Nach Verlaufe<strong>in</strong>es Jahres aber kehrt die Schlange zurück <strong>und</strong> läutetwieder. Und man sucht von neuem, f<strong>in</strong>det sie <strong>und</strong> trägt sie vorden König. Doch als man sie ihm zu Füßen gelegt hat, br<strong>in</strong>gtsie aus ihrem M<strong>und</strong>e zum Dank für die erwiesene Wohltat e<strong>in</strong>enEdelste<strong>in</strong>, der den Augen <strong>des</strong> Königs bei der Berührung mit ihmauf der Stelle das Augenlicht wiedergibt. So hat Gott schon aufErden <strong>in</strong> w<strong>und</strong>erbarer Weise die Gerechtigkeit belohnt.

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