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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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110bis zur St<strong>und</strong>e <strong>des</strong> To<strong>des</strong> <strong>und</strong> <strong>in</strong>s Alter?" So gehen Geist <strong>und</strong>Leib den breiten Weg der Freuden der Welt, <strong>und</strong> die Fe<strong>in</strong>dekommen <strong>und</strong> fallen über sie her. Sie überwältigen den Geistdurch die Sünden <strong>und</strong> schleppen ihn zur Hölle. Der Leib ist<strong>in</strong><strong>des</strong>sen verborgen im Grabe <strong>und</strong> ohne Bes<strong>in</strong>nung. Aber amTage <strong>des</strong> Gerichtes werden beide wieder vere<strong>in</strong>t <strong>in</strong> der Hölle;<strong>und</strong> wie sie hier auf Erden mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Zwiespalt lebten, sowerden sie im Jenseits ewig Fe<strong>in</strong>de se<strong>in</strong>. Wer ihnen nachahmt,der wird nicht <strong>in</strong> das Land se<strong>in</strong>er Sehnsucht kommen, wo er Gottlobt, sondern <strong>in</strong> die Hölle, wo er klagt, <strong>in</strong> die Pe<strong>in</strong>, die nimmerenden wird.99.Wie e<strong>in</strong> Weib iliren Mann vor der Hölle rettete.E<strong>in</strong>st lebte e<strong>in</strong> Mann, der frem<strong>des</strong> Gut raubte <strong>und</strong> verwüstete.Er hatte aber e<strong>in</strong>e fromme Gatt<strong>in</strong>. Als er im Sterben lag, erblickteer im Traume die Hölle often <strong>und</strong> hörte die Fürsten derF<strong>in</strong>sternis brüllen <strong>und</strong> schreien: „Was zögerst du noch? Du bistnun e<strong>in</strong>er der ünsrigen geworden. Sieh hier den Höllenschl<strong>und</strong>,wie er auf dich lauert. Nie hast du de<strong>in</strong>e Sünden gebeichtet;daher sollst du sie hier ewig büßen." Erschreckt fuhr er ausdem Schlafe auf <strong>und</strong> rief <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Verzweiflung: „Weh mir Unseligen,daß ich je geboren ward!" Se<strong>in</strong> Weib aber fragt ihn:„Herr, was ist euch zugestoßen?" Und er erwidert: „Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong>Genosse der Teufel geworden; sie haben es mir soeben selbst zugerufen.Ich sehe die Unterwelt, den Höllenrachen offen <strong>und</strong>den Platz, der mir mitten <strong>in</strong> der Hölle bereitet ist." Doch se<strong>in</strong>Weib ruft: „Sie haben gelogen. Du hast gehört, daß unser Erlöserfür uns se<strong>in</strong>en Fe<strong>in</strong>den überliefert <strong>und</strong> ans Kreuz geschlagenworden ist." Er erwidert: „Das hörte ich wohl, doch was kannmirs nützen? Ich sehe me<strong>in</strong> Verderben." Da antwortet das Weibunwillig: „Wie kannst du so töricht reden? Sprich mir die folgendenWorte nach: »Wenn ich gottlos b<strong>in</strong>, so bist du, Gott, gütigand allmächtig. Wenn ich ungerecht b<strong>in</strong>, bist du gnädig. Alsdu den am Kreuze hängenden Eäuber <strong>in</strong> de<strong>in</strong> Paradies aufnahmst,hast du ihm de<strong>in</strong>e Barmherzigkeit nicht alle<strong>in</strong> um se<strong>in</strong>etwillenwiderfahren lassen, sondern auch me<strong>in</strong>etwegen <strong>und</strong> für die anderenEäuber, auf daß ke<strong>in</strong> Sünder an de<strong>in</strong>er Gnade verzweifle. Öffne

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