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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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102Zeit, zu der Armen zu gehen, sonst stirbt sie ohne Beichte."Doch der Pfarrer entgegnet <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Verblendung: „Wollen wirum e<strong>in</strong>es armseligen alten Weibes willen den Reichen hier alle<strong>in</strong>lassen?" Und der Diakon fragt, ob er zu ihr gehen dürfe. Damitist der Pfarrer e<strong>in</strong>verstanden. Der Diakon sucht das armeWeib auf <strong>und</strong> f<strong>in</strong>det sie auf der bloßen Erde liegen. Aber ersieht, wie ihr die selige Jungfrau mit e<strong>in</strong>er großen Jungfrauenscharbeisteht, die ihr mit e<strong>in</strong>em Le<strong>in</strong>entuche das Gesicht trocknen,daß an ihr auch nicht der ger<strong>in</strong>gste Makel zu sehen ist. Staunendbleibt der Diakon von ferne stehen. Doch wie die Mutter Gottessieht, daß der Diakon ihren Sohn im Sakramente br<strong>in</strong>gt, kniet siemit dem Chor der Jungfrauen auf die Erde nieder <strong>und</strong> betet ihnaus ganzem Herzen an. Dann erheben sie sich wieder <strong>und</strong> gebendem Diakon e<strong>in</strong> Zeichen, daß er e<strong>in</strong>treten solle. Maria stellt ihmselbst e<strong>in</strong>en Stuhl h<strong>in</strong> <strong>und</strong> fordert ihn auf, sich zu setzen. Under hört die Beicht der Kranken <strong>und</strong> betet für sie <strong>und</strong> reicht ihrdas Sakrament. Dann geht er fort <strong>und</strong> kehrt heim. Wie er aberauf der Straße ist, sieht er schwarze Katzen r<strong>in</strong>gs um das Lager<strong>des</strong> Reichen dichtgedrängt stehen, die auch der Reiche selbst bemerkt,denn er ruft: „Schafft die Katzen weg, schafft die Katzenweg!" Dann kommt e<strong>in</strong> schwarzer Kerl <strong>und</strong> stößt ihm e<strong>in</strong>e Gabel<strong>in</strong> den Schl<strong>und</strong>. Und als er sie wieder herausreißt, schreit derKranke fürchterlich auf <strong>und</strong> stirbt. Und e<strong>in</strong>e Menge schwarzeGeister schlagen die arme Seele mit Geißeln <strong>und</strong> schleppen sieblutig zur ewigen Pe<strong>in</strong>. Als der Diakon das sieht, s<strong>in</strong>kt er fastvor Schreck tot um; aber die selige Jungfrau tröstet ihn <strong>und</strong>spricht: „Fürchte dich nicht." Da fühlt er wieder Zuversicht<strong>und</strong> erzählt allen, was er gesehen hat.90.Von dem Priester, der nur Seelenmessen las.E<strong>in</strong>st lebte e<strong>in</strong> armer Geistlicher, der den Seelen der Verstorbenenso ergeben war, daß er Tag für Tag ke<strong>in</strong>e anderen alsMessen für die armen Seelen las. Deswegen wird er angeklagt,vom Bischöfe vorgeladen, muß sich verantworten <strong>und</strong> wird alsschuldig verurteilt <strong>und</strong> soll Bürgen stellen, daß er sich bessert.Aber er hat ke<strong>in</strong>e Bürgen. Doch dem Bischöfe sollen die Augen

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