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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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10188.Von e<strong>in</strong>em, der e<strong>in</strong>en Tag im Fegefeuer war.E<strong>in</strong> frommer Mann hatte lange Zeit Buße getan; da wurdeer schwer krank <strong>und</strong> lag so e<strong>in</strong> ganzes Jahr. Endlich bat erGott, er möchte se<strong>in</strong>en Schmerzen e<strong>in</strong> Ende bereiten. Und e<strong>in</strong>Engel erschien ihm <strong>und</strong> verkündete ihm, er habe Erhörung gef<strong>und</strong>en<strong>und</strong> könne sich wählen, ob er drei Tage lang im Fegefeueroder noch e<strong>in</strong> Jahr lang auf dem Kraukenlager zubr<strong>in</strong>genwolle. Der Kranke wählte die drei Tage im Fegefeuer, <strong>und</strong> derEngel sprach: „De<strong>in</strong> Wille geschehe." Der Kranke stirbt <strong>und</strong>wird <strong>in</strong>s Fegefeuer geführt. Als e<strong>in</strong> Tag um ist, ersche<strong>in</strong>t ihmder Engel <strong>und</strong> fragt: „Wie geht es dir, liebe Seele, willst dudrei Tage im Fegefeuer bleiben?" Da erwidert die Seele: „E<strong>in</strong>Verführer, <strong>und</strong> nicht e<strong>in</strong> Engel bist du; wie hättest du sonstkönnen zulassen, daß ich anstatt der drei Tage nun schon so vieletausend Jahre leide? Daran erkenne ich, daß du ke<strong>in</strong> Engel,sondern e<strong>in</strong> Verführer bist." Doch der Engel spricht: „Glaubemir, du bist erst e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Tag hier. Doch wenn du jetztnoch lieber krank se<strong>in</strong> möchtest, so habe ich dir die Gnade erbeten,dich wieder zum Leben erwecken zu dürfen." Und dieSeele ruft: „Gern will ich nicht nur zwei Jahre, sondern bis zumEnde der Welt <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Krankheit zubr<strong>in</strong>gen." Der Tote erwachtdarauf wieder zum Leben <strong>und</strong> berichtet, wie bitter dieQualen <strong>des</strong> Fegefeuers s<strong>in</strong>d. Nach zwei Jahren stirbt er <strong>und</strong>geht <strong>in</strong> den Himmel e<strong>in</strong>.89.Der Tod e<strong>in</strong>es Reichen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>es armen Weibes.In der Pfarrei e<strong>in</strong>es habsüchtigen Priesters lebte e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong>reicher Mann <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e arme Witwe. Es traf sich, daß beidekrank wurden <strong>und</strong> zu gleicher Zeit nach dem Pfarrer schickten.Der aber ließ die Witwe se<strong>in</strong> <strong>und</strong> g<strong>in</strong>g zu dem Eeichen, den erzur Beicht ermahnte, doch ohne daß er ihn auch nur zum Bekenntnisder ger<strong>in</strong>gsten Sünde bewegen konnte. Die Witwe jedochsendet von neuem den Boten zu ihm; aber der Pfarrer antwortetihm gar nicht. Da spricht se<strong>in</strong> Diakon zu ihm: „Es ist höchste

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