Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

99sie wegzunehmen. Da faßt die Witwe mit beiden Händen zu undhält sie fest, und so bekommt der Engel nur den Teil, der ausihren Händen hervorragt, was sie aber in den Händen hatte, dasbehält sie. In diesem Augenblicke wacht sie auf. Und was siein den Händen hatte, findet sie wirklich, und sie kann sich nichtgenug tun in der Betrachtung dieses Kerzenstückes. Voll Freudedankt sie Maria für den Trost, den sie ihr zugedacht hatte, undvon nun an diente sie ihr noch eifriger als zuvor.86.Wie Maria einen Mönch und eine Nonne aus dem Stocl(ebefreite.Ein Mönch und eine Nonne wurden ertappt, als sie miteinandersündigten, und ins Gefängnis gebracht. Da rufen siedie selige Jungfrau, der sie lange gedient haben, an, sie mögesie aus dieser Schmach befreien. Und alsbald befiehlt Maria zweiTeufeln, daß sie sie frei machen und dafür sorgen, daß ihre Ehrekeinen Schaden leidet. Das müssen die Teufel auch tun, und sienehmen im Gefängnis die Stelle der beiden Befreiten ein. Wienun das Volk herbeiläuft, um sich an ihrem Anblicke zu weiden,findet man die beiden Teufel im Gewände und in der Gestalt desMönches und der Nonne, und doch sind diese beiden wohlbehaltenin ihren Klöstern! Da wundern sich die, die sie im Gefängnisgesehen haben, gewaltig,und schließlich fragt man die Gefangenen,wer sie seien, da doch die, die man gefangengesetzt zu habenglaube, in ihren Klöstern seien. Da antworteten die Teufel : „Ihrhabt eben gar nicht jenen Mönch und jene Nonne, sondern unseingesperrt." Und damit verschwanden sie. So hat Maria inihrer Barmherzigkeit die beiden Ordensleute vor der Schmachbewahrt.87.Wie der Teufel einem Ritter diente.Es lebten einst zwei Zwillingsbrüder, von denen der eine dieSchule besuchte und Bischof wurde; der andere aber wurde einEitter und war ein solcher Übeltäter, daß er nur selten einem