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Tobias Gillen - Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

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Inhaltsverzeichnis1. Einleitung...............................................................................11.1 Fragestellung.............................................................................................................. 21.2 Gang der Argumentation, Operationalisierung...................................................... 41.3 Stand der Forschung ................................................................................................. 52. Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik.......................72.1 Gegenstand und Ziel der Bildungspolitik................................................................ 72.2 Funktionen des Bildungswesens ............................................................................... 92.3 Gliederung in Teilbereiche und Fokussierung...................................................... 102.4 Träger und formale Kompetenzen in der Schulpolitik ........................................ 112.4.1 Staatliche Institutionen ............................................................................................. 112.4.2 Weitere nationale Akteure ........................................................................................ 142.4.3 Internationale Einflüsse ............................................................................................ 153. Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen Systemder Bundesrepublik.............................................................173.1 Politikverflechtung zwischen Bund und Ländern in der Schulpolitik................ 173.2 Phasen der Entwicklung des Bildungsföderalismus 1945 - 2005......................... 183.2.1 Wiederaufbau, Vereinheitlichung und tastende Reformen: Etablierungsphase (1945-1963)......................................................................................................................... 183.2.2 Große Bildungspolitische Koalition: Aufschwung des Politikfeldes (1964-1969)... 203.2.3 Bildungseuphorie: Hochkonjunktur und Polarisierung (1969-1974)........................ 213.2.4 Bildungspolitische Resignation: Flaute (1974-1982) ............................................... 223.2.5 Bildungskrise und Rückzug des Bundes (1982-1987).............................................. 233.2.6 Neuorientierung und Wiedervereinigung (1987-1995)............................................. 233.2.7 Paradigmenwechsel und neuer Aufschwung (1995-2001) ....................................... 243.2.8 Der PISA-Schock, die zweite Hochkonjunktur und die schnelle Normalisierung(2001-2005) .............................................................................................................. 253.2.9 Die Föderalismusreform und weiterer Ausblick....................................................... 263.3 Die Institutionen der dritten Ebene und ihre Bedeutung..................................... 273.3.1 Koordinationsgremien: KMK und BLK................................................................... 283.3.2 Beratungsgremien..................................................................................................... 313.4 Zwischenbilanz: Schulpolitik im deutschen Föderalismus .................................. 334. Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik:Einflussnahme in engem Rahmen .....................................354.1 Der rechtliche Rahmen und das Beispiel nationaler Bildungsstandards............ 354.2 Finanzielle Anreize: die „goldenen Zügel“............................................................ 374.3 Weitere Möglichkeiten der Einflussnahme ........................................................... 394.3.1 Informierung am Beispiel der Bildungsreform nach PISA....................................... 404.3.2 Strukturierung am Beispiel „Schulen ans Netz e.V.“ ............................................... 414.4 Überblick über die Möglichkeiten.......................................................................... 43- I -


5. Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschenExekutive .............................................................................445.1 Das Bundesministerium und seine Möglichkeiten................................................ 465.1.1 Das Ministerium: Ressortkompetenz der Minister ................................................... 465.1.2 Das Bundesministerium und der Parteieneinfluss .................................................... 485.1.3 Die Minister und ihr politischer Einfluss und Werdegang ....................................... 515.2 Einflussnahme des Bundeskanzlers I: Analyse der Regierungserklärungen von1949-2005.................................................................................................................. 545.2.1 Grundlage der Analyse und Klassifikation der Erklärungen .................................... 555.2.2 Inhalt und Funktion der Regierungserklärungen ...................................................... 575.2.3 Regierungserklärungen und Schulpolitik.................................................................. 595.3 Einflussnahme des Bundeskanzlers II: vertiefende Analyse ............................... 625.3.1 Regierungserklärungen vor 1969.............................................................................. 635.3.2 Zwei Hochkonjunkturen im Vergleich: Brandt und Schröder .................................. 645.3.3 Uneindeutige Trends: Schmidt, Kohl, Merkel.......................................................... 675.4 Auswertung: Gesamtbild von Ministern und Kanzlern....................................... 706. Zur Föderalismusreform aus Sicht der Schulpolitik..........727. Resümee: Die Rolle des Bundes in der Schulpolitik ..........78Anhang . ..................................................................................82Tabellen- und Abbildungsverzeichnis................................................................................ 82Literaturverzeichnis ............................................................................................................83Organisationspläne des BMBF 2005 und 2006 ................................................................. 88Verpflichtende Erklärung der Selbständigkeit............... Fehler! Textmarke nicht definiert.- II -


1. Einleitung„Wie kleinmütig kommt angesichts dieser Ergebnisse [- gemeint sind diePISA-Ergebnisse (vgl. Deutsches PISA-Konsortium, 2002) -] doch derStreit einiger Ministerpräsidenten daher, wer warum im oberen oderunteren Drittel der Zweiten Liga platziert ist. Oder die so tun, als ginge siedas alles nichts an, weil sie eine viel zu geringe Zahl an Schülern in dieErste Liga haben bringen können. Sie übersehen dabei das Wesentliche,denn wir müssen uns ernsthafte Gedanken machen, ob sich der deutscheBildungsföderalismus nicht selbst zu Grabe getragen hat. DieKultusministerkonferenz hat sich ihr Zeugnis abgeholt: ihreGesamtleistungen sind schlecht, Versetzung ausgeschlossen. Was als"föderaler Wettbewerb" gepriesen wird, erweist sich im Licht derinnerdeutschen PISA - Ergebnisse als Länderegoismus auf dem Rücken derdeutschen Schüler.“Bundeskanzler Gerhard Schröder, 27.06.2002Die Ergebnisse der internationalen PISA-Studien („Programme for InternationalStudent Assessment“-Studien) haben ein Politikfeld in Bewegung gebracht, wie dieskeineswegs zu erwarten war. Bildungspolitik, genauer: Schulpolitik, geriet durch diePerzeption der Ergebnisse einer internationalen Schulleistungsvergleichsstudie in eineunvorhersehbare Phase der Hochkonjunktur. Die verkürzte, 2005 abgelaufene zweiteAmtszeit der Regierung Schröder verhieß, so zumindest im Wahlkampf 2002angekündigt, eine Schwerpunktsetzung in dem Bereich der Bildungspolitik.Mittlerweile ist, nach dem Aktionismus unmittelbar nach der Veröffentlichung derErgebnisse, die Bildungspolitik wieder in ruhigere Gewässer zurückgekehrt. ErsteAnalysen, ob dieser externe Schock die Struktur des Politikfeldes verändern konnte,sind nun möglich.Nach der Veröffentlichung der Ergebnisse des Bundesländervergleichs (DeutschesPISA-Konsortium, 2002) ergab sich hierfür ein window of opportunity, in dem dieRegierung Schröder versuchte, im Besonderen auf Kosten der Kultusministerkonferenz(KMK) ihre Kompetenzen zu erweitern, das einleitende Zitat belegt dies nachdrücklich.Diese Zielsetzung fand einen großen Rückhalt in der Bevölkerung, die die Leistungen- 1 -


Einleitungdes Föderalismus in der Bildungspolitik insbesondere seit PISA sehr skeptischbewertet. Belegbar ist einerseits, wie die relative Wichtigkeit des Verbesserungsbedarfsdes Schulsystems von 34% (Platz 4, perspektive deutschland 2001: 25) auf rund 75%(Platz 1, perspektive deutschland 2003/04: 42) gestiegen ist. Die zweijährigdurchgeführte Umfrage des Instituts für Schulentwicklungsforschung IFS bescheinigtnach ihrer 13. Repräsentativbefragung (2004) darüber hinaus, dass 76% derBundesbürger sich eine stärkere Rolle des Bundes in der Schulpolitik wünschen. DieReaktion der Bildungspolitik auf die PISA-Ergebnisse wird von rund 72% derBefragten als „eher schlecht“ bzw. „sehr schlecht“ bewertet (IFS-Umfrage 2004: 49).Aktuelle Brisanz bekommt dieses Thema zudem durch die jüngsten Entwicklungen imRahmen der Föderalismusreform, deren schwer zu prognostizierende Auswirkungendie bestehenden Strukturen maßgeblich verändern könnten.Obwohl die fachwissenschaftlichen Wurzeln dieser aktuellen Debatte noch vor diesenZeitraum zurück reichen, begründet sich die Motivation dieser Arbeit im Anspruch desRot-Grünen Projekts, in der Schulpolitik aktiv zu werden. Vor diesem Hintergrundstellt sich die Frage, welche Rolle der Bund in diesem „Kernbereich derEigenständigkeit der Länder“ (BVerfGE 6, 309, 346f.) einnehmen kann undeingenommen hat.1.1 FragestellungZiel dieser Arbeit ist es, eine möglichst umfassende Untersuchung der Möglichkeitenund der tatsächlichen Handlungen der Bundesebene in diesem Politikfelddurchzuführen. Die Motivation dieser Fragestellung ist einerseits durch die aktuellepolitische Relevanz gegeben, mehr noch aber durch die Analyse von Möglichkeiten derEinflussnahme im engen Kompetenzgeflecht der Bundesrepublik. Faktisch findet hierimmer wieder ein „Hineinregieren“ der Bundesebene in die Landeskompetenzen statt,dass sich sowohl am Rande der Vorgaben des Grundgesetzes, wie auch in juristischnicht eindeutig geklärten Verhältnissen zwischen Bundes- und Länderebene bewegt 1 .1 Nach Auffassung z.B. des Bundesrechnungshofes ist ein Investitionsprogramm, wie das prominentesteProjekt in diesem Politikfeld der letzten Jahre, nämlich das zum Ausbau der Ganztagsschulen, nicht mitdem zu diesem Zeitpunkt gültigen Grundgesetz rechtmässig gewesen. Der Rechnungshof moniert, dassder Bund über die Verwendung der Mittel keine adäquaten Kontrollmöglichkeiten besitzt. Vgl. z.B.http://www.welt.de/data/2006/05/09/884508.html?prx=1 (31.08.2006)- 2 -


EinleitungEs wird sich in dieser Arbeit herauskristallisieren, dass auf Bundesebene vor allem dieRolle der Regierung von Relevanz ist, das Parlament spielt hier nur eine sehruntergeordnete Rolle. Die zentrale Fragestellung dieser Untersuchung ist also, wie sichder Einfluss der Exekutiven des Bundes in diesem Politikfeld entwickelt hat, unterbesonderer Berücksichtigung der Zeit seit PISA 2000. Dabei wird die Untersuchungder Einflussmöglichkeiten und Funktionen des Bundesministeriums, sowie dieSchwerpunktsetzung der gesamten Regierung durch den Bundeskanzler, die zentralenAnsatzpunkte zur Klärung dieser Frage liefern.Speziell ergeben sich hieraus folgende Fragestellungen für die politische Wissenschaft,die diese Arbeit leiten werden; sie sollen im wechselseitigen Zusammenhang beantwortetwerden:- Welchen potentiellen Einfluss kann die Bundesregierung, und speziell dasBundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Bildungssektorausüben? Wie wurde der Spielraum bisher genutzt, und wie funktioniert dieZusammenarbeit mit den Ländern im Schulbereich aus Sicht derBundesregierung?- Welchen Stellenwert hat das Politikfeld im Rahmen der Exekutiven derBundesrepublik, und wie hat sich dieser seit 1949 entwickelt?- Konnte in diesem Fall eines stark verflochtenen Systems der Einfluss derbundesstaatlichen Exekutiven durch ein unvorhergesehenes Ereignis aufgewertetwerden, oder waren die bewahrenden Kräfte stärker?Hieraus ergibt sich auch eine Beantwortung der Frage, ob die Rot-GrüneBundesregierung ihren Anspruch umsetzen konnte, im Zuge der mittelmäßigen PISA-Ergebnisse ihre Kompetenzen auszuweiten – im Besonderen im Vergleich zu früherenRegierungen. Dabei zeigt sich, dass sich zwar die Grundausrichtung des Bildungssystemsim Laufe der letzten Jahre fundamental verändert hat, nicht jedoch, entgegenden Versuchen und Bekenntnissen, die Machtverhältnisse in der Bildungspolitik. DasPolitikerbe in diesem Feld, so lautet die These, ist ein so verflochtenes System, das eine„Katastrophe“, die viel öffentlichen Druck produzierte, mittelfristig nur wenigverändern konnte.Wie ein größerer Bundeseinfluss normativ einzuordnen ist, ist nicht Gegenstand dieserArbeit; vielmehr dominiert die empirisch-analytische Herangehensweise. Danebensind, um die eigene Position deutlich zu machen, aus meiner Sicht jedoch eindeutige- 3 -


EinleitungDefizite des Bildungsföderalismus an vielen Stellen erkennbar, angedeutet seien nur dieVergleichbarkeit der Abschlüsse, oder die mangelnde Durchlässigkeit der einzelnenSchulsysteme. Die Zusammenarbeit der Länder über die Kultusministerkonferenzscheint wenig effektiv. Zudem ist in diesem wichtigen Politikbereich an vielen Stellender Bedarf bundeseinheitlicher Regelungen offenkundig. Diese Arbeit belegt, dass derBund nicht über die institutionellen Möglichkeiten verfügt, diesem Bedarf gerecht zuwerden.1.2 Gang der Argumentation, OperationalisierungUm Ausgangsfragen zu beantworten, werden drei wesentliche Schritte zur Analysedieser policy unternommen. Die Argumentation geht dabei in folgenden Schritten vor:(1) Nach der Klärung der Grundvorrausetzungen wird ein Rückblick in die Phasender Entwicklung des deutschen Bildungsföderalismus gemacht, ausgehend vomEnde des zweiten Weltkrieges 1945. Dabei zeigt sich, dass das PolitikfeldSchulpolitik ein besonderer Fall im „kooperativen System“ des deutschenFöderalismus ist. Dies wird durch einen Längsschnitt über die Entwicklungenseit der Gründung der Bundesrepublik in mehreren Schritten dargestellt.(2) Im Anschluss daran werden die Möglichkeiten der Einflussnahme des Bundes –in diesem Bereich kann nicht direkt von Steuerung gesprochen werden –typologisiert und in ihrer Bedeutung bewertet.(3) Um danach den Stellenwert des Politikfeldes herauszufinden, wird methodischein neuer Ansatz verfolgt: hier geraten die Regierungserklärungen alserklärende Variablen in das Zentrum der Analyse. Aus ihnen lässt sich sowohldas Vorhaben der Regierung ableiten, als auch der Erfolg im Rahmen dereingeführten Chronologie einordnen. Daneben wird zusätzlich an dieser Stelleauch die Rolle der jeweiligen Minister untersucht. Zum Schluss wird mitausblickhaftem Charakter auch die neueste Entwicklung im Rahmen der Reformder bundesstaatlichen Ordnung aus der Sicht der Schulpolitik zusammengestellt.Die Bildungspolitik wird im Folgenden, wie im zweiten Kapitel begründet und im Titelangekündigt, auf den Teilaspekt der Schulpolitik reduziert. Diese Reduzierung wurdebisher so nicht vorgenommen, erscheint jedoch als sinnvoll: Die Kompetenzverteilungist hier, anders als in anderen Teilbereichen der Bildungspolitik, besonders durch die- 4 -


EinleitungKultushoheit der Länder dominiert. Dennoch kann nicht geleugnet werden, dass eineSchulpolitik der Bundesebene existiert. Dieser Bereich bildungspolitischer Steuerungsteht im Mittelpunkt der Analyse. Zunächst wird jedoch im zweiten Kapitel versucht,Inhalte und Einflussfaktoren des Politikfeldes insgesamt darzustellen. Dabei stellensich auch Fragen nach den Gegenständen von Bildungsprozessen, die hier allerdingsnur angedeutet werden. Sie zeigen von vorne herein den normativen Rahmen, in demsich die Schulpolitik permanent bewegt.Die genannte grobe Argumentationsstruktur behält insgesamt ihren Charakter alsLängsschnitt über die Geschichte der Bundesrepublik in weiten Teilen der Arbeit. DieMöglichkeiten der Einflussnahme, dargestellt in Kapitel 4, bilden hierbei eine bewussteAusnahme: sie typologisieren die in den letzten Jahren genutzten und als möglicherscheinenden Optionen bundesstaatlichen Handelns.Daneben finden im Konzept der Ermittlung der relativen Wichtigkeit des Politikfeldesdie handelnden Personen als solche besondere Beachtung. Die Rolle insbesondere derBundesminister des Bildungsressorts als auch der Regierungschefs mit ihrerRichtlinienkompetenz werden im fünften Kapitel eingehend untersucht und in Kenntnisvon Strukturen und Institutionen eingeordnet. Die dort gewonnenen Erkenntnisse –anhand einer Fallstudie präsentiert – bieten Raum für weitere Untersuchungen.Insbesondere der relative Stellenwert des Politikfeldes in Relation zu anderenPolitikfeldern als Vergleichsmöglichkeit muss im Rahmen dieser Untersuchungunberücksichtigt bleiben, könnte aber wichtige neue Erkenntnisse hervorbringen.1.3 Stand der ForschungDieser Beitrag zum politischen System der Bundesrepublik kreist um Fragen, die mitder föderalen Struktur zu tun haben. Neben der Föderalismusforschung spielen aberauch die Veröffentlichungen aus der Bildungsforschung eine wesentliche Rolle.Untersuchungen in diesem Rahmen sind stets sehr speziell auf eine bestimmteFragestellung zugeschnitten, daher ist trotz umfangreicher Literatur in beidenForschungsgebieten dieser konkrete Zusammenhang bisher noch nicht beleuchtetworden.Die Fragestellung ist deswegen in besonderer Weise von Interesse, weil die Grenzenfür Handlungen des Bundes so eng gesteckt sind. Trotzdem sind die Kompetenzen indiesem Bereich nicht eindeutig zwischen Bundes- und Länderebene getrennt. Eine- 5 -


Einleitungeindeutige Entflechtung, so lässt sich aus dieser Analyse ableiten, wird in diesemPolitikfeld jedoch auch die Reform der föderalen Ordnung nicht mit sich bringenkönnen. Vielmehr bewegt sich der Bund, auch durch indirekte Einflussnahme, weiterals Akteur in diesem Gebiet, ohne dass die Länder die Möglichkeit besitzen, dies zuverhindern.Während der Einfluss der Parteien auf die Bildungspolitik bereits Gegenstand vonUntersuchungen war (s. Stern 2000), bezieht sich diese Arbeit auf die Sicht derBundesregierung. Dabei spielen parteipolitische Argumente natürlich immer wiedereine Rolle, können aber die Prozesse der Schulpolitik nicht erklären, wenn nicht diejeweiligen Einflussmöglichkeiten der Institutionen berücksichtigt werden.Dieser Arbeit liegt als besonders wichtige Referenz die umfassende Darstellung vonCortina, Baumert, Leschinsky, Mayer und Thrommer (Hg.) „Das Bildungswesen inBundesrepublik Deutschland“ (2003) zugrunde. Daneben ist die weitere verwendeteLiteratur abhängig von den einzelnen Analyseschritten. Insgesamt ist die spezielleLiteraturlage aus politikwissenschaftlicher Sicht nicht besonders umfangreich, es sindjedoch in diesem Bereich verstärkte Aktivitäten seit der Veröffentlichung von „PISA2000“ (Deutsches PISA-Konsortium 2002 und 2003) eindeutig zu beobachten.- 6 -


2. Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik„Daß nun der Gesetzgeber vor allem für die Erziehung der Jugend sorgen muß, dürftewohl niemand bezweifeln“ (Aristoteles: 1337 a 11f.). Offensichtlich ist die Schulpolitikeine der zentralen Aufgaben des Staates. Schon seit der Antike ist sie bereits Bestandteilder Analyse der Staatstätigkeit, wie sich nicht nur durch Aristoteles, sondern auchdurch weitere überlieferte politische Schriften der Antike belegen lässt. Auch wennsich die Formen der Politik seit Aristoteles stark verändert haben, so sind die Aufgabendes Staates, die wir heute unter Bildungshoheit fassen, in den modernen Demokratienimmer noch zentral.Dabei ist „das Bildungswesen in seiner Form und seinen Inhalten weitgehend gestaltbaroder manipulierbar“ (Thränhardt 1990: 186) – die prinzipiellen staatlichen Einflussmöglichkeitenauf Inhalt und Struktur des Bildungswesens sind sehr groß. In derPolitikwissenschaft wird versucht, drei unterschiedliche Dimensionen des Politikbegriffs,policys, politys und politics, zu Analysezwecken zu differenzieren.Diese Unterteilung in Strukturen beziehungsweise Institutionen, Prozesse und Inhalteoder Entscheidungen ist nicht immer eindeutig möglich; vielmehr stehen natürlich alledrei Elemente in Wechselbeziehungen zueinander, insbesondere ist das Verhältnis vonInhalten und Prozessen von Bedeutung (vgl. Heinelt in Schubert u.a. 2003). DerSchwerpunkt dieser Arbeit wird auf einer Analyse der Akteure und Institutionen aufBundesebene, und in der relativen Bedeutung des Politikfeldes auf dieser Ebene liegen.Im Bereich der Schulpolitik werden die Prozesse und Akteure auch von spezifischeninhaltlichen Faktoren beeinflusst. Daher ist es notwendig, diese Einflussgrößen vorabin Augenschein zu nehmen. Die Definition und Abgrenzung des Politikfeldes bildet indiesem Sinne die Grundlage für die weitere Analyse.2.1 Gegenstand und Ziel der BildungspolitikBildungspolitik ist der Oberbegriff über alle Handlungen, der die gesamtgesellschaftlichverbindliche Gestaltung des Ausbildungswesens in den drei Dimensionen derPolitik beschreibt, so lautet eine Definition des Politikfeldes (Schmidt 2004: 86). Dabeibezieht sich der Begriff auf alle Maßnahmen der geplanten Bildung.Die Ziele der Bildungspolitik sind allgemein:1) in der nat. Enkulturation und Sozialisation junger Menschen,- 7 -


Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik2) in der Ausbildung von Fähigkeiten und Fertigkeiten,3) im Erwerb von Kompetenzen sowie in der Vorbereitung auf eine berufliche undgesellschaftl. Stellung,4) in der Vermittlung von Erkenntnismethoden und Formen der Eigentätigkeitsowie in Erfahrungen des sozialen Lebens,5) ferner in der Einübung von Loyalität und Kritik, Anpassung und Widerstand,Individualität und Solidarität, von Freiheit und Gleichheit, von öffentlichenTugenden, von Akzeptanz und Distanz usw.(Mickel in Nohlen 2001: 33)Es gibt offensichtlich Abhängigkeiten der Bildungspolitik von Entwicklungen imBildungswesen; Beispiele hierfür sind die Folgen der demografischen Entwicklungen,oder von gesellschaftlichen Trends, wie das sinkende Ansehen der Hauptschulen, dieebenfalls die Bildungspolitik beeinflussen können (Massing 2003: 31).Es ist nicht die Aufgabe dieser Arbeit, den zugrunde liegenden Bildungsbegriff zuanalysieren 2 ; jedoch ist es wichtig sich die normative Komponente zu vergegenwärtigen.Wenn Ziele von Bildungsprozessen definiert werden, so geschieht dies stetsin einem ideologischen Rahmen, welcher von einem Menschenbild gesteckt wird. EinBeispiel hierfür ist die für die Wiederbelebung der öffentlichen Debatte wichtige Rededes Bundespräsidenten Herzog (5.11.1997), in der er sechs erwünschte Eigenschafteneines Bildungssystems definiert, als deren erste er die Werteorientierung nennt (Herzog1997, s. auch Rutz 1997). Völlig anders hingegen argumentieren beispielsweisegegenwärtig die Forscher der OECD, die ihre Arbeiten im Bildungssektor aus derProblematik der „employability“ von Menschen heraus in das Zentrum ihrer Analysenstellen.Im Allgemeinen reicht das dem Bildungsbegriff zugrunde liegende Menschenbild inden westlichen Demokratien bis in das griechische Denken zurück (Arnold u.a. 1979:95) und ist heute durch den Neuhumanismus und die Aufklärung - speziell den Begriffdes mündigen Bürgers von Immanuel Kant - geprägt. Wesentliche Teile diesesMenschenbildes sowie des Bildungsbegriffs verwendet auch schon Jean-JacquesRousseau, der insbesondere mit seiner Forderung nach Loslösung der Bildung vonkirchlichem Einfluss den Weg für staatliche Bildungssysteme der Moderne öffnete. DieDiskussion um den Bildungsbegriff in der Theorie der Erziehung und der Schule kannnatürlich keineswegs als abgeschlossen gelten; sie stellt sowohl historisch als auch in2 Münch (2002) schlägt vor, den „problematischen Begriff“ durch den weniger vorbelastetenKompetenzbegriff zu ersetzen, der auch verstärkt in den neueren bildungspolitischen Dokumentenanzufinden ist. (Münch 2002: 21ff.)- 8 -


Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitikihrer interdisziplinären, geisteswissenschaftlichen Struktur die Vielfältigkeit undRelevanz dieser Grundfrage dar.2.2 Funktionen des BildungswesensDie Funktionen des Bildungswesens korrespondieren mit den Bildungszielen – undsind somit ebenso ideologisch belastet. Die Zuordnung von Bildungspolitik ist aufBundesebene schwierig; genauso wenig wie in der realen Politik ist die Verortung derSchulpolitik 3 in der Wissenschaft keineswegs eindeutig. Teilweise wird das Bildungswesenals Aufgabe der Sozialpolitik (z.B. in Beyme u.a. 1990), teilweise als Zukunftssicherungspolitik4 , oder auch als Standortpolitik gedeutet. Daraus resultiert naheliegender Weise, dass der Konkurrenzdruck um Ressourcen besonders groß ist. DerSpagat zwischen Zukunftssicherungspolitik, im Besonderen im Rahmen derökonomisch geprägten Diskussion um Humankapital, und sozialpolitischenVorstellungen im Rahmen der Gerechtigkeitsvorstellungen ist traditionell die zentraleKonfliktlinie, wenn es um die Angelegenheiten des Schulwesens geht.Die Aufgaben des Bildungswesens lassen sich in vier Bereiche unterteilen (nachMassing 2003: 31, Arnold u.a. 1979: 97ff.):1.) Schulpolitik formuliert, gestaltet, steuert und kontrolliert den spezifischenpädagogischen Auftrag des Staates2.) Bildungspolitik versucht die Beziehung zwischen Bildungssystem undBeschäftigungssystem zu regulieren und aufeinander abzustimmen.Ideologisch sehr stark beladen ist die damit zusammenhängende Frage nachder „Vorverteilung“ gesellschaftlicher Positionen im Rahmen einer Selektionsfunktion.3.) Schulpolitik vermittelt die in der Gesellschaft geltenden politischen Wert- undGerechtigkeitsvorstellungen (Integrationsfunktion). Dazu zählt insbesondereauch der Auftrag der politischen Bildung.3 Eine Abgrenzung der Terme Schulpolitik und Bildungspolitik s. Abschnitt 2.3 .4 Nach den Absprachen über die Ressortverteilung zwischen CDU/CSU und SPD nach derBundestagswahl 2005 äußerten sich Mitglieder der SPD (insbesondere die „Netzwerker“) spezielldarüber enttäuscht, keine Ressorts dieses Politikbereichs - verstanden als Sammelbegriff für Teile derWirtschaftspolitik, Umweltpolitik, Forschungspolitik, Atompolitik, Verbraucherschutzpolitik,Familienpolitik und Bildungspolitik - in der neuen Regierung zu bekleiden (vgl. z.B. Robert Roßmann(SZ, 10.10.2006): Angela Merkel wird Kanzlerin).- 9 -


Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik4.) Die drei anderen Teilbereiche implizieren eine Qualifikationsfunktion derstaatlichen Schulpolitik, die auch als eigenständige Aufgabe gewertet werdenkann.Massing folgert hieraus zusammenfassend, dass Bildungspolitik „demnach einkomplexer, politischer, ideologischer, in hohem Maße konsensabhängiger, sozialer undorganisatorischer Prozess“ (2003: 31f.) sei.Ein weiterer wesentlicher Gegenstand der staatlichen Schulpolitik ist darüber hinausdie Herstellung der nationalen wie internationalen Vergleichbarkeit, insbesondere derAbschlüsse. Dies spielt durch den wachsenden Einfluss der Europäischen Union,beispielsweise bei der Freizügigkeit der Arbeitskräfte, eine zunehmend wichtige Rolle.Auf der innerstaatlichen Ebene ist dies eine der zentralen Aufgaben, die Koordinationüber die Ländergrenzen hinweg bedürfen. Die Gewährleistung der Mobilität ist eine derwichtigen inhaltlichen Klammern der Schulpolitik - neben dem Auftrag desGrundgesetzes, ein gewisses Maß an Einheitlichkeit herzustellen, beziehungsweise zubewahren. Hieraus resultiert ein Handlungskorridor, in dem sich die Schulpolitiknotwendigerweise bewegt.2.3 Gliederung in Teilbereiche und FokussierungBildungspolitik ist an definierbare Umsetzungsebenen gebunden. Diese stellen dieunterste Ebene des Politikfeldes dar; hier kommen die Bürger mit den Entscheidungenin Berührung. Nach Schmidt (2004: 86) gibt es sechs Teilbereiche derbildungspolitischen Steuerung 5 :1) Elementar- und Vorschulbereich (nicht der Schulpflicht unterliegend)2) Primarbereich (Schuljahr 1 bis 4 der Grund- und Sonderschulen)3) Sekundarbereichs I (5. bis 10. Schuljahr in der Regel an Haupt-, Real-,Gesamtschulen oder Gymnasien)4) Sekundarbereich II (Oberstufe, also Schuljahre 11. bis 13. an Gymnasien undberufsbildenden Schulen)5) Tertiärbereich (Hochschulen in allen Formen, sowie Seminare undBerufsakademien)5 Auch im Bericht über das „Bildungswesen in Bundesrepublik Deutschland“ des Max-Planck-Institutsfür Bildungsforschung (Cortina u.a. 2003) werden diese Teilbereiche getrennt dargestellt. Allerdingswird hier der Sekundarbereich II der Gymnasien nicht vom Sekundarbereich I getrennt, sondern dieSekundarstufe II nur im Sinne der beruflichen Bildung behandelt.- 10 -


Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik6) quartären Bereich der Aus- und Weiterbildung für Jugendliche und Erwachsene.Einem erweiterten Begriff von Bildungspolitik können noch weitere bildungs- undkulturpolitische Zuständigkeiten zugeordnet werden. Hierzu zählen Aufgaben wieMuseen, Denkmalpflege, Bibliotheken, Teile der Kulturpolitik, aber auchIntegrationspolitik, Aufklärungskampagnen, Bildungsentwicklungshilfe bis hin zuStädtepartnerschaften (vgl. Fuchs u.a. 2000: 38ff.).Drei der genannten Teilbereiche der Bildungspolitik lassen sich sinnvollzusammenfassen: die Bereiche, die mit der Institution Schule verknüpft sind, also derPrimarbereich und die Sekundarbereiche I und II. Diese sollen - ohne das beruflicheBildungswesen - im Zentrum dieser Betrachtung stehen. Diese Einschränkung derBildungspolitik auf die Schulpolitik ist für diese Analyse leitend; sofern nicht expliziterwähnt, bezieht sich der Begriff Bildungspolitik stets auf den Teilbereich derSchulpolitik. Die anderen drei Bereiche, sowie die genannten weiteren Aufgabenunterscheiden sich so fundamental aus Sicht der Politikwissenschaft, dass sie nur sehrverallgemeinernd dem gleichen Politikfeld zugeordnet werden können: Die Prozesse,Strukturen und Inhalte zwischen der Schulpolitik und den anderen Bereichen derBildungspolitik unterscheiden sich in der Bundesrepublik wesentlich.2.4 Träger und formale Kompetenzen in der SchulpolitikNachdem die inhaltlichen Bestandteile der Schulpolitik eingegrenzt wurden, stellt sichdie Frage der Träger und Akteure in diesem Bereich. Dominiert wird das Politikfeld inder Bundesrepublik von staatlichen Akteuren und Institutionen, aber selbstverständlichsind auch die nichtstaatlichen Akteure, die teilweise auch als private Träger auftreten,von Bedeutung.2.4.1 Staatliche InstitutionenDie staatlichen Institutionen der Schulpolitik sind, in dieser ersten Charakterisierungdes Feldes, auf allen drei Verwaltungsebenen, also bei Bund, Länder und Kommunenangesiedelt. Diese beeinflussen mit Parlamenten und Ausschüssen, Regierungen,Ministerien und Verwaltungen, intermediären Institutionen und Verwaltungs- undVerfassungsgerichten bildungspolitische Entscheidungen (Fuchs u.a. 2000: 33). Dabeiwidmet sich diese Arbeit insbesondere dem Zusammenspiel der Institutionen oberhalb- 11 -


Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitik2.4.2 Weitere nationale AkteureUm die ganze Breite des Politikfeldes zu erfassen, sind hier auch die beteiligtengesellschaftlichen Kräfte - einschließlich der betroffenen Verbände - aufzuführen, dieEinfluss auf die Schulpolitik ausüben können. Eine zentrale Rolle kommt dabeinatürlich den Parteien 7 sowie den Massenmedien zu. Beide können sehr einflussreichsein. Besondere Wichtigkeit in diesem speziellen Politikbereich haben darüber hinausfolgende politikfeldspezifischen Akteure:1. Kirchen und Religionsgemeinschaften, insbesondere die evangelische undkatholische Kirche, deren Einfluss im deutschen Schulsystem besonders großist. Neben dem Religionsunterricht (GG, Art. 7 Abs. 3) haben sie zusätzlichBedeutung als der größte Träger nichtstaatlicher Schulen.2. Politikfeldnahe Forschungseinrichtungen (insbesondere das Deutsche Institutfür Internationale Pädagogische Forschung [DIPF], das Max-Planck-Institut fürBildungsforschung [MPIB], das Institut für Schulentwicklungsforschung [IFS]).3. Lehrer sowie die Berufs- und Fachverbände der im BildungswesenBeschäftigten (insbesondere Deutscher Gewerkschaftsbund [DGB],Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft [GEW], Deutscher Lehrerverband[DL], Verband Bildung und Erziehung [VBE], Deutsche Angestellten-Gewerkschaft [DAG], Philologenverband [DPhV], auch die DeutscheGesellschaft für Erziehungswissenschaft [DGfE] und die Deutsche Gesellschaftfür Bildungsverwaltung [DGBV]).4. Kammern von Industrie, Handel, Handwerk und freien Berufen.5. Verbände von Wirtschaft, Industrie, Handel und Handwerk und ihreverbandsnahen Organisationen.6. Eltern und Schüler sowie Eltern- und Schülerverbände.7. Stiftungen, insbesondere auch Parteistiftungen 8 .Die gesellschaftliche Verankerung in diesem Politikfeld ist sehr tief greifend. Einerseitsist der Kreis der unmittelbar und mittelbar Betroffenen, also der Schüler, Eltern undLehrer sehr groß, andererseits ist jedem Menschen der Sinn und die Bedeutung desPolitikfeldes einleuchtend, denn jeder Mensch hatte über die Schulpflicht Kontakt mit7 Zum Einfluss der Parteien auf das Bildungssystem vgl. insbesondere Stern 2000 bzw. Reuter u.a. 1980.8 S. hierzu insbesondere den Beitrag von Michael Buse 2004, der von einem „Stiftungskonsortium“,bestehend aus Bertelsmann Stiftung, Konrad-Adenauer-Stiftung, Stiftung Marktwirtschaft sowie derFriedrich-Naumann-Stiftung gemeinsam herausgegeben wurde.- 14 -


Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitikdieser Institution. Trotzdem ist der Einfluss der Verbände und Interessengruppen nichtsehr stark ausgeprägt – und die Wählerstimmenmacht ist ebenfalls als eher geringeinzuschätzen, wie im Zuge neuerer Forschung herausgefunden werden konnte(Schmidt 2003: 11).2.4.3 Internationale EinflüsseAuch in diesem Politikfeld macht sich der Einfluss der stetig wachsendeninternationalen Verflechtungsstruktur bemerkbar. Die internationalen Strukturen sindvielfältig; exemplarisch seien die Europäische Erziehungsministerkonferenz, dieEuropäische Union und auch die OECD genannt, die als die wesentlichen Akteure inder Bildungspolitik außerhalb der Nationalstaaten zu werten sind.Die „Ständige Konferenz der europäischen Erziehungsminister“ (EEMK) ist einbereits seit 1959 existierendes Gremium des Europarats. Bis 2003 tagte die Konferenz21-mal, die Bundesrepublik wird hier direkt durch einen Vertreter derKultusministerkonferenz der Länder repräsentiert (Hölzl 1997: 1f.). Die Empfehlungendes Rats konzentrieren sich stark auf kulturellen Austausch, eigene Beschlüsse kanndas Gremium nicht fassen. Inhaltlich geht es in der EEMK insbesondere um dieerweiterte Perspektive, die durch die Mitglieder des Rats völlig anders ist als die derEuropäischen Union.Die Europäische Union ist im Gegenzug wesentlich stärker in die nationaleBildungspolitik involviert. Auch wenn im Schulbereich der Einfluss, anders als imHochschulsektor, noch nicht sehr entfaltet ist, so sind die Absichten einer wachsendenZusammenarbeit unverkennbar. Dies ergibt sich auch aus dem entsprechenden Teil desVerfassungsvertrages:Die Union trägt zur Entwicklung einer qualitativ hoch stehenden Bildungdadurch bei, dass sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördertund die Tätigkeit der Mitgliedstaaten erforderlichenfalls unterstützt undergänzt. Sie achtet dabei strikt die Verantwortung der Mitgliedstaaten für dieLehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie die Vielfalt ihrerKulturen und Sprachen.(EU-Verfassung, Artikel III-282 Abs. 1)Die Formulierung, die Tätigkeiten „erforderlichenfalls“ zu unterstützen und zuergänzen, würde weitreichende Möglichkeiten für die Europäische Union schaffen,trotz der danach angeführten Einschränkung. Dabei werden die konkreteren Ziele- 15 -


Der Untersuchungsgegenstand: Schulpolitikjedoch nur durch Fördermaßnahmen unterstützt, eine Harmonisierung derRechtsvorschriften wird explizit ausgeschlossen (ebd., Abs. 3a).In der bisherigen Struktur der EU und dem derzeitig gültigen EG-Vertrag (EG-Vertrag2002: Art. 149, 150) findet sich eine nahezu identische Formulierung. Jedoch übt dieGemeinschaft nicht nur durch ihre Organe unmittelbar Einfluss auf die Bildungspolitikaus, sondern „mindestens gleichrangig“ (Leschinsky in Cortina u.a. 2003: 158) auchdurch Bildungsprogramme, die in ihrem Finanzvolumen alle anderen Programmeähnlicher Art „weit in den Schatten“ (ebd.) stellen, genannt sei für den Schulsektor dasComenius Programm. Darüber hinaus ist der Einfluss des Europäischen Gerichtshofsfür die europäische Bildungspolitik nicht zu überschätzen. Seine Interpretationen, dieinsbesondere im Rahmen der Freizügigkeit zum Motor der Angleichungen imBildungssektor wurden, gehen über die Lenkung durch Finanzierung hinaus (Schröder1990: 118, vgl. auch Leschinsky in Cortina u.a. 2003: 157).Neben diesen europäischen Perspektiven können aber auch andere internationaleOrganisationen Bedeutung für die Bildungspolitik erlangen. Als ein prominentesBeispiel kann die OECD interpretiert werden. Nach Darstellung von Prof. Dr.Schleicher, dem weltweiten PISA-Koordinator, kam die Initiative zur Durchführungeines internationalen Schülerleistungsvergleichs aus den Reihen der OECD 9 . Damit hatdie OECD den beobachtenden Posten der reinen Datenerhebung im Bildungssektorverlassen, denn mit PISA hat sie sich auch auf die inhaltliche Ebene des Schulwesensbegeben: man hat die Art des Tests vorgegeben. Natürlich haben jeweils die einzelnenMitgliedstaaten durch den Beschluss der Teilnahme an diesem Test die endgültigeEntscheidung getroffen, dennoch ging ein wesentlicher Impuls für diese neueOrientierung und Öffnung der Bildungspolitik von der internationalen Ebene aus.Diese Skizze internationaler Einflussgrößen auf die Schulpolitik dient nicht derumfassenden Klärung. Vielmehr wurde ein Blick auf die internationalen Hintergründenationaler Schulpolitik geworfen, deren Bedeutung in den letzten Jahren gewachsen ist.Damit ist nun der Bereich der Träger der Schulpolitik umrissen, der die Komplexitätdes Politikfeldes und die Verflechtungen verschiedenster Richtungen verdeutlicht.9 Schilderung in der Antrittsvorlesung als Honorarprofessor am Institut für Bildungswissenschaft derUniversität <strong>Heidelberg</strong>, Mai 2006.- 16 -


3. Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalenSystem der BundesrepublikDas Politikfeld ist in seiner institutionellen Ausgestaltung wie kein anderes durch dieföderale Struktur der Bundesrepublik geprägt: bereits 1957 entschied dasBundesverfassungsgericht, dass die „Kulturhoheit, besonders aber die Hoheit auf demGebiete des Schulwesens, das Kernstück der Eigenstaatlichkeit der Länder ist“(BVerfGE 6, 309, 346f.). Ebenso ist bemerkenswert, dass sich die Kultusministerkonferenzder Länder bereits 1948, also schon vor der Gründung der Bundesrepublik,als Koordinationsgremium etablieren konnte. Um die heutigen Gegebenheiten in derBildungspolitik nachvollziehen zu können, ist ein historischer Überblick über diePhasen der Entwicklung notwendig, ebenso wie Analyse der über die Ländergrenzenhinausgehenden Institutionen und ihrer Aufgaben. 103.1 Politikverflechtung zwischen Bund und Ländern in derSchulpolitikWie angedeutet, ist die Bildungspolitik geprägt durch den Staatsaufbau derBundesrepublik, wobei die Entscheidungen sowohl von horizontaler wie auchvertikaler Koordination abhängen, also im Sinne von Scharpf „verflochten“ sind. Zwarsind formal Alleingänge einzelner Länder möglich und im Rahmen von Pilotprojektenwird hiervon auch Gebrauch gemacht, trotzdem besitzt - insbesondere über dieKMK - die horizontale Verflechtung große Bedeutung.Aus Sicht des Bundes, mit seinen begrenzten direkten Kompetenzen im Bereich derSchulpolitik, liefert die verflochtene Struktur immer wieder Möglichkeiten, sich zubeteiligen. Diese Möglichkeiten werden in den Kapiteln 4 und 5 näher beleuchtet;wichtig für die Darstellung der Entwicklung ist, die Interdependenz zwischen Länder-und Bundesebene zu betonen. Die Entwicklung des Politikfeldes auf nationaler Ebeneist nur nachvollziehbar, wenn man diese Verflechtungsstrukturen berücksichtigt. Dazugehört auch die Anmerkung, dass der Föderalismus in Deutschland darüber hinausnoch zwei weitere zentrale Merkmale aufweist, die für das Verstehen der Entwicklung10 Auf eine Darstellung der Entwicklung des Bildungswesens in der DDR wird – insbesondere auf Grundder Struktur der Wiedervereinigung als Beitritt zum Bundesgebiet - verzichtet. Eine Gegenüberstellungder Entwicklungen findet sich in Anweiler u.a. (1992: 14ff., 32ff.).- 17 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der BundesrepublikRelevanz besitzen: Seine Entwicklung ist zunächst durch Pfadabhängigkeit imEntstehungsprozess geprägt, dem folgt ein ausgeprägter „Unitarisierungsdrang“ (vgl.Hesse 1962). Dieser wird ab den frühen siebziger Jahren durch kooperative Elementeund Politikverflechtung abgelöst (Scharpf 2005). Dabei zeichnet der deutscheFöderalismus auch durch eine besondere Exekutivlastigkeit aus. Diese Grundstrukturbestätigt sich, wenn man die Entwicklung im Bereich der Schulpolitik im Detailbetrachtet.3.2 Phasen der Entwicklung des Bildungsföderalismus1945 - 2005In der Literatur sind die Entwicklungsphasen des Bildungswesens und Bildungspolitikin der Bundesrepublik nicht eindeutig. Massing (2003: 11ff.) führt insgesamt zehnPhasen der Entwicklung (1945-2002) auf, Thränhardt (1990: 188ff.) hingegen unterteiltden Zeitraum von 1945 bis 1987 in lediglich vier Phasen. Aufgrund der Struktur desPolitikfeldes hängen diese Phasen nicht zwangsläufig mit den Regierungsmehrheitenauf Bundesebene zusammen. Sie sind stark durch teilweise regierungswechselübergreifendeKonjunkturen des politischen Stellenwerts der Schulpolitikcharakterisiert.Es erscheint als sinnvoll, die Phaseneinteilung dem Analyseschwerpunkt anzupassen.Hauptsache ist daher auch in diesem Teilbereich die Rolle des Bundes in derEntwicklung des Politikfeldes und die Frage, woher die Anstöße zu neuen Phasenkamen. Deswegen wird die Entwicklung vor 1963 zu einem Block zusammengefasst,da in diesem Zeitraum die Verflechtung zwischen Bund und Ländern nur in sehrgeringem Maß bestand; diese Phase bildet die Grundlage der Steuerung derSchulpolitik. Im Weiteren (1963 - 2001) wird maßgeblich die detaillierte EinteilungMassings verfolgt, und diese Struktur mit den letzten beiden Abschnitten auf den Standim Jahr 2006 gebracht. Insgesamt unterteilt sich die Entwicklung nach dieserEinteilung in acht Abschnitte und einen vorläufigen Ausblick.3.2.1 Wiederaufbau, Vereinheitlichung und tastendeReformen: Etablierungsphase (1945-1963)Die Etablierungsphase des heutigen Bildungswesens sowie der sie steuernden Politikbeginnt unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg, jedoch mit unterschiedlichemCharakter in den vier Besatzungszonen. In den drei Westzonen konnten insbesondere- 18 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublikder starke Einfluss der Kirchen sowie die konservativen Kräfte eine wirklicheNeustrukturierung des Schulsystems verhindern: die Schulsysteme hier sind somitweiter stark traditionell geprägt. Die Sowjetische Umerziehungspolitik war weitgehendvom Konsens, vor allem unter den deutschen Sozialisten, und der reibungslosenZusammenarbeit der Behörden geprägt. In der SBZ war ein Boden für eineNeuorientierung des Schulsystems an den Werten der Gleichheit, Einheitlichkeit undSäkularität bereitet, der auch von der reformpädagogischen Bewegung getragen wurde(Massing 2003: 12).Anders stellte sich die Situation im Westen dar: Insbesondere die bayrischeStaatsregierung wehrte sich vehement gegen eine von der US-Militärregierungangestrebte egalitäre Reform des traditionellen Klassenschulsystems (Thron 1972:111f.). So konnten zwar kleine Reformschritte unternommen werden, wiebeispielsweise die Einführung der Schülermitverwaltung oder des FachesGemeinschaftskunde; die angestrebte grundlegende Neuordnung war jedoch nicht ohneoffenen Konflikt mit Kirche und Konservativen möglich. Vor dem Hintergrund desOst-West-Konflikts scheuten die Westalliierten allerdings eine offene Auseinadersetzung.Zusammenfassend lässt sich konstatieren: „das Scheitern der Re-education-Politik […] ermöglichte die weitgehende Restauration des traditionellen dreigliedrigenSchulsystems.“ (Massing 2003: 15) 11Bereits im Februar 1948 kam es zu einem ersten Treffen der Kultusminister der Länder:die KMK (damals: die Konferenz Deutscher Erziehungsminister) versuchte vor allem,die Notlagen der Bevölkerung, insbesondere der Schüler, zu bewältigen (Anweiler u.a.1992: 75). Im Juni 1948, nach der Währungsreform und ohne die Erziehungsministerder SBZ, beschloss das Gremium, eine Ständige Ministerkonferenz mit gemeinsamemSekretariat zu gründen (Leschinsky in Cortina u.a. 2003: 161; vgl. Kap. 3.3.1). Diesstellte natürlich auch Weichen für die zukünftige Struktur der Bundesrepublik.In den ersten Jahren nach der Gründung der Bundesrepublik führte ein Erstarken derUnionsparteien – vor allem in den vormals britischen Besatzungszonen - dazu, dass diepartiellen Veränderungen wieder zurückgenommen wurden. Dies betraf insbesondereReformansätze, die eine spätere Auslese der Schüler durch verlängerteGrundschulzeiten eingeführt hatten. Einerseits wurde dieser Politikwechsel inLandtagswahlkämpfen ideologisch unterstützt, andererseits - bereits damals - über das11 Vgl. speziell zur Bildungspolitik der amerikanischen Militärregierung Thron 1972.- 19 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der BundesrepublikArgument einer „notwendigen Vereinheitlichung“ im politischen Prozess durchgesetzt.Die Öffentlichkeit forderte auch damals ein größeres Maß nationaler Einheitlichkeit,auf den die Politik mit der Gründung des Deutschen Ausschuss für das Erziehungs- undBildungswesen 1953 reagierte (Vgl. Kap. 3.3.2).Der Trend zur Vereinheitlichung verstärkte sich Mitte der fünfziger Jahre im DüsseldorferAbkommen der KMK. Hiermit wurde die Dreigliederigkeit des Schulwesensendgültig festgeschrieben, man einigte sich auch auf die Schuljahresdauer, dasBewertungssystem, die Schultypen, die Fächer sowie die Abschlüsse (Massing 2003:17, Thränhardt 1990: 189). Zwar stand die Phase weiter unter dem christdemokratischgeprägten Motto „keine Experimente“, führte aber aufgrund des wachsenden Bedarfsan qualifizierten Arbeitnehmern zur Abschaffung des Schulgeldes.In dieser Phase etablierten sich auf Bundesebene zunächst Wissenschaft undForschung, auch beeinflusst durch externe Ereignisse wie den Sputnik-Schock (1957)als eigenständige Politikfelder, flankiert durch die Gründung des Wissenschaftsrates1957. Ebenfalls 1957 wurde die Länderhoheit in der Schulpolitik durch das bereitszitierte Konkordatsurteil des Bundesverfassungsgerichts gestärkt (BVerfGE 6, 309).3.2.2 Große Bildungspolitische Koalition: Aufschwung desPolitikfeldes (1964-1969)Der Aufschwung des Politikfeldes auf bundespolitischer Ebene ist stark mit zweiVeröffentlichungen verbunden. Georg Pichts Artikelserie über die „deutscheBildungskatastrophe“ (Picht 1964) sowie Ralf Dahrendorfs Schriften unter dem Titel„Bildung ist Bürgerrecht“ (Dahrendorf 1965) führten einerseits zu einerPopularisierung des Politikfeldes, andererseits auch zu einer ersten wissenschaftlichenAuseinandersetzung mit den Auswirkungen des Bildungswesens. Dabei wurde durchdie sich entwickelnde empirische Bildungsforschung (Hearnden 1977: 136ff.)insbesondere publik, welche Ungleichheiten das Bildungssystem hauptsächlich inländlichen Regionen produzierte („Katholische Bildungsdefizit“; Thränhardt 1990:192ff.).Bereits 1964 unternahm die KMK erste Schritte als Reaktion: das „HamburgerAbkommen“, welches das „Düsseldorfer Abkommen“ ablöste, führte zu einerVereinheitlichung der Dauer der Bildungsgänge und setzte im Sinne derDurchlässigkeit der Schultypen auf Vorgaben zum Fremdsprachenerwerb (Hearden1977: 142f.). Der Drang zu einer weiteren Unitarisierung des Politikfeldes führte 1965- 20 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublikdazu, dass auf das Aufleben der öffentliche Diskussion mit der Gründung einerweiteren Institution reagiert wurde: der „Deutsche Bildungsrat“ löste den „DeutschenAusschuss“ ab. Die neue Körperschaft war die erste im Bildungssektor, in der sich derBund erstmals als Akteur der Bildungspolitik engagieren konnte (vgl. Kap. 3.3.2).Insgesamt war die Position der KMK geprägt durch „vorsichtigen Pragmatismus“(Hearnden 1977: 196).In der folgenden Zeit der großen Koalition im Bund gewannen auch im Bildungssektorübergreifende Ziele an Bedeutung. Der breite bildungspolitische Konsens basierte aufder Erkenntnis, dass „die Bildungspolitik […] den zentralen Beitrag zumwirtschaftlichen Wachstum und zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaftleisten“ würde (Massing 2003: 20, vgl. auch Hüfner u.a. 1986: 202). Hinzu kam, dassnach Abschaffung der Konfessionsschule in Bayern auch dieser ständige Konfliktzwischen den Parteien gelöst werden konnte (Thränhardt 1990: 194f.). Ergebnis diesesKonsenses war zudem, dass der Bund durch die Verfassungsänderungen von 1969 auchformalen Einfluss, vor allem in der Hochschulpolitik erreichte. Entscheidend für dieSchulpolitik wurden die Änderungen von Art. 74, 75 GG, sowie die Einführung vonArt. 91a, 91b GG durch das Finanzreformgesetz.3.2.3 Bildungseuphorie: Hochkonjunktur und Polarisierung(1969-1974)Die erwähnten Verfassungsänderungen bildeten die Grundlage für die RegierungBrandt, sich nach dem Machtwechsel 1969 verstärkt im Bildungsbereich zu engagieren.Die neue sozialliberale Koalition hatte sich tief greifende gesellschaftliche Reformenvorgenommen, zu denen auch schulpolitische Maßnahmen zählten.Zunächst legte der Deutsche Bildungsrat den „Strukturplan für das Bildungswesen“vor. Bereits am 12. Juni 1970 veröffentlichte der erste Bundesminister im neugeschaffenen Ressort für Bildung und Wissenschaft, Leussink, den Bildungsbericht derBundesregierung (BMBW 1970). Dieser Meilenstein in der Entwicklung desPolitikfeldes beinhaltete zwölf konkrete Zielvorstellungen, die unter anderem denAusbau des Gesamtschulwesens oder auch die Länge der Schulzeiten und dasEinschulungsalter betrafen (ebd., vgl. auch Hüfner u.a. 1986: 57f.). DieBundesregierung deutete den Bericht, der unabhängig und ohne Absprache mit denLändern – und auch ohne Rücksicht auf politische Durchsetzungs-- 21 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublikmöglichkeiten - entwickelt worden war, als einen Beitrag zur gemeinsamen Bildungsplanungnach Art. 91b GG (Hüfner 1986: 58).Ebenfalls im Juni 1970 wurde auf Grundlage dieses Artikels die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung (BLK) per Verwaltungsabkommen zwischen Bundund Ländern geschaffen. Somit wurde die bis heute existierende institutionelleKonstellation vollständig etabliert.Aus der Diskussion um das Gesamtschulwesen entwickelte sich eine heftige parteipolitischeAuseinandersetzung, die zwischen Sozialdemokraten und Konservativenerbittert geführt wurde. Auch über die Inhalte, beispielsweise des Gemeinschaftskunde-Unterrichts debattierte man – wenn auch nicht auf Bundesebene – erregt. Danebenwurde jedoch schon 1973 durch die Veröffentlichung des ersten Bildungsgesamtplansdurch die BLK „das zentrale Merkmal erkennbar, das die Bildungspolitik in denfolgenden Jahren prägte: die Dominanz der Finanzpolitik über die Bildungspolitik“(Massing 2003: 22).3.2.4 Bildungspolitische Resignation: Flaute (1974-1982)Ab dem Beginn der Amtszeit von Bundeskanzler Schmidt stand die gesamteRegierungspolitik unter dem Zeichen, den der Ölpreisschock 1973 bereits vorgegebenhatte: die Krise der öffentlichen Haushalte dominierte die Politik; die Schulpolitikgeriet aus dem Fokus der öffentlichen Diskussion, Resignation machte sich in diesemPolitikbereich breit.Im Februar 1976 veröffentlichte das BMBW eine „Bildungspoltische Zwischenbilanz“,die sich mit der Umsetzung der Ziele des Bildungsberichts `70 befasste (BMBW 1976).Dieser fiel eher ernüchternd aus, und stellte die Kompetenzverteilung und dasFunktionieren der KMK in Frage. Gefordert wurde, dass die Beschlüsse der BLK nichtnur als Absichtserklärungen zu werten seien. Die zentralen Entscheidungen derBildungsplanung sollten als Richtlinien auf der Ebene der Regierungschefs von Bundund Ländern fallen (ebd.: 10).Die Regierung Schmidt verstärkte ihre Anstrengungen Ende der 1970er im Bereich derberuflichen Bildung und der Entwicklung des ersten Hochschulrahmengesetzes (1976);die Bedeutung der Schulpolitik hingegen nahm deutlich ab. Die Resignation ist auch imZusammenhang mit der tiefen gesellschafts- und bildungspolitischen Spaltung zuerklären, die sich seit dem Mängelbericht (BMBW 1978) noch vertieft hatte. WeiteTeile der angestrebten Reformvorhaben, die der Bund insbesondere unter der- 22 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der BundesrepublikRegierung Brandt formuliert hatte, wurden nicht so umgesetzt, wie es von denPlanungsinstanzen intendiert war.3.2.5 Bildungskrise und Rückzug des Bundes (1982-1987)Die Schulpolitik des Bundes nach dem Machtwechsel in Bonn ist schwer zubeschreiben; nur sehr wenige Handlungen, Konzepte oder Ergebnisse sindauszumachen. Offensichtlich hat der Bund sich zurückgezogen, und auch die BLKentwickelte sich von der Instanz, die den Gesamtplan erstellt oder fortschreibt, zueinem „Gremium des informellen Austauschs“ (Massing 2003: 24). Der Trend zurUnitarisierung schien sich umzukehren: der Bund kürzte seine Ausgaben imBildungsetat, insbesondere beim BAföG. Zusätzlich gab die Regierung KohlKompetenzen an die Länder, wie beispielsweise für die berufliche Bildung und dasSchüler-BAföG, ab. Insgesamt, so lässt sich bilanzieren, beschränkten sich Bund undLänder in diesem Zeitraum auf „symbolische Bildungspolitik“ (Massing 2003: 25);diese Phase kann eindeutig als der bisherige Tiefpunkt des Bundesengagements in derBildungspolitik der Bundesrepublik interpretiert werden.3.2.6 Neuorientierung und Wiedervereinigung (1987-1995)Nach der Bundestagswahl 1987 kam mit Jürgen Möllemann erstmals ein Politiker derFDP in das Amt des Bildungsministers. Schwerpunkt seiner Arbeit blieb jedoch dieHochschulpolitik. Daneben wurde die schulpolitische Diskussion durch die Einsetzungder Enquete-Kommission „Bildung 2000“ durch SPD und GRÜNE, also durch dieOpposition im Bundestag, auf Bundesebene neu belebt. Die Spaltung der Kommissionzwischen CDU/CSU und FDP sowie der Abgeordneten der SPD- und der GRÜNEN-Fraktion führte zu nur geringen Ergebnissen in ihrem Schlussbericht 1990 (Massing2003: 26). Der Historiker Christoph Führ beschreibt das Ergebnis dieser Mitarbeit desBundestages am Politikfeld sehr ernüchternd: „Der Versuch, die Thematik mit Hilfeeiner Enquete-Kommission zu meistern, ist offensichtlich fehlgeschlagen.“ (Führ 1997:74).Die Wiedervereinigung führte dazu, dass zunächst die Konflikte in den Hintergrundtraten – die Herstellung bundesweit „gleichwertiger Lebensverhältnisse“ (Art 72 GG 12 )12 Der Begriff ersetzt seit der Grundgesetzänderung vom September 1994 das Gebot der „Einheitlichkeitder Lebensverhältnisse“. Bei der „Gemeinsame Bildungskommission BRD/DDR“, die dieWiedervereinigung im Bildungswesen plante, wurde zunächst auch von Einheitlichkeit gesprochen;dieser Begriff wurde aber reduziert zu dem Term: „Vergleichbarkeit der Grundstrukturen imBildungswesen“. Näheres hierzu: Köhler u.a. (Hg.) 2000: 37ff..- 23 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublikstand im Mittelpunkt der Neustrukturierung des Bildungswesens in den fünf neuenBundesländern. Dies geschah im Wesentlichen durch Überführung des existierendenOstdeutschen Schulsystems in ein Abbild des Westdeutschen, da hier die Beschlüsseder KMK nach dem Beitritt die Leitlinien bildeten. Schwierig waren dieRahmenbedingungen jedoch für tief greifende Änderungen: alle Veränderungen waren„im ‚laufenden Betrieb’ in den Bildungs- und Erziehungseinrichtungen umzusetzen“(Fuchs u.a 2000: 157). In weiten Teilen setzten - teilweise in enger Kooperation mitden Westländern - die Landesregierungen mit gleicher parteipolitischerZusammensetzung nach den Landtagswahlen von 1990 die jeweiligenkorrespondierenden Westsysteme durch (vgl. Fuchs u.a. 2000: 160ff.). Dabei wurdenjedoch verschiedene „Eigenheiten“ in den fünf neuen Ländern bewahrt, so dass „dergelegentlich geäußerte Verdacht einer bildungspolitischen Kolonialisierung seitens derBRD durch den Verhandlungsverlauf [in der gemeinsamen Bildungskommission]nachweislich zu widerlegen“ (Köhler u.a. 2000: 49) ist.3.2.7 Paradigmenwechsel und neuer Aufschwung (1995-2001)Der neu einsetzende Aufschwung hat verschiedene Wurzeln. Ein wichtiger Impuls dazuging von der Nordrhein-Westfälischen Landesregierung unter Johannes Rau aus.Bereits 1992 rief er eine Kommission ins Leben, die mit ihrer Denkschrift „Zukunft derSchule – Schule der Zukunft“ (Bildungskommission NRW 1995) die wissenschaftlicheund öffentliche Debatte neu entfachte.Diese Denkschrift verkörpert auch einen neuen Ansatz der Bildungspolitik, der diealten Gräben teilweise überwindet: Schule, die als „Lern- und Lebensraum“ aufgefasstwird, braucht ein größeres Maß an Autonomie. Folglich sollte ein Wechsel von der„makropolitischen“ Steuerung hin zu einer „mikropolitischen“, direkt auf dieEinzelschule bezogener Politik stattfinden, um den Zukunftsanforderungen gerecht zuwerden. Dieser Paradigmenwechsel lässt die Diskussion über das dreigliederigeSchulsystem und Gesamtschule in weiten Teilen wertlos erscheinen, da im Mittelpunktder Bemühungen nicht mehr die Schulstruktur, sondern vielmehr die Einzelschulesteht. Dieser Ansatz impliziert, dass alle politischen Institutionen auf Teile ihrerSteuerungsmaßnahmen verzichten sollen und diese Macht auf Schulebene, maximalregionale Ebene (gemeint sind die Kreise und kreisfreien Städte) abgeben. Lediglichdie Vorgabe von „Gestaltungsprinzipien“ (Bildungskommission NRW 1995: 292)sollen weiterhin zu den Landeskompetenzen zählen, selbst jährliche Evaluationen und- 24 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublikeine regelmäßige Bildungsberichterstattung soll auf regionale Ebene verlagert werden –einzig eine periodische Bewertung soll noch durch das Land stattfinden.Nachdem sich neben diesen Vorarbeiten aus Nordrhein-Westfalen der„Modernisierungsrückstand des deutschen Bildungswesens“ andeutete (Leschinsky inCortina u.a. 2003: 141), wurde auf Initiative der neu gewählten Regierung, genauer derneuen Ministerin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, 1998 ein neuesGremium zur Politikberatung gegründet: das „Forum Bildung“ (Vgl. Kap.3.3.2). 2001beschloss das Forum Bildung zwölf Empfehlungen, die jedoch sehr allgemein gehaltenwurden. Dauerhaft konnte sich diese neue Instanz jedoch nicht etablieren: trotz derVeröffentlichung der PISA-Ergebnisse 2001 löste sich das Gremium planmäßig imJanuar 2002 auf.3.2.8 Der PISA-Schock, die zweite Hochkonjunktur und dieschnelle Normalisierung (2001-2005)Was heute alles unter dem Schlagwort „PISA-Studie“ subsumiert werden kann, ist diebereits in der Einleitung erwähnte neue Hochkonjunktur in der Bildungspolitik aufBundesebene. Nach Veröffentlichung zunächst der internationalen Daten, die dasdurchwachsene Abschneiden Deutschlands im Rahmen der OECD Studiedokumentierten und auch das Image des deutschen Schulsystems unter Druck setzten,begann die öffentliche Debatte um die Zukunft des Bildungssystems. Im Sommer 2002gaben dann die Wissenschaftler des Max-Planck Instituts für Bildungsforschung die fürdas nationale Politikfeld noch wesentlich brisanteren Ergebnisse der nationalvergleichenden Studie bekannt. Diese entfachten die Debatte erneut stark und so wurdeBildungspolitik insbesondere auch zu einem Thema im Bundestagswahlkampf 2002 13 .PISA deckte in vielfacher Hinsicht eklatante Schwächen nicht nur der Schüler auf,sondern ließ auch verschiedene Rückschlüsse auf Verfehlungen der Bildungspolitik zu.Zwar weigern sich die deutschen Forscher, Kausalzusammenhänge aus demDatenmaterial abzuleiten, die Wissenschaftler der OECD kritisieren die deutscheSchulpolitik hingegen deutlich.Das Politikfeld geriet durch die öffentliche Perzeption der Ergebnisse schnell inBewegung, und alle beteiligten Ebenen versuchten, politisch Kapital aus derAusnahmesituation zu schlagen. Die Bundesebene mit Kanzler Schröder und das13 Speziell auf Seiten der SPD war dies der Fall - auch, so vermuten Henke und Kneip, um „von denschlechten Ergebnissen der SPD-geführten Bundesländer abzulenken“ (in: Egle u.a. 2003: 301).- 25 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der BundesrepublikBMBF versuchten, ihre Kompetenzen zu erweitern 14 . Aber auch die Kultusministerkonferenzbemühte sich stark, ihren Einfluss zu behalten und ihre Konzepte auchöffentlichkeitswirksam zu präsentieren. In Ausnahmefällen rückten Bundesministeriumund KMK näher zusammen und veranstalteten gemeinsame Konferenzen.Die Veröffentlichung der weiteren Daten (2003) sowie die Erkenntnisse der neuenErhebung (PISA 2003) wurden nicht mehr in ähnlicher Weise öffentlich diskutiert; dieDebatte blieb, wie bei den Vorläuferstudien zu PISA, insbesondere der TIMS-Studie 15 ,den Experten vorbehalten. Das Verschwinden des großen öffentlichen Drucks, gepaartmit einer Abwartehaltung, welche Folgen die beschlossenen Veränderungen habenwerden, führten zusehends zu einer Beruhigung der Debatte nach demvorangegangenen Aktionismus. Im Bundestagswahlkampf 2005 spielte dieBildungspolitik, abgesehen vom Ganztagesschulprojekt, wieder ihre gewohnte,untergeordnete Rolle.Inhaltlich jedoch trat die parteipolitische Konfliktlinie wieder verstärkt zu Tage:während Bundesebene und KMK schnell einig wurden, mit Bildungsstandards einevöllig neue Struktur in die curriculare Entwicklung zu bringen, entwickelte sich überdie Ausgestaltung dieser zwischen der SPD-Ministerin Bulmahn und den CDUregiertenLändern schnell ein neuer Konflikt 16 .3.2.9 Die Föderalismusreform und weiterer AusblickDie seit der Wahl im September 2005 amtierende Bundesregierung ist noch zu kurz imAmt, um ihren tatsächlichen schulpolitischen Kurs charakterisieren zu können. DieAnzeichen, sich nur wenig in diesem Bereich zu engagieren, mehren sich jedoch; siekönnen allerdings auch am Politikstil der neuen Bundesregierung liegen.Nach derzeitigem Stand 17 der Debatte um die Föderalismusreform zeichnen sicheinschneidende Veränderungen im Bereich der Organisation der Schulpolitik ab: Deraktuelle Entwurf der gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat zur14 Vgl. z.B. Schröder 2002, sowie Kapitel 515 Die „Third International Mathematics and Science“-Studie (TIMSS) beschränkte sich zwar nur auf dennaturwissenschaftlichen Sektor, lies jedoch bereits erahnen, dass der Erfolg deutscher Schüler ininternationalen Schülerleistungsvergleichen eher gering sein würde. Näheres hierzu:http://www.timss.mpg.de (31.08.2006).16 Die Debatte wird zwischen den Befürwortern so genannter „Regelstandards“ und „Mindeststandards“geführt. Während die Bundesregierung mittels einer Expertise führender Erziehungwissenschaftler starkfür ihr Konzept der Mindeststandards (s. „Klieme-Gutachten“, BMBF 2003a ) warb, verabschiedeteneinige Länder, darunter Baden-Württemberg, genau solche Standards, vor denen die Experten derBundesstudie warnten.17 Anfang Juni 2006; zum aktuelleren Stand siehe Kapitel 6. Am Wortlaut des zitierten Gesetzes wurdenjedoch keine Änderungen mehr vorgenommen.- 26 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der BundesrepublikModernisierung der bundesstaatlichen Ordnung (BT Drucksache 178-06) sieht vor, diebisherige Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung (Art 91b GG) durch die folgendeFormulierung zu ersetzen:Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen zur Feststellung derLeistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich und beidiesbezüglichen Berichten und Empfehlungen zusammenwirken.(BT Drucksache 16/813 S.4 bzw. BR Drucksache 178-06, S. 7, s. auch S. 38)Die Vorlage ist im parlamentarischen Prozess als Paket dem Rechtsausschuss zugeführtworden und wird im Mai und Juni beraten. Zum aktuellen Stand sowie zur Einordnungder Beschlüsse wird ein eigenes Kapitel angeführt, das den aktuellen Stand derGesetzgebung berücksichtigt (s. Kapitel 6, S. 72ff.).3.3 Die Institutionen der dritten Ebene und ihre BedeutungDie Koordinationsgremien im Bildungsbereich sind, wie der kurze Blick auf diegeschichtliche Entwicklung des Politikfeldes gezeigt hat, wesentliche Akteure derBildungspolitik. Dabei lässt sich die Funktion dieser Institutionen auf zweiverschiedene Rollen aufgliedern: Einerseits in Koordinationsgremien (Abb. 2: Blau),andererseits in Beratungsgremien der Exekutiven (Abb. 2: Gelb). Während dieKoordinationsinstanz Kultusministerkonferenz bereits seit Gründung der Bundesrepublikals Muster horizontaler Verknüpfung existiert, entwickelte sich die vertikaleVerflechtung erst über die Zeit. Dabei zeigt sich, dass den reinen Beratungsgremien derExekutiven nur eine begrenzte Lebensdauer beschieden war, wohingegen sich dieKoordinationsgremien dauerhaft etablieren konnten:Abbildung 2: Institutionen oberhalb der Länderebene im geschichtlichen Verlauf(Quelle: Eigene Darstellung)- 27 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der BundesrepublikBemerkenswert ist zudem, dass die Notwendigkeit eines Bundesministeriums erstknapp 20 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik erkannt und umgesetzt wurde.Bewusst wird hier der seit 1957 bestehende Wissenschaftsrat, der als Beratungsgremiumeinzustufen ist, nicht berücksichtigt. Zwar ist seine Rolle im Bereich derHochschulpolitik als „außerordentlich einflussreich“ (Leschinsky in Cortina 2003: 171)zu gewichten, dennoch spielt er, wie es denkbar wäre, für die Schulpolitik, auch wasdie Qualifikation der Studienbewerber oder die Ausbildung der Lehramtsanwärterbetrifft, keine Rolle.Im Weiteren werden die Gremien kurz vorgestellt, stets unter dem Aspekt der Rolle desBundes. Es werden jeweils kurz Entstehung und Verortung im politischen System, dieAufgaben, die Mitglieder und Organisation skizziert, und wesentliche Entwicklungspunktefür das Politikfeld hieraus abgeleitet.3.3.1 Koordinationsgremien: KMK und BLKEs existieren, wie bereits erwähnt, zwei Koordinationsgremien im PolitikfeldSchulpolitik, die unterschiedliche Funktionen erfüllen und auch sehr ungleich in deröffentlichen Wahrnehmung verankert sind. Das wichtigste Gremium ist die bereitsmehrfach erwähnte „Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder derBundesrepublik Deutschland“, kurz KMK, die auch weitere Koordinierungsfunktionenaußerhalb des Bildungswesens, z.B. im kulturellen Bereich, besitzt. Demgegenüberbesitzt die „Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung“(BLK) nur Funktionen im Bereich der im Namen angeführten Politikfelder:Bildungsplanung und Forschungsförderung.Die Kultusministerkonferenz hat nach eigener Definition die Aufgabe, „Angelegenheitender Bildungspolitik (…) von überregionaler Bedeutung mit dem Ziel einergemeinsamen Meinungs- und Willensbildung und der Vertretung gemeinsamerAnliegen“ zu behandeln (Geschäftsordnung KMK 2005, Präambel), ist alsoInteressenvertretung und Koordinierungsgremium in gleichem Maße. Sie ist ein reinesGremium der Länder-Exekutiven, d.h. die Länderparlamente sind nicht beteiligt. JedesLand hat, unabhängig von seiner Größe oder Einwohnerzahl, den gleichen Stimmanteil,wobei wichtige Beschlüsse der Einstimmigkeit bedürfen 18 . Dabei ist sie so organisiert,18Vgl. Geschäftsordnung KMK 2005, A I 6: In allen Fällen (unter Ausnahme derVerfahrensentscheidungen) sind immerhin 13 Stimmen, also über 80%, Mehrheit erforderlich.- 28 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublikdass sie ein Sekretariat und neun ständige Ausschüsse unterhält, die für die täglicheArbeit und zur Vorbereitung von Entscheidungen dienen. Im Zeitverlauf des Bestehensder KMK wandelte sich ihre Arbeits- und Funktionsweise; es herrscht keineswegsEinigkeit unter den Ländern, wie die Zusammenarbeit im Bereich der Kulturhoheitfunktionieren soll 19 . Nach eigener Darstellung beschränkt sich das Handeln zumeist aufunverbindliche Absprache im Sinne eines Orientierungsrahmens:Andererseits konnte die Kultusministerkonferenz (…) nie ein Ersatz-Bundeskultusministerium abgeben und wollte dies auch zu keiner Zeit. IhreBeschlüsse sind keine Beschlüsse eines Verfassungsorgans mit der darausfolgenden Rechtswirkung; nur wenige Beschlüsse wurden in die Formgegenseitig rechtlich verpflichtender Staatsabkommen gebracht. Gleichwohlentfalteten die Beschlüsse und Vereinbarungen als politische Verpflichtung undals Richtschnur des Handelns der einzelnen Länder ihre Wirksamkeit.(„Rechtsgrundlagen“ aus http://www.kmk.org/aufg-org/home1.htm,31.08.2006)Im Zweifelsfall, so lässt sich die Organisationsstruktur, die Geschichte und auch diesesZitat interpretieren, dominiert die Länderhoheit in der Schulpolitik über dasKoordinationsinteresse auf Ebene der KMK. Hier hat der Konsensdruck zwischen denParteien, vertreten durch die Landesregierungen, nur zu einem großen bürokratischenAufwand und zu wenig outcome geführt. Deswegen hat das Gremium immer wiederauch Kritik von Seiten der Bundespolitik sowie der Medien auf sich gezogen (vgl.Tidick in Kultusministerkonferenz 1998: 151ff.).Weit weniger öffentliche Beachtung findet seit seiner Gründung das zweiteKoordinationsgremium, die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung undForschungsförderung. In ihr sind Bund und Länder mit gleicher Stimmanzahl (je 16)vertreten, für Beschlüsse sind mindestens 25 Stimmen notwendig – wobei hier dieüberstimmten Länder nicht verpflichtet sind, sich den Beschlüssen unterzuordnen(BLK Abkommen, Art. 9 Abs. 2).Aufgabe der Kommission ist es, „das ständige Gesprächsforum für alle Bund undLänder gemeinsam berührenden Fragen des Bildungswesens“ (BLK Abkommen, Art.19 Dies zeigt sich an der geschichtlichen Entwicklung, wie sie Peter Fränz und Joachim Schulz-Hardt (inKultusministerkonferenz (Hg.) 1998: 177 – 227) dargestellt haben, und auch an der neuren Entwicklungz.B. bei dem angedrohten Ausstieg des Landes Niedersachsen 2005 oder der Debatte um dieFöderalismusreform.- 29 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik1) zu sein. Als konkrete Aufgaben im Bereich „Bildungsplanung und Innovationen imBildungswesen“ formuliert die Kommission folgende Arbeitsgebiete 20 :- Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf das Bildungs- undBeschäftigungssystem- Die Auswirkungen der strukturellen Veränderungen in der Wirtschaft, dentechnologischen und ökonomischen Neuerungen (z.B. im Kommunikationsbereich)und den dadurch bedingten Änderungen neuer Qualifikationsstrukturenund -anforderungen in Beruf und Gesellschaft- Die Auswirkungen aus der Erosion der Normalarbeitsverhältnisse- Die Auswirkungen aus der wachsenden Internationalisierung sowie der fortschreitendeneuropäischen Vereinigung…in das Bildungswesen zu integrieren.Zudem ermittelt die BLK seit 1972 jährlich die Ausgaben für Bildung undWissenschaft nach Gebietskörperschaften.Die schulpolitische Relevanz dieser Institution geht also insbesondere aus ihrenAufgaben hervor, eine Koordinierung zwischen den Anforderungen des Arbeitsmarktesund dem Bildungssystem herzustellen.Nachdem die BLK 1973 „nach mühseligen und heftigen Auseinandersetzungen“(Leschinsky in Cortina u.a. 2003: 165) einmal einen Bildungsgesamtplan vorgelegthatte (vgl. Kap 3.2.3), verlor das Gremium in der Folge stark an Bedeutung für dieSchulpolitik, und konnte erst seit der Wiedervereinigung wieder an politischemGewicht gewinnen. Ihr wohl wichtigstes Element ist die Unterstützung von ca. 2600Modellprojekten in allen Bereichen des Bildungswesens (1971 - 2003, lt. Leschinsky inCortina u.a. 2003: 166), sowie in vielen Fällen auch die wissenschaftliche Begleitungdieser Projekte.Das Forum Bildung (1999 – 2001) wurde zwar bei der BLK eingerichtet, sollte aber inseiner Struktur und Aufgabenstellung besser den reinen Beratungsgremien zugeordnetwerden. Das Gebiet der Bildungsgesamtplanung spielt derzeit im Rahmen der Bund-Länder-Kommission faktisch keine Rolle mehr.20Nur die Aufgaben mit Schulbezug wurden hier übernommen, nach: http://www.blkbonn.de/aufgaben.htm,(31.08.2006).- 30 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublik3.3.2 BeratungsgremienZur überregionalen Politikberatung im Bildungsbereich wurden verschiedene Anläufeunternommen, von denen jedoch keinem wirklicher Erfolg beschieden werden kann.Als wesentliches Defizit der KMK wurde bereits in den fünfziger Jahren erkannt, dass„die KMK nur reaktiv auf deutlich werdende Defizite“ handelte (Massing 2003: 37).Vor allem problematisch war, dass sie „kaum in der Lage [war], eine vorrausschauendePlanung zu betreiben“ (ebd.).Zunächst näherte man sich der Problematik durch den „Deutschen Ausschuss für dasErziehungs- und Bildungswesen“ (1953-1965). Er bestand aus ehrenamtlichenKommissionsmitgliedern ohne Verwaltung, und besaß zudem keine direkte Kopplungin Form eines festen Adressaten an die Politik. Der Auftrag des Ausschuss war nur sehrallgemein gehalten: Er sollte die Entwicklung des deutschen Erziehungs- undBildungswesen beobachten und durch Rat und Empfehlungen fördern (nach:Leschinsky in Cortina u.a. 2003: 168). Mitglieder waren unabhängige Personen, alsokeine Vertreter organisierter Interessen. Der Ausschuss war nur sehr schmal budgetiert,und seine zahlreichen Beschlüsse wurden nicht in den wesentlichen Entscheidungsgremien,also der KMK und dem damals für die Bundesinteressen verantwortlichenInnenministerium, diskutiert. Daher verpuffte das Interesse seitens derBundesregierung - aber auch seitens der Länder - an diesem Gremium schon bald;folgerichtig wurde sein Mandat ab 1965 nicht mehr verlängert.Trotz seines geringen greifbaren Erfolgs ist die Rolle des Deutschen Ausschusses vorallem darin zu sehen, „die traditionellen Strukturen des Bildungswesens in Frage zustellen“ (Massing 2003: 39). Er besaß zwar unlösbare Konstruktionsfehler, öffnete aberdas Feld der Bildungspolitik gegenüber wissenschaftlicher Beratung, Zukunftsplanungund verkörperte als erste Institution den wachsenden Einfluss des Bundes. Er stellte daserste gemeinsame Gremium der vertikalen Verflechtung zwischen Bund und Ländernin der Bildungspolitik dar.Wie jedoch auch schon im Zeitverlauf angedeutet, begann der Aufschwung desPolitikfeldes eigentlich erst nach dem Ende des Deutschen Ausschusses. Diebeginnende breite öffentliche Diskussion um Reformen im Bildungssektor konnte derBund nutzen, sich als Akteur in der Schulpolitik zu formieren. Die Nachfolgeinstitutiondes Deutschen Ausschusses, der „Deutsche Bildungsrat“ (1965-1975) wurde über einAbkommen zwischen Bund und Ländern legitimiert. Seine wesentlichen Aufgaben- 31 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublikwaren: a.) Bedarfs- und Entwicklungspläne für das Deutsche Bildungswesen zuentwerfen, b.) Vorschläge für die Struktur des Bildungswesens zu machen und denFinanzbedarf zu berechnen und c.) Empfehlungen für die langfristige Planung auf denverschiedenen Stufen des Bildungswesens auszusprechen 21 .Organisiert war der Bildungsrat in zwei Kammern, einer Bildungskommission,bestehend aus Wissenschaftlern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, und derRegierungskommission. Diese Gruppe von Politikern stellte den großen Unterschiedzur Vorgängerinstitution dar: sie bestand aus Vertretern der Kultusministerien, derBundesregierung sowie der kommunalen Spitzenverbände. Die wesentlichenAusschüsse wurden mit Vertretern aus beiden Kammern besetzt. Insgesamt verfassteder Bildungsrat in seinen zwei 5-jährigen Amtsperioden 18 Empfehlungen und 50Gutachten. Der Bildungsrat war als reines Beratungsorgan konzipiert, wie Massing(2003: 45f.) auch aus dem Beschlussverfahren folgert: Für Beschlüsse genügteneinfache Mehrheiten, jedoch konnten auch Minderheitsgutachten beschlossen werden.Nach seinem Aufschwung in den sechziger Jahren wurde jedoch das Jahr 1970 zumWendepunkt der Arbeit des Rates. Nach den Grundgesetzänderungen von 1969/70 unddem Ende der großen Koalition zeigte sich zu Beginn der siebziger Jahre rasch, dassdie gewählte Konstruktion im Falle der Konkurrenz der Parteien nicht tragfähig war, dadie Konfrontation durch die Möglichkeit der Minderheitsvoten konstruktives Arbeitenunmöglich machte. Dies waren wohl die wesentlichen Argumente für das Ende desBildungsrates. Hinzu kam, dass der Bildungsrat seine wesentliche Veröffentlichung,den Strukturplan für das Bildungswesen 1970 veröffentlichte und kaum Perspektivenfür die weitere Arbeit sah. Das Mandat des Deutschen Bildungsrates wurde daher nach1975 nicht mehr verlängert.In der Folgezeit wurden keine weiteren neuen Beratungsgremien geschaffen, die BLKblieb die einzige Institution mit Beteiligung von Bund und Ländern. Das Parlamentversuchte zwar durch die Berufung der Enquete-Kommission „Bildung 2000“(1987 - 1990) dieses Vakuum zu füllen; sie konnte die Erwartungen, ähnlich wie dasbereits erwähnte Forum Bildung (1999 - 2002) als Unterorganisation der BLK abernicht erfüllen. Das Forum Bildung, geprägt durch den Regierungsstil der„Dialogstrategie“ Gerhard Schröders und auch „Bündnis für Bildung“ genannt, war,21 zu den detaillierten Ergebnissen und insbesondere auch zu den Gründen, warum das Gremium 1975wieder aufgelöst wurde siehe Hüfner 1986: 149ff.- 32 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublikwenn auch keine direkte Regierungskommission, so doch durch dieses Politikmustergeprägt (Vgl. Murswieck in Egle u.a. 2003: 118ff.). Anders als die anderenBeratungsgremien bestand es aus 18 Personen, nämlich zwei Vertretern des Bundes,sechs Vertretern der Länder, sowie je zwei Vertretern der Arbeitgeber, Arbeitnehmer,Kirchen, Wissenschaft, Auszubildenden und Studierenden; zuzüglich derExpertengruppen. Die politisch konsensfähigen zwölf Empfehlungen, die alsBeratungsergebnisse festzustellen sind, wurden allerdings durch die Veröffentlichungder PISA-Ergebnisse schnell von der Tagesordnung verdrängt. Jedoch schließen KlausKlemm 22 u.a. (in: Cortina u.a. 2003: 142) aus, dass sich das Muster des ForumsBildung zu „einer neuen tragfähigen Form der Politikberatung entwickeln könnte“, dadie Struktur der Vermischung aus wissenschaftlicher Arbeit der Expertengruppen mitden politischen Interessen der Politikvertreter dies unmöglich machte. Zudem fehltedem Forum der direkte Dialogpartner auf Seiten der Politik, ähnlich wie demDeutschen Ausschuss. Es wird daher vielmehr ernüchternd als „eine Aktion des gutenWillens“ (ebd.) der beteiligten Akteure interpretiert.Als Fazit für die Bedeutung der Beratungsgremien bleibt der folgenden Bewertung dertatsächlichen Funktionen dieser Institutionen nicht viel hinzuzufügen:Die Stärke solcher konsensorientierten und politiknahen Gremien besteht darin,Reformideen zu bündeln und zu ihrer möglichen politischen Umsetzung dadurchbeizutragen, dass sie diese in bildungspolitische Entscheidungsgremienhineintragen. Als Impulsgeber für tief greifende Reformen dienen sie jedoch nurselten.(Baumert, Cortina, Klemm in Cortina u.a. (Hg.) 2003: 143)3.4 Zwischenbilanz: Schulpolitik im deutschenFöderalismusDie Klärung der Strukturen und Entwicklungen in diesem Politikfeld ist damit soweitabgeschlossen, so dass die folgende Analyse der Tätigkeit der Bundesregierung vordiesem Hintergrund interpretiert werden kann.Als Zwischenergebnis lässt sich an dieser Stelle zunächst festhalten: Der Bund spielteunbestrittener Weise eine maßgebliche Rolle in der Entwicklung des Politikfeldes. DieSchulpolitik ausschließlich als Angelegenheit der Länder zu interpretieren steht22 Klaus Klemm war Mitglied sowohl der Enquete-Kommission „Bildung 2000“ als auch des ForumsBildung als Vertreter der Wissenschaft.- 33 -


Das Politikfeld und seine Entwicklung im föderalen System der Bundesrepublikoffensichtlich im Widerspruch zu existierenden Institutionen, aber auch den Interessender Bürger.Die Nachzeichnung der geschichtlichen Entwicklung zeigt, dass eine näher zuuntersuchende Beziehung zwischen der Rolle des Bundes als Akteur und denKonjunkturen des Politikfeldes existiert. Dabei tritt der Bund eher reaktiv auf: nur inPhasen öffentlichen Drucks, so ließe sich aus der bisherigen Darstellung ableiten,konnte er seinen Einfluss wahrnehmen beziehungsweise ausweiten. Insgesamt ist dieEinflussnahme des Bundes nicht als eindeutig zunehmend zu erkennen, sie ist vielmehrSchwankungen unterworfen.Die Untersuchung der Institutionen, die zwischen Bundes- und Länderebeneangesiedelt sind, zeigt ein uneinheitliches Bild. Sämtliche geschaffenen Gremien derPolitikberatung konnten sich nicht dauerhaft etablieren. Die starke Konsensorientierungin den einflussreicheren Koordinationsgremien führte jedoch weitestgehend zu einemStillstand des Politikfeldes; wesentliche Reformen gingen von ihnen bisher nicht aus.Diese Erkenntnis deckt sich im Übrigen auch mit bekannten theoretischenVorstellungen: dass sich Mehrebenensysteme durch eine „ausgeprägtePfadabhängigkeit“ auszeichnen (Benz 2005).- 34 -


4. Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik:Einflussnahme in engem RahmenUm die Rolle des Bundes in einem Politikfeld zu analysieren, bedarf es der Klärung derSteuerungs- und Einflussmöglichkeiten dieses Akteurs. Die Grundlage für dieEinflussnahme stellt der rechtliche Rahmen dar, der vor allem durch das Grundgesetzin der Bundesrepublik gegeben ist. Daneben stellt sich die Frage, auf welche Weisen ineinem komplexen System, an dem mehrere staatliche Ebenen beteiligt sind, relevanteImpulse von einer einzelnen Instanz, in diesem Falle dem Bund, ausgehen können.Diese Möglichkeiten lassen sich wiederum in zwei Teilbereiche gliedern: auf der einenSeite sind die eindeutig messbaren Größen zu nennen, deren Kernpunkt eine finanzielleDimension besitzt, und auf der anderen Seite die schwer zu quantifizierenden „weiterenEinflussmöglichkeiten“, beispielsweise das Agenda Setting. An dieser Stelle wird zurAnalyse auf Steuerungsstrategien, wie sie Görlitz und Burth (1998) darstellen,zurückgegriffen, um eine schärfere Analyse zu ermöglichen.Aus dem Bisherigen lässt sich bereits ableiten, dass der Bund beim Steuern imklassischen Sinne durch die Legislative, also Rechtsetzung, nur sehr eingeschränkteMöglichkeiten besitzt. Dennoch existieren auf Bundesebene, verschiedeneMöglichkeiten der Beeinflussung 23 . Dabei rücken die Möglichkeiten der derParlamentsmehrheit korrespondierenden Regierung verstärkt in den Vordergrund,während die Rolle des Gesetzgebers in diesem Rahmen als schwächer einzustufen ist.4.1 Der rechtliche Rahmen und das Beispiel nationalerBildungsstandardsWie schon mehrfach angedeutet, ist der rechtliche Rahmen für eine Steuerung desPolitikfeldes durch den Bund eng begrenzt. Zunächst standen dem Bund im Bereich derSchulpolitik, wie in der geschichtlichen Entwicklung dargestellt, keine klar formuliertenKompetenzen laut Grundgesetz zu.Der seit 1949 unveränderte Artikel 30 GG erklärt unter dem Titel:„Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern“: „(…) die Erfüllung der23An dieser Stelle können die Auswirkungen und eventuellen Änderungen durch dieFöderalismusreform noch nicht berücksichtigt werden. Sofern sich substanzielle Änderungen ergeben(vgl. Kapitel 6), lassen diese sich jedoch besonders sinnvoll im Vergleich zum bisherigen aufzeigen.- 35 -


Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem Rahmenstaatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andereRegelung trifft oder zulässt.“ Dabei gilt die Aufsicht über das gesamte Schulwesen, sogeht bereits aus dem Grundrechtskatalog (Art. 7 GG) hervor, eindeutig als staatlicheAufgabe. In Artikel 70 Abs. 1, unter der Überschrift „Verteilung der Gesetzgebungskompetenzenzwischen Bund und Ländern“, wird dazu festgestellt, dass die Länder dasRecht zur Gesetzgebung besitzen, falls das Grundgesetz nicht explizit eine andereRegelung vorsieht – und dies war nur bis 1969 der Fall. Jedoch galt zunächst - bis 1994– folgender Artikel 72 (Abs. 2):Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, soweit ein Bedürfnisnach bundesgesetzlicher Regelung besteht, weil1. eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksamgeregelt werden kann oder2. die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessenanderer Länder oder der Gesamtheit beeinträchtigen könnte oder3. die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrungder Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaussie erfordert.Die Forderung der „Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ bietet einenbreiten Interpretationsspielraum und war auch Gegenstand von Kontroversen zwischenBund und Ländern. Jedoch bezieht sich der Artikel explizit auf die in Artikel 74aufgelistete Reihe an Themengebieten, in dem sich im Rahmen der Schulpolitik nur dieAusbildungsbeihilfen befinden.Durch die Grundgesetzänderungen vom 12. Mai 1969 und die Einführung derGemeinschaftsaufgaben (Art. 91a, 91b) bekam der Bund neue Kompetenzen imBereich des Bildungswesens: Es wurde von der großen Koalition in Artikel 91beingeführt, dass der Bund und die Länder bei der Bildungsplanung zusammenwirkenkönnen. Was allerdings Bildungsplanung und Zusammenwirken konkret bedeutet,bleibt offen und wurde unterschiedlich interpretiert. Dieser Abschnitt ist jedoch derSchlüssel zur Formalisierung des Bundeseinfluss auf die Schulpolitik.Eine gewisse Einschränkung dieser Kompetenzen ergab sich ab denGrundgesetzänderungen im Zuge der Wiedervereinigung von 1994, als die Forderungder Einheitlichkeit auf die Formulierung der „Gleichwertigkeit“ der Lebensverhältnisse(Art. 72 Abs. 2, GG) reduziert wurde. Insgesamt erscheint also die Lage, Inhalte derSchulpolitik bestimmen zu können, als eher schwierig, wenn man diesen rechtlichenRahmen bedenkt.- 36 -


Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem RahmenDennoch wurde, speziell von Seiten der Rot-Grünen Bundesregierung im Zuge derVeröffentlichung von PISA 2000 – insbesondere nach Veröffentlichung der nationalvergleichenden Studie im Sommer 2002 - gefordert, nationale Bildungsstandardseinzuführen. Anhand dieses Beispiels wird die Begrenztheit des rechtlichen Rahmensverdeutlicht: Bildungsstandards konkretisieren den Bildungsauftrag der allgemeinbildendenSchulen, in dem sie „Ziele für die pädagogische Arbeit, ausgedrückt alserwünschte Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler“ benennen (BMBF 2003a:19). Im Rahmen der derzeitigen Situation erscheint dies jedoch als rechtlich unmöglich.Selbst wenn die nationalen Standards in der „Natur der Sache“ nur bundeseinheitlichzu regeln sind, lässt die Rechtsprechung in der Bundesrepublik eine solche Regelungnicht zu (Richter 2003: 135). Alternativ könnte der Bund jedoch über Staatsverträgeunter Zustimmung aller 16 Länderparlamente versuchen, diese einzuführen. DiesesUnterfangen erscheint jedoch als wenig erfolgsversprechend, da der Bund in diesemFall nur eine reine Koordinierungsfunktion besäße (ebd., S.136). In dieserAusgangslage bedeutet das, dass der Bund als direkter Konkurrent der Kultusministerkonferenzzu sehen wäre - und würde somit den Ländern wenig Veranlassunggeben, dem zuzustimmen.Faktisch muss man also, wie dieses Beispiel belegt, konstatieren, dass der Bund nur imFalle einer Grundgesetzänderung zu seinen Gunsten direkte inhaltliche Bestimmungenfür das Schulsystem übernehmen kann. Die Formulierung über das Zusammenwirkenim Rahmen der Bildungsplanung eröffnet dem Bund zwar, sich aktiv an Diskussionenzu beteiligen, die Entscheidungshoheit liegt jedoch weiterhin bei den Ländern. Wiebereits erwähnt, wurde diese Machtaufteilung schon in der Frühphase der Bundesrepublikvom Bundesverfassungsgericht bestätigt.4.2 Finanzielle Anreize: die „goldenen Zügel“Der Bund hat neben den Möglichkeiten, per Gesetz Einfluss zu nehmen, auch dieOption, sich durch Finanzmittel Einfluss förmlich zu erkaufen. Nicht nur in Zeitenleerer Kassen, sondern unabhängig von der Finanzlage sind „Geschenke“ grundsätzlichwillkommen, da diese dann der Länderebene einen größeren Handlungsspielraum mitihren Mitteln ermöglichen. Das für den Bund attraktive hierbei ist, dass gegen einesolche Lenkung die Blockierungsmöglichkeiten nur sehr gering sind, er also die- 37 -


Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem RahmenMittelvergabe nach seinen Interessen diktieren kann. Grundlage für diese Form derfinanziellen Verstrickung bietet der Art 104a GG. In Abs. 4 heißt es dort:Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsameInvestitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) gewähren, diezur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zumAusgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft oder zur Förderung deswirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind.Natürlich ist in den meisten Fällen eine Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländernbei der Umsetzung von Maßnahmen dieser Art intendiert. Aber letztlich bleiben dieLänder zweifelsfrei von der Bereitschaft der Bundestagsmehrheit abhängig,Finanzhilfen zur Verfügung zu stellen, da der Ermessensspielraum, den dieseFormulierung lässt, immens ist. Daher übernimmt diese Möglichkeit, in Politikfelderhinein zu regieren, in denen keine Kompetenz besteht, eine wichtige Steuerungsrolleaus Sicht des Bundes ein: durch seine außerordentlich mächtige Stellung in diesemKonzept, sind es tatsächlich Zügel, die der Bund in der Hand hält, um Einfluss auf dieLänder auszuüben.Eine Einschränkung, dass es sich hierbei um Investitionen handeln muss, kann zumVor- und Nachteil aus Sicht des Bundes ausgelegt werden. Wenn es sich umInvestitionen im Bildungssektor handelt, so muss im Allgemeinen mit laufendenKosten gerechnet werden, die in diesem Fall nicht dem Investor zur Last fallen. Dabeiist es zunächst nicht relevant, ob die anfallenden Kosten von den Ländern oder denGemeinden zu tragen sind. Andererseits jedoch sind damit dem Bund auch fürverschiedene „Zügelungsmethoden“ die Hände gebunden: er kann sich beispielsweisenicht in die Personalausstattung einmischen. Weder im Bereich der Lehrkräfte, nochbeispielsweise der schulischen Sozialarbeit kann er direkt Mittel für Stellenbereitstellen. Eine gewisse Ausnahme hiervon bilden Maßnahmen der Bundesagenturfür Arbeit, die hierfür eingeschränkte Möglichkeiten, beispielsweise im BereichBetreuungsangebote über Ein-Euro Jobs, besitzt.Als besonders prominentes Beispiel für die Praxis der finanziellen Einflussnahme mussdas Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ (IZBB) gelten, wiedas 2002 initiierte Ganztagsschulprogramm der Rot-Grünen Bundesregierung formalheißt. Nach Zahlen des Bundesministeriums fördert das Programm im Zeitraum 2003-2005 fast 5000 Schulen im gesamten Bundesgebiet (http://www.ganztagsschulen.org/1108.php, 31.08.06), wobei sich die Verteilung nach der Anzahl der Schüler in den- 38 -


Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem RahmenKlassenstufen 1-10 orientierte. Insgesamt stellt der Bund von 2002 bis 2007 vierMilliarden Euro zur Verfügung, über die Mittelvergabe wurde eineVerwaltungsvereinbarung (http://www.ganztagsschulen.org/_downloads/Verwaltungsvereinbarung_IZBB.pdf,31.08.2006) zwischen Bund und Ländern getroffen. Diesesieht vor, dass die Länder (Art. 4 Abs. 4) sich verpflichten, mindestens 10% derentstehenden Kosten der Strukturmaßnahem zu tragen. Bei einem Gesamtvolumen derHaushaltsmittel des Bundes im Bildungssektor von rund zehn Milliarden Euro 2006 24ist das Investitionsvolumen, das jährlich mehr als zehn Prozent des Haushaltes beträgt,als beachtlich zu bewerten.Diese stark hierarchisch geprägte Form der Steuerung bildet einen Sonderfall, da dieüblichen Konzepte der Entscheidungsverflechtung hier nicht direkt greifen. Der Bundkann, wenn er den direkten Konflikt mit den Ländern nicht scheut, Investitionsmitteljederzeit bereitstellen. Selbst wenn die Länder standhaft die Annahme verweigern, umihre Kompetenz zu sichern, hat der Bund massiven Druck ausgeübt, und kannöffentlich seine Handlungsfähigkeit demonstrieren, wohingegen der Blockadeverdachtauf Seiten der Länder bliebe.4.3 Weitere Möglichkeiten der EinflussnahmeTrotz der dargestellten formalen Schwäche des Bundes kann er neben den finanziellenEinflussmöglichkeiten auch noch weitere, „weiche“ Mittel einsetzen, um seineinhaltlichen Vorstellungen in dem Politikfeld zu verwirklichen. Neben Regulierung undFinanzierung kann der Bund als Steuerungsstrategie noch auf die beiden Konzepte derStrukturierung und der Informierung zurückgreifen (Görlitz u.a. 1998: 246-269). BeideKonzepte werden anhand je eines Beispiels aus der neueren Regierungspraxisdargestellt, zunächst das im Politikfeld Schulpolitik wichtigere: Die Informierung.Dabei ist wiederum einzuschränken, dass es sich im geschilderten Rahmen desPolitikfeldes weniger um Steuerung als um Einflussnahme handelt; dennoch lassen sichdie Konzepte hierfür anwenden, wie auch die jeweiligen Beispiele illustrieren.24Quelle: Finanzplan 2004 – 2008 des Bundes, Schaubild 7 (S. 31, nach:http://www.bundesfinanzministerium.de/lang_DE/DE/Service/broschueren/Bundeshaushalt/30110__a,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/30110_a, 31.08.2006). Die Ausgaben beinhalten alleAusgaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung einschließlich IZBB und BAföG.- 39 -


Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem Rahmen4.3.1 Informierung am Beispiel der Bildungsreform nach PISAInformierung als Instrument der politischen Steuerung basiert im Wesentlichen aufsymbolischen Handlungen. Hierunter fallen insbesondere Aufklärungskampagnenseitens des Staates, die Facetten der Einflussnahme sind jedoch vielfältig und könnenverschiedene Funktionen besitzen. Einerseits, und dies ist im bildungspolitischenZusammenhang von besonderer Relevanz, dient dies zur Programmsetzung. AlsProgrammsetzung können verschiedene Aspekte aufgefasst werden: Problemdefinition,Zustandsbeschreibung, Agenda-Setting, Zielbildung und ähnliches (Görlitz/Burth 1998:179). Im Rahmen der nationalen Programmsetzung ist der Bund besonders deswegenim Vorteil, da sich seine Vertreter einer besonderen nationalen Medienwirksamkeiterfreuen, und Gegenstimmen von Vertretern aus den einzelnen Ländern wenigerGewicht besitzen. Neben der Programmsetzung für den politischen Prozess kann dasInstrument der Informierung auch genutzt werden, um unmittelbar, zum Beispiel inForm von Appellen, die Bürger zu konkreten Handlungen aufzufordern.Um zu konkretisieren, wie dies in Zusammenhang mit der indirekten Steuerung imverflochtenen System der Bundesrepublik funktioniert, seien die Tätigkeiten desBundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen des Prozesses in der Folgeder PISA-Veröffentlichungen dargestellt. Nachdem man sich schnell über alleKonfliktlinien hinweg einig war, dass im Bildungssystem der Bundesrepublik tiefgreifende Veränderungen notwendig geworden sind, reagierte auch der Bund mitverschiedenen Maßnahmen.Eine dieser Handlungen war, entsprechende Forschungsprojekte und Dokumentationenin Auftrag zu geben, um den notwendigen Veränderungsbedarf zu analysieren. Dazubeauftragte das Bundesministerium Forscher verschiedener Teilbereiche, Studien zuerstellen, die in der Reihe „Bildungsreform“ vom Bundesministerium veröffentlichtwurden. In den Jahren 2003 bis 2005 wurden so Studien auf über 3500 Seiten in 16Bänden im Namen des BMBF veröffentlicht 25 . Die Bände korrespondieren zu denThemen, in denen Reformbedarf durch die damalige Bundesregierung festgestelltwurde, und wurden teilweise sogar in verschiedene Sprachen übersetzt. DiesesSchrifttum ist nicht nur für den wissenschaftlichen Diskurs von Interesse, sondern stelltauch die Grundlage für viele politische Entscheidungen im Schulsektor dar.25 Quelle: Eigene Erhebung nach: http://www.bmbf.de/publikationen/2713.php 31.08.2006, wobei seitder Bundestagswahl 2005 verschiedene Schriften nicht mehr zur Verfügung stehen.- 40 -


Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem RahmenInsbesondere der erste Band: „Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards“, verfasstvon den Wissenschaftlern unter der Leitung des Deutschen Instituts für InternationalePädagogische Forschung durch Professor Klieme 26 , ist zu einer Art Standard-Referenzin der Diskussion um Bildungsstandards geworden (BMBF 2003a). Natürlich istzwischen den Interessen der Bundesregierung und den Erkenntnissen aus derWissenschaft zu differenzieren, aber allein durch die Finanzierung der Bildungsreform-Reihe hat die Bundesebene eine Art Programmsetzung betrieben, um die die Länderund insbesondere die KMK nicht herum kamen. Dabei kommt dem Bundesministeriumentgegen, für die Vergabe der Forschungsmittel des Bundes mitverantwortlich zu sein:dies bedeutet nämlich, dass eine solche indirekte Einflussnahme in der Realität kaumverhindert werden kann.4.3.2 Strukturierung am Beispiel „Schulen ans Netz e.V.“Das Instrument der Strukturierung greift anders ein als das der Informierung. DieStrukturierung bereitet Handlungsänderungen nur vor, dafür sind diese im Idealfalljedoch unausweichlich. Görlitz und Burth (1998: 264) formulieren die Strategie infolgender Weise:Mit Strukturierung wird […] eine Steuerungsstrategie umschrieben, die einpolitisch gewolltes Verhalten durch eine Veränderung bestehender sozialerVerhaltensarrangements herbeiführen will, erwünschte Zustände also nichtunmittelbar, sondern mittelbar anzielt.Die Ziele einer solchen Maßnahme der Beeinflussung müssen dabei allerdings nichtunbedingt im Vorhinein bekannt gegeben werden, da nur der Weg zu derVerhaltensänderung „strukturiert“, also aktiv gestaltet wird. Mit Hilfe vonStrukturierungsmaßnahmen kann sich die Bundesregierung, wie das Beispiel zeigenwird, in manchen Fällen gezielt in die Schulwirklichkeit einmischen, und so indirektauch Einfluss auf die Inhalte der Schulpolitik nehmen. Es ist dabei in besonderemMaße schwierig einzuschätzen, auf welche Bereiche sich dieses Instrument übertragenlässt.Das Beispiel, um diese Form der Einflussnahme zu illustrieren, solldie Initiative „Schulen ans Netz e.V.“ sein. Im April 1996 stellte derdamalige Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) gemeinsammit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen TelekomAbbildung 3:Logo SaN e.V.AG, Dr. Ron Sommer, die Initiative vor. Innerhalb der kommenden Jahre stellten26 Daher ist die Expertise in die weitere Diskussion als „Klieme-Gutachten“ eingegangen.- 41 -


Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem Rahmensowohl der Bund wie auch die Telekom gemeinsam Mittel zur technischen Ausrüstung,aber auch zur Schulung der Lehrkräfte, für Internetprojekte und ähnliches, zurVerfügung. 1996 besaßen nur 800 der deutschen Schulen Zugang zum Internet, imHerbst 2001 konnte vermeldet werden, dass alle rund 34.000 deutschen Schulen ansWorld-Wide-Web angeschlossen wurden (Nach: http://www.schulen-ans-netz.de/san/10jahreschulenansnetz/blick.php, 31.08.2006). Nach eigener Darstellung des Vereinssind die Arbeitsschwerpunkte seit 2000 die „inhaltliche Unterstützung“, insbesondereauch durch das Bereitstellen von Unterrichtsmaterialien, und„Qualifizierungsmaßnahmen“, vor allem auf Seiten der Lehrkräfte. Der Bund stelltdabei auch Finanzmittel bereit, im Haushaltsjahr 1997 23 Millionen DM, imHaushaltsjahr 2005 38 Millionen Euro (!). Der Beitrag der Deutschen Telekom istschwer zu beziffern, da sie zusätzlich zu Finanzmitteln auch noch durch Kostenerlasseund ähnliches Leistungen einbringt, wurde jedoch zu Beginn, 1997, mit 36 MillionenDM beziffert (http://www.schulen-ans-netz.de/presse/archiv/ index_detail.php?id=97,31.08.2006). Das Projekt stellt eine Strukturierungsmaßnahme dar, da die Ausstattungder Schulen zu der gewünschten Verhaltensänderung, in diesem Fall der Bildung vonMedienkompetenz, beiträgt. Außerdem können, unter der Vorraussetzung, das an allenSchulen Internet-Möglichkeiten bestehen, Kompetenzen im Umgang damit auchEingang in die Curricula finden.Warum und auf welcher Grundlage der Bund hierbei Mittel einsetzt, erscheint jedochals fragwürdig, wenn man sich den rechtlichen Rahmen der Bundesrepublikvergegenwärtigt. Dieser Problematik ist der Bund sich offenbar schon bei derGründung bewusst gewesen, denn die Satzung des Vereins benennt den Zweck desVereins mit „Förderung von Wissenschaft, Forschung, Bildung und Erziehung“ (nach:http://www.schulen-ans-netz.de/san/satzung/index.php, 31.08.2006) – was man nichtohne weiteres mit dem Namen „Schulen ans Netz“ verbunden hätte: vor allem geht esin Realität um die Förderung von Projekten im Zusammenhang mit dem Internet anallgemeinbildenden Schulen.In wie weit sich dieses Konzept auf andere Bereiche der Schulpolitik übertragen lässt,oder ob es sich um einen Einzelfall handelt, ist schwer abschließend zu beurteilen.Grundsätzlich wären jedoch vor allem im Bereich neuer Technologien, den Naturwissenschaftenoder auch des Sportunterrichts weitere Projekte dieser Art denkbar.- 42 -


Die Möglichkeiten des Bundes in der Schulpolitik: Einflussnahme in engem Rahmen4.4 Überblick über die MöglichkeitenZusammenfassend lassen sich die Möglichkeiten der Einflussnahme in folgender Weisebilanzieren:- Der rechtliche Rahmen schließt eine echte „Steuerung“ seitens des Bundes ausund erschwert in erster Linie die inhaltliche Einflussnahme: hier ist die Machtdes Bundes besonders begrenzt.- Die mächtigsten Mittel der Einflussnahme des Bundes sind im Bereich derInvestitionen und der Steuerung durch die goldenen Zügel zu finden. Geradedadurch, dass der Bund sich nicht um die Folgen seiner Investitionen sorgenmuss, ist er hier in einer günstigen Situation. Dennoch sind die Schranken, indenen er Mittel bereitstellen kann, eng.- Die Möglichkeiten der Programmsetzung auf inhaltlicher Ebene besitzt derBund nur indirekt; dennoch kann er, insbesondere auch durch seine Vorteile inder bundesweiten Mediendarstellung Debatten prägen und strukturieren- Im Rahmen der weiteren Möglichkeiten der Einflussnahme, wie beispielsweiseder Strukturierung, wird deutlich, wie schmal der Grad für die Bundesregierungist. Es zeigt sich die große Schwierigkeit, politischen Einfluss auszuüben, ohnein Konflikt mit den Vorgaben der Verfassung zu geraten.Es wird also insgesamt ersichtlich, dass sich die Rolle des Bundes durch den schmalenrechtlichen Rahmen im Wesentlichen auf die Bundesregierung einengt. DieseErkenntnis belegt auch theoretisch den bei der Beschreibung der Entwicklung desPolitikfeldes als gering eingestuften Stellenwert der Legislativen in dieserKonstellation.Insbesondere die inhaltliche Ausgestaltung des Politikfeldes durch die Bundesregierungbedarf eines besonderen Maßes an Kreativität, falls Einflussnahmen beabsichtigtwerden. Eine Analyse der Regierungstätigkeit basierend auf messbaren Konzepten, wierechtlichen Vorgaben oder finanzieller Ausstattung, kann die Rolle des Bundes indiesem Falle nur eingeschränkt darstellen und erklären. Die Analyse derEinflussmöglichkeiten zeigt: die formalen Steuerungsmöglichkeiten des Bundes in demPolitikfeld sind als gering zu bewerten.- 43 -


5. Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in derdeutschen ExekutiveNachdem verschiedene Möglichkeiten der Einflussnahme erörtert wurden, stellt sichdie Frage, wie die aufgezeigten Spielräume von den handelnden Personen ausgestaltetwurden und werden. Dabei lässt sich die Exekutive der Bundesrepublik differenzierenin die Ressortminister mit Bildungskompetenz auf der einen Seite, und denBundeskanzler auf der anderen. Beide bilden gemeinsam gemäß dem Grundgesetz dieRegierung (Art. 62).Das Konzept, den Stellenwert dieser policy zu ermitteln, begründet sich in folgenderWeise: der Bund war trotz seiner geringen Kompetenz im Feld Schulpolitik, wie auchdie Nachzeichnung der Geschichte zeigt, in vielfältiger Weise engagiert – teilweisesogar mehr, als es seine formalen Befugnisse vermuten lassen. Es resultiert, dass dieBundesregierung hier freiwillig tätig wird; falls sie hingegen die Entscheidung trifft,sich nicht einzumischen, fallen alle Aufgaben den Ländern und ihremKoordinationsgremium zu. Im Gegenzug besitzt die Bundesebene jedoch jederzeit dieMöglichkeit, in verschiedener Weise in das Politikfeld einzugreifen. Es deutet sich alsoan, dass die Rolle des Bundes nur schwer kalkulierbar ist. Offensichtlich jedoch ist,dass das Regierungshandeln in diesem Politikfeld in besonderer Weise auf dieInteressen der beteiligten Personen zurückzuführen ist. Diese haben sich nämlich imRahmen der verflochtenen Zuständigkeiten mit ihren Konzepten durchgesetzt.Selbstverständlich sind bei den Personen in Regierungsämtern stets die jeweiligenparteipolitischen Hintergründe sowie die ihrer Koalitionsregierungen zu beachten.Die Verwendung des Spielraums der Bundesregierung ist Gegenstand der Analyse, dieüber den Stellenwert des Politikfeldes in der Regierung argumentiert. DieStellenwertsanalyse, wie sie hier betrieben wird, greift in diesem schwer zuoperationalisierenden Rahmen ein, und führt die folgenden Aspekte zurBerücksichtigung an:o Wer hat das Ressort verwaltet?o Gibt die parteipolitische Zuordnung des Amts Aufschluss über den Stellenwert?o Gibt es Besonderheiten in der Kooperation mit den Ländern bei verschiedenenBildungsministern?- 44 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutiveo Korrespondiert die Aktivität des Ministeriums mit den genannten Interessen derBundesregierung?o Wie standen die Regierungschefs dem Bildungsföderalismus gegenüber, undwie war die gesamte Schwerpunktsetzung der Regierung?Daraus resultiert eine Einschätzung, wie groß der Stellenwert des Politikfeldes imRahmen der Exekutive im Verlauf der Geschichte der Bundesrepublik war – klar dabeiist, dass es Schwankungen gibt.Diese Form der Stellenwertanalyse ist ein notwendiger methodischer Neuansatz, da,wie sich zeigen lässt, die bisherigen Konzepte der Einflussnahme in diesem speziellenZusammenhang nur geringe Erklärungskraft besitzen. Weiter verbreitet sind zurMessung des politischen Gewichts eines Politikfeldes die Entwicklung derStaatsausgaben in diesem Sektor sowie die Analyse der Koalitionsverträge. Der Ansatzüber die Staatsausgaben wurde hier verworfen, da es im vorgegebenen Rahmen nichtmöglich erscheint, die Mittel des Bundes in der Schulpolitik, die Ausgaben sowohl imInvestitionsbereich als auch bei den Personalkosten (beispielsweise imBundesministerium) sinnvoll auszuwerten. Dies liegt auch darin begründet, dass dieSpielräume mit „goldenen Zügeln“ einzugreifen beschränkt sind, wie in Kapitel 4gezeigt werden konnte. Eine direkte Zuordnung der Ausgaben ist also nur schwermöglich, und viele gewichtige Einflussnahmen sind gar ganz ohne finanziellenNiederschlag getätigt worden.Warum die Argumentation über die Stellung der Minister und die Analyse vonRegierungserklärungen betrieben wird - an Stelle einer Auswertung der Koalitionsvereinbarungen- wird im Abschnitt 5.2.2 begründet. Letzten Endes sprechen dieformalen Bedingungen dafür, dass eine Schwerpunktsetzung eher durch die Auswahleines Ministers oder durch Betonung innerhalb einer mündlichen Erklärung stattfindenkann und deswegen diese Variablen zuverlässigere Auskunft über die praktischeRelevanz geben.Die Auswahl, neben der Analyse des Bundesministeriums einen Schwerpunkt auf dieAnalyse der „Großen Regierungserklärungen“ zu legen, wird im Zusammenhangbegründet werden. Die Rolle des Bundes in der Schulpolitik lässt sich danachcharakterisieren und bewerten.- 45 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive5.1 Das Bundesministerium und seine MöglichkeitenDie wesentlichen Kompetenzen des Bundesministeriums im Bereich der Schulpolitik,das wie bereits erwähnt in seiner heutigen Form seit 1969 besteht, wurden schondargestellt. Insgesamt hat die Schulpolitik des Bundes recht unterschiedliche Aufgabenan das Ressort gestellt. Dabei unterliegt die Gliederung der Bundesregierung und dieKompetenzzuteilung selbstverständlich den Regelungen des Grundgesetzes. EineAnalyse der Rolle des heutigen Bundesministeriums für Bildung und Forschung machtvor dem Hintergrund Sinn, den Artikel 65 GG formuliert: „Innerhalb dieserRichtlinien[ 27 ] leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbstständig undunter eigener Verantwortung.“ Doch bevor auf die Ausgestaltung des Ministeriums, dieparteipolitische Prägung und die einzelnen Minister eingegangen wird, werdenzunächst bisher nur angedeutete Aspekte der Kompetenzverflechtung aufgegriffen.Das Ministerium nimmt wichtige Vermittlungs- und Kontrollfunktionen wahr, die inZusammenhang mit der speziellen Verflechtungsstruktur des Politikfeldes stehen. DasBundesministerium ist, auch von seiner Geschichte herrührend, gleichzeitig einwichtiger Partner der Kultusministerkonferenz, zugleich aber auch ihr größterKonkurrent. Die Konkurrenzsituation ergibt sich dadurch, dass teilweise Problemenicht durch die einzelnen Länder gelöst werden können – und es zwei Institutionenoberhalb der Länderebene gibt.Wie in weiteren Politikbereichen ist die Zusammenarbeit insbesondere für größereProjekte zwischen den Ebenen notwendig. Ein Beispiel hierfür ist die neueBildungsberichterstattung, deren erster Bericht im Juni 2006 veröffentlicht wurde(Konsortium Bildungsberichterstattung 2006). Auftraggeber für diese erste Analyse desBildungssystems dieser Art waren Bund und Länder, jedoch nicht über dieZusammenarbeit in der BLK sondern getrennt: Vertreten durch dieKultusministerkonferenz und das Bundesministerium. Auch hier ist jedoch dieEinschränkung zu machen, dass sich diese Zusammenarbeit nach dem Inkrafttreten derFöderalismusreform und der Neugestaltung der Bildungsplanung neu darstellen wird.5.1.1 Das Ministerium: Ressortkompetenz der MinisterWie im bereits zitierten Art. 65 GG angegeben, zeichnet der jeweilige Ministerverantwortlich für das von ihm verwaltete Ministerium; dem Kanzler oder anderen27 gemeint sind die Richtlinien des Bundeskanzlers, die im ersten Satz des Artikels genannt werden.- 46 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen ExekutiveMitgliedern der Bundesregierung ist es nicht möglich, sich direkt in die Belange eineseinzelnen Ministeriums einzumischen. Die Steuerung eines großenMitarbeiterstabes - insgesamt verfügt das Bundesministerium in seinem derzeitigenZuschnitt über mehr als 800 Mitarbeiter 28 – hat natürlich auch eine gewisse Relevanzfür die Politikergebnisse. Administrative Faktoren, wie beispielsweise Agenda-Settingdurch die Bürokratie, Management der Entwicklungsrichtung, sowie personaleFaktoren spielen bei detaillierter Betrachtung der Handlungen eines Ministeriumsnatürlich eine Rolle (Korte u.a. 2004: 204-209). Allerdings sind Faktoren dieser Artschwer messbar. Die meisten der Mitarbeiter sind Beamte des Bundes und bleiben auchnach Regierungswechseln Mitarbeiter des jeweiligen Ministeriums.Die Minister können jedoch die Aufgabenverteilung und die Gliederung ihres Ressortsnach eigenen Vorstellungen ausgestalten – sofern sie damit ihren Regierungsaufgabennachkommen. Wie groß diese Unterschiede sein können, lässt sich am BMBF und demRegierungswechsel 2005 zeigen.Zunächst zu den Kompetenzverteilungen im Ressort von Ministerin Bulmahn 29 :- Aus dem Leistungsbereich „Strategie“ des Ministeriums wird die Bund-LänderKooperation gesteuert (LS 24), zudem gibt es eine hier angesiedelte Einheit„Regionale Innovationsstrategien; Neue Länder“ (LS 25).- Für die Schulpolitik ist die Abteilung 2: „Ausbildung; Bildungsreform“verantwortlich, wobei die Bildungsreform-Abteilung (21) nochmals in sechsAufgabenbereiche untergliedert ist.- Auffällig ist, dass es sogar Einheiten, die sich mit konkreten schulpolitischenFragen (z.B. Standards, 212) beschäftigt haben.- Zudem ist bemerkenswert, dass alle mit der Schulpolitik verbundenenOrganisationseinheiten dem Dienstsitz in Berlin, also Nahe derBundesregierung zugeordnet sind; die meisten Organisationseinheiten desMinisteriums sind hingegen in Bonn angesiedelt.Der Regierungswechsel hat allerdings zu einer erheblichen Reorganisation undNeugliederung des Ministeriums geführt – jedoch bei gleich bleibendem Zuschnitt desMinisteriums. Das BMBF hat weiterhin acht Abteilungen; aber die Struktur und28 Quelle: http://www.bmbf.de/de/5625.php (31.08.2006); bereits 1969, im ersten Jahr des Bestehens desBundesministeriums, verfügte es über einen Mitarbeiterstab von 500 Bediensteten.29 Die beiden Organisationspläne des Bundesministeriums, wie sie im Internet veröffentlicht waren,finden sich zum Vergleich im Anhang dieser Arbeit.- 47 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutiveinhaltliche Ausrichtung wurde umgewandelt. Die wesentlichen Veränderungen denSchulsektor betreffend sind:- Die Aufgabe „Bildungsreform“ ist völlig aus der Aufgabenaufteilungverschwunden.- Der Leistungsbereich „Strategie“ wurde zur neuen Organisationseinheit 1:„Strategien und Grundsatzfragen“, und beinhaltet die Zusammenarbeit Bund –Länder (123).- Die sechs Stellen des Bildungssektors wurden der Organisationseinheit 3„Berufliche Bildung, Lebenslanges Lernen“ zugeteilt.- Folgende schulpolitische Einheiten sind noch im Ministerium:Bildungsforschung, Bildungsberichterstattung, Investitionen und Innovationenin der Bildung, kulturelle Bildung und „Neue Medien“.- Neben diesen Änderungen ist es zudem bemerkenswert, dass dieGemeinschaftsaufgabe „Bildungsplanung“ im Organisationsplan desMinisteriums nicht mehr vorkommt.Es gibt also eine sehr große Dynamik, die in manchen Fällen von Regierungswechselnausgehend die Organisation eines einzelnen Ministeriums erfassen kann. Durch dieOrganisation wird deutlich, wie sich die Arbeitsschwerpunkte des Ministeriumsverändert haben. Verbunden mit den organisatorischen Änderungen wurden auch dieMitarbeiter nach den Vorstellungen der Ministerin neu aufgeteilt.Durch die Vorgabe der Organisationsstruktur und die damit verbundeneProgrammsetzung des Ministers wird die Politik in erheblichem Maße vorgeprägt. Umdiese These am angeführten Beispiel zu verdeutlichen: durch die Auflösung derOrganisationseinheit „Bildungsreform“ sind durch das Bundesministerium keine neuenImpulse in diesem Bereich zu erwarten - unabhängig von den möglichen Strategien derEinflussnahme.5.1.2 Das Bundesministerium und der ParteieneinflussDer Stellenwert des Politikfeldes auf Bundesebene ist in der Relation zu den anderenMinisterien von Interesse. Dabei spielt die parteipolitische Zusammensetzung naheliegender Weise eine wesentliche Rolle. Die zunächst in den Vordergrund rückendeFrage ist: lässt sich anhand der parteipolitischen Zusammensetzung derBundesregierung eine gewisse Implikation für den Stellenwert feststellen?- 48 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen ExekutiveUm dies herauszufinden, bedarf es einer Analyse des Parteiinteresses der an demRessort, abhängig von den an der Regierung beteiligten Parteien. Dabei ist nur derZeitraum seit der Institutionalisierung des Bundeseinflusses durch die Gründung desBundesministeriums 1969 von Interesse.Zunächst werden die Bundesminister – einbezogen wurden die Bundesminister fürBildung und Wissenschaft (1969-1994), Bildung, Wissenschaft, Forschung undTechnologie (1994-1998) sowie für Bildung und Forschung (1998 – 2005) 30 - nachihrer Parteizugehörigkeit dargestellt:Bundesminister für Bildung nachParteizugehörigkeit (1969 - 2005)23%49%7%0%21%CDU / CSUFPDGRÜNEParteilosSPDAbbildung 4: Bundesminister für Bildung nach Parteizugehörigkeit (1969 - 2005),Quelle: Eigene Auswertung, Berechnung auf TagesbasisDiese Grafik gibt an, dass seit Bestehen des nationalen Ministeriums es zur Hälfte derZeit unter der Leitung von SPD Ministern war. Zu keinem Zeitpunkt oblag dieSteuerung des Ministeriums den GRÜNEN, und es gab einen parteilosen Minister alsMinister der sozialliberalen Koalition.Durch das Schaubild wird der Eindruck, dass das Bundesministerium während den36 Jahren seines Bestandes unter starkem Einfluss der Sozialdemokratie stand,vermittelt. Daneben zeigt die Grafik, dass die CDU / CSU und die FDP fast zu gleichenTeilen an der Leitung des Ministeriums beteiligt waren. Wenn man dabeiberücksichtigt, dass die Liberalen als kleinerer Partner einer Koalition stets nur einegeringe Anzahl an Ressorts zur Verfügung hatten, scheint es, als ob die Union bisher30 Es wurde also nur der Zweig des Ministeriums einbezogen, der eine Relevanz für die Schulpolitikbesitzt. Für die statistische Auswertung wurden die Regierungstage seit Gründung des Ministeriums biszur Amtsübergabe 2005 berücksichtigt, die aktuelle, noch nicht abgeschlossene Periode aber nichteinbezogen.- 49 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutivenur in eingeschränktem Maße an der Ausgestaltung des Politikfeldes durch dasMinisterium beteiligt war.Diese Analyse wird bestätigt, wenn neben der Ressortzuteilung auch noch dieRegierungszeit einer Partei hinzugenommen wird, wie es die folgende Tabellebestätigt:Regierungszugehörigkeit der Parteien (1969-2005)Partei Regierungstage (in %) Ressortbesitz (in %)CDU / CSU 5866 44,6% 3044 51,9%SPD 7281 55,4% 6404 88,0%FPD 10598 80,6% 2822 26,6%GRÜNE 2549 19,4% 0 0,0%Tabelle 1: Regierungszugehörigkeit nach Parteien (1969-2005)Quelle: Eigene AuswertungSelbstverständlich lässt sich aus dieser geringen Datenbasis keine quantitative Analyseherleiten, jedoch bestätigen sich die bereits festgestellten Trends: ImBeobachtungszeitraum haben die CDU / CSU als große Koalitionspartner in gut derHälfte ihrer Regierungszeit bei der überwiegenden Anzahl der Ministerien dasBildungsressort verwaltet. Im Gegensatz dazu war der Anteil der SPD mit 88%, wennman die Phase des parteilosen Ministers unter ihrer Regierung hinzunimmt bei100% - bis zum Regierungswechsel 2005. Für die kleineren Parteien ist die Aussageweniger eindeutig, da ihre Vergleichbarkeit auf Grund der sehr unterschiedlichenLänge ihrer Regierungsbeteiligung kaum gegeben ist. Für die Liberalen zeugt jedochdie Verwaltung des Ressorts, das die Schulpolitik beinhaltet, in einem Viertel ihrerRegierungszeit als kleiner Koalitionspartner doch von einem gewissen Stellenwert desPolitikbereichs.In dieser qualitativen Analyse des Stellenwerts des Politikfeldes kann nicht unerwähntbleiben, dass seit dem Regierungswechsel nach den Neuwahlen 2005 in der großenKoalition die Union das Ressort übernommen hat – es nun also bei einersozialdemokratischen Regierungsbeteiligung vom Koalitionspartner ausgeübt wird.Insofern ist der neuere Stellenwert des Politikbereichs für die Sozialdemokratiemöglicherweise geringer. Wenn man dies jedoch in den Kontext der abgelaufenenKoalitionsverhandlungen setzt, und dabei insbesondere die Interessen der damaligenSpitzen der SPD im Vergleich zum Verhältnis Merkel / Schavan bedenkt, kommt dieseAbkehr vom bisherigen Trend wenig überraschend.- 50 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen ExekutiveAls Indizien für den Stellenwert der Schulpolitik, der sich aus der Darstellung derparteipolitischen Zusammensetzung entnehmen lässt, lassen sich die folgenden Aspektebilanzieren: traditionell ist das Ministerium durch die SPD dominiert. Offenbar scheintdie politische Wichtigkeit des Ressorts im Beobachtungszeitraum für dieSozialdemokratie größer zu sein, als für die Union und die Liberalen. Klare Aussagenüber den Stellenwert der Ressortverwaltung bei den anderen Regierungsparteien sindkaum möglich. Der folgende Blick auf die Minister soll die Analyse dahingehendvertiefen.5.1.3 Die Minister und ihr politischer Einfluss und WerdegangAufwendiger, aber recht aufschlussreich ist es, den politischen Stellenwert desPolitikfeldes zu ermitteln, in dem man in einem normativen Rahmen die Minister undihren Werdegang näher betrachtet. Prominente Politiker haben einen größeren Einflusssowohl auf die Öffentlichkeit als auch innerhalb des Kabinetts. Andererseits gibt esMinisterien, die sich in besonderer Weise zur Profilbildung eignen, also als Sprungbrettfür die weitere Zukunft gedeutet werden können. Von Bedeutung ist auch, ob einPolitikfeld von Experten dieses Bereichs übernommen wird oder im Rahmen derÄmtervergabe Parteikarrieren zugeordnet wird – wobei sich diese beiden Kriteriennicht gegenseitig ausschließen müssen. Ein Blick auf die Personen soll nun Aufschlussüber diese Zusammenhänge geben.- 51 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen ExekutiveTabelle 2: Bundesminister für Bildung, Amtsdauer und ParteizugehörigkeitNr Name (Lebensdaten) AmtsantrittEnde derAmtszeitParteiAmtsdauer(Tage)Bundesminister für Bildung und Wissenschaft01Prof. Dr. Hans Leussink 20. Oktober 15. März parteilos(*1912)1969 197287702Dr. Klaus von Dohnanyi(*1928)15. März 1972 16. Mai 1974 SPD 79203 Helmut Rohde (*1925) 16. Mai 197416. Februar1978SPD 137204Dr. Jürgen Schmude 16. Februar 28. Januar(*1936)1978 1981SPD 107705 Björn Engholm (*1939)28. Januar 4. Oktober1981 1982SPD 61406Dr. Dorothee Wilms 4. Oktober 18. Februar(*1929)1982 1987CDU 159807Jürgen W. Möllemann 18. Februar 20. Dezember(1945-2003)1987 1990FDP 140108Prof. Dr. Rainer Ortleb 20. Dezember 4. Oktober(*1944)1990 1994FDP 138409Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans 4. Oktober 10. NovemberLaermann (*1929) 1994 1994FDP 37Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie10 Dr. Jürgen Rüttgers (*1951)10. November 26. Oktober1994 1998CDU 1446Bundesminister für Bildung und Forschung11 Edelgard Bulmahn (*1951)26. Oktober 18. Oktober1998 2005SPD 254912 Annette Schavan (*1955)18. Oktober2005… CDU ----Zunächst einmal bietet diese Auflistung Raum für statistische Bemerkungen: Bis zumRegierungswechsel 2005 war ein Bundesminister für Bildung durchschnittlich 3,6Jahre in seinem Amt 31 ; die kürzeste Amtsdauer von unter zwei Jahren war BjörnEngholm Bildungsminister, die längste Amtszeit hatte Edelgard Bulmahn mit fastsieben Jahren Regierungszeit. Der jüngste Bundesbildungsminister war ebenfallsEngholm (41), der Älteste Prof. Dr. Hans Leussink mit 57 Jahren, wenn jeweils derBeginn ihrer Ministerzeit zu Grunde gelegt wird. Das Eintrittsalter in das Ministeriumliegt im Durchschnitt bei 46,86 Jahren 32 , und neben acht männlichen Ministern gibt esdrei weiblichen Geschlechts. Die bisher abgeschlossenen Amtszeiten der beiden Frauen31 Berechnung auf Tagesbasis; unberücksichtigt dabei die Amtstage von Prof. Learmann – die auch beiallen weiteren berechneten Werten nicht berücksichtigt wurden, da seine 37-tägige Amtszeit nur eineÜbergangsfunktion hatte und inhaltlich kaum Relevanz entwickelt haben kann.32 Eigene Berechnung auf Tagesbasis.- 52 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutiveim Amt waren auch gleichzeitig die beiden längsten Amtsinhaber. Auffällig ist zudem,dass alle Restrukturierungen des Ressorts in Form von Umbenennungen desMinisteriums in die jüngere Geschichte fallen: 1994 und 1998. Die Neuaufteilung 1994stellt dabei in besonderer Weise einen Kompetenzgewinn im Rahmen der Bundesregierungdar.Wenn man die Karrieren der Minister im Detail verfolgt, stellt man eine Reihe vonbemerkenswerten Details fest. Dabei ist zu beachten, dass nach derzeitigem Standaußer Jürgen W. Möllemann noch alle Bundesminister am Leben sind, d.h. dieEinschätzung ihrer Karrieren notwendigerweise vorläufigen Charakter besitzen 33 .- Für Leussink, Rohde, Laermann sowie Bulmahn und Schavan stellt dasMinisteramt den Höhepunkt ihrer politischen Laufbahn dar. Alle anderen hattenweitere Ministerämter oder wurden Ministerpräsidenten (Dohnanyi, Engholm,Rüttgers). Ortleb war der einzige deutsche Bildungsminister, der zuvor bereitsein anderes Ministerium geleitet hat.- Vier der Bundesminister waren zuvor bereits als Staatssekretäre im Einsatz,Dohnanyi und Engholm waren die einzigen beiden, die als parlamentarischeStaatssekretäre im Bildungsbereich bereits aktiv waren.- Drei der Minister waren habilitiert, zwei haben eine abgeschlosseneLehramtsausbildung (Möllemann, Bulmahn) – und hatten somit einenbesonderen Hintergrund im Bildungsbereich.- Bisher hat mit Engholm ein Bildungsminister den Bundesvorsitz seiner Parteiübernommen.- Bemerkenswerterweise gab es trotz der starken Prägung des Politikfeldes durchdie Länder erst eine Bundesministerin, die zuvor als Kultusministerin aktiv war,nämlich die amtierende Ministerin Schavan.Es lassen sich also die Befunde der Untersuchung des Einflusses der Bundesministersowie ihres Werdegangs in der folgenden Weise charakterisieren: Offensichtlich ist dasBundesministerium eher als Einstiegsamt in die Regierungspolitik interpretiert worden;mit nur einer Ausnahme war noch nie ein Bundesbildungsminister zuvor in einemvergleichbar hochrangigen Amt. Die Amtsführung kann zu einem Sprungbrett fürweitere Aufgaben dieses Niveaus dienen. Sich durch vorherige Aufgaben in diesem33Alle persönlichen Daten stammen aus dem „Munzinger Archiv“, teilweise ergänzt durchentsprechende Artikel von http://de.wikipedia.org- 53 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen ExekutiveBereich zu profilieren, spielte nur in zwei Fällen über das Amt des parlamentarischenStaatssekretärs eine Rolle, auffallend gering ist der Austausch zwischen Bundes- undLänderebene. Der Befund ist insgesamt eher als unauffällig zu beurteilen.Um den Stellenwert des Politikfeldes aus der Analyse der Minister zu bewerten, bleibtfestzustellen, dass das Bundesministerium weder der Ort auffälliger Parteiprominenzist, noch von besonders erfahrenen Politikern geleitet wurde. Damit kann dieWertschätzung des Amts in Konkurrenz zu den anderen Regierungsaufgaben als ehergering eingestuft werden. Zudem ist auch der „Stallgeruch“ im Ministerium nicht sehrausgeprägt – weder, was die vorherige Beteiligung im Politikfeld in Ministerienbetrifft, noch was die Bildungs- und Forschungspraxis angeht.5.2 Einflussnahme des Bundeskanzlers I: Analyse derRegierungserklärungen von 1949-2005„Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür dieVerantwortung“ (GG, Art. 65). Diese zentrale Steuerungsvorgabe des Grundgesetzessteht im Mittelpunkt des folgenden Kapitels. Neben dem Bundesministerium hatoffensichtlich der Kanzler über seine Möglichkeiten, die politische Agenda zubestimmen, Einfluss im Politikfeld. Dabei steht weiterhin die Frage des Stellenwertsdes untersuchten Politikfeldes im Zentrum der Betrachtung. Im Vergleich zur Analysedes Bundesministeriums kann hier der Rahmen auch auf die Jahre vor der Einführungder Gemeinschaftsaufgaben erweitert werden, also die gesamte Zeit seit Gründung derBundesrepublik untersucht werden.In der neueren Forschung schenkt die Politikwissenschaft vermehrt der Analyse von„großen Regierungserklärungen“ Beachtung (s. insbes. Korte 2002, Stüwe 2003, Stüwe2005). Diese Forschungstätigkeit wird hier aufgegriffen, die Regierungserklärungendes Bundeskanzlers sollen als maßgebliche Größen zur Einstufung des Stellenwerts derpolicy herangezogen werden. Zunächst wird erläutert, warum sich dieser Ansatz inbesonderem Maße eignet, die Regierungsinteressen im untersuchten Politikfeld zucharakterisieren. In einem zweiten Schritt wird dann die inhaltliche Ebene der Redenhinsichtlich ihrer Relevanz für die Schulpolitik in der Bundesrepublik untersucht.- 54 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive5.2.1 Grundlage der Analyse und Klassifikation derErklärungenDie großen Regierungserklärungen wurden erstmals von Klaus von Beymevergleichend kommentiert (Beyme 1979). Von ihm stammt auch die für die weitereForschung prägende Einteilung in „große“ und damit implizierend auch „nicht-große“Regierungserklärungen. Zunächst wird im Folgenden geklärt, wann und warumRegierungserklärungen abgegeben werden. Anschließend liefert eine Typologisierungdie Eingrenzung auf einen speziellen Typ der Regierungserklärung, nämlich den der„großen“. Deren Möglichkeiten inhaltlicher Art werden dargestellt und begründet,warum sie ein geeignetes Mittel zur Feststellung des politischen Gewichts einerThematik sind.Wann und wie Regierungserklärungen abzugeben sind, ist in der Verfassung derBundesrepublik nicht explizit formuliert; der Begriff der Regierungserklärung ist imText des Grundgesetzes nicht zu finden. Jedoch ermöglicht Artikel 43 (Abs. 2) denRegierenden jederzeit die Möglichkeit, eine Erklärung vor dem Bundestag abzugeben:Die Mitglieder […] der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten haben zuallen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt. Sie müssenjederzeit gehört werden.Dieses Zutritts- und Rederecht bildet die Grundlage für Regierungserklärungen. Einkonkreter Zeitpunkt für eine solche Erklärung ist nicht festgeschrieben. Stüwe weist iminternationalen Vergleich dabei auf eine deutsche Besonderheit hin: Art. 63 Abs. 1 gibtexplizit vor, dass der Bundeskanzler ohne Aussprache gewählt wird, in diesemZusammenhang also keine Regierungserklärung stattfinden kann (Stüwe 2002: 11).Grundsätzlich gibt das Grundgesetz vor, dass der Bundeskanzler gemeinsam mit denMinistern die Bundesregierung bildet (Art. 62). Somit müssen Erklärungen derExekutiven von allen Beteiligten der Regierung zumindest gebilligt werden, um demKollegialprinzip zu genügen. Explizit sind Regierungserklärungen keine Erklärungendes Bundeskanzlers (Stüwe 2005: 41 – 44). Dessen juristische Sonderstellung gibtRegierungserklärungen, wie im Folgenden gezeigt wird, ein besonders großes Gewicht.Die Redeberechtigung der Regierungsmitglieder ist dabei nicht zeitlich begrenzt; somitist Länge und Gegenstand von Regierungserklärungen nicht vorgeben und daher auch- 55 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutivenicht begrenzt. Bisher haben große Regierungserklärungen zwischen einer (Kiesinger)und 2½ Stunden (Schmidt, Kohl) gedauert (Stüwe 2005: 117) 34 .Grundsätzlich lassen sich drei verschiedene Typen von Regierungserklärungendifferenzieren:a) Große Regierungserklärungen sind nach Klaus von Beyme (1979) diejenigen,die vom Bundeskanzler bei Amtsantritt im Plenum des deutschen Bundestagesgehalten werden.b) Daneben gibt es Regierungserklärungen des Bundeskanzlers zu beliebigen Zeitpunktenwährend einer Regierungsphase.c) Zudem gibt es Regierungserklärungen, die durch andere Mitglieder desKabinetts im Bundestag eingebracht werden.Ehe auf die großen Regierungserklärungen detailliert eingegangen wird, werdenzunächst diese drei Typen erläutert. Die Regierungserklärungen von Kabinettsmitgliedernunterscheiden sich dadurch von denen eines Regierungschefs, dass demKanzler durch die Richtlinienkompetenz ein rechtlicher Sonderstatus gewährt wurde.Grundsätzlich könnte die Regierung auch andere Personen beauftragen,Regierungserklärungen abzugeben. Dies wäre zwar juristisch denkbar (Stüwe 2005: 60-62), erscheint jedoch schon dem Wort nach als wenig sinnvoll – und ist bisher in derGeschichte der Bundesrepublik auch noch nicht vorgekommen. Je nach demBedeutungsgrad einer Angelegenheit, kommt der Bundeskanzler nicht umhin, dieRegierungserklärung persönlich abzugeben. Bei spezielleren, die Fachgebietebetreffenden Angelegenheiten, lässt der Kanzler jedoch in der Regel dem zuständigenMinister den Vortritt. Die Regierungserklärungen des Bundeskanzlers können zuverschiedenen Zeitpunkten seiner Amtsführung verschiedene Schwerpunkte haben undmüssen nicht immer einen vollständigen Überblick geben. Durch seine besondereBefugnis der Richtlinienkompetenz – und eine Regierungserklärung desBundeskanzlers kann als Richtlinie gewertet werden – ist ein Widerspruch einzelnerMinister nicht von Bedeutung. Offensichtlich konkurrieren in diesem Fall Kanzler- undKollegialprinzip.34 Es muss angemerkt werden, dass die statistischen Daten von Stüwe 2005 die Regierungserklärung vonMerkel 2005 nicht berücksichtigen. Detailliert hat Stüwe ermittelt, dass durchschnittlich eineAntrittsrede 547 Sätze lang ist, im Schnitt wurden 9573 Wörter in einer solchen Regierungserklärungverwendet (Stüwe 2005: 118-123).- 56 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen ExekutiveDie Bezeichnung „große Regierungserklärungen“ definiert von Beyme nicht explizit,die Begründung für die Auswahl seiner Sammlung der „großen Regierungserklärungender deutschen Bundeskanzler von Adenauer bis Schmidt“ führt er folgendermaßen ein:Vorliegende Sammlung beschränkt sich auf die Erklärungen, die bei Amtsantrittder Bundesregierungen abgegeben wurden, da diese am stärksten weitePerspektive für die gesamte Tätigkeit der Regierung in einer Legislaturperiodeeröffneten und damit als Dokumente für die geistige Entwicklung despolitischen Klimas und der großen Kontroversen am repräsentativsten sind.(Beyme 1979: 8).Aus diesem Zusammenhang wird die Bezeichnung ersichtlich. Amtsantritte fallen nichtunbedingt mit Wahlperioden zusammen; im politischen System der Bundesrepublikgehen die Regierungschefs jedoch davon aus, das Programm für eine gesamteLegislaturperiode zu benennen. Insgesamt gab es in der Bundesrepublik bis zu Beginnder 15. Legislaturperiode bisher 20 solcher als „groß“ zu klassifizierendenRegierungserklärungen.5.2.2 Inhalt und Funktion der RegierungserklärungenUm die Regierungserklärungen für die Untersuchung des Stellenwerts nutzbar zumachen, muss zunächst noch auf ihre Funktionen eingegangen werden. Mit denFunktionen korrespondieren entsprechende Redeinhalte; es zeigt sich aber auch, wieviel Gestaltungspotential die Regierung, vertreten durch den Bundeskanzler, in diesemRahmen besitzt. Bei der Analyse der Funktionen wird jedoch nicht der Rahmen desdeutschen Parlamentarismus gewählt, wie dies von Beyme darstellt (Beyme 1979: 34 -44), sondern die Funktionen der Rede an sich werden untersucht.Zur Beschreibung der Funktionen teilt der neueste und wohl bisher umfassendsteAnsatz, eingeführt von Klaus Stüwe, die Funktionen in sechs Kategorien (Stüwe 2005:155f.):- Informieren- Appellieren- Danken- Solidarisieren und Integrieren- Demonstration für das Ausland- Selbstdarstellung und Imagepflege- 57 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen ExekutiveZweifelsfrei ist das größte politische Gewicht der Regierungserklärungen im Bereichdes Informierens zu finden, die anderen Redefunktionen sind im Rahmen dieserAnalyse nur von untergeordneter Bedeutung. Zu jeder der genannten Funktionengehören entsprechende Inhalte, die sich mehr oder weniger direkt ergeben, wenn mandie Funktion der Selbstdarstellung und Imagepflege einmal unberücksichtigt lässt.Zum Informieren gehört im Allgemeinen eine Art der Zustandsbeschreibung, die dieGrundlage für die inhaltlichen Aussagen vorgibt. Aus dieser Darstellung entwickelt derBundeskanzler dann, und dies ist die wichtigste Funktion der Regierungserklärung,seine konzeptionellen und programmatischen Aussagen (ebd.: 164f.). Alskonzeptionelle Aussagen wird die Basis der Grundüberzeugungen verstanden. Demgegenüber bilden die programmatischen Aussagen den Schwerpunkt der Reden, undbetreiben damit maßgebliche Programmsetzungen für die kommende Periode:„Deutsche Bundeskanzler informieren vorwiegend darüber, welche Probleme sie alsvordringlich erachten und welche Lösungsstrategien sie dafür entwickelt haben“ (ebd.:165). In diesem Bereich liegt die wesentliche Begründung, großeRegierungserklärungen als maßgebliche Messgröße für den Stellenwert einesPolitikbereichs einzuführen.Wenn man nun die bereits beschriebene rechtliche Situation mit diesen Funktionen inVerbindung setzt, verdeutlicht sich das außerordentliche Potential der großenRegierungserklärungen. Wenn davon ausgegangen wird, dass die Rede stets dieRichtlinienkompetenz beinhaltet, prägt eine solche Erklärung die Regierungstätigkeit.Im politischen System der Bundesrepublik, in dem es seit der Gründung fastausschließlich Koalitionsregierungen gab, muss der Kanzler natürlich neben denprogrammatischen Interessen seiner eigenen Partei auch die des Koalitionspartnersberücksichtigen. Dennoch kann er durch diese Reden in vielen Teilen faktisch eineProgrammsetzung betreiben, die seinen Interessen genügt. Zwar wird der Kanzler denPartner in dieser Rede nicht bloßstellen wollen, sich aber auch nicht mit einerschlichten Darbietung der Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen begnügen. Da dieKoalitionsverträge in der Regel durch alle beteiligten Parteien gebilligt werden müssen,existiert hier ein größerer Druck, Formalitäten zu genügen. In der Regel ist dieMöglichkeit des Kanzlers, nach eigenen Vorstellungen Redezeit für bestimmte issueseinzuplanen, den Möglichkeiten durch Koalitionsverträge Gewichtungen vonThemenkomplexen vorzunehmen, weit überlegen. Gerade wenn die Parteien, die- 58 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutivegemeinsam regieren, ihr eigenes Profil wahren wollen, beispielsweise im BereichUmweltschutz- oder Wirtschaftspolitik, ist eine formale zustimmungspflichtigeFormulierung einer Reihenfolge in einem Koalitionsvertrag äußerst unwahrscheinlich.Dass der Bundeskanzler jedoch die Wichtigkeit einzelner Politikbereiche inRegierungserklärungen zu Amtsantritt in den Vordergrund rückt, ist politischeNormalität.Die Möglichkeiten, durch die Regierungserklärung zu Beginn der Amtszeit dieRegierungstätigkeit zu prägen und in der Regel nach einem Wahlkampf zurArbeitsroutine zurückzufinden, macht die Aufgabe zudem sehr komplex. Denn nebender Wirkung nach außen, besitzt die Regierungserklärung auch eine beträchtlicheWirkung nach innen, in die Bundesregierung: nämlich „regierungs-, fraktions-,koalitions- und administrationsinterne Festlegungen auf gesamtpolitische Richtlinien[…] und Perspektivsetzungen“ (Korte u.a. 2004: 289). Die Erwartungen an die Redesind in der Öffentlichkeit ebenfalls sehr hoch. Korte bezeichnet sie daher nicht zuUnrecht als „Visitenkarte und (…) Führungsinstrument“ (ebd.: 288) des Kanzlers –dessen „persönliche Handschrift“ (Berg/Vagt in Korte 2002: 80) insbesondere bei denersten großen Regierungserklärungen mit Spannung erwartet wird.5.2.3 Regierungserklärungen und SchulpolitikDie inhaltliche Zusammensetzung der Themengebiete hat im Verlauf der Geschichtevariiert. Dennoch zeigt ein Blick auf die Themenverteilung einer fiktiven,durchschnittlichen Regierungserklärung (Abbildung 5), dass auf verschiedene Themenvertieft eingegangen wurde, also durchaus unterschiedliche Schwerpunkte abzulesensind. Dabei ist es zunächst schwierig, das gesprochene Wort in entsprechendeKategorien aufzuteilen (Berg/Vagt in Korte (Hg.) 2002: 72f.). Es stellt sich nun dieFrage, in wie weit die Bundeskanzler ihre Regierungserklärungen genutzt haben,schulpolitische Fragestellungen zu berücksichtigen. Dazu dient als eine ersteKennziffer der durchschnittliche Prozentsatz, den die Erklärung dem Bereich„Ausbildung, Bildung und Forschung“ gewidmet hat.- 59 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen ExekutiveAbbildung 5: Themengebiete in der Durchschnitts-Regierungserklärung,(Quelle: Berg / Vagt in Korte 2002: 74)Wenn man diese Grafik betrachtet 35 , fällt auf, dass verschiedene Themengebiete nur imhistorischen Kontext wohl behandelt wurden, andere wiederum noch relevant gebliebensind. Dabei ist eine solche Operationalisierung mit verschiedenen methodischenSchwierigkeiten belastet; sie soll hier nur als Trend dienen.Bemerkenswert und gleichermaßen überraschend ist, dass das formal so schwacheThemengebiet der „Ausbildung, Bildung und Forschung“ den sechsten Platz von 19gelisteten Themengebieten erreicht hat - das Themengebiet „Sonstiges“ als Summationaller Themengebiete mit unter 2% Redeanteil muss hierbei unbeachtet bleiben.Bildungspolitische Fragestellungen liegen also im ersten Drittel der behandeltenThemengebiete. Dieses Ergebnis gewinnt zusätzlich an Bedeutung, wenn man beachtet,dass nicht in jeder Rede bildungs- und schulpolitische Fragen berücksichtigt wurden.Daraus resultiert, dass das Politikfeld in verschiedenen Regierungserklärungen einenbesonderen Stellenwert genossen hat. Hieraus lässt sich daher ablesen, dass inRegierungserklärungen von der Möglichkeit gebrauch gemacht wurde, Aussagen überPolitikbereiche zu tätigen, die nicht in dieser Form zu den Aufgaben einerBundesregierung zählen.35 Die Daten beziehen sich auf die großen Regierungserklärungen von Adenauer, 1949 bis einschließlichSchröder, 1998.- 60 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen ExekutiveUm diesen Befund zu überprüfen, bedarf es einer Durchsicht derRegierungserklärungen 36 , wie es durch die folgende Tabelle dokumentiert wird.BundeskanzlerTabelle 3: Schulpolitik in RegierungserklärungenDatum derRedeAnteilBildungspolitikin %SchulpolitikThema:ja/neinBedeutungdesThemasAdenauer 20.09.1949 26/314 8,28 nein 020.10.1953 nein 029.10.1957 nein 029.11.1961* nein 0Erhard 18.10.1963 38/847 4,49 ja 210.11.1965 ja 1Kiesinger 13.12.1966 3/752 0,40 nein 0Brandt 28.10.1969 143/898 15,92 ja 318.01.1973 ja 3Schmidt 17.05.1974 27/834 3,24 ja 116.12.1976 ja 224.11.1980 ja 2Kohl 13.10.1982 18/858 2,10 nein 004.05.1983 ja 118.03.1987 ja 130.01.1991 ja 123.11.1994 nein 0Schröder 10.11.1998 128/1126 11,37 ja 129.10.2002 ja 3Merkel 30.11.2005 ja 1Anmerkungen:Spalte 2: nach Berg/Vagt in Korte (Hg.) 2002: 61, Eigene ErgänzungSpalte 3: nach Stüwe 2005: 379-386, Zeilen zum Thema „Ausbildung, Qualifizierung, Wissenschaft“ /Gesamtzeilenanzahl der Regierungserklärung; Daten nur für „erste“ großeRegierungserklärungen verfügbar.Spalte 4,5,6: Eigene Erhebung;Bewertungsschlüssel zu Spalte 6: 0 = nicht vorhanden, 1 = gering, 2 = mittel, 3 = groß* Die Regierungserklärung 1961 hat Vizekanzler Ludwig Erhard in Vertretung von Konrad AdenauergehaltenDiese Tabelle gibt einen Schlüssel zur Analyse der Schulpolitik über die Regierungserklärungen.Die bisherigen Auswertungen haben nicht zwischen allgemeinen,bildungspolitischen Bezügen und Schulpolitik unterschieden. Dies wird hier erstmalsgetrennt untersucht: Dabei unterliegt die Bewertung in der sechsten Spalte derEinschätzung, mit welchem Nachdruck der Themenkomplex behandelt wurde, wie großdie Relevanz der angesprochenen Themen einzuschätzen ist und wie dies im Rahmen36 Die Regierungserklärungen liegen wie alle Parlamentsakten ab der 8. Legislaturperiode gemäß denNummern der Plenarprotokolle auch im Internet unter http://dip.bundestag.de/parfors/parfors.htm(31.08.2006), betrieben vom Deutschen Bundestag, vor; die ältere Regierungserklärungen werden nachBeyme 1979 zitiert bzw. ausgewertet.- 61 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutiveder gesamten Rede zu bewerten ist. Es handelt sich dabei bewusst um die Verwendungeines normativen Konzeptes; eine umfassendere Operationalisierung hätte den Rahmendieser Arbeit überschritten.Offensichtlich ist die Unterscheidung zwischen allgemeinen bildungspolitischenInhalten, die zum Kompetenzbereich des Bundes gehören, und schulpolitischenFragestellungen hier aufschlussreich. Fragen aus den Bereichen wie der Ausbildungsförderungoder dem Hochschulsektor verzerren den Blick auf die Regierungserklärungaus der hier gewählten Perspektive. Ein großer Anteil an Redeanteil zur Bildungspolitik,ohne große Bedeutung im Rahmen der Schulpolitik zu besitzen, zeugt jedochebenso von einer spezifischen Schwerpunktsetzung, wie eine geringe Beachtung desThemenkomplexes an sich.Bei der Analyse unter dem Aspekt der Schulpolitik (Spalten 5,6) fällt auf, dass alleRegierungserklärungen von sozialdemokratischen Kanzlern schulpolitische Fragestellungenbehandelten. Bei Kanzlern aus den Unionsparteien ist dies nur bei wenigerals der Hälfte der Fälle vorgekommen. Die jeweilige Bedeutung erschließt sich zumTeil aus dem jeweiligen Zeitkontext, die parteipolitische Zugehörigkeit scheintebenfalls eine Rolle zu spielen. Diese These erhärtet sich, wenn man die Bewertungsskalahinzunimmt. Die Bedeutung des Themas wird insgesamt auf der Skala von 0 bisdrei bei SPD-Kanzlern mit 2,29 eingestuft, bei Kanzlern aus der CDU/CSU erreicht dasMittel nur 0,54; der Gesamtdurchschnitt liegt bei 1,15. Adenauer und Kiesinger warendie einzigen beiden Bundeskanzler, bei denen Schulpolitik nie im Redebeitragvorhanden war, die größte Bedeutung hatte der Themenkomplex für Brandt und diezweite Amtsperiode Schröder.5.3 Einflussnahme des Bundeskanzlers II: vertiefendeAnalyseUm den Stellenwert in der Exekutive zu analysieren, soll nun in einem letzten Schrittdie Rolle des Beitrages in der Regierungserklärung in den Einzelfällen untersuchtwerden. Dabei werden die Beiträge in drei Gruppen unterteilt: Zunächst dieRegierungserklärungen, die zwischen 1949 und 1969 gehalten wurden. In der Folgesind zwei Phasen der besonderen Relevanz festzustellen, die in einem Vergleich derBeiträge von Schröder und Brandt aufgeschlüsselt werden. Die weiteren- 62 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen ExekutiveRegierungserklärungen sind weniger eindeutig klassifizierbar und bilden den Abschlussdieses Kapitels.5.3.1 Regierungserklärungen vor 1969Die Regierungserklärungen von Konrad Adenauer sind natürlich in besonderem Maßezeithistorisch geprägt. Die neu gegründete Bundesrepublik war in ihren Institutionennoch in der Konsolidierung. Adenauers Regierungserklärung war entsprechend aucheher eine „nüchterne Aufzählung der drängendsten Probleme des neuen Staates“(Stüwe 2005: 260), die bildungspolitischen Feststellungen der ersten Rede waren nurauf Ausbildungswesen und Forschungspolitik aus der Sichtweise der ökonomischenErfordernisse bezogen (Beyme 1979: 59). Der Mangel an Fachkräften ist auch in derzweiten Regierungserklärung das Argument für eine Verstärkung der Bemühungen(ebd.: 86), in der dritten Regierungserklärung 1957 kommen bildungspolitischeBemerkungen gar nicht vor. Die Rede von 1961 behandelt forschungspolitische Fragen,im speziellen zur Kernenergie. Daneben wird eine spezielle Ausbildungsförderunggeplant, geschuldet der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung. Schulpolitikspielt also in keiner der Reden eine Rolle.Mit dem Regierungswechsel 1963 änderte sich auch der Charakter der Reden. Erhardgeht bereits in seiner ersten Rede direkt auf die Schulpolitik ein, mit dem Ziel, „unsereZukunft gesichert zu wissen“ (ebd.: 173). Dabei bezieht er bemerkenswerter Weise alleBildungsstufen mit ein. Wie das folgende Zitat belegt, zielt er direkt auf eine Neuordnungder Machtverhältnisse in diesem Politikfeld:Das Bund-Länder-Verhältnis wird zu einer Lebensfrage, wenn es sich umZuständigkeiten und Verantwortung für das Schul- und Bildungswesen (…)handelt. So gewiß die Bundesregierung bereit ist, die Zuständigkeiten derLänder in der Kulturpolitik zu respektieren, so gewiß hat doch dieBundesregierung die Pflicht, vorausblickend die Lebensbedingungen einesmodernen Staates zu garantieren. (ebd.: 173)Erhards erste Rede macht also bereits einen großen Unterschied zur bisherigen Rolledes Politikfeldes. In seiner zweiten großen Regierungserklärung 1965geht er einerseitsaus ökonomischer Perspektive auf Ausbildungsfragen ein, spricht jedoch auch den neugeschaffenen Bildungsrat aus Sicht der Jugend- und Familienpolitik an (ebd.: 210), waseine neue Konnotation darstellt.- 63 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen ExekutiveBei der Regierungserklärung Kiesingers 1966 beziehen sich die innenpolitischenKommentare nahezu ausschließlich auf wirtschafts- und konjunkturpolitische Fragestellungen.Er greift nicht die Tradition einer umfassenden Rede auf, und behandeltnicht die gesamte Palette der Themen. Bildungs- und Schulpolitik kommen in seinenAusführungen gar nicht vor.5.3.2 Zwei Hochkonjunkturen im Vergleich: Brandt undSchröderNach dem Regierungswechsel 1969 hatte der Bundeskanzler erstmals die Möglichkeit,durch die Einführung der Gemeinschaftsaufgaben im Rahmen eigener Kompetenzenüber das Politikfeld Schulpolitik zu sprechen. Brandt machte, um dies vorweg zunehmen, davon wie kein anderer Gebrauch. Seinen Regierungserklärungen soll hier einbesonderer Platz geboten werden, da sie zeigen, wie weitreichend die Möglichkeitendes Kanzlers sind. Um die Rede des Kanzlers in der zweiten Phase der Hochkonjunktur,Schröders Antrittsrede 2002, besser einordnen zu können, wird hier mit derChronologie gebrochen und diese direkt im Anschluss dargestellt. Beide Phasenwerden auf dieser Ebene verglichen. Die Regierungserklärungen von BundeskanzlerSchmidt, als dem dritten sozialdemokratischen Bundeskanzler, gehen überwiegend inder Fortführung begonnener Projekte auf das Politikfeld ein und werden daher erst imfolgenden Abschnitt berücksichtigt.Brandts Antrittsrede 1969 wurde „zu einem Fanal einer neuen Zeit stilisiert“ (Stüwe2005: 283). Seine besonderen rhetorischen Fähigkeiten kreisten dabei um die BegriffeReform, Demokratie und Planung. Innerhalb dieses Gerüsts wurde auch dieBildungspolitik dargeboten, wörtlich sagt er: „Bildung und Ausbildung, Wissenschaftund Forschung stehen an der Spitze der Reformen, die es bei uns vorzunehmen gilt“(Beyme 1979: 265). Dabei kündigt er an, dass die Bundesregierung die neugeschaffenen Möglichkeiten „voll ausschöpfen wird; sie will den Ländern – ohne ihreZuständigkeiten anzutasten – helfen“ (ebd.). Kern seines schulpolitischen Konzeptes istes, als Bundesregierung in die Bildungsplanung einzusteigen. Zudem kündigt erAusgabensteigerungen an. Das Ziel der Bemühungen ist nicht ökonomisch motiviert,sondern wird eigenständig definiert: es geht um den kritischen, urteilsfähigen Bürger,sowie die Durchsetzung des Verfassungsziels „allen Bürgern gleiche Chancen zugeben“ (ebd.: 266). Man erkennt hier im Vergleich zum Beitrag Erhards eine ähnliche- 64 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen ExekutiveFormulierung den Föderalismus betreffend. Die Aufwertung des Politikfeldes, es in dasZentrum der Bundespolitik zu stellen, ist jedoch zweifelsfrei eine neue Qualität. Ebensoverhält es sich bei der Motivation: wurde sonst die Schulpolitik aus wirtschaftlichenErfordernissen heraus dargestellt, setzt Brandt erstmals Bildungsinhalte, den mündigenBürger, als Begründung für die Bedeutung des Eingreifens der Bundesregierung.Brandts zweite große Regierungserklärung steht nach eigener Darstellung in derKontinuität der ersten Rede (ebd.: 283). Jedoch ändert sich die Schwerpunktsetzung:Brandts Rede wird außen- und deutschlandpolitisch dominiert, innenpolitischeFragestellungen werden nun untergeordnet. Formal bezeichnet er jedoch weiterhin dieArbeit im Bereich Bildung als die Spitze der Reformvorhaben. Explizit geht er auf dasVerhältnis und die Rolle der Länder ein:Es war allerdings schwierig, zwischen Ländern und Bund eine gemeinsameGrundlage zu finden. Wir müssen nun einen neuen Anlauf unternehmen. Dazuist eine größere Kooperation aller Länder erforderlich.Die Bundesregierung wird ihre Kompetenz ganz nutzen, um diegesamtstaatliche Bildungsplanung mitzugestalten (ebd.: 300).Diese Kritik an der Bereitschaft der Länder stellt einen besonderen Beitrag seiner Rededar. Umgesetzt werden soll die Detailplanung durch einen Gesamtplan, derangekündigt wird. Daneben führt Brandt auch aus, was er inhaltlich unterBildungsreform versteht. Ziel der Maßnahme ist weiterhin die Chancengleichheit. ImSchlusswort appelliert Brandt noch an die Oppositionsparteien zur Zusammenarbeitinsbesondere im Bundesrat, jenseits parteipolitischer Grenzen. Vielmehr weist er aufdie „gemeinsame Verantwortung“ (ebd.: 312) hin, derer er gerecht werden möchte.Insofern bestärkt er nochmals die bereits zitierte Anforderung einer größerenKooperation, die dieses Politikfeld in besonderer Weise betrifft.Gerhard Schröders Reden unterscheiden sich wesentlich von denen Brandts. Seineerste Rede 1998 steht stark unter dem übergeordneten Ziel der Bekämpfung derArbeitslosigkeit. Bildungspolitik kommt im Rahmen der Hochschulpolitik Bedeutungzu, ebenso wie zur Qualifizierung der Arbeitskräfte; Schulen bilden nur die Grundlagefür weiterführende, berufsorientierte Bildung. Zwar sagt Schröder explizit: „Wirbrauchen eine bessere Bildungsplanung, und wir werden sie machen.“ (Sten. Ber. 14/3:55C), meint jedoch damit nur die Anpassung der Universitätsbildung an dieErfordernisse des Arbeitsmarktes.- 65 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen ExekutiveAnders stellt er den Zusammenhang bei seinem Regierungsantritt 2002, also noch inzeitlicher Nähe mit den PISA-Veröffentlichungen, dar. Seine starken Forderungen nachmehr Bundeseinfluss, wie er sie in der Zeitung „Die Zeit“ (Schröder 2002), aber auchim Bundestag 37 gefordert hatte, tauchen auch in dieser Rede nicht wieder auf. Zunächsterklärt er eine neue Bedeutung des Politikfeldes: „Obenan stehen Reformen auf demArbeitsmarkt und im Bildungswesen“ (Sten. Ber. 15/4: 52B). Damit stellt er beideThemengebiete auf die gleiche Ebene. Zudem stellt Schröder das Ganztagsschulprogrammvor, im Besonderen im Hinblick auf den internationalen Vergleich von„führenden Bildungsnationen“ (ebd.: 54D). Außerdem gibt Schröder auch konkreteVorhaben der Schulpolitik preis: mit dem Argument, Bildungschancen dürften nichtvom Wohnort bestimmt sein, kündigt er gemeinsam mit den Ländern entwickelteBildungsstandards an. Daneben fordert er mehr Autonomie für die Schulen.Diese Rede Schröders bleibt wesentlich hinter seinen Forderungen vor der Wahlzurück. Schröder gibt eine hohe Relevanz des Themengebiets mehrfach in der Rede, inder Einleitung wie dem Schluss, an, jedoch scheint es nun so, als ob man dieserRelevanz im bestehenden System nachkommen könnte. Wie er letztlich die Länderdazu bringen möchte, sein Vorhaben nationaler Bildungsstandards unterZusammenarbeit mit der Bundesregierung und nicht mittels der KMK zu etablieren,konnte er weder erklären noch später durchsetzen. Die Forderung nach mehrAutonomie für die Schulen bleibt ebenfalls vage: Schröder erklärt weder dieUmsetzung noch den Sinn dieser Forderung in seiner Rede.Wenn man nun beide Hochkonjunkturen im Vergleich betrachtet, werden großeDifferenzen deutlich. Brandts Reden sind davon geprägt, aus Gerechtigkeitsmotivenheraus echte Reformen auch in der Struktur des Bildungssystems anzugehen. BeiGerhard Schröder sieht die Lage hingegen wesentlich nüchterner aus: Zwar kündigteSchröder vor der Wahl eine neue Relevanz des Themengebiets an, strebt aber keinerleiEinflussnahme jenseits der „goldenen Zügel“ des Ganztagsschulprogramms an. Zwarist ein solches Programm in der Geschichte des Bildungswesens einmalig, dennochbleibt damit die Rolle und der Einfluss des Bundes genauso gering wie bisher.Wenn man berücksichtigt, dass die großen Regierungserklärungen immer sowohlAktion als auch Reaktion auf die bestehenden Erwartungen an eine solche Rede sind,37 In einer stark auf die sozialen Aspekte der Schulpolitik eingehenden Regierungserklärung hat Schröderim Juni 2002 auch im Parlament weitreichende inhaltliche Forderungen – ohne die spitzenFormulierungen des Zeitungsartikels – vorgetragen. (s. Sten. Ber. 14/242: 24181Aff.)- 66 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutivedrängt sich der folgende Verdacht auf: Während Brandt versucht hat, dasThemengebiet Schulpolitik mit einem neuen Stellenwert aktiv zu gestalten, hat GerhardSchröder eher auf der Welle der PISA-Diskussion reagiert, und versucht, imWahlkampf geweckten Erwartungen zu genügen. Diesen Verdacht, dass der Versuchder Kompetenzausweitung unter „elektoralen Gesichtspunkten“ gestartet wurde, hegenauch Henkes und Kneip (In: Egle u.a. 2003: 301). Anders formuliert: während Brandtan der Entwicklung einer Hochkonjunktur beteiligt war, versuchte Schröder die ohnesein Zutun entstandene Aufmerksamkeit zur Umsetzung eines bestimmten Ziels, derGanztagsbetreuung, zu nutzen.5.3.3 Uneindeutige Trends: Schmidt, Kohl, MerkelDie Regierungserklärungen von Schmidt, Kohl und Merkel haben gemäß derPhaseneinteilung in ruhigeren schulpolitischen Zeiten stattgefunden. Daher lassen sichaus ihren Erklärungen nur wenige eindeutige Trends erkennen. Letztendlich zeigt sichhier jedoch auch, dass die persönlichen Handschriften in den Regierungserklärungendurchaus stichhaltige Indizien für den Stellenwert der policy auf Bundesebene geben.Die Antrittsreden Schmidts sind, anders als bei seinem Vorgänger Brandt, vongrößerer Nüchternheit und einer wirtschafts- und finanzpolitischen Perspektive geprägt.In seiner ersten Erklärung 1974 nimmt aus bildungspolitischer Sicht die beruflicheBildung und Ausbildungspolitik einen Aufschwung, die von Brandt dargestellteschulpolitischen Konzepte werden nur mit dem Verweis auf den Bildungsgesamtplangestreift. Insgesamt setzt Schmidt also einen eigenen Schwerpunkt, der im Rahmen desbestehenden Kompetenzgeflechts auch in die eindeutige Zuständigkeit des Bundes fällt.Ganz anders hingegen ist die Schwerpunktsetzung in seiner zweiten Regierungserklärung1976. Umfassend stellt Schmidt dort Fragen zur Forschungspolitik,Ausbildungspolitik in Zeiten demographischen Wandels und der steigendenQualifikationsansprüche im Berufsleben. Jedoch greift er auch schulpolitischeFragestellungen auf. Dabei zielt er direkt auf einen größeren Einfluss des Bundes:… es gibt vielfältig auch Mangel inhaltlicher Reformen auf allen Stufen desBildungswesens.Diese kritischen Fragen können hier im Bundestag nicht ausgeklammertwerden, auch wenn der Bundestag und wenn die Bundesregierung hier imVergleich zu den Ländern auf all diesen Feldern nur ganz geringe Kompetenzenbesitzt. Sie können deshalb nicht ausgeklammert werden, weil es sich hier umgesamtstaatliche Verantwortung handelt, von der wir zu reden haben. (…)- 67 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen ExekutiveViele Menschen verstehen nicht, dass ihre Kinder schulisch und beruflichbenachteiligt werden, weil es keine gesamtstaatlich gleichen Bedingungen inunserem Lande gibt (…). Angesichts der tatsächlichen Erfahrungen der Elternund der jungen Menschen ist ernsthaft zu prüfen, ob und wie die Notwendigkeiteinheitlicher Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet einheitlicheRegelungen sinnvoll erscheinen lässt.Die Bundesregierung tritt jedenfalls nachdrücklich für eine Stärkung dergesamtstaatlichen Verantwortung für die Strukturen des Bildungswesens ein(Sten. Ber. 08/05: 39Bf.)Neben dieser fundamentalen Kritik führt Schmidt fünf konkrete Probleme desBildungswesens an, darunter das ihn viel beschäftigende Problem der wechselseitigenAnerkennung von Abschlüssen, die Dauer der Schulpflicht sowie die Lehrerausbildung.Er kündigt einen Bericht über die strukturellen Mängel des Bildungssystems an, umden Bedarf für eine Änderung der Zuständigkeiten zu verdeutlichen. Daneben setzt erauch Akzente im Bereich der beruflichen Bildungspolitik. Insgesamt klassifiziertSchmidt die Bildungspolitik als einen seiner sieben Handlungsschwerpunkte (ebd.:52B).Die dritte Regierungserklärung Schmidts geht weniger ausdrücklich auf dieProblematik ein, spricht sie jedoch in aller Deutlichkeit an. Die genannten Ziele werdenwieder aufgegriffen, konkret wird auch die Befürwortung der Gesamtschulenangesprochen. Die wechselseitige Anerkennung von Abschlusszeugnissen führt zumDisput, und Helmut Kohls Reaktion auf diese Forderung durch einen Zwischenruf, dasses sich dabei um die „dümmste Form der Volksverhetzung“ handele, ist bemerkenswertim Rahmen einer Regierungserklärung. Schmidt jedoch beschwichtigt in der Folge undfährt fort mit: „Wir wollen keine Glaubenskriege im Bildungswesen, wohl aberPluralität, kulturelle Vielfalt und – bitte – Toleranz auch im Bildungswesen“ (Sten. Ber.09/05: 38B). Insgesamt formuliert er seine Forderungen weniger umfangreich unddeutlich als in der Erklärung zuvor. Im Mittelpunkt der Debatte stehen dieAnerkennung von Abschlüssen und der Hochschulzugang.Kohls erste Regierungserklärung 1982 bricht mit der Kontinuität der Regierungserklärungenseit der Verfassungsreform 1969: Er berücksichtigt in seiner erstenRegierungserklärung Bildung nur im Sinne von Kapitalbildung – Schule spielt in dieserRede überhaupt keine Rolle. Stüwe interpretiert sie als „eine Art Gegenmodell“ zu denHerangehensweisen von Brandt und Schmidt (Stüwe 2005: 321). Auch in seinerAntrittsrede 1983 spielt Schulpolitik faktisch keine Rolle; er bemerkt lediglich, dass dieBundesregierung die Anstrengungen der Länder begrüßt, Begabte besonders zu fördern- 68 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive(Sten. Ber. 10/04: 63D). Zudem kündigt er im Rahmen der Friedenspolitik an, deutscheSchulen im Ausland verstärkt zu fördern (ebd.: 67C).Die Regierungserklärung 1987 akzentuiert erstmals das Bund-Länder-Verhältnis indiesem Bereich; Kohl führt dazu aus:Auch die Länder bleiben auf das wohlverstandene Gesamtinteresse desBundesstaates verpflichtet. Das gilt beispielsweise (…) nicht zuletzt für dieSchul- und Bildungspolitik. Nur im konstruktiven Zusammenwirken könnenBund und Länder ihrer Verantwortung gerecht werden (Sten. Ber. 11/04: 64B).Zudem möchte sich die Bundesregierung im Rahmen der Europapolitik für einenverstärkten europäischen Schüleraustausch engagieren (ebd.: 68C). Kohl rügt hier alsodie Länder, fordert jedoch keine direkte Kompetenzverschiebung. Seine konkretenVorhaben bleiben im Rahmen der Kompetenzen des Bundes verhaftet.Die Rede 1991 greift im Rahmen des Wiedervereinigungsprozesses schulpolitischeFragestellungen auf, begnügt sich aber mit der vagen Ankündigung: „dieBundesregierung wird hierbei ihren Beitrag leisten“ (Sten. Ber. 12/05: 78D). Zudemkündigt er an, dass die Schulzeiten verkürzt werden sollen, um Jugendliche schneller inden Arbeitsmarkt zu bringen. Das „wie“ wird allerdings nicht erläutert. In seiner letztengroßen Regierungserklärung 1994 spielt Bildungspolitik nur eine äußerst untergeordneteRolle, Anmerkungen zum Gebiet des Schulwesens kommen überhaupt nichtvor.Bei Angela Merkels bislang einziger großer Regierungserklärung 2005 versucht dieKanzlerin im Bereich Schulpolitik einen Spagat: einerseits zeigt sie die Wichtigkeit desPolitikfeldes für den Standort Deutschland, andererseits begnügt sie sich damit zuhoffen, die Länder werden dies entsprechend umsetzen. Wörtlich sagt sie „Es istwichtig, dass wir die Bildungschancen verbessern. (…) Ich hoffe, dass das nach derFöderalismusreform von den Ländern in entsprechender Weise fortgesetzt wird“ (Sten.Ber. 16/04: 85C). Worauf sich diese Hoffnung begründet, wird nicht klar. Dennochgreift die Kanzlerin die Frage nochmals auf und fordert, im Rahmen derIntegrationspolitik, eine verstärkte Förderung der Deutschkenntnisse von Kindern mitMigrationshintergrund. Dabei möchte Merkel die Handlungen der Länder unterstützen,eigene Förderungen stellt sie nicht in Aussicht.- 69 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen Exekutive5.4 Auswertung: Gesamtbild von Ministern und KanzlernUm den Stellenwert des Politikfeldes in der Exekutive der Bundesrepublik im Rahmender Kompetenzen zu bewerten, werden verschiedene Zusammenhänge für denZeitraum 1949 bis 2005 deutlich. Diese lassen sich sowohl parteipolitisch, als auchpersonenbezogen deuten.Insgesamt zeigt sich also bei der Analyse der Erklärungen der ersten 20 Jahre derBundesrepublik, dass die These, wie sehr die Thematisierung von den Interessen desRegierungschefs beeinflusst wird, durchaus bestätigt wird. Erhard zeigt dabeibesonderes Interesse verglichen mit Adenauer und Kiesinger. Insgesamt jedoch war dieSPD die stärkste und konstanteste Kraft in Richtung einer zunehmenden Unitarisierung.Zudem stellte sie mit Abstand die meiste Zeit die Minister des Ressorts aufBundesebene. Parteipolitisch bemerkenswert ist zudem, dass die GRÜNEN dasPolitikfeld bisher nicht stärker gestalten konnten, wären doch hier klassische Zieledieser Partei umzusetzen.Anders als im Konjunkturmodell angenommen, hat neben Brandt im Rahmen derEtablierung des Feldes Schmidt in Zeiten knapper werdender Kassen dem Politikfeldein besondere Relevanz zugeordnet, wie sie in dieser Form bei Schröder nicht zu findenist. Insofern ist also eine Neubewertung der Zusammenhänge notwendig:Bundespolitisch ist den Jahren der Regierung Schmidt ein deutlich größeres Gewichtzuzuordnen, als dies unter Schröder der Fall war. Die Bedeutung der BrandtschenSchwerpunktsetzung bleibt davon unberührt.Wenn man das tatsächliche Handeln der Regierung Merkel noch unberücksichtigt lässt,kann jedoch aus dieser Analyse abgelesen werden, dass die Schulpolitik in besonderemMaße unter Kohl marginalisiert wurde: hier spielt sie schlicht keine nennenswerte Rollefür den Kanzler. Entsprechend war die CDU in seiner Regierungszeit auch bereit, dasRessort an den kleineren Koalitionspartner abzugeben; den Rest der Zeit des Bestehenswar das Ressort stets der Steuerung durch den größeren Koalitionspartner vorbehalten.Aus der Analyse der Minister ließ sich insgesamt ein eher geringer Stellenwert desverantwortlichen Ministeriums ableiten. Im Gegenzug dazu ist das Thema im Rahmenvon Regierungserklärungen durchaus Gegenstand gewichtiger Ausführungengeworden. Diese Diskrepanz lässt sich nur schwer erklären; es liegt die Vermutungnahe, dass die persönliche Handschrift des Kanzlers in den Regierungserklärungen dem- 70 -


Analyse des Stellenwerts der Schulpolitik in der deutschen ExekutivePolitikfeld zumindest zeitweilig eine größere Bedeutung eingeräumt hat, als dies imRahmen des Kabinetts und der parteipolitischen Auseinandersetzung zu vermuten war.Bemerkenswert ist, dass nach Auswertung des Stellenwertes des Politikfeldes aufBundesebene seit PISA keine Änderungen in der Kompetenzstruktur seitens desRegierungschefs angestrebt wurden. Zwar konnte man die Regierung Schröder mitihrer Ministerin Bulmahn noch als aktiven Akteur im Rahmen der Diskussion umBildungsreformen interpretieren; hinter deren Konzepten blieb der Kanzler aberzurück. Unter der Administration Merkel und Ministerin Schavan jedoch zeichnet sicheine deutliche Reduktion einer Schulpolitik der Bundesebene ab: die Bundesebene istoffenkundig bereit, im Rahmen der Föderalismusreform weitere Teile der verbliebenenKompetenzen auf die Länderebene zu übertragen, wie ein abschließender Blick auf diegeplante Föderalismusreform zeigt.- 71 -


6. Zur Föderalismusreform aus Sicht der SchulpolitikBevor ein endgültiges Fazit über die Rolle des Bundes im deutschen Föderalismusgebildet werden kann, muss die Zukunftsperspektive der bestehenden, verflochtenenSituation näher beleuchtet werden. Dabei ist während der Verfassung dieser Arbeit dieFöderalismusreform gerade in Bundestag und Bundesrat von der Mehrheit von Unionund SPD beschlossen worden, mittlerweile hat auch Verkündung stattgefunden. DasReformprojekt wird also zum 1. Januar 2007 in Kraft treten.Die wissenschaftliche Kommentierung der Arbeit der „Gemeinsamen Kommission vonBundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“(KMbO) ist äußerst vielfältig. Zwar wird die Notwendigkeit einer Reform angemahnt,wirklich große Veränderungen wurden hingegen nicht erwartet. Lehmbruch folgert ausder außerordentlichen Kontinuität der bundesstaatlichen Ordnung, dass die Akteure„eher für ausgehandelte Veränderungen in kleinen Schritten mit überschaubarenKonsequenzen zu gewinnen sein“ werden, sofern keine besonderen Krisenlagenentstehen (Lehmbruch 2000: 93). Ähnlich leitet Schmidt ab, dass „DeutschlandsFöderalismus (…) an einem kapitalen Steuerungsproblem laboriert“ (2001: 489) –woraus auch nur wenig Hoffnung für das Gelingen einer Reform zu schöpfen war.Letztlich, so charakterisiert Scharpf die Situation vor der Föderalismusreform, „warpolitisches Handeln nur noch im allseitigen Konsens möglich“ (2005: 6). Benz 38 machtauch inhaltliche Faktoren für das – vorübergehende – Scheitern der Reformverantwortlich: Die Leitidee der Entflechtung förderte eine Blockierung der Reform.Schließlich wurde deswegen die Reduzierung der Reform auf ein „Feilschen um einTauschgeschäft“ nicht mehr korrigierbar (2005: 207f.) 39 .Die Ergebnisse der Reform für den Bildungssektor, speziell für die bundesstaatlicheEinflussnahme auf die Schulpolitik, lassen sich in folgender Weise zusammentragen:Die bereits in Kapitel 3.2.9 angeführten Änderungen in der Aufgabe des Bundes, stattan der Bildungsplanung, die insbesondere in den letzten 25 Jahren nur eine sehr geringeBedeutung genossen hat, von nun an an der Evaluierung der Ergebnisse beteiligt zu38 Arthur Benz war als Sachverständiger mit Rederecht in „Föderalismuskommission“ vertreten, ebensowie Fritz W. Scharpf.39 Zum damaligen Scheitern der Föderalismusreform 2005 und den Einschätzung hiervon siehe auch dieBeiträge in APuZ 13-14, 2005.- 72 -


Zur Föderalismusreform aus Sicht der Schulpolitiksein, passt faktisch die Idee der Bildungsplanung an die neuere Entwicklung an.Insbesondere das Mitwirken an internationalen Berichten erscheint jedoch ohne dieBeteiligung des Bundes als schwer möglich. Die Formulierung, die der neue Artikel91b des Grundgesetzes haben wird, scheint keine substanzielle Veränderung derKompetenzstruktur zu sein. Sie wird lediglich dazu führen, dass das Aufgabengebietder BLK neu zu strukturieren ist; in wie weit damit eine Veränderung der Kompetenzeneinhergeht, ist nicht abzusehen. Denkbar wäre auch die Auflösung der BLK zugunsteneiner völlig neuen Instanz; in der Kommentierung der Drucksache wird jedoch voneiner Anpassung und „Bereinigung“ des bisherigen BLK-Abkommens ausgegangen.Eine echte Entflechtung der Entscheidungsstrukturen könnte hier also erzielt werden,wird aber keineswegs garantiert; die Leitidee der Entflechtung konnte nicht eindeutigumgesetzt werden.Neu ist hingegen die explizite Interessenvertretung der Länder im schulpolitischenBereich im Rahmen der Europäischen Union in Artikel 23 (Abs. 6 Satz 1):Wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder aufden Gebieten der schulischen Bildung, der Kultur oder des Rundfunks betroffensind, wird die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundesrepublik Deutschlandals Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen, vom Bund auf einen vomBundesrat benannten Vertreter der Länder übertragen. (BT DRS 178-06)Dies kann durchaus als eine Klärung der Kompetenzen interpretiert werden, bisherstand an gleicher Stelle ohne Nennung der Kompetenzbereiche, dass falls derSchwerpunkt der Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liegt, der Bund die Rechteauf einen vom Bundesrat benannten Vertreter übertragen solle. Ob damit allerdings dieeine einheitliche Interessenvertretung der Bundesregierung im europäischen Rahmengewährleistet werden kann, bleibt fraglich. Bisher haben sich diese Vertretungenjedoch wegen der langwierigen Abstimmungsprozesse unter den Ländern als wenigwirksam erwiesen (Scharpf 2005: 8, s. auch Buse 2004).Zudem wurde das Besoldungs- und Dienstrecht wieder auf die Landesebeneübertragen, was über für die Arbeitsbedingungen in den Schulen von Bedeutungwerden kann. Hierdurch wird ein Wettbewerb unter den Ländern befördert, der sichwomöglich auch auf dem Schulsektor niederschlagen wird. Die tatsächlichen Effektedieser Maßnahme sind jedoch kaum zu prognostizieren. Es ist jedoch davonauszugehen, dass die Differenzen im Bundesgebiet durch diesen Schritt nicht geringerwerden. Beispielsweise erscheint es denkbar, dass spezielle Anreize für Lehrer gerade- 73 -


Zur Föderalismusreform aus Sicht der Schulpolitikin besonders gesuchten Fächern (so genannten „Mangelfächern“) geben könnte. Durchdas Fehlen einheitlicher Qualifikationsansprüche im Lehrberuf ist von einer steigendenMobilität nur in geringem Umfang auszugehen, um die Folgen dieser Änderungrealistisch einzuschätzen.Sehr bedeutend ist zudem die Änderung, dass im Rahmen von Artikel 104a, 104b eineneue Schranke der bundesstaatlichen Einflussnahme eingeführt wird. Der Wortlaut desGesetzes sieht vor, dass der Bund den Ländern keine Finanzhilfen gewähren kann,wenn es sich bei dem Gegenstand der Investition um einen Bereich derausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder handelt. Diese Beschränkungdes Bundes, so entnimmt man der Begründung, bezieht sich explizit auf dieSchulpolitik (ebd., S. 46f.). Das in dieser Arbeit als besonders gewichtig eingestufteSteuerungselement durch die Finanzierung seitens der Bundesebene wird zukünftig perGrundgesetz verboten sein. Zwar darf gemäß einer Übergangsregelung der Bund dasInvestitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ fortführen, neue Programmedieser Art sind jedoch nicht möglich.Mit dieser Veränderung verliert der Bund eine seiner wichtigsten Optionen zurEinflussnahme im Politikfeld. Entsprechend wurde dies auch während derExpertenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags kontroversdiskutiert. Insgesamt verlaufen die Konfliktlinien uneinheitlich, wenn man dieProtokolle der beschließenden Bundestagssitzung (Plenarprotokoll 16/44, vom20.06.2006), der entsprechenden Bundesratssitzung (824. Sitzung, 7.0.7.2006) undBeratungen im Rechtssauschuss (Rechtsausschussprotokoll 16, vom 29.05.2006)verfolgt.Bei den Sachverständigenanhörungen zum Themenkomplex Bildung im Ausschuss 40dominieren hochschulpolitische Fragestellungen die Diskussion. Eindeutig Stellunggegen die Föderalismusreform beziehen jedoch zwei der drei explizitenSachverständigen des Schulsektors, nämlich der Vorsitzende der Bundeselternrates undder Vertreter der GEW. Der Direktor eines Gymnasiums, als der dritte Vertreter, zeigtsich als Befürworter der Neuregelungen. Die Vertreter der Wirtschaft sind gespalten:40 Der Bundestag hatte gegen den Willen der Opposition beschlossen, die Föderalismusreform als Paketim Rechtsausschuss zu behandeln und nicht die Gebiete aufzuteilen und an die entsprechendenAusschüsse zu verteilen.Im Ausschuss wurden dann Sitzungen zu Themenblocks abgehalten, die als Protokolle, teilweise auchals Audiodateien und Videos im Internet verfügbar sind unter: http://www.bundestag.de/parlament/gremien/foederalismus/index.html (31.08.2006).- 74 -


Zur Föderalismusreform aus Sicht der Schulpolitiksie befürworten einen größeren Wettbewerb, möchten aber eine große Mobilität derArbeitnehmer sicherstellen; daher sind ihre Argumente uneindeutig. Im Bundestagdominieren wieder parteipolitische Konfliktlinien die Argumentation. Eine breiteMehrheit aus SPD und CDU im Bundestag stimmte letztlich für eine nochmalsgeringfügig veränderte Fassung des Gesetzes und erfüllte damit die geforderte2/3-Mehrheit, die Opposition votierte bei drei Enthaltungen aus der FDP geschlossengegen das Gesetz 41 .Interessant waren die entsprechenden Beratungen und Abstimmungsverhalten imBundesrat. 14 der 16 Länder stimmen für die Reform, das von einer großen Koalitionunter der Führung der CDU regierte Schleswig-Holstein hat sich enthalten, das rot-roteBündnis in Mecklenburg-Vorpommern lehnt als einziges Bundesland dieGrundgesetzänderung ab. Es dominiert die Frage des Dienst- und Besoldungsrechtsweite Teile der Wortbeiträge. Insbesondere die nicht zustimmenden Länder sehen keinefairen Voraussetzungen für einen zunehmenden Wettbewerb. Gerade finanzschwacheLänder äußern Bedenken, auch explizit gegen das Verbot von Investitionsprogrammendes Bundes im Schulsektor. Kurt Beck, als Vertreter von Rheinland-Pfalz und SPD-Vorsitzender, kann den inneren Konflikt seiner Partei nur beschreiben, wenn er zwarden Kompetenzverlust des Bundes im Schulbereich bedauert, jedoch im Rahmen einesgesamten Pakets für unverzichtbar erklärt.Die Auswirkungen dieser Änderungen werden sich erst mittelfristig zeigen. Dass aberim Rahmen einer Reform der bundesstaatlichen Ordnung die Vertreter des Bundes,sowohl der Regierung wie auch des Bundestages, einem Rückgang der eigenenVerantwortlichkeiten ausgerechnet im Bildungssektor zustimmten, ist ein nichtunwesentliches Zeichen für die Einstufung der Wichtigkeit des Politikfeldes aufBundesebene. Wenn sich in der bisherigen Analyse herauskristallisiert hat, dass dieZeit der sozialliberalen Koalition für wesentliche Aktivität des Bundes im Schulesektorstand, so ist es bemerkenswert, dass die SPD in den Jahren nach PISA zunächst dasgrößte Investitionsprogramm in der Geschichte des deutschen Schulwesens auflegteund nur kurze Zeit später zu einer Zustimmung zum Verbot solcher Programme bereitwar. Der Kurs der Partei unter Schröder und Müntefering erscheint also in diesem Lichtals wenig eindeutig; sicherlich kann jedoch von beiden behauptet werden, dass41 Da es sich um namentliche Abstimmung handelte, ist die Stimmabgabe der Mitglieder des DeutschenBundestages im Sitzungsprotokoll einzusehen (Plenarprotokoll 16/44).- 75 -


Zur Föderalismusreform aus Sicht der Schulpolitikschulpolitische Fragestellungen nicht als die wesentlichen Inhalte ihres Arbeitensgelten können. Die ehemalige Bundesministerin Bulmahn war zwar Gegnerin derReform, hat dem Gesamtwerk im Bundestag, dem sie angehört, dennoch zugestimmt.Auf Seiten der Union ist die Konstellation eindeutiger. Sie hatte nur selten einbesonderes Interesse in diesem Politikbereich aus Sicht der Bundespolitik; insofern istdas Entgegenkommen zugunsten der Landespolitiker erklärlich. Dennoch erscheint esals bemerkenswert, dass das Kabinett Merkel mit Schavan erstmals eine Ministerin imBMBF besitzt, die zuvor bereits Kultusministerin auf Länderebene war. Ausgerechnetin dieser Konstellation zeigt sich die Regierung also bereit, die eigenen Kompetenzenzurückzuführen.Das Bundesministerium veröffentlichte auf seiner Homepage eine weit optimistischereSituationsanalyse als dem hier festgestellten Verlust an Handlungsoptionen. ZurSchulpolitik heißt es dort:Die in der angestrebten Form ohnehin nicht realisierte Gemeinschaftsaufgabe"Bildungsplanung" wird beendet und durch wirksamere Steuerungsinstrumenteersetzt. Die neue Gemeinschaftsaufgabe umfasst die drei Elemente„Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalenVergleich", „Bildungsberichterstattung" und „gemeinsame Empfehlungen".Bund und Länder haben künftig die Möglichkeit, das Fundament fürergebnisorientierte Vergleichbarkeit unserer Bildungseinrichtungen zuverbessern sowie gemeinsame strategische Ziele für die Weiterentwicklung desBildungs- und Wissenschaftssystems zu vereinbaren. Der Bund wird vor diesemHintergrund auch seine Anstrengungen in der Bildungsforschung erhöhen(http://www.bmbf.de/de/1263.php, 31.08.2006).Diese Einschätzung ignoriert bemerkenswerter Weise vollständig sämtlicheÄnderungen für den Schulsektor jenseits des Artikels 91b. Die Ankündigung, dieBildungsforschung zu intensivieren, kann jedoch als Signal gesehen werden, sich nichtvon der Rolle des Agenda-Settings lösen zu wollen. Die KMK, neben denLandesparlamenten die wohl größte Gewinnerin der Reformen, begrüßt diese natürlich.Aufgrund der Organisationsstruktur gibt es jedoch seit dem Beschluss noch keineStellungnahme des Gremiums, wie insbesondere der neu entstehende Wettbewerb imBesoldungsrecht koordiniert werden wird.Fritz W. Scharpf, als Beobachter aus Sicht der politischen Wissenschaft, kommt zueinem ernüchternden Fazit. Im Mai, kurz vor der Beschlussfassung, formuliert er überden Nutzen der Föderalismusreform: „In anderen [Einzelfragen], insbesondere in demkategorischen Ausschluss von Bundeshilfen für Aufgaben der Länder – brächte sie eine- 76 -


Zur Föderalismusreform aus Sicht der Schulpolitikgravierende Verschlechterung“ (Scharpf 2006: 16). Diese Ansicht der Sachlage stimmtmit den Ergebnissen dieser Untersuchung überein; eine Verschlechterung ist in diesemSinne eine Verringerung der Steuerungsoptionen und der Möglichkeiten einesbundesstaatlichen Ausgleichs.Letztendlich unterstreicht die Schärfe der Diskussion und das öffentliche Interesse amThemenkomplex Schule in der Föderalismusreform die Bedeutung des Politikfeldes.Sie war sowohl lange Zeit für das vermeintliche Scheitern der Reform verantwortlich,und hat auch über die Politik hinaus auf unterschiedlichen Seiten, z.B. bei denInteressenverbänden und den Gewerkschaften zu großer Aktivität geführt. DieserWiderstände zum Trotz, insbesondere wohl durch die Überwindung der Blockademöglichkeitenüber eine Paketlösung, haben offenkundig die beiden großen Volksparteieneinen entsprechenden Konsens auch in der Schulpolitik gefunden. WelcheReichweite der gefasste Beschluss jedoch tatsächlich haben wird, ist derzeit noch nichtabzusehen.- 77 -


7. Resümee: Die Rolle des Bundes in der SchulpolitikInsgesamt ergibt sich ein gemischtes Bild bei dieser Erforschung der „Rolle des Bundesin der Schulpolitik der Bundesrepublik“. Die Kombination, Föderalismusforschung,Steuerungskonzepte und Bildungsinhalte zu einer Analyse zusammenzuführen, hat sichals durchaus ertragsreich erwiesen. Im Überblick über die gesamte Arbeit lassen sichdie folgenden fünf Trends erkennen:(1) Exekutivlastigkeit: In einem Bereich der geringen formalen Bundeskompetenz zeigtsich stark die Exekutivlastigkeit des deutschen Föderalismus. Im Rahmen derBeratungs- und Koordinationsgremien zwischen Bund- und Länderebene, an denenteilweise auch der Bundestag beteiligt war, erkennt man, dass diese das Politikfeldnicht dauerhaft zu prägen vermochten. Die Kultusministerkonferenz, die einzigeInstitution ohne Beteiligung des Bundes, ist, anders als alle anderen, von einergewissen Dauerhaftigkeit geprägt. In ihr spiegelt sich die Exekutivlastigkeit derLänderebene wieder. Trotz großer öffentlicher Kritik und konstruktiver Schwächen,konnte das Gremium sich gegenüber allen anderen Formen der Zusammenarbeitoberhalb der Länderebene behaupten.(2) Konjunkturelle Einflüsse: Die Schulpolitik scheint nicht den Gesetzen eines ständigwachsenden Bundeseinflusses zu unterliegen. Vielmehr herrscht neben formalerKonstanz seitens des rechtlichen Rahmens eine schwer zu messende, schwankendeBedeutung des Politikfeldes auf Bundesebene. Diese geht dabei nicht zwangsläufigmit den relativen Bedeutungsschwankungen des Politikfeldes insgesamt überein.Neben der formalen Kontinuität haben Regierungswechsel immer wieder zuBrüchen der bundespolitischen Einflussnahme geführt, beispielsweise 1982 oderjüngst, 2005.Daneben zeigt sich jedoch, dass die Schulpolitik des Bundes faktisch zumindestdurch die Gremienarbeit und viele weitere Schritte der Einflussnahme stets existierthat. Die Annahme, dass, obwohl Kulturpolitik eine besonders exponierte Stellungim Rahmen der Länderkompetenzen besitzt, es eine eigene Schulpolitik des Bundesgibt, lässt sich mit dieser Arbeit zweifelsfrei Belegen.- 78 -


Resümee: Die Rolle des Bundes in der Schulpolitik(3) Potentiale seitens der Regierungen: Gerade durch die geringe bundespolitischeVerantwortlichkeit in Bereich der Schulpolitik stecken besondere gestalterischeMöglichkeiten seitens der nationalen Regierung. Die Möglichkeiten derEinflussnahme sind zwar überwiegend indirekt, aber - nichtsdestotrotz - sehrwirkungsmächtig. Neben der Steuerung durch monetäre Anreizstrukturen undInvestitionen, wie es zumindest bisher möglich war, spielt hier auch dieAusrichtung des Bundesministeriums eine wesentliche Rolle. Wie unterschiedlichdies interpretiert werden kann, konnte am aktuellen Regierungswechsel gezeigtwerden.Die großen Regierungserklärungen, die „seismographisch zum authentischen Bildder politischen Kultur der Bundesrepublik“ (Korte u.a. 2004: 289) wurden, zeigenebenfalls das große Potential der Einflussnahme auf. Aus der Analyse desStellenwerts lässt sich ableiten, dass neben parteipolitischen Faktoren dieindividuellen, schwer zu messenden Interessen der Bundeskanzler und derzuständigen Minister wichtige Indizien liefern, wie eine Regierung mit den Spielräumenumzugehen pflegte.(4) PISA 2000 und die Folgen: Wenn man den Zeitraum nach der Veröffentlichung derErgebnisse von PISA bis zur Bundestagswahl 2005 und den in diesem Zugeabgesprochenen Änderungen der Kompetenzen durch die Föderalismusreformbetrachtet, zeigt sich ein gemischtes Bild. Die Rot-Grüne Bundesregierung konntekeine zusätzlichen Kompetenzen gewinnen, auch bei der Etablierung der Bildungsstandardsblieb sie außen vor. Dennoch hat vor allem das Bundesministeriumpermanenten Druck ausgeübt, und das Thema auch auf der bundespolitischenAgenda stark forciert. Die Ankündigungen Schröders hingegen, sich als Regierungin inhaltliche Fragen des Schulsektors einzumischen, hat nur zwei greifbareErgebnisse hervorgebracht: auf der einen Seite das Ganztagsschulprogramm, aufder anderen Seite die Begründung der Bildungsberichterstattung.Eine tatsächliche substanzielle Reform der Zuständigkeiten, wie sie in der Phaseder Hochkonjunktur als denkbar erschien, hat nicht stattgefunden. BemerkenswerterWeise spielte auch im Wahlkampf 2005 das Thema neben dem Ganztagsschulprogrammbereits keine Rolle mehr. Insgesamt lässt sich zusammenfassen,dass der große exogene Schock das Politikfeld nur sehr kurzfristig in Bewegunggebracht hat, ehe es vom Alltag eingeholt wurde. Offensichtlich waren die- 79 -


Resümee: Die Rolle des Bundes in der Schulpolitikbewahrenden Kräfte des alten Systems in der entstandenen Krisensituation starkgenug, sich gegen eine gesteigerte formale Einflussnahme der Bundesebene zuwehren.(5) Föderalismusreform: Die Ergebnisse der Föderalismusreform sind, auch wenn dieAuswirkungen noch nicht direkt abzusehen sind, vor diesem Hintergrunderstaunlich. Wie insbesondere die verhandelnden Sozialdemokraten innerhalb vondrei Jahren eines der definierten Hauptziele der Regierungspolitik zu einemweiteren Kompetenzrückgang überführen konnten, deckt deutlich den Stellenwertdes Feldes in dieser Konstellation auf. Das die führenden Entscheidungsträger nichtan die – auch ideologische – Wichtigkeit, Finanzprogramme zur Chancengleichheitder Schüler über Bundesmittel zu erreichen glauben, liegt auf der Hand. Gewinnerder Reform sind in diesem Sektor wohl die Länder mit größerem Interessen ankompetetiven Elementen im Schulbereich, allen voran wohl die unionsgeführten,reichen Länder im Süden.Dennoch behält, wie auch im Rahmen der Einflussmöglichkeiten gezeigt werdenkonnte, der Bund weiter Spielräume und wichtige Funktionen im Schulsektor. Eswird durch die neue Verfassungssituation jedoch zunehmend schwieriger werden,diese Einflüsse öffentlich und im parlamentarischen Weg auszuüben. Der Kreativität,wie sie beispielsweise bei „Schulen ans Netz“ gezeigt wurde, können offenkundigkeinerlei Schranken auferlegt werden.Im Rahmen dieser Ergebnisse werden vielfältige Möglichkeiten für weitere Forschungerkennbar. Interessant wäre es, um das Stellenwertskonzept noch umfassender zubehandeln, die Ausgaben und – mindestens ebenso wichtig – die Anzahl der mitschulpolitischen Fragen betrauten Personen der Bundesebene im Verlauf derBundesrepublik zu erheben. Dies könnte weitere Zusammenhänge aufdecken, die hiernicht erfasst werden konnten.Schulpolitische Fragestellungen werden national zweifelsfrei auf der Tagesordnungbleiben. Von der Erhebung PISA 2003 sind noch nicht alle Daten ausgewertet undveröffentlicht, in diesem Jahr wird bereits zum dritten Mal eine solche Erhebungdurchgeführt. Aber auch die nationale Bildungsberichterstattung wird wohl jährlich dieDebatte auf die Bundesebene führen. Zudem hat der Bundespräsident Horst Köhlerangekündigt, sich ab Herbst dieses Jahres intensiv mit der Frage auseinanderzusetzen,- 80 -


Resümee: Die Rolle des Bundes in der Schulpolitikwie Bildung in Deutschland aussehen muss. Dabei strebt er eine Verbesserung derRahmenbedingungen im Bildungsbereich an (Köhler 2006).Auch aus internationaler Sicht scheint die Kritik am Bildungssystem nicht abzureißen.Der UN-Sonderberichterstatter Muňoz kritisierte im Februar 2006 ebenfalls dieföderale Struktur des Bildungswesens 42 . Die OECD zeigte in ihrem Bericht „Educationat a glance“ 2005 zwar eine Trendwende im deutschen Bildungswesen, mahnt aberweitere Veränderungen an (Schleicher 2005).Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Bundesrepublik vor allem inZeiten einer Verstärkung internationaler Mobilität im Schulsektor weiter stark unterAnpassungsdruck bleiben wird. Dazu werden weitere Veränderungen der Strukturendes Schulsektors notwendig werden. Welche Rolle die Bundesebene in diesem Rahmenspielen wird, bleibt eine spannende Frage für die Zukunft.42 s. z.B. FAZ, 21.02.2006: UN-Beauftragter Muňoz rügt deutsches Bildungssystem. Er spielte mit seinerKritik dabei auch direkt auf die Föderalismusreform an.- 81 -


Anhang .Tabellen- und AbbildungsverzeichnisAbbildung 1: Schema der Einfluss- und Kompetenzstrukturen im Bildungs- undWissenschaftsbereich............................................................................................. 12Abbildung 2: Institutionen oberhalb der Länderebene im geschichtlichen Verlauf...... 27Abbildung 3: Logo SaN e.V. ......................................................................................... 41Abbildung 4: Bundesminister für Bildung nach Parteizugehörigkeit (1969 - 2005),.... 49Tabelle 1: Regierungszugehörigkeit nach Parteien (1969-2005)................................... 50Tabelle 2: Bundesminister für Bildung, Amtsdauer und Parteizugehörigkeit............... 52Abbildung 5: Themengebiete in der Durchschnitts-Regierungserklärung, ................... 60Tabelle 3: Schulpolitik in Regierungserklärungen ........................................................ 61Abbildung 6: Organisationsplan BMBF 2005 ............................................................... 88Abbildung 7: Organisationsplan BMBF 2006 ............................................................... 89- 82 -


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Organisationspläne des BMBF 2005 und 2006Abbildung 6: Organisationsplan BMBF 2005- 88 -


Abbildung 7: Organisationsplan BMBF 2006- 89 -

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