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ERSTERARTIKELPRAELIMINARIA ZUM THEMADER RECHTSBEGRÜNDUNGWas versteht man unter Rechtsbegründung ?Rechtsbegründung heißt Rückführung der konkreten Rechtsnormauf die höchste und letzte rechtliche Norm. Die Rechtsbegründung hatzunächst nichts mit der Frage nach dem richtigen Recht zü tun. Allerdingsmündet sie in dieses Problem ein, wie wir sogleich sehen werden.Es kommt bei der Rechtsbegründung ganz darauf an, von welcherRechtsdefinition man ausgeht. Wenn wir eine idealistische Rechtsdefinitionzugrunde legen, d. h. nur dasjenige Recht nennen, was man als« wahres » oder « richtiges » Recht zu bezeichnen pflegt, wenn wir alsoRecht von vornherein von der«Idedes Rechts oder der«Gerechtigkeit»abhängig machen, etwa entsprechend der gehaltvollen Definition:«Rechtist eine sinnvolle Ordnung menschlichen Zusammenlebens » \ dannist Rechtsbegründung nichts anderes als die Frage nach dem richtigenund wahren Recht. Das wäre an sich die einfachere Art und Weise,Rechtsbegründung zu betreiben. Wirksamkeit Und Sanktion wären damitausgeschaltet. Wir könnten das in einer konkreten Gesellschaft geltendeunmenschliche Gesetz einfachhin als « Nicht-Recht» und « Unrecht», « Gewalt», « Anmaßung » abtun.1Josef ESSER, Einführung in die Grundbegriffe des Rechtes und Staates,Wien 1949, 3.

60 Die RechtsbegründungSchwieriger wird die Sache auf dem Boden der realistischen Definition,d. h. in jener Rechtsauffassung, in welcher Recht die Wirksamkeitwesentlich einschließt. Hier muß das Werturteil zunächst« suspendiert»werden. Denn das Leitmotiv ist nun nicht mehr der Wert allein, sondernder wirksame Wert. Wenn wir nun dazu noch die ersten drei Rechtsdefinitionen,die alle auf der äußeren Erfahrung aufbauen, zulassen, dannist die Frage nach der Rechtsbegründung nichts anderes als die Fragenach der objektiv geltenden Grundnorm im Sinne der normativen RechtsauffassungKelsens oder die Frage nach den (biologischen, soziologischen,usurpatorischen usw.) Kausalitäten des Rechts (Rechtsquellen) im Sinnejener Rechtstheorien, die auf die scharfe Trennung von Norm und Seinnicht wie Kelsen so gesteigerten Wert legen. Beide Auffassungen kommendarin überein, daß die Rechtsbegründung niemals aus der Bahn deräußeren Erfahrung geraten dürfe. Beiden geht es um die Erklärung nurjenes Rechts, das sich gemäß äußerer Erfahrung definieren läßt.Aus einem gewissen natürlichen Empfinden des Ungenügens drängtes aber den Rechtstheoretiker doch, über die äußere Erfahrung hinausnach irgendwelchen Maßstäben Umschau zu halten, auf Grund derendas Recht das erreicht, was es menschlichem Urteil nach eigentlich soll:die Gesellschaft ordnen. Nun ist vom positivistischen Standpunkt ausdie Gesellschaft stets durch jedwedes Recht« geordnet». Aber gerade derBegriff der « Ordnung » ruft den Rechtstheoretiker, dem es noch um dieGestaltung des Lebens geht, auf, über die wahre, am echten Menschenbildausgerichtete Ordnung nachzudenken. So mündet die rechtstheoretischeRechtsbegründung von selbst in einen Bereich ein, den sie ursprünglichnicht gesucht hat, wo nämlich eine andere « Norm » bestimmendwird, als es die Rechtsnorm ist, die bisher Objekt der Rechtsbegründungwar. Es treten Begriffe auf, die vom Sein her gestaltet sind :sinnvolle und zweckentsprechende Gesellschaftsordnung, Menschenwürde,Freiheit Usw. Von dieser Sicht her stammt die Unterscheidung zwischenRechtsquellen und Rechtsnormen (vgl. unten).Wer in der Rechtsbegründung von der vierten Definition ausgeht,darf nicht mit den Idealisten verwechselt werden. Denn auch für ihngilt, daß Recht wirksame soziale Norm ist. Die Frage der Rechtsbegründunglautet nämlich auf dem Boden der vierten Rechtsdefinition : WelchesRecht hat von seinem Gesetzgeber her die endgültige, nicht umzustoßendeGarantie erhalten? Es wird also auch hier, wie ähnlich in denersten drei Definitionen, nach dem wirksamen Erzeuger des Gesetzes,d. h. nach der Rechtsquelle, gefragt. Doch ist dabei zu bedenken, daß

ERSTERARTIKELPRAELIMINARIA ZUM THEMADER RECHTSBEGRÜNDUNGWas versteht man unter Rechtsbegründung ?Rechtsbegründung heißt Rückführung <strong>de</strong>r konkreten Rechtsnormauf die höchste und letzte rechtliche Norm. Die Rechtsbegründung hatzunächst nichts mit <strong>de</strong>r Frage nach <strong>de</strong>m richtigen Recht zü tun. Allerdingsmün<strong>de</strong>t sie in dieses Problem ein, wie wir sogleich sehen wer<strong>de</strong>n.Es kommt bei <strong>de</strong>r Rechtsbegründung ganz darauf an, von welcherRechts<strong>de</strong>finition man ausgeht. Wenn wir eine i<strong>de</strong>alistische Rechts<strong>de</strong>finitionzugrun<strong>de</strong> legen, d. h. nur dasjenige Recht nennen, was man als« wahres » o<strong>de</strong>r « richtiges » Recht zu bezeichnen pflegt, wenn wir alsoRecht von vornherein von <strong>de</strong>r«I<strong>de</strong>e»<strong>de</strong>s Rechts o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r«Gerechtigkeit»abhängig machen, etwa entsprechend <strong>de</strong>r gehaltvollen Definition:«Rechtist eine sinnvolle Ordnung menschlichen Zusammenlebens » \ dannist Rechtsbegründung nichts an<strong>de</strong>res als die Frage nach <strong>de</strong>m richtigenund wahren Recht. Das wäre an sich die einfachere Art und Weise,Rechtsbegründung zu betreiben. Wirksamkeit Und Sanktion wären damitausgeschaltet. Wir könnten das in einer konkreten Gesellschaft gelten<strong>de</strong>unmenschliche Gesetz einfachhin als « Nicht-Recht» und « Unrecht», « Gewalt», « Anmaßung » abtun.1Josef ESSER, Einführung in die Grundbegriffe <strong>de</strong>s Rechtes und Staates,Wien 1949, 3.

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