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Die Realdefinition des Rechts 47der « potestas », «denn alle jene, welche einer Gewalt unterworfen sind,sind auch dem Gesetz unterworfen, welches die Gewalt erläßt» 20 . Wennin der Folge Thomas von der Zwangsgewalt spricht, dann meint er dieselbepotestas, nur daß sie in diesem Falle sich an Menschen wendet,die nicht mehr den Willen, das Gesetz zu befolgen, haben, sondern vielmehr«schlechte Menschen », d.h. Menschen sind, die gegen das Gesetzzu handeln gewillt sind. Aus der Schwierigkeit kommt man leicht heraus,wenn man folgende zwei Punkte beachtet: 1. die Wirksamkeit des Rechtsbesagt nicht notwendigerweise Sanktion, sondern Sanktions^ofewz, dienur bedingt in Aktion zu treten braucht, 2. diese Sanktionspotenz brauchtnicht notwendigerweise als Gegenstück im Motiv der Rechtsverwirklichungdie Furcht vor Strafe zu haben. Nicht die Strafandrohung ist alsodas Wesentliche des Rechts, sondern vielmehr die Macht, eine Strafeandrohen zu können. Thomas spricht an der genannten Stelle vom schlechtenMenschen, der von vornherein nicht den Willen besitzt, den Wertdes Rechts zu verwirklichen. Unter diesem Betracht erscheint natürlichdas Recht einzig als Strafandrohungsnorm. Dieser Gedanke ist auch beider Auslegung der Kirchenväter, so vor allem des hl. Augustinus, zu berücksichtigen,denen man die Ansicht unterschoben hat, dem Recht unddem Staat sei ein Platz einzig in der sündigen Menschheit zuzugestehen,weil das Recht ein System von Strafandrohungen sei. Man muß sich dabeiim klaren sein, daß die Kirchenväter nicht eine abstrakte Rechtsphilosophieschreiben wollten, sondern vielmehr zu ihren dekadenten Zeitgenossensprachen 30 . Der Ethiker sieht im Zusammenleben der Menschenstets mehr den lebendigen, von Liebe getragenen Austausch als den vonoben diktierten Gehorsam. Anderseits kann man aber auch den Gehorsamals einen echten Wert auffassen, der nicht notwendigerweise einerdem Menschen wegen böser, wertwidriger Strebungen auferlegten Maßnahmegleichzukommen braucht.Der Begriff der Rechtssicherheit macht den Anschein, als ob auch erzur Frage der Wirksamkeit des Rechts gehörte. Jedoch steht er mit demInhalt des Rechts in Zusammenhang. Denn es geht hier darum, das einzelneIndividuum gegen eventuelle Übergriffe der Staatsgewalt abzusichern,also im Grunde um die Frage, ob die absolute Gerechtigkeit" MI 96,5.30Vgl. Franz F ALLER, Die rechtsphilosophische Begründung der gesellschaftlichenund staatlichen Autorität bei Thomas von Aquin, Eine problemgeschichtlicheUntersuchung, Sammlung Politeia Bd. V, Heidelberg 1954.

48 Die Definition des Rechtsüberhaupt irgendeine Aussicht hat, als handfeste Norm der rechtlichenOrdnung zu gelten. Das Problem heißt also : materiale Gerechtigkeitoder Rechtssicherheit ?Der Zweck imRechtDie Wirksamkeit des Rechts kann, wie wir gesehen haben, nicht ausdem Wertgehalt des Rechts, sondern nur aus einer hinter dem Wertstehenden physischen Gewalt stammen. Es ist also immer irgendwie einWille mitbezeichnet. Damit ist aber zugleich auch ein Zweck mitausgesprochen.Dieser Zweck braucht noch nicht als von einem Gesetzgebergewollt aufgefaßt zu werden. Es genügt, an eine innere Sinnfülle desRechts zu denken, die von irgendeinem über dem Einzelnen stehendenWillen erstrebt wird. So hat auch das Gewohnheitsrecht einen Sinn,der aus dem Gemeinschaftswillen kommt. Das erhellt aus dem Bewußtseinderer, die sich dem Recht beugen. R. Stammler hat darum richtigbemerkt : « Wenn jemand einen rechtlichen Anspruch erhebt, so nimmter nicht etwas Äußeres bloß wahr, sondern er will etwas. Wer einenRechtssatz erläßt, der behauptet nicht eine Tatsache körperlichen Geschehens,er verfolgt Zwecke. Und falls wir den Inhalt einer Rechtsordnungvor uns haben, so sehen wir nicht körperliche Dinge, sondern denInhalt von menschlichem Wollen. » 31 R. Stammler definiert darum dasRecht auch als «eine methodische Art, Willensinhalte zu ordnen» 32 .Daß im Recht ein Zweck liegt, erkennt jeder, der es nicht einfachals Idee oder als Wert, sondern als aufgebürdeten Wert erfaßt. Das Rechtist nicht das Ende eines Entwicklungsprozesses, sondern der Anfangeines vom Menschen einzuleitenden Werdens und Geschehens im sozialenBereich. Denkt man den Zweck aus dem Recht weg, dann ist es nichtmehr als ein mit Zwang durchführbares Soll zu verstehen, sondern höchstensals ein Wertsystem, für das sich der einzelne Mensch als verpflichtetansehen mag, das aber nicht ein befehlendes Soll bedeuten würde.Da der Zwang immer von einer übergeordneten Instanz ausgeht, kanner nur im Sinne einer intentionalen, d. h. zielstrebigen Auflage verstandenwerden. Das gilt auch vom Zwang des Brauches, der seinen Drucknur auszuüben imstande ist, sofern er der Intention der Gesellschaftsgliederentsprungen ist.8 1Art. « Recht » in : Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, Bd. IV, Berlin-Leipzig 1927, 642.3 2A. a. O., 643.

Die Real<strong>de</strong>finition <strong>de</strong>s Rechts 47<strong>de</strong>r « potestas », «<strong>de</strong>nn alle jene, welche einer Gewalt unterworfen sind,sind auch <strong>de</strong>m Gesetz unterworfen, welches die Gewalt erläßt» 20 . Wennin <strong>de</strong>r Folge Thomas von <strong>de</strong>r Zwangsgewalt spricht, dann meint er dieselbepotestas, nur daß sie in diesem Falle sich an Menschen wen<strong>de</strong>t,die nicht mehr <strong>de</strong>n Willen, das Gesetz zu befolgen, haben, son<strong>de</strong>rn vielmehr«schlechte Menschen », d.h. Menschen sind, die gegen das Gesetzzu han<strong>de</strong>ln gewillt sind. Aus <strong>de</strong>r Schwierigkeit kommt man leicht heraus,wenn man folgen<strong>de</strong> zwei Punkte beachtet: 1. die Wirksamkeit <strong>de</strong>s Rechtsbesagt nicht notwendigerweise Sanktion, son<strong>de</strong>rn Sanktions^ofewz, dienur bedingt in Aktion zu treten braucht, 2. diese Sanktionspotenz brauchtnicht notwendigerweise als Gegenstück im Motiv <strong>de</strong>r Rechtsverwirklichungdie Furcht vor Strafe zu haben. Nicht die Strafandrohung ist alsodas Wesentliche <strong>de</strong>s Rechts, son<strong>de</strong>rn vielmehr die Macht, eine Strafeandrohen zu können. Thomas spricht an <strong>de</strong>r genannten Stelle vom schlechtenMenschen, <strong>de</strong>r von vornherein nicht <strong>de</strong>n Willen besitzt, <strong>de</strong>n Wert<strong>de</strong>s Rechts zu verwirklichen. Unter diesem Betracht erscheint natürlichdas Recht einzig als Strafandrohungsnorm. Dieser Gedanke ist auch bei<strong>de</strong>r Auslegung <strong>de</strong>r Kirchenväter, so vor allem <strong>de</strong>s hl. Augustinus, zu berücksichtigen,<strong>de</strong>nen man die Ansicht unterschoben hat, <strong>de</strong>m Recht und<strong>de</strong>m Staat sei ein Platz einzig in <strong>de</strong>r sündigen Menschheit zuzugestehen,weil das Recht ein System von Strafandrohungen sei. Man muß sich dabeiim klaren sein, daß die Kirchenväter nicht eine abstrakte Rechtsphilosophieschreiben wollten, son<strong>de</strong>rn vielmehr zu ihren <strong>de</strong>ka<strong>de</strong>nten Zeitgenossensprachen 30 . Der Ethiker sieht im Zusammenleben <strong>de</strong>r Menschenstets mehr <strong>de</strong>n lebendigen, von Liebe getragenen Austausch als <strong>de</strong>n vonoben diktierten Gehorsam. An<strong>de</strong>rseits kann man aber auch <strong>de</strong>n Gehorsamals einen echten Wert auffassen, <strong>de</strong>r nicht notwendigerweise einer<strong>de</strong>m Menschen wegen böser, wertwidriger Strebungen auferlegten Maßnahmegleichzukommen braucht.Der Begriff <strong>de</strong>r Rechtssicherheit macht <strong>de</strong>n Anschein, als ob auch erzur Frage <strong>de</strong>r Wirksamkeit <strong>de</strong>s Rechts gehörte. Jedoch steht er mit <strong>de</strong>mInhalt <strong>de</strong>s Rechts in Zusammenhang. Denn es geht hier darum, das einzelneIndividuum gegen eventuelle Übergriffe <strong>de</strong>r Staatsgewalt abzusichern,also im Grun<strong>de</strong> um die Frage, ob die absolute Gerechtigkeit" MI 96,5.30Vgl. Franz F ALLER, Die rechtsphilosophische Begründung <strong>de</strong>r gesellschaftlichenund staatlichen Autorität bei Thomas von Aquin, Eine problemgeschichtlicheUntersuchung, Sammlung Politeia Bd. V, Hei<strong>de</strong>lberg 1954.

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