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12.07.2015 Aufrufe

Die Soll-Wissenschaft vom Rechtlichen 11konkreten Bedingungen erfahren kann, gemäß welchen das Soll für einenjeden möglich wird. Wir kommen schließlich zur Soziologie. Wir sindalso bei der Seins Wissenschaft angelangt. Doch wäre es nicht korrekt,die kantische Rechtsphilosophie ganz in eine Soziologie auflösen zuwollen, denn ein gemäß den soziologischen Bedingungen erlassenes Gesetzist nicht deswegen echtes Recht, d. h. überhaupt Recht, weil es demGesellschaftsdenken entspricht, sondern nur und insofern es in jedemFall rechtliches Soll möglich macht. Nehmen wir an, daß ein Gesetz inengem Kontakt mit den soziologischen Bedingungen geformt wordenist, und setzen wir dann den Fall, daß A erklärt, er halte dies Gesetzfür «ungerecht», d. h. für eine Anmaßung, welche Überlegungen hatnun A zu machen ? Er steht zwischen Gehorsam und Nichtgehorsam.Die kantische Transzendentalmethode lehnt auf jeden Fall die Ableitungdes Solls aus absoluten Wertinhalten ab. Der betroffene A könnte alsonicht sagen, das Gesetz, das als Anmaßung erscheint, sei doch gültig,weil es eine Ordnung oder Sicherheit der Gemeinschaft geben müsse,einerlei, ob er nun den Inhalt einsehe oder nicht. Erst recht lehnt diekantische Auffassung es ab, daß man das Faktum allein schon zur Normerhebe im Sinne von « Gesetz ist Gesetz »(von C. Schmitt als «Decisionismus»bezeichnet). Vielmehr wird A Gehorsam und Nichtgehorsam in derSituation, in welche ihn ein «unrichtiges » Gesetz hineingeführt hat, abwägenund sich überlegen, was in diesem konkreten Fall als belangvollzu betrachten ist. Er wird dann eventuell zu dem Schluß kommen, daßdie an sich unrichtige Richtschnur ihn doch als belangvoll angeht.Wir werden uns natürlich fragen, worin denn die Wissenschaft besteht,welche das Recht nicht einfach als ein Faktum annimmt, wie etwadie Rechtsdogmatik oder die Rechtstheorie, sondern als ein Soll betrachtet.Da es dabei um eine Wissenschaft mit Allgemeincharakter geht, kannes sich nicht um jene Erkenntnis handeln, gemäß welcher der einzelnefür sich die Bedingungen erkennt, wonach Soll für ihn möglich wird.Ist aber eine Allgemeinerkenntnis auf kantischem Boden überhauptmöglich ? Wenn wir das wissen, dann haben wir den Begriff der Rechtsphilosophieim Sinne der transzendentalen Methode.Es kann sich nicht um eine inhaltliche Vorbestimmung handeln imSinne von Findung universaler Normen. Da Recht überhaupt erst dortist, wo die konkreten Bedingungen geschaffen sind, daß eine das zwischenmenschlicheHandeln bestimmende Richtschnur als (richtige) Regel möglichwird, kann die Rechtsphilosophie nichts anderes zur Aufgabe haben,als die widerspruchsfreien Voraussetzungen zu bestimmen, gemäß wel-

12 Die Rechtsphilosophie als Soll-Wissenschaft vom Rechtlichenchen alle möglichen Behauptungen über ein Rechtliches richtig sein können.Ich weiß, daß diese Formulierung manches vereinfacht. Sie ist aberpädagogischer, als wenn man die Abstracta einsetzt. Korrekt im Sinneder Transzendentalphilosophie müßte man mit C. A. Emge sagen :«Rechtsphilosophie ist ihrer Aufgabe nach die Wissenschaft von dembesonderen Denkbaren, dessen widerspruchsfreie Bestimmbarkeit allemöglichen Behauptungen über ein Rechtliches als solches (also gebietsmäßig)logisch voraussetzen müssen, wenn sie Möglichkeit besitzen sollen,richtig zu sein. » 5Diese Fassung der Rechtsphilosophie bietet also keineInhalte, sondern lediglich - grob ausgedrückt - die Methode, welche allgemeinangewandt werden muß, um zu erkennen, wo in einem konkretenFall eine Richtschnur richtiges Recht sein kann. So sehr es nicht um dieBestimmung des Solls geht, denn nicht dieses, sondern dessen Bedingungender Möglichkeit werden untersucht, so können wir diese Form der Rechtsphilosophiedoch noch in die Soll-Wissenschaften einreihen.Die Frage nach einer Soll-Wissenschaft vom Rechtlichenim Denken der WertphilosophieGanz abgesehen davon, daß die Wertphilosophie kaum eigentlichsoziale Werte erarbeitet hat, wäre sie schon auf Grund ihrer Leugnungjeder rationalen Werterkenntnis nicht in der Lage, eine Wissenschaftvom Recht als einem Soll aufzustellen. Der zentrale Wert ist die Person.Die Wertphilosophie spricht im Bereich des sozialen Zusammenlebensnoch vom Vertrauen, von Solidarität. Doch ist diese Solidarität reinindividualethisch begriffen im Sinne der ganz personalen Leistung deseinen zum anderen. Die Werte regeln wohl das Verhalten eines jedeninnerhalb der Gesellschaft. Da sie aber stets nur durch persönliches Werteinfühlenerfaßt werden, verliert sich das Normengefüge in der Vielheitder Personen. Wenn man also Regeln des Zusammenlebens finden will,dann hat man die Soziologie zu befragen, d. h. man wird einen gewissenDurchschnitt des Wertempfindens der Gesellschaftsglieder ermittelnmüssen, um das Wertfühlen der vielen gegeneinander abzuwägen undso das Gesellschaftsleben zu ermöglichen. Auf dem Boden der Wertphilosophieist darum eine eigentliche Wissenschaft vom Recht als einemSoll nicht möglich. Es kann sich nur darum handeln, die Seinsbedingungensoziologisch zu untersuchen, auf Grund deren das Werturteil der vielen

Die Soll-Wissenschaft vom Rechtlichen 11konkreten Bedingungen erfahren kann, gemäß welchen das Soll für einenje<strong>de</strong>n möglich wird. Wir kommen schließlich zur Soziologie. Wir sindalso bei <strong>de</strong>r Seins Wissenschaft angelangt. Doch wäre es nicht korrekt,die kantische Rechtsphilosophie ganz in eine Soziologie auflösen zuwollen, <strong>de</strong>nn ein gemäß <strong>de</strong>n soziologischen Bedingungen erlassenes Gesetzist nicht <strong>de</strong>swegen echtes Recht, d. h. überhaupt Recht, weil es <strong>de</strong>mGesellschafts<strong>de</strong>nken entspricht, son<strong>de</strong>rn nur und insofern es in je<strong>de</strong>mFall rechtliches Soll möglich macht. Nehmen wir an, daß ein Gesetz inengem Kontakt mit <strong>de</strong>n soziologischen Bedingungen geformt wor<strong>de</strong>nist, und setzen wir dann <strong>de</strong>n Fall, daß A erklärt, er halte dies Gesetzfür «ungerecht», d. h. für eine Anmaßung, welche Überlegungen hatnun A zu machen ? Er steht zwischen Gehorsam und Nichtgehorsam.Die kantische Transzen<strong>de</strong>ntalmetho<strong>de</strong> lehnt auf je<strong>de</strong>n Fall die Ableitung<strong>de</strong>s Solls aus absoluten Wertinhalten ab. Der betroffene A könnte alsonicht sagen, das Gesetz, das als Anmaßung erscheint, sei doch gültig,weil es eine Ordnung o<strong>de</strong>r Sicherheit <strong>de</strong>r Gemeinschaft geben müsse,einerlei, ob er nun <strong>de</strong>n Inhalt einsehe o<strong>de</strong>r nicht. Erst recht lehnt diekantische Auffassung es ab, daß man das Faktum allein schon zur Normerhebe im Sinne von « Gesetz ist Gesetz »(von C. Schmitt als «Decisionismus»bezeichnet). Vielmehr wird A Gehorsam und Nichtgehorsam in <strong>de</strong>rSituation, in welche ihn ein «unrichtiges » Gesetz hineingeführt hat, abwägenund sich überlegen, was in diesem konkreten Fall als belangvollzu betrachten ist. Er wird dann eventuell zu <strong>de</strong>m Schluß kommen, daßdie an sich unrichtige Richtschnur ihn doch als belangvoll angeht.Wir wer<strong>de</strong>n uns natürlich fragen, worin <strong>de</strong>nn die Wissenschaft besteht,welche das Recht nicht einfach als ein Faktum annimmt, wie etwadie Rechtsdogmatik o<strong>de</strong>r die Rechtstheorie, son<strong>de</strong>rn als ein Soll betrachtet.Da es dabei um eine Wissenschaft mit Allgemeincharakter geht, kannes sich nicht um jene Erkenntnis han<strong>de</strong>ln, gemäß welcher <strong>de</strong>r einzelnefür sich die Bedingungen erkennt, wonach Soll für ihn möglich wird.Ist aber eine Allgemeinerkenntnis auf kantischem Bo<strong>de</strong>n überhauptmöglich ? Wenn wir das wissen, dann haben wir <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Rechtsphilosophieim Sinne <strong>de</strong>r transzen<strong>de</strong>ntalen Metho<strong>de</strong>.Es kann sich nicht um eine inhaltliche Vorbestimmung han<strong>de</strong>ln imSinne von Findung universaler Normen. Da Recht überhaupt erst dortist, wo die konkreten Bedingungen geschaffen sind, daß eine das zwischenmenschlicheHan<strong>de</strong>ln bestimmen<strong>de</strong> Richtschnur als (richtige) Regel möglichwird, kann die Rechtsphilosophie nichts an<strong>de</strong>res zur Aufgabe haben,als die wi<strong>de</strong>rspruchsfreien Voraussetzungen zu bestimmen, gemäß wel-

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