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Gnin<strong>de</strong>inteilung: Positivistische und naturrechtliche Rechtsphilosophien 221nicht nur aus <strong>de</strong>r geschichtlichen Analyse <strong>de</strong>r Gesetzgebung und nichtnur aus <strong>de</strong>m soziologischen Befund <strong>de</strong>r Wertvorstellungen ermittelt wer<strong>de</strong>n,son<strong>de</strong>rn direkt an apriorisch gelten<strong>de</strong>n Normen gemessen und unterUmstän<strong>de</strong>n sogar ergänzt wer<strong>de</strong>n, da liegt naturrechtliches Denken vor.In einer Reihe von gerichtlichen Urteilen verschie<strong>de</strong>ner Län<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>nnaturrechtliche Grün<strong>de</strong> angeführt, wenngleich die Richter sich selbstverständlichbemühen, die apriorischen Normen auch in <strong>de</strong>n Rechtsquellenzu ent<strong>de</strong>cken. In <strong>de</strong>r soeben zitierten « Affaire Sa<strong>de</strong> » erklärte <strong>de</strong>rRichter, daß die inkriminierten Schriften von Sa<strong>de</strong> pornographischenCharakter haben, « <strong>de</strong>r nicht in Zweifel gezogen wer<strong>de</strong>n kann », weil sie« zur systematischen Verleugnung <strong>de</strong>r grundsätzlichen Prinzipien <strong>de</strong>rMoral führen »und weil die durch Sa<strong>de</strong> proklamierten Laster«eine Manifestation<strong>de</strong>r entwürdigendsten menschlichen Entartung» be<strong>de</strong>uten 8 .Der Hinweis <strong>de</strong>s Verlegers /.-/. Pauvert auf die Pressefreiheit und seineBehauptung, die Moralprinzipien besäßen keinen « <strong>de</strong>finitiven » Charakter,fan<strong>de</strong>n kein Gehör. Trotz dieses offenbaren Rückgriffes auf ein moralischesApriori stützte sich das Urteil im wesentlichen auf die vom Verlegerbeabsichtigte ausge<strong>de</strong>hnte Publizität von Büchern, die er selbst in<strong>de</strong>r Reklame als «gewagt» bezeichnet hatte. Ähnlich verhielt es sich mit<strong>de</strong>r Entscheidung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofes vom Jahre 1954 9über dieSexualmoral. Allerdings sind hier die apriorischen Rechtsnormen viel<strong>de</strong>utlichere Stützen <strong>de</strong>s Urteils als im erwähnten französischen Parallelfalle.Das Urteil unterschei<strong>de</strong>t klar zwischen soziologisch erfahrbarerSitte und <strong>de</strong>n unabän<strong>de</strong>rlichen Geboten <strong>de</strong>s Sittengesetzes :«Gebote <strong>de</strong>rbloßen Sitte, <strong>de</strong>r Konvention, leiten ihre (schwache) Verbindlichkeit nuraus <strong>de</strong>r Anerkennung <strong>de</strong>rjenigen her, die sie freiwillig anerkennen undbefolgen ; sie gelten nicht mehr, wenn sie nicht mehr anerkannt und befolgtwer<strong>de</strong>n ; sie än<strong>de</strong>rn ihren Inhalt, wenn sich die Vorstellungen überdas, was die Sitte verlangt, än<strong>de</strong>rn. Normen <strong>de</strong>s Sittengesetzes geltenaus sich selbst heraus ; ihre (starke) Verbindlichkeit beruht auf <strong>de</strong>r vorgegebenenund hinzunehmen<strong>de</strong>n Ordnung <strong>de</strong>r Werte und <strong>de</strong>r das menschlicheZusammenleben regieren<strong>de</strong>n Sollenssätze. Sie gelten unabhängigdavon, ob diejenigen, an die sie sich mit <strong>de</strong>m Anspruch auf Befolgungwen<strong>de</strong>n, sie wirklich befolgen und anerkennen o<strong>de</strong>r nicht. Ihr Inhaltkann sich nicht <strong>de</strong>swegen än<strong>de</strong>rn, weil die Anschauungen über das, was8L'Affaire Sa<strong>de</strong>, 122 ff.* BGHSt 6, 46 ff. (52 ff.) ; vgl. H. WEINKAUFF, Der Naturrechtsgedanke in<strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofes, in : Neue Jurist. Wochenschr. 13(1960) 1691.

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