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12.07.2015 Aufrufe

Schuld und Strafe in philosophischer Sicht 205liehe Handlung zu bezeichnen ist und vom natürlichen Gewissen auch alssolche aufgefaßt wird, selbst dann, wenn eine längere gewollte Trennungder beiden Ehegatten vorausgegangen ist. Denn die Ehe ist vom natürlichenGewissen als Lebensvertrag zwischen Mann und Frau erkannt.Wir kommen also mit dieser sittlichen Auslegung der Schuld auf denVorsatz zurück und stellen fest, daß der Vorsatz nicht nur Tatbestandsvorsatz,sondern zugleich echter Ehebruchsvorsatz war, weil mit demTatbestand das Bewußtsein der Sitten- und somit auch Rechtswidrigkeitwesentlich verbunden ist.Wir sehen also, daß eine echt sittliche Analyse des Vorsatzes und desdamit notwendig verbundenen Schuldbewußtseins tiefer in den Sachverhalteindringt und unter Umständen einen strengeren Maßstab anlegt,als jede nur juristische Betrachtung, in welcher Form sich diesenun gestalte, in der Art der Vorsatztheorie oder der Schuldtheorie. DieErklärung von Schuld und Strafe, wie wir sie gegeben haben, ist einesittliche (im Gegensatz zur rein juristischen) Vorsatztheorie. Die reinjuristische Vorsatztheorie ist ein Monstrum. Darum hatte die Schuldtheoriebei den Juristen mehr Chance. Die Schuldtheorie ist aber unfähig,die tief sittliche Realität jeder Schuld zu erkennen. Wenn man ihregroteske Auffassung von der Schuld korrigiert, gelangt man zur genuinsittlichen Vorsatztheorie, welche den Tatbestandsvorsatz nicht von dersittlichen Schuld ablösen kann. Die beiden juristischen Theorien, dieVorsatztheorie und die Schuldtheorie, sind im Grunde nichts anderesals die Suche nach einer Notlösung, nachdem man das natürliche Gewissenin seiner rectitudo nicht mehr anerkennen wollte.Nur das natürliche Gewissen kann, wie aus dem Gesagten hervorgeht,Grundlage der Beurteilung der Schuld sein. Man wird allerdingsdieses natürliche Gewissen nicht von einer glaubensmäßigen Orientierungaus erklären dürfen. Der Richter ist hier gehalten, sich an densittlichen Maßstab der existierenden Gesellschaft zu halten. Anderseitswäre es eine Bankrotterklärung der Justiz gegenüber einer verkommenenGesellschaft, wenn sie die Grundnorm des Zusammenlebens nicht imnatürlich-sittlichen Gewissen verankert sehen könnte. Die Tatsache, daßdas Weltgewissen nach dem zweiten Weltkrieg gegen die Kriegsverbrechergeradezu mit Naturgewalt sich geäußert hat, beweist, daß dierein juristische Vorwerfbarkeit von selbst an der Realität scheitert.

206 Schuld und StrafeDer Zweck der Strafe für rechtswidriges Verhalten: die SühneHat man die Strafe als Wesensangebinde der Schuld erkannt, dannkann man sich der Auffassung, daß die Strafe zuerst und wesentlichSühne ist, nicht mehr verschließen. Die Rechtsgesellschaft muß dieStrafe zuerst in diesem Sinne verstehen, auch wenn der Täter selbst seineinnere Umkehr nicht vollziehen will. Natürlich macht eine auferlegteStrafe, die vom Täter nicht selbst als Sühne getragen wird, den Anscheineiner reinen Rache. Doch ist für diesen Schein nicht die Gesellschaftverantwortlich, sondern der Täter.Da vom Täter aus gesehen die Strafe eine Manifestation seiner innerenUmkehr ist, ist sie von Natur aus dazu angelegt, seinen Besserungswillenzu bestärken und so seine Reintegration in die Gesellschaft zufördern. So erhält die Strafe, von ihrer sittlichen Struktur her gesehen,den Charakter eines Mittels zur Besserung und zur sozialen Reintegration.Selbstverständlich ist dieser zweite Zweck wiederum nur sinnvollin der Voraussetzung der inneren Umkehr des Täters. Sollte dieser beider Verhängung der Strafe die Umkehr noch nicht vollzogen haben, dannkann die Gesellschaft hoffen, daß er sich im Strafvollzug dazu durchringenwird. Der Praeventivzweck, d. h. der Zweck der Abschreckungvom Verbrechen, ist ein Nebenzweck und hat eigentlich keinen Wesensbezugzur Strafe selbst. Er hängt mit der Sanktionskraft der Norm,d. h. des Gesetzes, zusammen. Seine psychologische Wirkkraft ist übrigenssehr umstritten.Die StrafbemessungEs gibt eine doppelte Bemessung der Strafe : eine ontologische undeine moralische. Ontologisch ist die Strafe durch den sittennormwidrigenZustand bemessen. Da die sittennormwidrige Tat, wie bereits gesagt,aus sich eine definitive Absage an das Endziel des Menschen bedeutet,schafft sie einen permanenten Zustand der Widernatürlichkeit undso einen permanenten Strafzustand. Daran kann der Mensch nichtsändern : Sündenzustand ist Strafzustand.Die moralische Bemessung der Strafe ist die Bestimmung jenesQuantums an Sühneleistung, das nach der Rückkehr zum Lebenssinnnoch abgegolten werden muß. Das Prinzip : «auf sittennormwidrigesHandeln muß Sühneleistung (Strafe) folgen»spricht nichts über das Maßder Sühneleistung aus. Da die wesentliche Strafe durch die Umkehr

Schuld und Strafe in philosophischer Sicht 205liehe Handlung zu bezeichnen ist und vom natürlichen Gewissen auch alssolche aufgefaßt wird, selbst dann, wenn eine längere gewollte Trennung<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Ehegatten vorausgegangen ist. Denn die Ehe ist vom natürlichenGewissen als Lebensvertrag zwischen Mann und Frau erkannt.Wir kommen also mit dieser sittlichen Auslegung <strong>de</strong>r Schuld auf <strong>de</strong>nVorsatz zurück und stellen fest, daß <strong>de</strong>r Vorsatz nicht nur Tatbestandsvorsatz,son<strong>de</strong>rn zugleich echter Ehebruchsvorsatz war, weil mit <strong>de</strong>mTatbestand das Bewußtsein <strong>de</strong>r Sitten- und somit auch Rechtswidrigkeitwesentlich verbun<strong>de</strong>n ist.Wir sehen also, daß eine echt sittliche Analyse <strong>de</strong>s Vorsatzes und <strong>de</strong>sdamit notwendig verbun<strong>de</strong>nen Schuldbewußtseins tiefer in <strong>de</strong>n Sachverhalteindringt und unter Umstän<strong>de</strong>n einen strengeren Maßstab anlegt,als je<strong>de</strong> nur juristische Betrachtung, in welcher Form sich diesenun gestalte, in <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>r Vorsatztheorie o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Schuldtheorie. DieErklärung von Schuld und Strafe, wie wir sie gegeben haben, ist einesittliche (im Gegensatz zur rein juristischen) Vorsatztheorie. Die reinjuristische Vorsatztheorie ist ein Monstrum. Darum hatte die Schuldtheoriebei <strong>de</strong>n Juristen mehr Chance. Die Schuldtheorie ist aber unfähig,die tief sittliche Realität je<strong>de</strong>r Schuld zu erkennen. Wenn man ihregroteske Auffassung von <strong>de</strong>r Schuld korrigiert, gelangt man zur genuinsittlichen Vorsatztheorie, welche <strong>de</strong>n Tatbestandsvorsatz nicht von <strong>de</strong>rsittlichen Schuld ablösen kann. Die bei<strong>de</strong>n juristischen Theorien, dieVorsatztheorie und die Schuldtheorie, sind im Grun<strong>de</strong> nichts an<strong>de</strong>resals die Suche nach einer Notlösung, nach<strong>de</strong>m man das natürliche Gewissenin seiner rectitudo nicht mehr anerkennen wollte.Nur das natürliche Gewissen kann, wie aus <strong>de</strong>m Gesagten hervorgeht,Grundlage <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Schuld sein. Man wird allerdingsdieses natürliche Gewissen nicht von einer glaubensmäßigen Orientierungaus erklären dürfen. Der Richter ist hier gehalten, sich an <strong>de</strong>nsittlichen Maßstab <strong>de</strong>r existieren<strong>de</strong>n Gesellschaft zu halten. An<strong>de</strong>rseitswäre es eine Bankrotterklärung <strong>de</strong>r Justiz gegenüber einer verkommenenGesellschaft, wenn sie die Grundnorm <strong>de</strong>s Zusammenlebens nicht imnatürlich-sittlichen Gewissen verankert sehen könnte. Die Tatsache, daßdas Weltgewissen nach <strong>de</strong>m zweiten Weltkrieg gegen die Kriegsverbrechergera<strong>de</strong>zu mit Naturgewalt sich geäußert hat, beweist, daß dierein juristische Vorwerfbarkeit von selbst an <strong>de</strong>r Realität scheitert.

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