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Schuld und Strafe in philosophischer Sicht 201muß daher in einer nicht-metaphysisch orientierten Vorstellung derSchuld aus irgendwelchen utilitaristischen Zwecken entnommen werden :Zwang zur Umkehr, zur Reintegration in ein Ordnungsganzes, Vorsichtsmaßnahmegegen die Schädigung anderer.Von jenen Theorien über Schuld und Strafe, welche das Normativevernachlässigen und das gesamte Problem verpsychologisieren, brauchenwir hier nicht zu sprechen, da sie zu primitive Vorstellungen vom Ethischensind. Die sittliche Handlung ist hier das dem naturhaften Instinktfolgende (oder diesem widersprechende) Verhalten. Die Krankheit alsFolge naturwidrigen Handelns ist bereits Strafe, so wie etwa das Tierdurch Übelkeit « bestraft» ist, wenn es zuviel gefressen hat. In der reinpsychologischen Lehre vom sittlichen Handeln fehlt der echte Normbefehl.Die Theorien, welche ohne den metaphysischen Hintergrund dienormwidrige Handlung einfach als « Zerstörung einer Ordnung » und dieStrafe als «Wiederherstellung der Ordnung » begreifen, kommen überdas reine Zweckdenken nicht hinaus. Die Grundlage ist dabei eine kosmologischeVorstellung der sittlichen Ordnung. Die Vergeltungstheorieim Sinne des jus talionis ist eine solche kosmologische Auffassung derStrafe. Wenn einer einem andern vorsätzlich das Auge verletzt hat, dannmuß auch er zur Wiederherstellung der Ordnung das Auge verlieren :Aug' um Aug', Zahn um Zahn. Es soll damit die Aequivalenz im Kosmosoder in der Gesellschaft wiederhergestellt werden. Die Ordnung, die esdurch die Sühne wiederherzustellen gilt, ist aber nicht, oder wenigstensnicht zunächst, die Ordnung zwischen Dingen oder Menschen, sonderndie Ordnung zwischen der Abkehr vom letzten Ziel und dem dadurchgeschaffenen permanenten Strafzustand. Die Aequivalenz, die zwischender sittennormwidrigen Handlung und dem mit dieser wesentlich verbundenennaturnormwidrigen Zustand (natürlicher Strafzustand) besteht,fordert nach der Umkehr eine Ersatzleistung, die aber naturgemäßnicht aequivalent sein kann, es darum auch nicht zu sein braucht(vgl. weiter unten: «Die Strafbemessung»). Der Begriff der Ordnung,mit welchem die Strafe in engstem Zusammenhang steht, ist also einganz anderer, als etwa die kosmologische Theorie unterstellt. Das absoluteWertbewußtsein des Menschen, daß auf Schuld (= sittenwidrigesHandeln) Strafe folgen muß, findet seine genuine Erklärung einzig ineiner Theorie, die erstens von einem unverfälschten Begriff der Norm ausgehtund zweitens die absolute Norm in das Gewissen des Menschenverlegt. Eine solche Theorie ist aber nur möglich auf dem Boden derMetaphysik.
202 Schuld und StrafeSchuld und Strafe in der SozialethikJede sittennormwidrige Handlung bedeutet, so sehr sie rein personalenCharakter tragen mag, eine Beraubung der Gesellschaft um jene Werte,die nur durch gesellschaftliche Kooperation ihre Erfüllung im Menschenfinden. Wenn schon die«Schlafmützen»einen Ausfall für die Gesellschaftbedeuten, dann noch viel mehr jene Menschen, die in ihrem, auch noch soprivaten, Leben den naturgeforderten Lebenssinn mißachten. Jede, auchnoch so private normwidrige Handlung ist darum zugleich eine Unrechtstatgegen die Gesellschaft. Sie wird aber für die Gesellschaft ersterfaßbar, wenn sie sich nach außen kundtut. Doch ist zu beachten, daßder Gesichtspunkt der Ansteckung und des schlechten Beispiels zunächstnicht ins Gewicht fällt, um ein in sich unsittliches Tun rechtlich zu verfolgen.Sittenwidriges Verhalten ist mit rechtlichen Mitteln erfaßbar,auch wenn die Umwelt in keiner Weise gestört wurde. Wenn die Öffentlichkeitsich über einen Sittenskandal aufhält, dann betrachtet sie dasGeschehene in sich als Kulturschaden, auch wenn es noch so geheimgehalten wurde. Was den Protest hervorruft, ist nicht die Tatsache, daßder eine oder andere davon Kenntnis bekommen hat, sondern die sittlicheUntat selbst. Von den Vertretern des Volkes erwarten die Wähler einechtes, einwandfreies Sittenleben, nicht nur die nötige Umsicht, öffentlichenSkandal zu vermeiden. Damit wird doch ausreichend deutlich,daß die Gesellschaft an sich Wert darauf legt, eine Gesellschaft guterSitten und nicht nur das, sondern guter Menschen zu sein. Zum Zusammenlebengehört das sittlich gute Streben eines jeden Gesellschaftsgliedes.Die Idee des Gemeinwohls schließt also eigentlich die personaleMoral aller ein. Alle Gemeinwohlwerte aber tragen echten Rechtscharakter.Aus dem Gesagten und vor allen Dingen aus den bereits im 1. Bandder Sozialethik 6gemachten Ausführungen müßte klar hervorgehen, daßdie personale oder individuale Verantwortung dieselbe ist wie jene, welchewir der Gesellschaft gegenüber haben, nämlich eine echte sittliche Verantwortung.Ein Vergehen gegen die soziale Ordnung kann daher nurdann ein echtes Vergehen sein, wenn es zugleich im sittlichen Sinne eineSünde und somit mit dem eigenen, persönlichen Schuldbewußtsein verbundenist.« 262 ff.
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Schuld und Strafe in philosophischer Sicht 201muß daher in einer nicht-metaphysisch orientierten Vorstellung <strong>de</strong>rSchuld aus irgendwelchen utilitaristischen Zwecken entnommen wer<strong>de</strong>n :Zwang zur Umkehr, zur Reintegration in ein Ordnungsganzes, Vorsichtsmaßnahmegegen die Schädigung an<strong>de</strong>rer.Von jenen Theorien über Schuld und Strafe, welche das Normativevernachlässigen und das gesamte Problem verpsychologisieren, brauchenwir hier nicht zu sprechen, da sie zu primitive Vorstellungen vom Ethischensind. Die sittliche Handlung ist hier das <strong>de</strong>m naturhaften Instinktfolgen<strong>de</strong> (o<strong>de</strong>r diesem wi<strong>de</strong>rsprechen<strong>de</strong>) Verhalten. Die Krankheit alsFolge naturwidrigen Han<strong>de</strong>lns ist bereits Strafe, so wie etwa das Tierdurch Übelkeit « bestraft» ist, wenn es zuviel gefressen hat. In <strong>de</strong>r reinpsychologischen Lehre vom sittlichen Han<strong>de</strong>ln fehlt <strong>de</strong>r echte Normbefehl.Die Theorien, welche ohne <strong>de</strong>n metaphysischen Hintergrund dienormwidrige Handlung einfach als « Zerstörung einer Ordnung » und dieStrafe als «Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>r Ordnung » begreifen, kommen überdas reine Zweck<strong>de</strong>nken nicht hinaus. Die Grundlage ist dabei eine kosmologischeVorstellung <strong>de</strong>r sittlichen Ordnung. Die Vergeltungstheorieim Sinne <strong>de</strong>s jus talionis ist eine solche kosmologische Auffassung <strong>de</strong>rStrafe. Wenn einer einem an<strong>de</strong>rn vorsätzlich das Auge verletzt hat, dannmuß auch er zur Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>r Ordnung das Auge verlieren :Aug' um Aug', Zahn um Zahn. Es soll damit die Aequivalenz im Kosmoso<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Gesellschaft wie<strong>de</strong>rhergestellt wer<strong>de</strong>n. Die Ordnung, die esdurch die Sühne wie<strong>de</strong>rherzustellen gilt, ist aber nicht, o<strong>de</strong>r wenigstensnicht zunächst, die Ordnung zwischen Dingen o<strong>de</strong>r Menschen, son<strong>de</strong>rndie Ordnung zwischen <strong>de</strong>r Abkehr vom letzten Ziel und <strong>de</strong>m dadurchgeschaffenen permanenten Strafzustand. Die Aequivalenz, die zwischen<strong>de</strong>r sittennormwidrigen Handlung und <strong>de</strong>m mit dieser wesentlich verbun<strong>de</strong>nennaturnormwidrigen Zustand (natürlicher Strafzustand) besteht,for<strong>de</strong>rt nach <strong>de</strong>r Umkehr eine Ersatzleistung, die aber naturgemäßnicht aequivalent sein kann, es darum auch nicht zu sein braucht(vgl. weiter unten: «Die Strafbemessung»). Der Begriff <strong>de</strong>r Ordnung,mit welchem die Strafe in engstem Zusammenhang steht, ist also einganz an<strong>de</strong>rer, als etwa die kosmologische Theorie unterstellt. Das absoluteWertbewußtsein <strong>de</strong>s Menschen, daß auf Schuld (= sittenwidrigesHan<strong>de</strong>ln) Strafe folgen muß, fin<strong>de</strong>t seine genuine Erklärung einzig ineiner Theorie, die erstens von einem unverfälschten Begriff <strong>de</strong>r Norm ausgehtund zweitens die absolute Norm in das Gewissen <strong>de</strong>s Menschenverlegt. Eine solche Theorie ist aber nur möglich auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>rMetaphysik.