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Die Analyse der straffälligen Handlung in der Praxis des Strafrichters 187Theorie hat im allgemeinen bei den Juristen keine Sympathie gefunden,weil die objektiven Unterscheidungsmerkmale des animus auctoris unddes animus socii fehlen. Immerhin wurde damit der final gerichtete Vorsatzin den äußeren Kausalvorgang einbezogen.Hans Welzel* ist diesem finalen Element in seiner finalen Handlungslehrenäher nachgegangen. Für ihn ist der Vorsatz eindeutig einMerkmal des Tatbestandes, ohne den die Tatbestandsmäßigkeit desäußeren Geschehens gar nicht ermittelt werden kann. Das wird, wie erbetont, unleugbar beim «Versuch». Wenn jemand an einem anderenvorbeischieße, so könne dieser äußerliche Kausalvorgang ein Mordversuch,ein Versuch der Körperverletzung oder ein Schießen an unerlaubtenOrten sein, je nach dem Vorsatz, den der Täter hatte. Wenn aber derVorsatz beim versuchten Delikt zum Tatbestand und nicht erst zurSchuld gehöre, so müsse dieselbe Funktion auch dann beibehalten werden,wenn das versuchte Delikt in das Stadium der Vollendung übergehe.Der Vorsatz ist also nicht erst ein die Schuld, sondern bereits einden Tatbestand konstituierendes Element. Zum Tatbestand gehört abernach Welzel nicht schon die Rechtswidrigkeit. Diese ist sowohl vomTatbestand wie auch von der Schuld unterschieden. Um rechtswidrigzu sein, muß eine Tatbestandsverwirküchung in Widerspruch zur Rechtsordnungals Ganzem stehen, nicht also nur zu einer einzelnen Norm.Z. B. verbietet die Rechtsnorm den Tatbestand des Tötens, Stehlens,Ehebrechens. Natürlich sei jede Verwirklichung eines solchen durch dasGesetz umschriebenen Tatbestandes normwidrig, jedoch nicht immerrechtswidrig. Denn die Rechtsordnung bestehe nicht nur aus Normen(Verboten oder Geboten), sondern auch aus Erlaubnissätzen. So sei dieVerwirklichung des Tatbestandes «Tötung eines Menschen» im Falleder Notwehr oder im Kriege erlaubt. Die Unterscheidung zwischenNormwidrigkeit und Rechtswidrigkeit ist allerdings sehr gekünstelt undübrigens anfechtbar. Denn die Tötung aus Notwehr ist, wenn man dieDinge reell und nicht nominell sieht, nicht normwidrig. Doch spieltdiese Unterscheidung in unserem Zusammenhang keine Rolle. Viel wichtigerist die Auffassung Welzel's von der Schuld. Erst wenn Tatbestandund Rechtswidrigkeit festgestellt sind, erhebt sich für Welzel die Schuldfrage.Schuld ist für Welzel Vorwerfbarkeit. Vorwerfbar ist eine Tatgemäß seiner Auffassung nicht schon dann, wenn der Täter ihre tatbe-2H. WELZEL, Das neue Bild des Strafrechtssystems, Eine Einführung in diefinale Handlungslehre, Göttingen 4 1961. Vgl. hierzu die Besprechung der drittenAuflage in : A. UTZ, Grundsatzfragen, Bd. I, 257-259.
488 Schuld und Strafestandsmäßige Seinsbeschaffenheit richtig kannte oder erkennen konnte,sondern nur dann, wenn er auch ihre Rechtswidrigkeit kannte oder erkennenmußte. Diese Auffassung heißt, weil sie die Schuldfrage vom Vorsatztrennt, « Schuldtheorie ».Im Gegensatz zu dieser steht die sog. Vorsatztheorie. Diese nimmtVorsatz und Schuld zusammen. Sie erklärt, daß der Vorsatz ein Bestandteilder Schuld ist. Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit gehört hier zumTatvorsatz. Fehlt es dem Täter, so ist sein Vorsatz ausgeschlossen, selbstwenn er mit voller Kenntnis des Tatbestands handelt. Der Irrtum überdie Rechtswidrigkeit schließt also den Vorsatz aus. Wir werden sehen,daß die Vorsatztheorie, unter der Bedingung, daß man sie nicht nur alsjuristische, sondern zugleich als natürlich-sittliche Lehre von der Normwidrigkeitversteht, ihre großen, nicht zu leugnenden Vorzüge gegenüberder Schuldtheorie hat. Der einfache Menschenverstand sagt sichz. B., daß ein Mann, der einen fremden ungezogenen Jungen zwei Stundenin seinen Kohlenkeller einsperrt, weil er glaubt, ein Züchtigungsrechtgegenüber fremden Kindern zu haben, den rechtswidrigen Tatbestandder Kinderzüchtigung gar nicht erfüllt. Wenn er gewußt hätte,daß diese Handlung verboten gewesen wäre, hätte er das Kind überhauptnicht gezüchtigt. Welzel antwortet darauf, daß das Bewußtsein derRechtswidrigkeit nicht etwas sei, was dem Täter vorgeworfen werde,sondern weshalb dem Täter der rechtswidrige Vorsatz vorgeworfenwerde. Es ginge in der Schuldfrage also darum, ob der Täter die Rechtswidrigkeitseines Handlungsentschlusses hätte wissen müssen oder nicht.Auch das ist richtig. Die Dinge liegen aber tiefer. Wenn wir nämlich derAnsicht sind, daß es Handlungen gibt, die in sich, d. h. aufgrund ihrerinneren Wesenheit, also ihrem sittlichen Gehalt nach so normwidrig sind,daß Wertblindheit nicht in Frage kommen kann, dann fällt die Frage :hätte der Täter die i?ecÄfcwidrigkeit kennen müssen ? mit der Frage :hat er echten Vorsatz gehabt ? zusammen. In diesem Falle sind alsoVorsatz und « Vorwerfbarkeit » eins.Das Bemühen Welzel's, die Schuldfrage vom Vorsatz zu trennen,kommt dem allgemeinen Anliegen der Juristen entgegen, die Schuldfragesäuberlich vom Schuldbewußtsein und Schuldempfinden des Täters zulösen. Denn für den Richter kommt es schließlich darauf an, einenmöglichst objektiven Maßstab zu finden, gemäß welchem er einenrechtswidrigen Vorsatz dem Täter vorwerfen kann. Er strebt ein sozialkontrollierbares Urteil über die Schuldfrage an. Wenn man dieses Anliegen,einen vom psychologischen Schuldempfinden und Schuldbewußt-
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Die Analyse <strong>de</strong>r straffälligen Handlung in <strong>de</strong>r Praxis <strong>de</strong>s Strafrichters 187Theorie hat im allgemeinen bei <strong>de</strong>n Juristen keine Sympathie gefun<strong>de</strong>n,weil die objektiven Unterscheidungsmerkmale <strong>de</strong>s animus auctoris und<strong>de</strong>s animus socii fehlen. Immerhin wur<strong>de</strong> damit <strong>de</strong>r final gerichtete Vorsatzin <strong>de</strong>n äußeren Kausalvorgang einbezogen.Hans Welzel* ist diesem finalen Element in seiner finalen Handlungslehrenäher nachgegangen. Für ihn ist <strong>de</strong>r Vorsatz ein<strong>de</strong>utig einMerkmal <strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s, ohne <strong>de</strong>n die Tatbestandsmäßigkeit <strong>de</strong>säußeren Geschehens gar nicht ermittelt wer<strong>de</strong>n kann. Das wird, wie erbetont, unleugbar beim «Versuch». Wenn jemand an einem an<strong>de</strong>renvorbeischieße, so könne dieser äußerliche Kausalvorgang ein Mordversuch,ein Versuch <strong>de</strong>r Körperverletzung o<strong>de</strong>r ein Schießen an unerlaubtenOrten sein, je nach <strong>de</strong>m Vorsatz, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Täter hatte. Wenn aber <strong>de</strong>rVorsatz beim versuchten Delikt zum Tatbestand und nicht erst zurSchuld gehöre, so müsse dieselbe Funktion auch dann beibehalten wer<strong>de</strong>n,wenn das versuchte Delikt in das Stadium <strong>de</strong>r Vollendung übergehe.Der Vorsatz ist also nicht erst ein die Schuld, son<strong>de</strong>rn bereits ein<strong>de</strong>n Tatbestand konstituieren<strong>de</strong>s Element. Zum Tatbestand gehört abernach Welzel nicht schon die Rechtswidrigkeit. Diese ist sowohl vomTatbestand wie auch von <strong>de</strong>r Schuld unterschie<strong>de</strong>n. Um rechtswidrigzu sein, muß eine Tatbestandsverwirküchung in Wi<strong>de</strong>rspruch zur Rechtsordnungals Ganzem stehen, nicht also nur zu einer einzelnen Norm.Z. B. verbietet die Rechtsnorm <strong>de</strong>n Tatbestand <strong>de</strong>s Tötens, Stehlens,Ehebrechens. Natürlich sei je<strong>de</strong> Verwirklichung eines solchen durch dasGesetz umschriebenen Tatbestan<strong>de</strong>s normwidrig, jedoch nicht immerrechtswidrig. Denn die Rechtsordnung bestehe nicht nur aus Normen(Verboten o<strong>de</strong>r Geboten), son<strong>de</strong>rn auch aus Erlaubnissätzen. So sei dieVerwirklichung <strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s «Tötung eines Menschen» im Falle<strong>de</strong>r Notwehr o<strong>de</strong>r im Kriege erlaubt. Die Unterscheidung zwischenNormwidrigkeit und Rechtswidrigkeit ist allerdings sehr gekünstelt undübrigens anfechtbar. Denn die Tötung aus Notwehr ist, wenn man dieDinge reell und nicht nominell sieht, nicht normwidrig. Doch spieltdiese Unterscheidung in unserem Zusammenhang keine Rolle. Viel wichtigerist die Auffassung Welzel's von <strong>de</strong>r Schuld. Erst wenn Tatbestandund Rechtswidrigkeit festgestellt sind, erhebt sich für Welzel die Schuldfrage.Schuld ist für Welzel Vorwerfbarkeit. Vorwerfbar ist eine Tatgemäß seiner Auffassung nicht schon dann, wenn <strong>de</strong>r Täter ihre tatbe-2H. WELZEL, Das neue Bild <strong>de</strong>s Strafrechtssystems, Eine Einführung in diefinale Handlungslehre, Göttingen 4 1961. Vgl. hierzu die Besprechung <strong>de</strong>r drittenAuflage in : A. UTZ, Grundsatzfragen, Bd. I, 257-259.