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DRITTER ARTIKELDIE GESELLSCHAFT ALS RECHTSTRÄGERDasProblemIn der Darstellung des subjektiven Rechts wurde das Individuumals echter Rechtsträger erkannt, das von der positiven Gesetzgebung einevollgültige Integration seiner Persönlichkeit in die gesamte Rechtsordnungverlangen kann, wodurch es sowohl gegen den Staat als auch gegenüberden anderen Rechtsgenossen mit personalen Ansprüchen aufzutretenvermag. Die Frage nach dem sog. verstaatlichen Rechtsträgerläßt sich nun weiter in die Gemeinschaft hinein verfolgen. Es handeltsich hier um das Problem, ob auch Gemeinschaftsgebilde als Träger vonsolchen Rechtsansprüchen auftreten können, durch die eine bestimmtegesellschaftliche und staatliche Organisation gefordert wird. Die Fragehat eine doppelte Natur : eine sozialphilosophische und eine rechtsphilosophische.Sozialphilosophisch fragen wir nach der pluralistischen Gesellschaftsordnung,in welcher die Individuen nicht direkt im obersten Verband,dem Staat, verbunden werden, sondern nur über einen vielfältigenAufbau von Zwischengemeinschaften, sodaß der Staat, obgleich er alsoberster sozialer Verband anerkannt wird, zunächst nur koordinierendeGewalt gegenüber den Individuen und den von diesen gegründeten Gemeinschaftenbesäße. Rechtsphilosophisch stellt sich das Problem, obdie einzelnen Gebilde als Träger von vorstaatlichen Rechtsansprüchenim selben Sinne wie das einzelne Individuum auftreten können, undferner, ob in einer solchen pluralistischen Gesellschaft die Einheit desRechtssystems gewahrt bleibt. Die beiden Gesichtspunkte, der sozialphilosophischeund der rechtsphilosophische, gehen ineinander über,

172 Das Rechtssubjektsofern man Sein und Sollen nicht voneinander trennt. Wir sprechen zunächstnur von den Gemeinschaften als « Rechtsgebilden »im allgemeinenSinne, ohne die Frage zu entscheiden, ob diese Rechtsgebilde echteRechtsträger sind oder nur Rechtseinheiten.Die soziologische Begründung der Gemeinschaften als Rechtsgebilde:die InstitutionenlehreWer der Auffassung ist, daß jegliche Gesellschaftsbildung aus demfaktischen Gemeinschaftswillen der einzelnen sich gruppierenden Menschenvor sich geht, kann die soziale Einheit der Gemeinschaften nurals Manifestation eines Gruppen- oder Genossenschaftswillens (0. v. Gierke)oder der Solidarität (L. Duguit) auffassen. Für Duguit gibt es keinesubjektiven Rechte. Das Recht entsteht erst durch den Willen zur Gemeinschaft,der allerdings seinerseits aus dem Bedürfnis nach einemersprießlichen Zusammenleben erwächst. So ist das Recht immer dort,wo Gesellschaft entsteht. Seine Ursache ist nach Leon Duguit die gemeinschaftsschaffendeSolidarität. Der Staat erscheint als eines der vielenGebilde dieser Solidarität. Er ist nicht oberste Macht, er ist nur « Kooperationorganisierter und durch die Regierenden kontrollierter öffentlicherDienste » 2 3 . Die Souveränität fällt somit dahin und damit zugleich dieEinheit des Rechts. Das Recht ist vielfältig entsprechend den durch dieSolidarität geschaffenen Gemeinschaftsgebilden. In ähnlicher Weise istauch bei 0. v. Gierke der Staat nichts anderes als die föderative Zusammenfassungvieler kleinerer Gemeinschaften ohne Souveränität. Die alsGenossenschaften begriffenen Gemeinschaften sind Kreaturen des sozialenWollens der Glieder. Nicht weit davon entfernt liegt die Ansicht vonMaurice Hauriou, gemäß welchem die vom Gemeinschaftswillen derMenschen erzeugte Gruppenidee Rechtskraft besitzt. G. Gurvitch unterscheidetnicht weniger als zweitausendvierhundertdreißig Arten von verschiedenenRechtsformen, die durch den Gesellschaftstrieb zustande gekommensind 24 .2 32 1Traite' de Droit constitutionnel, vol. I, Paris 3 1927, 98-101.Vgl. A. CUVILLIER, Oü va la Sociologie francaisc ?, Paris 1953, 143-146.

DRITTER ARTIKELDIE GESELLSCHAFT ALS RECHTSTRÄGERDasProblemIn <strong>de</strong>r Darstellung <strong>de</strong>s subjektiven Rechts wur<strong>de</strong> das Individuumals echter Rechtsträger erkannt, das von <strong>de</strong>r positiven Gesetzgebung einevollgültige Integration seiner Persönlichkeit in die gesamte Rechtsordnungverlangen kann, wodurch es sowohl gegen <strong>de</strong>n Staat als auch gegenüber<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Rechtsgenossen mit personalen Ansprüchen aufzutretenvermag. Die Frage nach <strong>de</strong>m sog. verstaatlichen Rechtsträgerläßt sich nun weiter in die Gemeinschaft hinein verfolgen. Es han<strong>de</strong>ltsich hier um das Problem, ob auch Gemeinschaftsgebil<strong>de</strong> als Träger vonsolchen Rechtsansprüchen auftreten können, durch die eine bestimmtegesellschaftliche und staatliche Organisation gefor<strong>de</strong>rt wird. Die Fragehat eine doppelte Natur : eine sozialphilosophische und eine rechtsphilosophische.Sozialphilosophisch fragen wir nach <strong>de</strong>r pluralistischen Gesellschaftsordnung,in welcher die Individuen nicht direkt im obersten Verband,<strong>de</strong>m Staat, verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn nur über einen vielfältigenAufbau von Zwischengemeinschaften, sodaß <strong>de</strong>r Staat, obgleich er alsoberster sozialer Verband anerkannt wird, zunächst nur koordinieren<strong>de</strong>Gewalt gegenüber <strong>de</strong>n Individuen und <strong>de</strong>n von diesen gegrün<strong>de</strong>ten Gemeinschaftenbesäße. Rechtsphilosophisch stellt sich das Problem, obdie einzelnen Gebil<strong>de</strong> als Träger von vorstaatlichen Rechtsansprüchenim selben Sinne wie das einzelne Individuum auftreten können, undferner, ob in einer solchen pluralistischen Gesellschaft die Einheit <strong>de</strong>sRechtssystems gewahrt bleibt. Die bei<strong>de</strong>n Gesichtspunkte, <strong>de</strong>r sozialphilosophischeund <strong>de</strong>r rechtsphilosophische, gehen ineinan<strong>de</strong>r über,

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