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Die vielfältige Aufgabe <strong>de</strong>s Richters im mo<strong>de</strong>rnen Rechts<strong>de</strong>nken 141« zerrüttet », wann ein Vertrag als «gegen die guten Sitten » verstoßendanzusehen ist usw. Die völkerrechtliche «clausula rebus sie stantibus »,gemäß welcher Vereinbarungen nur so lange Bestand haben, als die zuihrem Zustan<strong>de</strong>kommen maßgeben<strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong> fortbestehen, verlangtvom Richter vernünftige Beurteilung, wann im einzelnen die Umstän<strong>de</strong>sich wesentlich geän<strong>de</strong>rt haben. Gera<strong>de</strong> die vom Wertempfin<strong>de</strong>nher geprägten juristischen Begriffe bedürfen einer Konkretisierung, dievon einer neuen Wertentscheidung abhängt. Das Gesetz schreibt <strong>de</strong>mStrafrichter die Berücksichtigung mil<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong> vor. Die Ausführungdieses Auftrages verlangt vom Richter ein großes Maß nicht nur<strong>de</strong>r Menschenkenntnis, son<strong>de</strong>rn auch selbständiger Wertung. Der Grundsatz<strong>de</strong>r freien Beweisführung, gemäß welchem <strong>de</strong>r Richter nach seinemin <strong>de</strong>n Verhandlungen gewonnenen Gesamteindruck entschei<strong>de</strong>n soll,ob eine tatsächliche Behauptung für wahr o<strong>de</strong>r nicht wahr zu erachtensei, zeigt <strong>de</strong>utlich, wie wesentlich die praktische Vernunft <strong>de</strong>s Richtersin <strong>de</strong>r konkreten Rechtsbildung eingesetzt wird. Beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>utlich wirddieser Sachverhalt dort, wo die Entscheidung <strong>de</strong>m freien Ermessen <strong>de</strong>sRichters anheimgestellt ist. Der Begriff <strong>de</strong>s Ermessens ist allerdings sehrumstritten. Wir brauchen uns hier darauf weiter nicht einzulassen. Essei nur darauf hingewiesen, daß die Juristen zwischen «Tatbestandsermessen» und « Rechtsfolgeermessen » unterschei<strong>de</strong>n. Im Tatbestandsermessengeht es um die Frage, ob <strong>de</strong>r Tatbestand unter einen Rechtssatzsubsumiert wer<strong>de</strong>n kann o<strong>de</strong>r nicht. Wenn z. B. das Gesetz vorschreibt,daß die Erteilung o<strong>de</strong>r das Versagen <strong>de</strong>r Genehmigung eines Verkehrsunternehmensvom «öffentlichen Interesse» abhängt, dann muß imEinzelfall entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, inwieweit das öffentliche Interesse durchein zu grün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Transportunternehmen geschädigt wür<strong>de</strong> (Tatbestandsermessen).Wenn dagegen das Gesetz erklärt, daß die VerwaltungAuslän<strong>de</strong>rn das Kolportieren verbieten kann, dann liegt ein « Rechtsfolgeermessen» vor. Denn in diesem Falle wägt die Verwaltung in selbständigempraktischem Urteil <strong>de</strong>n Sachverhalt ab, während im vorherigen nurdie Frage untersucht wird, inwieweit <strong>de</strong>r Tatbestand (die zu grün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>Transportfirma) <strong>de</strong>m Sinn <strong>de</strong>s Gesetzes, im angegebenen Beispiel <strong>de</strong>m« öffentlichen Interesse », entspricht o<strong>de</strong>r nicht. Die Verwaltung amtetgewissermaßen als causa prima <strong>de</strong>r positiven Rechtsbildung, wenigstensim Raum ihres Ermessens. Es han<strong>de</strong>lt sich also, streng im Ermessensbereichgesehen, nicht um eine Gesetzesauslegung, son<strong>de</strong>rn um eine originäre,allerdings durch das Gesetz bevollmächtigte, Rechtssetzung.Bereits aus <strong>de</strong>m Studium <strong>de</strong>r Funktion <strong>de</strong>s heutigen Richters ergibt

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