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140 Die Rechtsschöpfung in <strong>de</strong>r Rechtsprechung<strong>de</strong>r Gesetzgebung. Ein Unterschied zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechungbesteht hier nur darin, daß das Gesetz allgemeinen Charakterhat, während die richterliche Tätigkeit stets nur einen Einzelfall behan<strong>de</strong>lt.Vom Gesichtspunkt <strong>de</strong>r Rechtsschöpfung aus ist aber <strong>de</strong>r Unterschiedunwesentlich. Ein solcher Richter schöpft unmittelbar aus <strong>de</strong>nselbenQuellen und benützt dieselben Normen <strong>de</strong>s Rechts wie <strong>de</strong>r Gesetzgeber.Schwieriger aber ist das Problem dort, wo eine sozial kontrollierbareRechtsprechung verlangt wird, eine Rechtsprechung, die an das geschriebeneGesetz gebun<strong>de</strong>n ist. Wir haben gesehen, daß <strong>de</strong>r Sinn <strong>de</strong>spositiven Gesetzes darin besteht, die Normen <strong>de</strong>r natürlichen Gerechtigkeitin eine solche Form zu gießen, daß daraus eine möglichst unbestreitbare,wirksame soziale Ordnungsregel entsteht. Nun kann naturgemäßkein Gesetz <strong>de</strong>rart ins einzelne gehen, daß je<strong>de</strong>r mögliche Fall unanfechtbarklar ausgesprochen wür<strong>de</strong>. Die Allgemeinheit <strong>de</strong>r gesetzlichen Ausdrucksweiseist eine menschliche Notwendigkeit. Es bedarf darum einerInstanz, welche <strong>de</strong>n gesetzlichen Rechtssatz in eine ganz konkreterechtliche Anweisung umformt, die auf <strong>de</strong>n Einzelfall zugeschnitten ist.Die richterliche Tätigkeit erschöpft sich also nicht in <strong>de</strong>r Beweiserhebung.Sie offenbart ihre Qualität eigentlich erst in <strong>de</strong>r Lösung <strong>de</strong>rFrage, ob und wie <strong>de</strong>r Tatbestand unter <strong>de</strong>n Rechtssatz subsumiertwer<strong>de</strong>n kann. Hierzu bedarf es also <strong>de</strong>r Auslegung <strong>de</strong>s Rechtssatzesselbst. Daß <strong>de</strong>r Richter rechtsschöpferisch tätig wird, beweist die Tatsache,daß die Gesetze selbst dann und wann <strong>de</strong>n Richter durch « kann »-Formulierungen auffor<strong>de</strong>rn, das konkret Gerechte selbst zu fin<strong>de</strong>n, soz. B. wenn es im Gesetz heißt, daß ein Täter beim Vorliegen von dreiStraftaten, wenngleich noch nicht bestraft, als Gewohnheitsverbrecherangesehen und mit erhöhter Strafe belegt wer<strong>de</strong>n kann 2 . Ebenso wirddas Urteilsvermögen <strong>de</strong>s Richters aufgerufen, wenn von ihm verlangtwird, bei «<strong>de</strong>r Bemessung einer Geldstrafe ... die wirtschaftlichen Verhältnisse<strong>de</strong>s Täters zu berücksichtigen» 3 . Der Richter muß im konkretenFall mit seinem Werturteil maßgeblich Stellung nehmen, ob <strong>de</strong>rZeigefinger ein « wichtiges Glied <strong>de</strong>s Körpers » ist, ob die Äußerung einesLästerers «gotteslästerlich» o<strong>de</strong>r eine religiöse Überzeugung «beschimpfend» war, in welchen Fällen Verschul<strong>de</strong>n gegen die Ehetreueals «schwere» Eheverfehlungen zu bezeichnen sind, welche Ehe als23Vgl. Deutsches Strafgesetzbuch § 20a.A. a. O. § 27c.

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