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12.07.2015 Aufrufe

Der Pflichtcharakter des positiven Gesetzes 133einem reinen Pönalgesetz zu tun, d. h. einem Gesetz, dessen Übertretungnur vom Vorsatz (im Sinne des sog.«inneren » Tatbestandes), nicht vomsubjektiven Gewissensvorwurf her beurteilt wird. Die Geldbuße hat darumden Charakter einer Zweck-, nicht einer Sühnemaßnahme. Der Zweckist Aufrechterhaltung einer Ordnung auf dem einfachen Weg der Verwaltungin Dingen, die so geringfügig sind, daß eine Untersuchung der Schuldzu sozial unerträglichen, monströsen Gerichtsverfahren führen würde.In den religiösen Orden bestehen ähnliche Einrichtungen. So heißtes in den Konstitutionen des Dominikanerordens 15 : «In der Sorge umdie Einheit und den Frieden im Gesamtorden wollen und erklären wir, daßunsere Regel und unsere Konstitutionen und die Anweisungen der Kapitelund Oberen nicht unter Schuld oder Sünde, sondern zur Übernahmeder für die Übertretungen ... vorgeschriebenen Strafen verpflichten».Rechtsphilosophisch ist aber das Problem schwieriger, als es aufden ersten Blick scheint. Kann man angesichts der Tatsache, daß dieOrdnung des Zusammenlebens, und wäre es « nur» das richtige Parkeneines Autos, ein echtes sozialethisches Gebot ist, behaupten, eine positivrechtlicheBestimmung könne vorsätzlich ohne jede sittliche Schuldübertreten werden ? Gewiß wird das einzelne Gewissen dann und wann,vielleicht sehr oft, keinerlei Schuldgefühl empfinden. Das Problem istaber, ob das Gesetz, welches aus Nützlichkeit und Zweckmäßigkeitvom Schuldcharakter der Übertretung absieht, wirklich von der Schulddispensieren könne. Das staatliche Gesetz kümmert sich weiter nicht umdiese Frage, läßt also das Problem offen ; aus diesem Grunde wird auchdas Gewissen nicht entlastet. In den religiösen Orden wird aber ausdrücklichin dieser Absicht das Pönalgesetz erlassen, um das Gewissen zu entlasten./. Messner stellt fest, nur der Gesetzgeber könne die sittlicheGehorsamspflicht, d. h.« die sittlich bindende Kraft seines Gesetzes, aufhebendurch direkte oder indirekte Erklärung seines Willens » 1 6 . Füruns stellt sich aber die Frage nach dem Grund, weshalb der Gesetzgeberdas tun kann, obwohl er selbst nicht erster Schöpfer, sondern nur Administratoreines ihm sittlich vorgegebenen Ordnungsauftrages ist.Rein theoretisch gesehen, müßte das reine Pönalgesetz als rechtsphilosophischesMonstrum bezeichnet werden, weil alle Gesetze Ordnungsanweisungensind im Hinblick auf die Erfüllung unseres Lebenszweckes.Auch dort, wo es um geringfügige Dinge geht, handelt es sichan sich um eine echte Gewissensverpflichtung, die allerdings unter Um-1 51 6Constitutiones Fr. S. Ordinis Praed., Romae 1932, 32 § 1.Das Naturrecht, 356.

134 Das positive Gesetzständen naturgemäß geringfügig sein mag. Anderseits kann der Gesetzgeberum der Ordnung willen bestimmte Sektoren des sozialen Handelnsunter rein äußerliche Straf- oder Bußverordnungen stellen. Einen typischenFall, der zwar nicht in die Gesetzes-, sondern nur in die allgemeineRechtsregelung gehört, haben wir in bestimmten Arten von Spielen,wo gemäß Vereinbarung der einzelne den andern absichtlich überlistendarf, wenn er nur nicht ertappt wird. Der Gesetzgeber kann sich allerdingsnie dazu hergeben, Übertretungen von vornherein freizugeben,mit der Einschränkung, daß er ertappte Übertretungen mit Buße belege.Er vermag aber wohl zur Verhütung größeren sittlichen Übels(z. B. in den religiösen Orden zur Verhütung von Gewissensskrupeln imHinblick auf den allgemein supponierten Ernst der Mitglieder) die Gewissensbelastungder Übertretung einzuklammern und nur die Verpflichtungzur Übernahme der Buße ins Auge zu fassen. Es würde sich in diesemFalle nicht um eine rein äußerliche Zweckmäßigkeit, etwa zur Verhütungder Überlastung des Gerichtswesens, handeln, d. h. der Gesetzgeberwürde die Schuldfrage nicht einfach nur unbeachtet lassen, sondernpositiv ausschließen, soweit es in seiner Kraft der Rechtsschöpfung Hegt.Der natürliche Sinn des Gesetzes, d. h. die Ordnung des Naturgesetzes,wäre auf diese Weise immer noch gewahrt, nämHch den einzelnen Menschenanzuhalten, das Gemeinwohl nach Kräften aus persönHcher Verantwortungzu verwirklichen. Voraussetzung ist hierbei das grundsätzliche,in sittHcher Verantwortung gesprochene Ja zum Gemeinwohl derGesellschaft. Von diesem kann der Gesetzgeber nie dispensieren. Wennsich darum eine einzelne Übertretung gegen diese sozial-sittliche Grundhaltungverfehlt, z. B. im Falle, wo sie dem Motiv der Gesetzesverachtungentspringt, ist sie naturgemäß Sünde. Da nützen alle Pönalgesetze nichts.Aus diesem Grund erklären die Konstitutionen des Dominikanerordens,daß trotz ihres Pönalcharakters eine Verpflichtung unter Sünde dortvorliegt, wo es sich um ein praeceptum (= Verordnung oder Befehl unterBerufung auf die Gelübde, d. h. also auf die Gesamtordnung) oder umdas letzte Motiv der Unterwerfung (propter contemptum) handelt.Allerdings muß man von den heutigen staatlichen Gesetzen sagen,daß hier die Gewissensfrage nur offenbleibt, nicht ausdrücklich eingeschlossenist, daß also der einzelne die vielfältigen Ordnungsstrafgesetzenicht einfachhin als Pönalgesetze im rechtsphilosophischen Sinne verstehendarf. Es kann aber nicht in der Intention des positiven GesetzesHegen, das Gewissen der Menschen so stark zu belasten, daß das Lebenin der Gemeinschaft die sittliche Schwungkraft verhert.

134 Das positive Gesetzstän<strong>de</strong>n naturgemäß geringfügig sein mag. An<strong>de</strong>rseits kann <strong>de</strong>r Gesetzgeberum <strong>de</strong>r Ordnung willen bestimmte Sektoren <strong>de</strong>s sozialen Han<strong>de</strong>lnsunter rein äußerliche Straf- o<strong>de</strong>r Bußverordnungen stellen. Einen typischenFall, <strong>de</strong>r zwar nicht in die Gesetzes-, son<strong>de</strong>rn nur in die allgemeineRechtsregelung gehört, haben wir in bestimmten Arten von Spielen,wo gemäß Vereinbarung <strong>de</strong>r einzelne <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rn absichtlich überlistendarf, wenn er nur nicht ertappt wird. Der Gesetzgeber kann sich allerdingsnie dazu hergeben, Übertretungen von vornherein freizugeben,mit <strong>de</strong>r Einschränkung, daß er ertappte Übertretungen mit Buße belege.Er vermag aber wohl zur Verhütung größeren sittlichen Übels(z. B. in <strong>de</strong>n religiösen Or<strong>de</strong>n zur Verhütung von Gewissensskrupeln imHinblick auf <strong>de</strong>n allgemein supponierten Ernst <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r) die Gewissensbelastung<strong>de</strong>r Übertretung einzuklammern und nur die Verpflichtungzur Übernahme <strong>de</strong>r Buße ins Auge zu fassen. Es wür<strong>de</strong> sich in diesemFalle nicht um eine rein äußerliche Zweckmäßigkeit, etwa zur Verhütung<strong>de</strong>r Überlastung <strong>de</strong>s Gerichtswesens, han<strong>de</strong>ln, d. h. <strong>de</strong>r Gesetzgeberwür<strong>de</strong> die Schuldfrage nicht einfach nur unbeachtet lassen, son<strong>de</strong>rnpositiv ausschließen, soweit es in seiner Kraft <strong>de</strong>r Rechtsschöpfung Hegt.Der natürliche Sinn <strong>de</strong>s Gesetzes, d. h. die Ordnung <strong>de</strong>s Naturgesetzes,wäre auf diese Weise immer noch gewahrt, nämHch <strong>de</strong>n einzelnen Menschenanzuhalten, das Gemeinwohl nach Kräften aus persönHcher Verantwortungzu verwirklichen. Voraussetzung ist hierbei das grundsätzliche,in sittHcher Verantwortung gesprochene Ja zum Gemeinwohl <strong>de</strong>rGesellschaft. Von diesem kann <strong>de</strong>r Gesetzgeber nie dispensieren. Wennsich darum eine einzelne Übertretung gegen diese sozial-sittliche Grundhaltungverfehlt, z. B. im Falle, wo sie <strong>de</strong>m Motiv <strong>de</strong>r Gesetzesverachtungentspringt, ist sie naturgemäß Sün<strong>de</strong>. Da nützen alle Pönalgesetze nichts.Aus diesem Grund erklären die Konstitutionen <strong>de</strong>s Dominikaneror<strong>de</strong>ns,daß trotz ihres Pönalcharakters eine Verpflichtung unter Sün<strong>de</strong> dortvorliegt, wo es sich um ein praeceptum (= Verordnung o<strong>de</strong>r Befehl unterBerufung auf die Gelüb<strong>de</strong>, d. h. also auf die Gesamtordnung) o<strong>de</strong>r umdas letzte Motiv <strong>de</strong>r Unterwerfung (propter contemptum) han<strong>de</strong>lt.Allerdings muß man von <strong>de</strong>n heutigen staatlichen Gesetzen sagen,daß hier die Gewissensfrage nur offenbleibt, nicht ausdrücklich eingeschlossenist, daß also <strong>de</strong>r einzelne die vielfältigen Ordnungsstrafgesetzenicht einfachhin als Pönalgesetze im rechtsphilosophischen Sinne verstehendarf. Es kann aber nicht in <strong>de</strong>r Intention <strong>de</strong>s positiven GesetzesHegen, das Gewissen <strong>de</strong>r Menschen so stark zu belasten, daß das Lebenin <strong>de</strong>r Gemeinschaft die sittliche Schwungkraft verhert.

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