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Das Wesen des positiven Gesetzes 123Ersinnen geschieht in logischer Überlegung aus den Prinzipien heraus.Es erweckt darum zunächst den Eindruck, als ob es hier um ein Theoretisierenüber die Natur der Sache ginge. « Die menschliche Vernunft mußbei den Geboten des Naturgesetzes als bei allgemeinen und unbeweisbarenSätzen beginnen und von ihnen dazu übergehen, über die mehr einzelhaftenDinge richtweisenden Bescheid zu geben. Und diese engeren Richtsätze,die von der menschlichen Vernunft hinzugefunden (adinventae)sind, heißen menschliche Gesetze » 8 . Damit wären wir an sich nicht weiterals bis zum bloßen Erkennen der konkreten Natur der Sache vorgedrungen,wenn Thomas nicht ausdrücklich erklären würde, daß « alleandern Bedingungen, die zum Wesen des Gesetzes gehören, dabei beachtetwerden müssen, wovon weiter oben 9die Rede war». An der Verweisstelleerklärt aber Thomas, daß das Gesetz nicht nur ein Ergründenvorgegebener Sachverhalte durch irgendeine Vernunft ist, sondernein Diktat der Vernunft dessen, «welcher die Sorge um die Gesellschafthat» 1 0 . Das positive Gesetz stammt also aus der gesellschaftlichen Autorität.Es kann sich aus diesem Grunde nicht nur darum handeln, daßdie Vernunft neue, in den allgemeinen Naturrechtsprinzipien nicht enthaltene,aber aus ihnen ableitbare konkrete Handlungsweisen «finde »,sondern daß sie diese normativ der ganzen Gesellschaft auftrage. Unddas kann nur durch eine neue Rechtssetzung geschehen.Da ein Gesetzgeber in der Vollkommenheit, wie die Rechtsphilosophiesich ihn im normativen Denken ersinnt, nicht existiert, ergibt sichdie Frage, in welcher Weise sich die Gesellschaft gegen Übergriffe desGesetzgebers schützen soll, ohne die Rechtssicherheit aufzugeben. DieFrage ist sowohl rechtsphilosophischer wie politischer Natur. Sie istrechtsphilosophisch, insofern man festzustellen hat, wer der naturgemäßeTräger des Rechts, die Organe der Kontrolle des Gesetzgebers zubestellen, ist. An sich kann es nur der Begründer der staatlichen Einheit,kurz gesagt, das Volk sein. Daran aber knüpft sich die politische Frage,welche verfassungsrechtliche Institution zu schaffen sei, die einerseitsdie wirksame Kontrolle zu leisten, anderseits die Kontinuität des Staateszu garantieren vermag. Diese letzte Frage ist deswegen politischer Natur,weil es darum geht, die Machtverhältnisse so zu verteilen, daß der besagtedoppelte Effekt erreicht wird.891 0A. a. O.I-II 90, 2-4.I-II 90, 4.

124 Das positive GesetzDie Funktion der Macht. - Das Element der Macht kann, wie ausdem Gesagten hervorgeht, aus dem Recht nicht eliminiert werden. Hierinliegt, wenn man so will, der « positivistische » Faktor eines jeden Rechts.Es muß wirksame Friedensordnung sein. Da der menschliche Gesetzgeberin der Lage ist, die Macht zu mißbrauchen, stehen wir vor derheiklen Aufgabe, zu unterscheiden, wo echte, d. h. an die vorgegebeneOrdnung sich bindende Macht, und wo Mißbrauch der Macht, also nurMacht vorliegt. Trotz aller Problematik steht fest, daß faktische Machtnotwendig ist, da ohne diese die naturgesetzliche Grundforderung, daßgarantierte Ordnung herrsche, nicht erfüllt würde. Die thomistischeRechtsphilosophie hat darum den aktiven Widerstand gegen die Staatsgewalttrotz seiner inhaltlichen Rechtfertigung durch die Gerechtigkeitnur verteidigen können, wo sichere Aussicht auf Erfolg besteht 11 .Da wir in unserem menschlichen Zusammenleben weder die Naturder Sache in reiner Klarheit erkennen, noch auch dem Träger der staatlichenAutorität Unfehlbarkeit erkenntnismäßiger oder sittlicher Naturzutrauen können, stehen wir in jedem Einzelfall vor der Frage : liegthier Recht vor oder nur Macht ? Da die Macht es leichter hat, durch dieTatsache ihrer Wirksamkeit sich als Recht auszuweisen, als die bloßeErkenntnis der Natur der Sache, weil nämlich die tatsächliche gegenüberder möglichen Ordnung immerhin einen erheblichen Vorsprung hat,kann man den Konservativismus der naturrechtlich orientierten Sozialethikbegreifen.Die Definition des positiven GesetzesPositive Rechtsschöpfung ist an sich jeder durch eine innergesellschaftlicheAutorität statuierte Befehl. Da wir aber von Gesetz nur injenen Gesellschaften sprechen, die den gesamtmenschlichen Bereichumfassen (Staat und Kirche), erhält die positiv-gesetzliche Rechtsschöpfungeine Einschränkung. Und auch hier werden nur die erstenKonkretisierungen des Gemeinwohls mit Gesetz bezeichnet, währenddie weiteren Anwendungen rechtliche Verordnungen oder richterlicheEntscheidungen sind. Über die Gesetze im nur formellen Sinne, d. h.über Einzelakte in Gesetzesform, brauchen wir hier nicht zu sprechen,da sie rein praktischen Wert haben. Wenn gewisse rechtliche Bestim-11Näheres über das Thema in Sozialethik, Bd. V (in Vorbereitung). Vgl.hierzu die sorgfältig abgewogenen Darlegungen von E. WELTY : Herders Sozialkatechismus,Bd. II, Freiburg 3 1961, 263-274.

Das Wesen <strong>de</strong>s positiven Gesetzes 123Ersinnen geschieht in logischer Überlegung aus <strong>de</strong>n Prinzipien heraus.Es erweckt darum zunächst <strong>de</strong>n Eindruck, als ob es hier um ein Theoretisierenüber die Natur <strong>de</strong>r Sache ginge. « Die menschliche Vernunft mußbei <strong>de</strong>n Geboten <strong>de</strong>s Naturgesetzes als bei allgemeinen und unbeweisbarenSätzen beginnen und von ihnen dazu übergehen, über die mehr einzelhaftenDinge richtweisen<strong>de</strong>n Bescheid zu geben. Und diese engeren Richtsätze,die von <strong>de</strong>r menschlichen Vernunft hinzugefun<strong>de</strong>n (adinventae)sind, heißen menschliche Gesetze » 8 . Damit wären wir an sich nicht weiterals bis zum bloßen Erkennen <strong>de</strong>r konkreten Natur <strong>de</strong>r Sache vorgedrungen,wenn Thomas nicht ausdrücklich erklären wür<strong>de</strong>, daß « allean<strong>de</strong>rn Bedingungen, die zum Wesen <strong>de</strong>s Gesetzes gehören, dabei beachtetwer<strong>de</strong>n müssen, wovon weiter oben 9die Re<strong>de</strong> war». An <strong>de</strong>r Verweisstelleerklärt aber Thomas, daß das Gesetz nicht nur ein Ergrün<strong>de</strong>nvorgegebener Sachverhalte durch irgen<strong>de</strong>ine Vernunft ist, son<strong>de</strong>rnein Diktat <strong>de</strong>r Vernunft <strong>de</strong>ssen, «welcher die Sorge um die Gesellschafthat» 1 0 . Das positive Gesetz stammt also aus <strong>de</strong>r gesellschaftlichen Autorität.Es kann sich aus diesem Grun<strong>de</strong> nicht nur darum han<strong>de</strong>ln, daßdie Vernunft neue, in <strong>de</strong>n allgemeinen Naturrechtsprinzipien nicht enthaltene,aber aus ihnen ableitbare konkrete Handlungsweisen «fin<strong>de</strong> »,son<strong>de</strong>rn daß sie diese normativ <strong>de</strong>r ganzen Gesellschaft auftrage. Unddas kann nur durch eine neue Rechtssetzung geschehen.Da ein Gesetzgeber in <strong>de</strong>r Vollkommenheit, wie die Rechtsphilosophiesich ihn im normativen Denken ersinnt, nicht existiert, ergibt sichdie Frage, in welcher Weise sich die Gesellschaft gegen Übergriffe <strong>de</strong>sGesetzgebers schützen soll, ohne die Rechtssicherheit aufzugeben. DieFrage ist sowohl rechtsphilosophischer wie politischer Natur. Sie istrechtsphilosophisch, insofern man festzustellen hat, wer <strong>de</strong>r naturgemäßeTräger <strong>de</strong>s Rechts, die Organe <strong>de</strong>r Kontrolle <strong>de</strong>s Gesetzgebers zubestellen, ist. An sich kann es nur <strong>de</strong>r Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r staatlichen Einheit,kurz gesagt, das Volk sein. Daran aber knüpft sich die politische Frage,welche verfassungsrechtliche Institution zu schaffen sei, die einerseitsdie wirksame Kontrolle zu leisten, an<strong>de</strong>rseits die Kontinuität <strong>de</strong>s Staateszu garantieren vermag. Diese letzte Frage ist <strong>de</strong>swegen politischer Natur,weil es darum geht, die Machtverhältnisse so zu verteilen, daß <strong>de</strong>r besagtedoppelte Effekt erreicht wird.891 0A. a. O.I-II 90, 2-4.I-II 90, 4.

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