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Das Wesen des positiven Gesetzes 121Funktion : 1. die Friedensordnung im Sinne des Naturgesetzes inhaltlichunmißverständlich zu bestimmen und 2. Garant der Durchführung zusein (Sanktion). Die beiden Teilfunktionen gehören zusammen. Nur inder Einheit beider finden wir wirkliches Recht, denn Recht ist wederbloßer Wert noch bloße Macht, sondern soziale Norm 4 .Die Funktion der inhaltlichen Bestimmung der Friedensordnung. - DieErkenntnis der Natur der Sache als rechtlichen Faktors ist nicht so einfachzu erwerben wie etwa die Kenntnis von irgendwelchen naturwissenschaftlichenTatsachen. Der Rechtsbereich befindet sich in der praktischenOrdnung, die sich grundsätzlich von der spekulativen unterscheidet.Es wurde bereits früher, als vom Unterschied zwischen Werterfahrungund Seinserfahrung die Rede war, darauf hingewiesen, daß zurKonstituierung des Objektes der praktischen Erkenntnis die « rectitudoappetitus» erforderlich ist. Diese tritt um so mehr in Erscheinung, jekonkreter das Soll formuliert werden muß. Eine gewisse Uneinigkeitüber die konkrete Fassung des Gemeinwohls ist eine Naturnotwendigkeit,nicht nur eine Folge der Sünde 5 . Um die Handlungseinheit im Sozialkörperzu erreichen, bedarf es darum einer über dem Individuum stehendenAutorität, die das Sozialgerechte genau umschreibt, und zwar nichtetwa in Form einer Wahrheitsaussage, sondern einer Norm, eines Befehls.Als ausschließliches Aktionsfeld des positiven Gesetzes wird vonNaturrechtslehrern oft jener Bereich angegeben, der durch die « Natur derSache» nicht umschrieben ist, wie z. B. die Verkehrsvorschrift desFahrens auf der rechten Seite. Nun könnte man darüber streiten, obnicht auch derartige Verkehrsvorschriften in letzter Analyse auf einer(i Natur der Sache » (im konkreten Sinne) basieren, wenn man bedenkt,daß sie eine irgendwie bestehende Gewohnheit übernommen haben, dieabzuändern sinnlos gewesen wäre ; auch Verkehrsvorschriften entstehennicht voraussetzungslos, sondern in Anlehnung an eine bereits gegebeneSituation. Es wäre aber auf jeden Fall verfehlt, die Bedeutung der positivenGesetzgebung von diesem schmalen Bereich mehr oder wenigerwillkürlicher Bestimmungen aus zu werten, denn die Aufgabe des positivenGesetzes besteht durchweg darin, mit vernünftiger Überlegungdie konkrete Natur der Sache rechtssicher und rechtswirksam zu konstituieren.Wenn wir bedenken, daß der überwiegende Teil der konkretenNatur der Sache als gesellschaftliche Norm nicht von Natur gegeben ist,4Vgl. das zur Definition des Rechts Gesagte.Vgl. Sozialethik, Bd. I, 250 f.
122 Das positive Gesetzsondern erst erarbeitet und erstellt werden muß, dann geht uns erst dieAktionsbreite des positiven Gesetzgebers als eines neuen Rechtsschöpfersauf. Erst das positive Gesetz schafft jene Rechtssicherheit, ohne die eineGesellschaft nicht bestehen kann. Das gesatzte Recht läßt sich darumnicht einfach nur als Sanktion eines vorgängigen Rechts auffassen, es istvielmehr die einzig mögliche Erfüllung der naturrechtlichen Forderung,sichere Ordnung zu schaffen, «sicher» vom Objekt, nicht nur von derDurchführung her verstanden, oder, wie sich Hermann Heller 6 ausdrückt,Rechtssicherheit zu erzeugen unter dem Gesichtspunkt der « Sinngewißheit»des Rechts, nicht nur der «Vollstreckungsgewißheit». Das giltsogar bezüglich der an sich univoken Naturrechtsprinzipien. Denn auchsie (vgl. die Forderung der unauflöslichen Einehe) können durch die unabänderlichenkonkreten Bedingungen in der Anwendung einer Restriktionunterworfen sein. Die Überprüfung des gesatzten Rechts gemäßnaturrechtlichen Normen hat darum der naturrechtlichen Funktion despositiven Gesetzes Rechnung zu tragen. Es dürfte schwer fallen, gegendas gesatzte Recht natürliche Rechtsnormen anzurufen, solange jenesdie einzige Möglichkeit der Rechtssicherheit bietet. Das einzelne Gesellschaftsgliedmag für seine eigene Person die aus eigenem Gewissensspruchverantwortete Nicht-Befolgung eines positiven Gesetzes leichternehmen können. Derjenige aber, dessen Handlung die Fortführung derFunktion des positiven Gesetzes darstellt, nämlich der Richter, wirdsein Urteil mit peinlicherer Sorgfalt am menschlichen Gesetz orientieren.Die Autorität des Staates hat sich zwar an das durch das Naturgesetzvorgezeichnete Gemeinwohl zu halten. Anderseits ist sie aber dochnicht nur auslegende Instanz, sondern rechtsschöpferisch. Ihre Rechtssetzungist darum echter Machtspruch. Wie jedes Recht aus Macht entsteht,so ist auch das staatliche Recht Ausfluß einer Macht. Allerdingsmuß man sich dabei klar sein, daß die Macht nicht einfach Willensbeschlußist. Wir haben bereits bei der Entstehung des ersten Rechts,nämlich des Ewigen Gesetzes gesehen, daß die Allmacht nur Recht setztgemäß der absoluten Wahrheit.Den gleichen Weg zur Ergründung des positiven Gesetzes von derStruktur des Naturgesetzes aus hatte Thomas von Aquin gewählt. Diemenschliche Vernunft müsse, so sagt er 7 , gewisse gemeinsame Regelnersinnen, da die spontan erkannten Prinzipien nicht ausreichen. Dieses• Staatslehre, hrsg. v. Gerhart NIEMEYER, Leiden 1934, 223.' I-II 91, 3.
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Das Wesen <strong>de</strong>s positiven Gesetzes 121Funktion : 1. die Frie<strong>de</strong>nsordnung im Sinne <strong>de</strong>s Naturgesetzes inhaltlichunmißverständlich zu bestimmen und 2. Garant <strong>de</strong>r Durchführung zusein (Sanktion). Die bei<strong>de</strong>n Teilfunktionen gehören zusammen. Nur in<strong>de</strong>r Einheit bei<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>n wir wirkliches Recht, <strong>de</strong>nn Recht ist we<strong>de</strong>rbloßer Wert noch bloße Macht, son<strong>de</strong>rn soziale Norm 4 .Die Funktion <strong>de</strong>r inhaltlichen Bestimmung <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nsordnung. - DieErkenntnis <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>r Sache als rechtlichen Faktors ist nicht so einfachzu erwerben wie etwa die Kenntnis von irgendwelchen naturwissenschaftlichenTatsachen. Der Rechtsbereich befin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>r praktischenOrdnung, die sich grundsätzlich von <strong>de</strong>r spekulativen unterschei<strong>de</strong>t.Es wur<strong>de</strong> bereits früher, als vom Unterschied zwischen Werterfahrungund Seinserfahrung die Re<strong>de</strong> war, darauf hingewiesen, daß zurKonstituierung <strong>de</strong>s Objektes <strong>de</strong>r praktischen Erkenntnis die « rectitudoappetitus» erfor<strong>de</strong>rlich ist. Diese tritt um so mehr in Erscheinung, jekonkreter das Soll formuliert wer<strong>de</strong>n muß. Eine gewisse Uneinigkeitüber die konkrete Fassung <strong>de</strong>s Gemeinwohls ist eine Naturnotwendigkeit,nicht nur eine Folge <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> 5 . Um die Handlungseinheit im Sozialkörperzu erreichen, bedarf es darum einer über <strong>de</strong>m Individuum stehen<strong>de</strong>nAutorität, die das Sozialgerechte genau umschreibt, und zwar nichtetwa in Form einer Wahrheitsaussage, son<strong>de</strong>rn einer Norm, eines Befehls.Als ausschließliches Aktionsfeld <strong>de</strong>s positiven Gesetzes wird vonNaturrechtslehrern oft jener Bereich angegeben, <strong>de</strong>r durch die « Natur <strong>de</strong>rSache» nicht umschrieben ist, wie z. B. die Verkehrsvorschrift <strong>de</strong>sFahrens auf <strong>de</strong>r rechten Seite. Nun könnte man darüber streiten, obnicht auch <strong>de</strong>rartige Verkehrsvorschriften in letzter Analyse auf einer(i Natur <strong>de</strong>r Sache » (im konkreten Sinne) basieren, wenn man be<strong>de</strong>nkt,daß sie eine irgendwie bestehen<strong>de</strong> Gewohnheit übernommen haben, dieabzuän<strong>de</strong>rn sinnlos gewesen wäre ; auch Verkehrsvorschriften entstehennicht voraussetzungslos, son<strong>de</strong>rn in Anlehnung an eine bereits gegebeneSituation. Es wäre aber auf je<strong>de</strong>n Fall verfehlt, die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r positivenGesetzgebung von diesem schmalen Bereich mehr o<strong>de</strong>r wenigerwillkürlicher Bestimmungen aus zu werten, <strong>de</strong>nn die Aufgabe <strong>de</strong>s positivenGesetzes besteht durchweg darin, mit vernünftiger Überlegungdie konkrete Natur <strong>de</strong>r Sache rechtssicher und rechtswirksam zu konstituieren.Wenn wir be<strong>de</strong>nken, daß <strong>de</strong>r überwiegen<strong>de</strong> Teil <strong>de</strong>r konkretenNatur <strong>de</strong>r Sache als gesellschaftliche Norm nicht von Natur gegeben ist,4Vgl. das zur Definition <strong>de</strong>s Rechts Gesagte.Vgl. Sozialethik, Bd. I, 250 f.