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VIERTER ARTIKELDIE GERECHTIGKEITDie Gerechtigkeit ist jene Idee, wonach eine konkrete Handlungoder Situation als gerecht bezeichnet wird. Vom naturrechtlichen Denkenher sollte sich eigentlich ein Traktat über die Gerechtigkeit erübrigen,nachdem bereits aufgewiesen wurde, daß die Gerechtigkeit als solche realim Ewigen Gesetz und von diesem abgeleitet im Naturgesetz existiert.Dennoch müssen wir die Gerechtigkeit irgendwie inhaltlich definieren.Welches ist der entscheidende Gesichtspunkt, aufgrund dessen wir beurteilen,ob eine konkrete Handlung oder Situation den absoluten Normender Natur entspricht ? Wir kommen also nicht darum herum, einuniversales Prinzip des Gerechtseins aufzustellen, wie etwa derjenige, deretwas als « schön » bezeichnen will, wissen muß, was für ihn « Schönheitüberhaupt» bedeutet. Die Scholastik hat sich mit der Bestimmung derIdee der Gerechtigkeit in dem Traktat über die Tugend der Gerechtigkeitbefaßt. Nichts war selbstverständlicher als dies, denn, wie die Gerechtigkeitals Idee der Gesichtspunkt ist, gemäß welchem man etwasals gerecht beurteilt, so ist sie als Motiv der Grund, warum sittlichesHandeln gerecht ist.Die Definition des Begriffes (Nominaldefinition) der GerechtigkeitFragen wir uns zunächst ganz schlicht, welche Forderung wir erheben,wenn wir Gerechtigkeit verlangen. Es geht also zunächst nochnicht um das Realverständnis der Gerechtigkeit, sondern nur um derenBegriff in unserem Verständnis.
104 Die RechtsbegründungIm Namen der Gerechtigkeit werden offenbar Ansprüche geltendgemacht. Hierbei ist es zunächst unbedeutend, ob diese Ansprüche imsubjektiven Werturteil oder in einer objektiven Norm begründet sind.Wer sich geschädigt oder benachteiligt fühlt, appelliert an die Gerechtigkeit.Dabei gehen die Ansprüche über das positive Recht hinaus. DieDinge werden in sich betrachtet. Eine ganze Rechtsordnung kann unterUmständen als ungerecht bezeichnet werden, wenn einzelne Gruppenverhältnismäßig schwerer als andere belastet sind. Im Namen der Gerechtigkeitwird also von den Mitgenossen oder von der ganzen Gesellschaftdie Erfüllung von Ansprüchen gefordert, und zwar von Ansprücheneinzelner Personen oder von Gruppen, selbst des Staates, denn auchdie Staatsgemeinschaft verlangt, daß man ihr gegenüber nach Gerechtigkeitverfahre. Das «suum cuique»ist also vordringlich. Es verbindetsich demnach mit dem Begriff der Gerechtigkeit immer der Gedanke aneinen Ausgleich zwischen mehreren, und zwar in einer Weise, daß derVerpflichtete streng daran gehalten ist, den Ausgleich anzuerkennen undzu verwirklichen.Sofern dieses Objekt, nämlich der Ausgleich zwischen mehrerenPersonen, physischer oder moralischer Natur, nun Gegenstand eines unerschütterlichenWillens wird, spricht man von der Gerechtigkeit alseinem Habitus des Willens (Gerechtigkeit als Tugend). So konnte Thomasvon Aquin 23 im Anschluß an das Corpus iuris civilis 24 die Gerechtigkeitbestimmen als jenen «Habitus, kraft dessen der Mensch mit stetemund ewigem Willen einem jeden sein Recht zuteilt».Verbleiben wir einen Moment noch bei der Nominaldefrnition, umuns der Assoziationen bewußt zu werden, welche im Gerechtigkeitsbegriffmitspielen. Ausgehend vom Gedanken, daß die Gerechtigkeit immereine Verpflichtung einem «andern» gegenüber bedeutet, war die aristotelisch-scholastischeBegriffsbestimmung dazu verleitet, dort dieGerechtigkeit im eigentlichen Sinne zu erkennen, wo die Trennung derSubjekte des Anspruches und damit auch der zu schaffende Ausgleich amdeutlichsten in Erscheinung treten. Diese Gerechtigkeit nannte siejustitia commutativa (Tauschgerechtigkeit), weil Trennung der Subjekteund Aequivalenz der Leistungen Merkmale des Tausch Verkehrssind. Wie sehr gerade dieser begriffliche Ausgangspunkt die gesamteEinteilung der Gerechtigkeit beeinflußte und im Gefolge die Gemein-2321II-II 58, l.Dig. 1. I, tit. I, leg. 10.
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104 Die RechtsbegründungIm Namen <strong>de</strong>r Gerechtigkeit wer<strong>de</strong>n offenbar Ansprüche geltendgemacht. Hierbei ist es zunächst unbe<strong>de</strong>utend, ob diese Ansprüche imsubjektiven Werturteil o<strong>de</strong>r in einer objektiven Norm begrün<strong>de</strong>t sind.Wer sich geschädigt o<strong>de</strong>r benachteiligt fühlt, appelliert an die Gerechtigkeit.Dabei gehen die Ansprüche über das positive Recht hinaus. DieDinge wer<strong>de</strong>n in sich betrachtet. Eine ganze Rechtsordnung kann unterUmstän<strong>de</strong>n als ungerecht bezeichnet wer<strong>de</strong>n, wenn einzelne Gruppenverhältnismäßig schwerer als an<strong>de</strong>re belastet sind. Im Namen <strong>de</strong>r Gerechtigkeitwird also von <strong>de</strong>n Mitgenossen o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r ganzen Gesellschaftdie Erfüllung von Ansprüchen gefor<strong>de</strong>rt, und zwar von Ansprücheneinzelner Personen o<strong>de</strong>r von Gruppen, selbst <strong>de</strong>s Staates, <strong>de</strong>nn auchdie Staatsgemeinschaft verlangt, daß man ihr gegenüber nach Gerechtigkeitverfahre. Das «suum cuique»ist also vordringlich. Es verbin<strong>de</strong>tsich <strong>de</strong>mnach mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r Gerechtigkeit immer <strong>de</strong>r Gedanke aneinen Ausgleich zwischen mehreren, und zwar in einer Weise, daß <strong>de</strong>rVerpflichtete streng daran gehalten ist, <strong>de</strong>n Ausgleich anzuerkennen undzu verwirklichen.Sofern dieses Objekt, nämlich <strong>de</strong>r Ausgleich zwischen mehrerenPersonen, physischer o<strong>de</strong>r moralischer Natur, nun Gegenstand eines unerschütterlichenWillens wird, spricht man von <strong>de</strong>r Gerechtigkeit alseinem Habitus <strong>de</strong>s Willens (Gerechtigkeit als Tugend). So konnte Thomasvon Aquin 23 im Anschluß an das Corpus iuris civilis 24 die Gerechtigkeitbestimmen als jenen «Habitus, kraft <strong>de</strong>ssen <strong>de</strong>r Mensch mit stetemund ewigem Willen einem je<strong>de</strong>n sein Recht zuteilt».Verbleiben wir einen Moment noch bei <strong>de</strong>r Nominal<strong>de</strong>frnition, umuns <strong>de</strong>r Assoziationen bewußt zu wer<strong>de</strong>n, welche im Gerechtigkeitsbegriffmitspielen. Ausgehend vom Gedanken, daß die Gerechtigkeit immereine Verpflichtung einem «an<strong>de</strong>rn» gegenüber be<strong>de</strong>utet, war die aristotelisch-scholastischeBegriffsbestimmung dazu verleitet, dort dieGerechtigkeit im eigentlichen Sinne zu erkennen, wo die Trennung <strong>de</strong>rSubjekte <strong>de</strong>s Anspruches und damit auch <strong>de</strong>r zu schaffen<strong>de</strong> Ausgleich am<strong>de</strong>utlichsten in Erscheinung treten. Diese Gerechtigkeit nannte siejustitia commutativa (Tauschgerechtigkeit), weil Trennung <strong>de</strong>r Subjekteund Aequivalenz <strong>de</strong>r Leistungen Merkmale <strong>de</strong>s Tausch Verkehrssind. Wie sehr gera<strong>de</strong> dieser begriffliche Ausgangspunkt die gesamteEinteilung <strong>de</strong>r Gerechtigkeit beeinflußte und im Gefolge die Gemein-2321II-II 58, l.Dig. 1. I, tit. I, leg. 10.