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Die natürliche Rechtsnorm : Das Naturgesetz 95Ansichten darüber, was im einzelnen zu diesen absoluten Naturrechtsprinzipiengehört, gehen weit auseinander. So ist im Laufe der Geschichteselbst unter den katholischen Theologen darüber gestritten worden, obdie Ehe ihrem naturhaften Wesen nach oder erst auf Grund der sakramentalenHeilsordnung unauflöslich sei. Auf den Streit, welche Grundsätzeim einzelnen zum absoluten Naturrecht gehören, brauchen wir unshier nicht einzulassen. Es genügt die terminologische Fixierung, daß mitabsolutem Naturrecht stets das Unabänderliche der menschlichen Naturund der menschlichen Gemeinschaftsordnung bezeichnet wird, so wiesich dieses unabänderlich der reinen menschlichen Vernunft bietet. Indiesem Sinne spricht die Theologie von der natura pura, im Unterschiedzur Natur im Zustand des Paradieses (natura integra), der Natur imSündenzustand (natura lapsa) oder der Natur in der Erlösung (naturareparata).Relatives Naturrecht. - Mit diesem Ausdruck werden die Anwendungender absoluten Naturrechtsprinzipien belegt, und zwar grundsätzlichalle Anwendungen, sowohl jene auf die einzelnen von der Theologie unterschiedenenNaturzustände (status naturae) : Paradies, gefallene Natur,erlöste Natur, als auch die einzelnen Anwendungen auf konkrete Fälle,z. B. die Anwendung des Prinzips der Personen würde in der Formulierungdes Rechts auf Arbeit, auf politische Mitsprache usw. Alle diese Anwendungenheißen«relativ », weil die einzelnen Fälle sich voneinander unterscheidenwie jedes Konkrete vom anderen Konkreten. Man kann daherin diesem Bereich vom wandelbaren Naturrecht sprechen. Doch wäre es,wie gesagt, besser, hier nicht von 'HdXwc-Recht, sondern nur von der Naturder Sache, und zwar von der konkreten Natur der Sache zu reden.Primäres und sekundäres Naturrecht. - Man kann dieser Unterscheidungauf verschiedenen Ebenen begegnen, je nach dem Gesichtspunkt,unter dem man die Naturrechtsprinzipien betrachtet: 1. vom Objekther, dann besagt primäres Naturrecht dasselbe wie das absolute undsekundäres dasselbe wie Anwendung des absoluten Naturrechts auf deneinzelnen Fall. - 2. Man betrachtet die Naturrechtsprinzipien in ihrersoziologischen Wirkbreite, d. h. im faktischen Rechtsbewußtsein der Gesellschaftsglieder.Danach verdienen jene Naturrechtsprinzipien, die tatsächlichallgemein von allen Menschen anerkannt werden, den Namenprimäres Naturrecht und jene, die nur ins Rechtsgefühl einzelner eingegangensind, die Bezeichnung sekundäres Naturrecht. Es ist klar, daßdas primäre Naturrecht dieses zweiten Punktes im primären des erstenenthalten ist, jedoch nicht umgekehrt. Vieles, was vom Objekt her

96 Die Rechtsbegründung(quoad objectum) zum primären Naturrecht des ersten Punktes gehört,ist vom soziologischen Gesichtspunkt aus (das heißt entsprechend derBetrachtungsweise von 2) als sekundäres Naturrecht zu bezeichnen. Manwird namentlich bei Thomas von A quin gut aufmerken müssen, wenn manden Begriffen « erste » und « zweite » Naturrechtsprinzipien begegnet,weil der Gesichtspunkt sehr oft nicht präzisiert ist. - 3. Primäres undsekundäres Naturrecht können begrifflich aber auch bestimmt werdenvom Standpunkt der Menschheitsgeschichte aus. In diesem Sinne gilt derideale Urzustand des Menschen (Paradies) als primäres Naturrecht,während der Zustand, in welchem wir uns heute befinden, als sekundäresNaturrecht bezeichnet wird. Wenn wir also annehmen, daß der Menschursprünglich ideal gesinnt gewesen sei, und zwar nicht nur für sich selbst,sondern auch für die Gemeinschaft, und für die Gemeinschaft und aus ihrgelebt hätte, während er heute grundsätzlich auf sich bedacht und nurvon dieser Selbstsorge aus für die Gemeinschaft und für das Gemeinwohlzu gewinnen wäre, dann müßten wir von diesem geschichtlichen Gesichtspunkteaus den ersten Zustand, nämlich den Zustand des freienKommunismus, als primäres Naturrecht, die heutige Ordnung dagegen,nämlich die Ordnung des am Gemeinwohl orientierten Individualismus,als sekundäres Naturrecht bezeichnen. Die geschichtliche Betrachtungsweisedes Naturrechts, ob man nun an den Anfang den Menschen als« Engel»oder als« Wolf»stellte, hat in der Staatsphilosophie größte Verheerungangerichtet (Hobbes, Rousseau). Der ursprüngliche Idealzustandverwandelt sich unmerklich zum Leitbild des konkret zu gestaltendenAugenblickes, während doch die konkrete Bestimmung, was der Naturder Sache gemäß sei, nicht von einem Leitbild, sondern von Prinzipienher vorgenommen werden muß, wobei der Übergang vom Rechtsprinzipzum Recht ein Norm-erzeugendes Verfahren und nicht eine formalistischeAnwendung darstellt. Daß nun der Urzustand oder das Paradies eineidealere Erfüllung des absoluten Naturrechts gewesen sein soll, läßtsich, streng genommen, von der natürlichen Norm her nicht behaupten.Das Ideale im konkreten Fall ist immer jene rationale Lösung, welchedas hic et nunc und nicht etwa das«o, wenn doch...»gestaltet. Wenn wiralso das primäre Naturrecht als idealeres ansehen wollen, dann nur mitdem Vorbehalt, daß es idealer ist, sofern darin bestimmte ontische Bedingungender menschlichen Natur und damit größere sittliche Kräfteder Gesellschaftsglieder als wirklich vorausgesetzt sind. Die Unterscheidungin primäres und sekundäres Naturrecht in dieser geschichtlichenSicht drückt wohl eine gewisse menschliche Sehnsucht nach einem in

96 Die Rechtsbegründung(quoad objectum) zum primären Naturrecht <strong>de</strong>s ersten Punktes gehört,ist vom soziologischen Gesichtspunkt aus (das heißt entsprechend <strong>de</strong>rBetrachtungsweise von 2) als sekundäres Naturrecht zu bezeichnen. Manwird namentlich bei Thomas von A quin gut aufmerken müssen, wenn man<strong>de</strong>n Begriffen « erste » und « zweite » Naturrechtsprinzipien begegnet,weil <strong>de</strong>r Gesichtspunkt sehr oft nicht präzisiert ist. - 3. Primäres undsekundäres Naturrecht können begrifflich aber auch bestimmt wer<strong>de</strong>nvom Standpunkt <strong>de</strong>r Menschheitsgeschichte aus. In diesem Sinne gilt <strong>de</strong>ri<strong>de</strong>ale Urzustand <strong>de</strong>s Menschen (Paradies) als primäres Naturrecht,während <strong>de</strong>r Zustand, in welchem wir uns heute befin<strong>de</strong>n, als sekundäresNaturrecht bezeichnet wird. Wenn wir also annehmen, daß <strong>de</strong>r Menschursprünglich i<strong>de</strong>al gesinnt gewesen sei, und zwar nicht nur für sich selbst,son<strong>de</strong>rn auch für die Gemeinschaft, und für die Gemeinschaft und aus ihrgelebt hätte, während er heute grundsätzlich auf sich bedacht und nurvon dieser Selbstsorge aus für die Gemeinschaft und für das Gemeinwohlzu gewinnen wäre, dann müßten wir von diesem geschichtlichen Gesichtspunkteaus <strong>de</strong>n ersten Zustand, nämlich <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>s freienKommunismus, als primäres Naturrecht, die heutige Ordnung dagegen,nämlich die Ordnung <strong>de</strong>s am Gemeinwohl orientierten Individualismus,als sekundäres Naturrecht bezeichnen. Die geschichtliche Betrachtungsweise<strong>de</strong>s Naturrechts, ob man nun an <strong>de</strong>n Anfang <strong>de</strong>n Menschen als« Engel»o<strong>de</strong>r als« Wolf»stellte, hat in <strong>de</strong>r Staatsphilosophie größte Verheerungangerichtet (Hobbes, Rousseau). Der ursprüngliche I<strong>de</strong>alzustandverwan<strong>de</strong>lt sich unmerklich zum Leitbild <strong>de</strong>s konkret zu gestalten<strong>de</strong>nAugenblickes, während doch die konkrete Bestimmung, was <strong>de</strong>r Natur<strong>de</strong>r Sache gemäß sei, nicht von einem Leitbild, son<strong>de</strong>rn von Prinzipienher vorgenommen wer<strong>de</strong>n muß, wobei <strong>de</strong>r Übergang vom Rechtsprinzipzum Recht ein Norm-erzeugen<strong>de</strong>s Verfahren und nicht eine formalistischeAnwendung darstellt. Daß nun <strong>de</strong>r Urzustand o<strong>de</strong>r das Paradies einei<strong>de</strong>alere Erfüllung <strong>de</strong>s absoluten Naturrechts gewesen sein soll, läßtsich, streng genommen, von <strong>de</strong>r natürlichen Norm her nicht behaupten.Das I<strong>de</strong>ale im konkreten Fall ist immer jene rationale Lösung, welchedas hic et nunc und nicht etwa das«o, wenn doch...»gestaltet. Wenn wiralso das primäre Naturrecht als i<strong>de</strong>aleres ansehen wollen, dann nur mit<strong>de</strong>m Vorbehalt, daß es i<strong>de</strong>aler ist, sofern darin bestimmte ontische Bedingungen<strong>de</strong>r menschlichen Natur und damit größere sittliche Kräfte<strong>de</strong>r Gesellschaftsglie<strong>de</strong>r als wirklich vorausgesetzt sind. Die Unterscheidungin primäres und sekundäres Naturrecht in dieser geschichtlichenSicht drückt wohl eine gewisse menschliche Sehnsucht nach einem in

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