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88 Die Rechtsbegründunggungen so zu ordnen, daß sie einen unseren sittlichen Zielstrebungen gemäßenSinn erhalten. Wir wollen, daß sie gerecht seien. Dabei leitet unsdie, wenngleich nur analoge, Vorstellung von einer Gesellschaft, in welcherje<strong>de</strong>r Mensch seiner Natur entsprechend integriert ist. Eine arbeitsloseVolksschicht erscheint uns ebenso als Zeichen <strong>de</strong>r Ungerechtigkeitwie die Existenz von begabten Analphabeten. Wir sind zwar nicht in <strong>de</strong>rLage, das universale Prinzip, gemäß welchem diese Tatsachen als ungerechtund ungeordnet bezeichnet wer<strong>de</strong>n müssen, präzis, d. h. univok,anzugeben. Dennoch weist uns die Gerechtigkeitsvorstellung, weil ebennicht ganz leer, in eine bestimmte konkrete Richtung, ist also echterRechtsgrundsatz. Doch ist mit diesem Prinzip noch nicht viel anzufangen,wenn es sich nicht in konkreten Fällen bewährt. Die konkrete Natur<strong>de</strong>r Sache verlangt darum Berücksichtigung, weil sie zum Prinzip gehört,entwe<strong>de</strong>r auf Grund reiner Subsumtion o<strong>de</strong>r auf Grund <strong>de</strong>r Analogie.So versteht man, daß beim Naturrecht, d. h. bei aller konkreten Prinzipienbildungimmer etwas Geschichtliches mitspielt. Thomas von Aquin 1 3erklärt ausdrücklich, daß die praktische Vernunft sachlich an<strong>de</strong>rs bestimmtist als die spekulative, weil die praktische Vernunft nicht wie diespekulative das Überzeitliche, son<strong>de</strong>rn das Konkrete sucht. Das konkreteSoll <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>r Sache ist aber je und je verschie<strong>de</strong>n.Als Reaktion gegen die absoluten Naturrechtskataloge tritt heutedas geschichtliche Element allenthalben in <strong>de</strong>n Naturrechtstheorien mehrin Erscheinung, so z. B. bei Arth. Kaufmann, J. Messner, W. MaihoferIn <strong>de</strong>r Individualethik ist die Einbeziehung <strong>de</strong>r konkreten Befindlichkeitschon immer eine Selbstverständlichkeit gewesen. Zwar weißje<strong>de</strong>r, daß er seine Gesundheit nicht zu Scha<strong>de</strong>n kommen lassen darf,wenn nicht höhere Werte auf <strong>de</strong>m Spiele stehen. In <strong>de</strong>r konkreten Entscheidungaber wird er das schwere Werk <strong>de</strong>r Abwägung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nenkonkurrieren<strong>de</strong>n Werte zu leisten haben. Ein Mensch mit schwächlicherGesundheit wird sich nicht solche Verzichtleistungen in <strong>de</strong>r Ernährungauferlegen können wie ein Gesun<strong>de</strong>r. Das Beispiel zeigt, daßdas Sein selbst sich als wertvoll o<strong>de</strong>r wertwidrig im Hinblick auf dienaturgegebene Zielordnung <strong>de</strong>s Menschen erweist. So wird klar, daß, wieThomas von Aquin 1 5 sagt, die veritas practica (= Soll) im Hinblick aufdie Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>s einzelnen Falles nicht bei allen gleich sein kann, son-14.13I-II 94,4.1 4Vgl. A. MOSER, Die Rechtskraft <strong>de</strong>r natürlichen Lebenswerte, SammlungPoliteia Bd. XV, Hei<strong>de</strong>lberg 1962, 54 ff.15I-II 94,4.

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