Nummer 149 - Nordfriisk Instituut
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Inhalt<br />
Kommentar<br />
Werner Junge: Raus aus der Kreisklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2<br />
Chronik<br />
Zweiter Biike-Empfang / Sondermarke für den Friesenrat . . . . 3<br />
Hans-Momsen-Haus steht zum Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
Friesisch an den Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
Nordfriesland hat gewählt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
Lob und Kritik aus Florenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Zwangsarbeitende in Nordfriesland 1939 bis 1945 . . . . . . . . . . . 6<br />
Sprachenfreundlich: Helgoland und Amt Treene . . . . . . . . . . . . 7<br />
Üt da friiske feriine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
Nordfriesland im Winter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
Dietrich Werner: Christian Jensens Breklumer Mission<br />
Erinnerungen – Stationen – Denkanstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
Manfred Wedemeyer: Erdlebenbilder<br />
Zur Gedächtnisausstellung für Dieter Röttger in Westerland . . 20<br />
Thomas Steensen:<br />
Zwischen „Friesenklausel“ und europäischer Anerkennung<br />
Einige Bemerkungen anlässlich des 50-jährigen Jubiläums<br />
der Bonn-Kopenhagener Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
Ferteel iinjsen!<br />
Ellin Nickelsen: Feerientidj . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
Bücher<br />
Historischer Atlas Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
Eine märchenhafte Biographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
Literatur im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
Suustern, Luustern, Smuustern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
Meer – Insel – Schiff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
Tod in der Marsch / Blutspur nach Sylt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
Reaktionen<br />
Sylt 1951 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
Titelbild: Missionsgründer Christian Jensen im Kreise seiner<br />
Familie. Foto: Sammlung Breklumer Mission<br />
Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 4. März 2005<br />
<strong>Nummer</strong> <strong>149</strong><br />
von NORDFRIESLAND<br />
ist eine Umfrage an die<br />
Leserschaft beigeheftet. Wir<br />
wollen gerne Möglichkeiten<br />
erkunden, unsere Arbeit zu<br />
verbessern, möchten Ihre<br />
Impulse aufnehmen, Ihren<br />
Wünschen und Vorstellungen<br />
entgegenkommen.<br />
Lassen Sie uns bitte wissen,<br />
was Ihnen an NORDFRIES-<br />
LAND und an der Arbeit des<br />
<strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong> gefällt<br />
und was anders gestaltet<br />
werden könnte oder sollte.<br />
Zugleich erinnert NORD-<br />
FRIESLAND an zwei ganz<br />
unterschiedliche „Missionare“,<br />
nämlich den<br />
glaubensstarken Christen<br />
Christian Jensen und den<br />
identitätsstarken Menschen<br />
Tams Jörgensen aus dem<br />
dänisch-deutsch-friesischen<br />
Grenzland. Beide traten<br />
konsequent für ihre Überzeugungen<br />
ein. Beider Arbeit<br />
wirkt in unterschiedlicher<br />
Weise bis heute nach.<br />
Zu seinem 40-jährigen<br />
Bestehen richtet das<br />
<strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong> einen<br />
Tams-Jörgensen-Fonds ein.<br />
Auch darüber informiert der<br />
Beihefter.
kommentar<br />
Raus aus der<br />
Kreisklasse<br />
25 Jahre sind eine lange Zeit.<br />
Es ist schön, nach Hause zu<br />
kommen. Die Heimat wird neu<br />
entdeckt. Was ist wie früher?<br />
Was ist neu? Vieles ist geblieben,<br />
wie es „immer schon“ war. Und<br />
das ist schön. Erfreulicher ist<br />
jedoch gerade das, was sich in<br />
den kleinen Dörfern getan hat.<br />
Zwar säumen immer weniger<br />
Bauernhöfe die Ortsdurchfahrten,<br />
doch es ist Neues eingezogen:<br />
Läden, Handwerksbetriebe,<br />
Angebote für den Fremdenverkehr<br />
– die Dörfer leben. Das<br />
zerstreut Ängste, die einen während<br />
der langen Zeit „draußen“<br />
doch begleitet haben.<br />
A<br />
lles wird also gut, hofft<br />
der Heimkehrer. Schon<br />
im fernen Kiel konnte er<br />
registrieren: Züge rattern wieder<br />
über die Nebenstrecken, die<br />
Diskussion um die Ländlichen<br />
H<br />
Ä<br />
Ä<br />
G<br />
A<br />
R<br />
Dåt as min<br />
schilerai foon en<br />
üülj änglisch borj.<br />
Struktur-Entwicklungsanalysen<br />
hat einiges bewegt und die Arbeit<br />
der Friesen schwimmt auf<br />
einer Woge des hochoffiziellen<br />
Wohlwollens. Davon kann man<br />
sich leider nichts kaufen. Doch<br />
ist das kein Einzelschicksal:<br />
Der Rotstift regiert überall.<br />
I<br />
ngwer Nommensen hat an<br />
dieser Stelle in der<br />
letztenAusgabe von Nordfriesland<br />
das „Friesengesetz“ als<br />
Meilenstein hochleben lassen.<br />
Zu Recht – zumindest ist es<br />
psychologisch eine Art Durchbruch.<br />
Inhaltlich ist es aber nur<br />
ein Papier des guten Willens.<br />
Dieses so genannte Gesetz ist<br />
keines. Es schafft mit seinen<br />
Kann-, Darf- und Sollvorschriften<br />
keine Normen. Ohne die<br />
Verdienste des SSW schmälern<br />
zu wollen: Auf dem Weg zur<br />
parlamentarischen Mehrheit ist<br />
dieses Gesetz zu einem Beispiel<br />
für das politische Zwiedenken<br />
in Kiel geworden.<br />
Volksgruppe und Minderheit<br />
genießen den Schutz der<br />
Verfassung. Spätestens am<br />
29. März, wenn 50 Jahre „Bonn-<br />
Kopenhagener-Erklärungen“<br />
gefeiert werden, gibt es wieder<br />
warme Worte für den Modellfall<br />
Grenzland. Keiner wird vergessen,<br />
auch die Friesen lobend<br />
zu erwähnen. Danach kehrt<br />
wieder der Alltag ein. Wenn<br />
Lütt Frauke dann ihren Ranzen<br />
auspackt, legt sie das Deutschbuch<br />
neben das für Friesisch.<br />
Das eine hat das Land für<br />
Deer breege<br />
da waninge!<br />
Waninge<br />
måål ik ai.<br />
teures Geld von einem Schulbuchverlag<br />
gekauft, das andere<br />
„durfte“ das <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong><br />
kostenlos verteilen. Da die<br />
Schultaschen zwischen List und<br />
Lauenburg prall mit Fibeln,<br />
Büchern und Atlanten gefüllt<br />
sind, kann es an den Kosten<br />
nicht liegen, denn die Auflagen<br />
friesischer Schulbücher sind<br />
bekanntlich überschaubar.<br />
Wenn es nicht am Geld<br />
scheitert, liegt es an der Denke.<br />
„National“ ist die Volksgruppe<br />
nur, wenn Feierstunden zelebriert<br />
werden. Sind die vorbei,<br />
spielt das Ganze nur noch in<br />
Nordfriesland, ist also Kreisklasse<br />
und damit Domäne für<br />
das – ja ebenfalls verbal gern<br />
gefeierte – Ehrenamt.<br />
K<br />
reisklasse ist aber zu<br />
wenig. Erst wenn<br />
am Montag nach<br />
den Sonntagsreden auch auf<br />
Augenhöhe weitergearbeitet<br />
wird, ist es geschafft. Die Politik<br />
hat die Friesen noch nicht in die<br />
Landesliga aufsteigen lassen.<br />
Da gehören sie mindestens hin.<br />
Sonst bleiben alle Bekenntnisse<br />
in Kiel Sprechblasen. Wie leicht<br />
die platzen, ist seit dem 20. Februar<br />
zu verfolgen. Der Umgang<br />
mit dem SSW wird zeigen, wie<br />
belastbar der Modellfall ist.<br />
Werner Junge<br />
stammt aus Sankt Peter-Ording.<br />
Er war Korrespondent<br />
des NDR im Kieler Landeshaus.<br />
Vom 1. April an leitet er das<br />
NDR-Studio Flensburg.<br />
2 NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005
Fotos: Karin Haug<br />
chronik<br />
Zweiter<br />
Biike-Empfang<br />
Der Friesenrat hatte am 27. Februar,<br />
am Sonntag nach dem<br />
Biikebrennen, zum zweiten<br />
Biike-Empfang in die Nordsee-Akademie,<br />
Leck, eingeladen.<br />
Friesenratsvorsitzender<br />
Ingwer Nommensen forderte,<br />
die Präsenz des Friesischen<br />
Heinz-Werner Arens wies in seiner<br />
Ansprache darauf hin, dass das Friesische<br />
öffentliche Foren braucht.<br />
im Fernsehen zu verbessern.<br />
Gerade dieses Medium biete<br />
sich für friesischsprachige<br />
Sendungen an, weil auch<br />
nicht-friesische Zuschauer das<br />
Geschehen per Untertitel verfolgen<br />
können. Damit war<br />
das zentrale Thema des Biike-<br />
Empfangs angesprochen. Gastredner<br />
Heinz-Werner Arens,<br />
scheidender Präsident des<br />
S c h l e s w i g - H o l s t e i n i s c h e n<br />
Landtags, wies auf die wichtige<br />
Bedeutung der Medien hin,<br />
die „mitentscheidend<br />
für das Überleben der<br />
Minderheiten“ seien.<br />
Ingwer Nommensen<br />
dankte dem Landtagspräsidenten<br />
für seine<br />
Arbeit. Er sei ein engagierter<br />
und stets verlässlicher<br />
Partner der<br />
Friesen gewesen.<br />
Premiere hatte<br />
der Dokumentarfilm<br />
„Fiirsiien, radio, blees<br />
– Minderheitenmedien<br />
in Deutschland“, erstellt<br />
vom Medienbüro<br />
Riecken im Auftrag des<br />
Ferian för en nuurdfresk<br />
radio. Er zeigte, dass der<br />
NDR derzeit der einzige<br />
Sender mit friesischem<br />
Programm ist. Wenn es<br />
auch noch ein weiter<br />
Weg bis zur Umbenennung<br />
der Welle Nord in<br />
„Friesenwelle“ ist, wie<br />
Arens schmunzelnd<br />
anmerkte, wächst der<br />
Anteil des Friesischen<br />
kontinuierlich, unter<br />
anderem aufgrund<br />
der Ausbildung junger<br />
Menschen zu Radio-<br />
Journalisten.<br />
Der NDR hat beim<br />
Erzählwettbewerb<br />
„Ferteel iinjsen“, der bereits<br />
dreimal in Kooperation mit<br />
dem <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong> und<br />
den Sparkassen Nordfrieslands<br />
veranstaltet wurde, gezeigt, wie<br />
in innovativer Weise mit der<br />
und für die friesische Sprache<br />
gearbeitet werden kann. Eine<br />
CD mit den Beiträgen wird<br />
noch in diesem Jahr veröffentlicht<br />
werden. Darüber hinaus<br />
läuft seit 1989 einmal die Woche<br />
– allerdings nur drei Minuten<br />
lang – „Frasch for enarken“,<br />
ergänzt durch Hörarchiv und<br />
Sprachkurs im Internet. Damit<br />
erreicht der NDR-Hörfunk auch<br />
viele Friesen, die nicht im Sendegebiet<br />
wohnen.<br />
Alles das konnte man noch<br />
am selben Tag erfahren, denn<br />
der NDR berichtete im „Schleswig-Holstein-Magazin“<br />
und<br />
auf der „Welle Nord“ über den<br />
Biike-Empfang. Damit wurde<br />
der eigentliche Zweck der Veranstaltung<br />
erfüllt, wie Ingwer<br />
Nommensen sagte, nämlich,<br />
dass mehr Leute erfahren, „was<br />
der Friesenrat macht“ und wie<br />
es um das Friesische steht. tb<br />
Das Dragseth Duo (Kalle Johannsen und Manuel<br />
Knortz) sorgte gemeinsam mit der Gruppe<br />
„Drones + Bellows“ aus Dänemark für den musikalischen<br />
Rahmen.<br />
Sondermarke für<br />
den Friesenrat<br />
Der Bundesfinanzminister<br />
hat einer Empfehlung des<br />
„Programmbeirates für Postwertzeichen“<br />
zugestimmt, zum<br />
2006 anstehenden 50-jährigen<br />
Jubiläum des Interfriesischen<br />
Rates eine Sonderbriefmarke<br />
erscheinen zu lassen. Diese<br />
Mitteilung kam Anfang 2005<br />
vom „Friesischen Forum e.V.“,<br />
das sich in Ostfriesland für das<br />
Friesische einsetzt. Das Forum<br />
hatte einen entsprechenden<br />
Antrag gestellt und bat nun die<br />
West- und Nordfriesen um Hilfe<br />
bei der Motivsuche.<br />
1956 war der damalige Friesenrat,<br />
anknüpfend an ältere<br />
Traditionen, als Forum der<br />
grenzüberschreitenden friesischen<br />
Kooperation neu gegründet<br />
worden. Im kommenden<br />
Jubiläumsjahr wird der Rat turnusgemäß<br />
nach Nordfriesland<br />
zum Friesenkongress einladen.<br />
Bis dahin wird voraussichtlich<br />
die neue Marke vorliegen. Red.<br />
NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005 3
Hans-Momsen-Haus steht zum Verkauf<br />
Auf der Fahretofter Gabrielswarft,<br />
gegenüber der Kirche<br />
steht das Haus, in dem der<br />
berühmte Friese Hans Momsen<br />
von seiner Kleinkinderzeit<br />
an bis zu seinem Tode am<br />
13. September 1811 gelebt und<br />
gewirkt hat. Er war Lehrer, Mathematiker,<br />
Mechaniker und<br />
Landmesser. Der Sternenhimmel<br />
beschäftigte ihn besonders.<br />
Er war Autodidakt, aber in der<br />
Wissenschaft der damaligen<br />
Zeit eine anerkannte Persönlichkeit.<br />
Der Kreis Nordfriesland<br />
vergibt als höchste kulturelle<br />
Auszeichnung jedes Jahr<br />
den „Hans-Momsen-Preis“.<br />
Das um 1700 erbaute Hans-<br />
Momsen-Haus ist ein traditionelles<br />
Hallighaus. Von außen<br />
steht es unter Denkmalschutz.<br />
Seit 1951 kenne ich das Haus.<br />
Die damalige Besitzerin, schon<br />
älter und gehbehindert, bekam<br />
Trinkwasser im Eimer gebracht.<br />
Dabei sah ich das Haus von<br />
innen.<br />
Die Wände des Wohnzimmers<br />
waren mit Fliesen versehen.<br />
Es gab zwei Alkoven, einen<br />
im Fach zwischen Stube und<br />
Pesel und einen zur Küche hin.<br />
In der Wand zwischen Stube<br />
und Flur befand sich ein bleigefasstes<br />
Fenster. In der Türzarge<br />
zum Flur war auf beiden Seiten<br />
jeweils eine Ecke ausgesägt,<br />
damit man mit einem Sarg<br />
durchkommen konnte. In der<br />
An den Hochschulen in Schleswig-Holstein<br />
werden im Sommersemester<br />
2005 folgende<br />
Veranstaltungen zum Friesischen<br />
angeboten (Angaben<br />
ohne Gewähr):<br />
Kiel: Vorlesung: Partikeln im<br />
Friesischen (Hoekstra) 2std.<br />
Proseminare: Einführung in die<br />
nordfriesische Literatur (Hoekstra)<br />
2std. Europäische Regional-<br />
und Minderheitensprachen<br />
im Bildungswesen mit<br />
besonderer Berücksichtigung<br />
des Nord-, Ost- (Sater-) und<br />
Westfriesischen (Walker) 2std.<br />
Lexikographie einer europäischen<br />
Minderheitssprache am<br />
Beispiel des Nordfriesischen<br />
(Walker) 2std. Hauptseminar:<br />
Südergoesharder Friesisch<br />
(Hoekstra) 2std. Kolloquium für<br />
Ecke der Stube stand der Beilege-Ofen,<br />
daneben hing an der<br />
Wand eine alte Uhr. Die Küche<br />
hatte einen offenen Herd, rechter<br />
Hand in einem Anbau lag<br />
die Speisekammer, ein langer<br />
schmaler Gang mit dem Soot.<br />
Das auf das Reetdach fallende<br />
Regenwasser lief, in einer Bodenrinne<br />
aufgefangen, durch<br />
ein Rohr hinein.<br />
Maueranker am Hans-Momsen-Haus<br />
Der Fahretofter Max Lorenzen<br />
versuchte vergeblich,<br />
das Haus auf Leibrente zu erwerben,<br />
um es so zu erhalten,<br />
wie es war. Die Fliesen an der<br />
Wand, den Beileger, die alte<br />
Uhr und auch eine Chronik<br />
von Heimreich aus dem Besitz<br />
von Hans Momsen wurden verkauft.<br />
Die Alkoven kamen weg.<br />
Jeden Tag habe ich seit mehr als<br />
Friesisch an den Hochschulen<br />
Examenskandidaten (Hoekstra)<br />
2-std. Sprachkurse: Mooring I<br />
(N.N.) 1-std. Mooring für Fortgeschrittene<br />
(Walker) 2-std.<br />
Fering I (N.N.) 1-std. Fering für<br />
Fortgeschrittene (N.N.) 1std.<br />
Westfriesisch für Anfänger I<br />
(Hoekstra) 2std.<br />
Flensburg: Vorlesung „Faan<br />
trooler an föörgungen uun<br />
Nuurdfresklun“ (Århammar)<br />
1std. Übungen: Einführung in<br />
die Frisistik (Steensen) 2std.<br />
Der Kirchenkampf am Beispiel<br />
Nordfriesland – gemeinsam<br />
mit den Fächern Geschichte<br />
und Religion – (Steensen) 2std.<br />
Friesisch in Theorie und Praxis<br />
– eine Einführung (Hilpert)<br />
2std. Textproduktion „Das Hörspiel<br />
im Friesischunterricht“<br />
(Hilpert) 2std. Planung und<br />
fünf Jahrzehnten das Haus vor<br />
Augen. Jede Modernisierung<br />
machte wieder ein Stück Altes<br />
kaputt. Es machte mich krank.<br />
Nun steht das Haus zum<br />
Verkauf. Um einen Anfang zu<br />
machen, lud ich für den 11. Dezember<br />
2004 zu einer Beratung<br />
ein. Zahlreiche positive Rückmeldungen<br />
erreichten mich.<br />
Das Haus-Innere kann, so<br />
sagten Bauexperten, mit relativ<br />
geringem Aufwand wieder in<br />
einen der Tradition gemäßen<br />
Zustand versetzt werden. Die<br />
Bodenfliesen von Flur und Küche<br />
wurden abgenommen, sind<br />
aber noch vorhanden. Manche<br />
Ideen für eine mögliche Nutzung<br />
wurden vorgetragen. Von<br />
verschiedener Seite wurde zum<br />
Beispiel in Aussicht gestellt,<br />
eine Ausstellung zu Hans Momsen<br />
mit Geschenken und Leih-<br />
gaben zu unterstützen.<br />
Überlegungen und Verhand-<br />
lungen sind im Gange. Der Dagebüller<br />
Bürgermeister Hans-<br />
Jürgen Ingwersen sagte die<br />
Unterstützung der Gemeinde<br />
zu. Besondere Hoffnungen setzen<br />
wir auf eine Förderung im<br />
Rahmen der Dorferneuerung.<br />
Hans-Werner Paulsen<br />
engagiert sich in vielfältiger<br />
Weise für die Heimatpflege in<br />
Fahretoft und in ganz Nordfriesland.<br />
(Adresse: Voltswarft,<br />
25899 Foortoft/Fahretoft, NF.)<br />
Praxis des Friesischunterrichts,<br />
in Verbindung mit Praktika /<br />
Hospitationen (Hilpert) 2std.<br />
Lieder und Gedichte im Friesischunterricht<br />
(Hilpert) 2std.<br />
Übungen zur Idiomatik der<br />
nordfriesischen Hauptdialekte<br />
(Århammar) 1std. Übungen<br />
zur helgoländischen Sprache<br />
und Literatur (Århammar) 2std.<br />
Blockseminar: „Wie friesisch ist<br />
Risum-Lindholm?“ (Riecken).<br />
Kolloquium: Neuere Forschungen<br />
zur friesischen Sprache<br />
und Landeskunde (Steensen)<br />
2std. Sprachkurse: Frasch für<br />
Anfängerinnen und Anfänger<br />
(Hilpert) 2std. Frasch für Fortgeschrittene<br />
1 (Hilpert) 2std.<br />
Frasch für Fortgeschrittene 2<br />
(Hilpert) 2std. Fering-Öömrang<br />
(Arfsten) 2std. Red.<br />
4 NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005<br />
Foto: IGB Nordfriesland
Nordfriesland<br />
hat gewählt<br />
Am 20. Februar bestimmte die<br />
Wählerschaft in Nordfriesland<br />
nicht nur mit über den Kieler<br />
Landtag, sondern wählte auch<br />
– direkt – den Landrat. Mit 67,8<br />
Prozent der Stimmen wurde<br />
Dr. Olaf Bastian als Landrat<br />
des Kreises Nordfriesland eindrucksvoll<br />
im Amt bestätigt.<br />
Seiner von der SPD und den<br />
Grünen aufgestellten Herausforderin<br />
Dr. Kirsten Lüdtke-<br />
Evers waren von Beginn an<br />
keine allzu großen Chancen<br />
eingeräumt worden. Mit 32,2<br />
Prozent errang sie – noch<br />
wenige Wochen vor der Wahl<br />
in der Region nahezu völlig<br />
unbekannt – aber doch einen<br />
Achtungserfolg.<br />
Erstmals durften auch die<br />
16-18-Jährigen den Landrat<br />
mitwählen, eine Übung in Demokratie.<br />
Die Wahlbeteiligung<br />
lag mit 65,8 Prozent um 30,6<br />
Punkte höher als bei dem 1999<br />
durchgeführten ersten direkten<br />
Urnengang für dieses Amt. Im<br />
Schlepptau der Landtagswahl<br />
gaben die meisten Wählenden<br />
ihre Stimme auch für den Verwaltungschef<br />
ab.<br />
Bei der Landtagswahl lagen<br />
die Mehrheitsverhältnisse in<br />
Nordfriesland sehr klar, im<br />
Gegensatz zum äußerst knappen,<br />
geradezu dramatischen<br />
Gesamtergebnis. Die CDU<br />
landete im Kreisgebiet bei 45,8<br />
Prozent – ein Zugewinn von<br />
7,6 Punkten – und erreichte zusammen<br />
mit der FDP eine satte<br />
Mehrheit. Die Liberalen sanken<br />
allerdings um 1,9 Punkte auf 5,6<br />
Prozent und kamen damit in<br />
Nordfriesland noch unter dem<br />
Landesdurchschnitt ins Ziel.<br />
Unions-Spitzenkandidat Peter<br />
Harry Carstensen verwies im<br />
Wahlkampf immer wieder auf<br />
seine regionalen Wurzeln in<br />
Nordfriesland.<br />
Die SPD lag mit 34,2 Prozent<br />
– 4,4 Punkte weniger als<br />
2000 – in Nordfriesland noch<br />
niedriger als im Land. Mit<br />
Husum-Eiderstedt verloren die<br />
Sozialdemokraten auch den<br />
letzten der drei nordfriesischen<br />
Wahlkreise. Dort war Ursula<br />
Sassen (CDU) aus Sankt Peter-<br />
Ording siegreich gegen Dr. Ulf<br />
v. Hielmcrone, der dem Parla-<br />
In einem „Duell“ am 10. Februar in der Husumer Kongresshalle stellten sich<br />
Landrats-Kandidatin Dr. Kirsten Lüdtke-Evers und Amtsinhaber Dr. Olaf Bastian<br />
der Öffentlichkeit. Es wurde moderiert von Prof. Dr. Thomas Steensen<br />
(links) – als Direktor des <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong> der politischen Neutralität besonders<br />
verpflichtet. Rechts im Bild Kreiswahlleiter Jörg Friedrich von Sobbe.<br />
ment seit 1996 angehörte und<br />
sich vor allem als Vorsitzender<br />
des Bildungsausschusses einen<br />
Namen machte. In Südtondern<br />
und in Husum-Land verteidigten<br />
die CDU-Kandidaten<br />
Heinz Maurus, Sylt, und Jürgen<br />
Feddersen, Pellworm, souverän<br />
ihre Direktmandate. Der Pellwormer<br />
Amtsvorsteher schlug<br />
dabei SPD-Sozialministerin Dr.<br />
Gitta Trauernicht.<br />
Die Grünen erhielten 3,9 Prozent<br />
und schafften somit – vielleicht<br />
eine Folge der regionalen<br />
Konflikte um den Naturschutz –<br />
nicht einmal die Fünf-Prozent-<br />
Hürde. 2000 hatten sie noch um<br />
0,9 Punkte höher gelegen.<br />
Gegenüber 2000 verlor der<br />
SSW 1,7 Punkte, blieb aber in<br />
Nordfriesland mit 6,9 Prozent<br />
dritte Kraft. Der Anteil seiner<br />
Direktkandidaten an den Erststimmen<br />
– 1 187 mehr als die<br />
entscheidenden Zweitstimmen<br />
– lag bei 8,3 Prozent. Lars Harms<br />
zog auf Platz 2 der Landesliste<br />
erneut in den Landtag ein.<br />
Die NPD, auf deren Ergebnis<br />
die Öffentlichkeit angesichts ihres<br />
jüngsten Erfolges in Sachsen<br />
besonders gespannt achtete,<br />
erreichte in Nordfriesland 1,2<br />
Prozent und lag damit deutlich<br />
unter dem Landesdurchschnitt.<br />
Der NPD-Anteil im Kreisgebiet<br />
stieg aber doch um eine halben<br />
Punkt an, und nicht weniger als<br />
1 059 Wählerinnen und Wähler<br />
gaben ihre Stimme für die<br />
Rechtsextremen ab. Die PDS<br />
sackte dagegen um fast 300<br />
Stimmen auf 0,5 Prozent ab<br />
und lag damit ebenfalls unter<br />
ihrem Landesdurchschnitt.<br />
Die friesische Insel Helgoland<br />
zeigte sich einmal mehr als „roter<br />
Felsen“. Die Insel-SPD verlor<br />
zwar ihre 2000 erzielte absolute<br />
Mehrheit, blieb aber mit<br />
47,3 Prozent vor der CDU mit<br />
31,3 Prozent – ein Plus von 3,2<br />
Punkten – stärkste Partei. Die<br />
FDP erzielte hier 8,6 Prozent,<br />
die Grünen landeten bei 5,7<br />
und der SSW bei 4,2 Prozent.<br />
Fiete Pingel<br />
Ergebnisse der Landtagswahlen 2000 und 2005 im Vergleich<br />
NF 2000 SH 2000 NF 2005 SH 2005<br />
Beteiligung 68,9 65,5 67,2 66,6<br />
SPD 38,6 43,1 34,2 38,7<br />
CDU 38,2 35,2 45,8 40,2<br />
Grüne 4,8 6,2 3,9 6,2<br />
FDP 7,5 7,6 5,6 6,6<br />
SSW 8,5 4,1 6,9 3,6<br />
NPD 0,7 1,0 1,2 1,9<br />
Sonstige 2,4 2,8 2,4 2,8<br />
NF= Nordfriesland (Gesamtergebnis der Wahlkreise Südtondern,<br />
Husum-Land und Husum-Eiderstedt); SH = Schleswig-Holstein,<br />
Angaben in Prozent der Zweitstimmen<br />
NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005 5<br />
Foto: Kai Christensen
Lob und Kritik aus Florenz<br />
Die politischen und rechtlichen<br />
Rahmenbedingungen, die in<br />
den letzten Jahren für die friesische<br />
Sprache in Schleswig-Holstein<br />
geschaffen wurden, können<br />
als vorbildlich gelten. Es<br />
fehlt jedoch an „substanzieller<br />
Förderung“, also an Geldmitteln.<br />
Zu diesem Ergebnis kam<br />
eine internationale wissenschaftliche<br />
Konferenz in Florenz,<br />
die von den Universitäten<br />
Florenz, Toulouse, Barcelona,<br />
London und dem Berliner Institut<br />
für Vergleichende Sozialforschung<br />
ausgerichtet wurde.<br />
Auf der Tagung ging es um<br />
„Nationalstaaten, Minderheitensprachen<br />
und ethnische<br />
Mobilisierung“ in Europa. Das<br />
Der Kreis Nordfriesland ist die<br />
erste ländliche Region in Schleswig-Holstein,<br />
für die der Einsatz<br />
von Zwangsarbeitenden während<br />
des Zweiten Weltkriegs<br />
wissenschaftlich erforscht<br />
wurde. Das Schleswiger Institut<br />
für schleswig-holsteinische<br />
Zeit- und Regionalgeschichte<br />
(IZRG) legte im Auftrag des<br />
Kreises ein Buch dazu vor. Bei<br />
einem Vortragsabend am 29.<br />
November 2004 im <strong>Nordfriisk</strong><br />
<strong>Instituut</strong> in Bredstedt wurden<br />
Ergebnisse dieser Forschungen<br />
erstmals eingehender öffentlich<br />
präsentiert. Prof. Dr. Thomas<br />
Steensen hob im voll besetzten<br />
Veranstaltungssaal hervor, dass<br />
die Auseinandersetzung mit<br />
dem Nationalsozialismus von<br />
Anfang an ein Schwerpunkt<br />
in der historischen Arbeit des<br />
Instituts bilde und dass man<br />
auch früh auf die Behandlung<br />
des Themas Zwangsarbeit gedrungen<br />
habe. Ein besonderer<br />
Dank gelte, so Steensen unter<br />
dem Beifall der Versammlung,<br />
der Sparkassen-Kulturstiftung<br />
Nordfriesland und dem Vermächtnis<br />
Johan van Wouwer<br />
für ihre großzügige Unterstützung<br />
der Forschungsarbeiten<br />
des <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong> für<br />
dieses Vorhaben.<br />
IZRG-Direktor Prof. Dr.<br />
Michael Ruck gab einen<br />
Überblick über die Gesamtergebnisse<br />
des Projekts. Lebens-<br />
und Arbeitsumstände der in<br />
Nordfriesland eingesetzten<br />
Berliner Institut hatte eine<br />
von mehreren Fallstudien den<br />
Nordfriesen gewidmet. Die<br />
Ergebnisse wurden in Florenz<br />
erstmals vorgetragen.<br />
Als sehr positiv herausgestellt<br />
wurden zum Beispiel das<br />
Landtagsgremium für friesische<br />
Angelegenheiten und das Amt<br />
der Minderheitenbeauftragten,<br />
ebenso die Aufnahme der<br />
Nordfriesen und ihrer Sprache<br />
in die Landesverfassung und<br />
die Europäische Sprachen-<br />
Charta.<br />
Im Vergleich mit vielen anderen<br />
Minderheiten in Europa<br />
fehle es aber an wirksamer materieller<br />
Untermauerung. Die<br />
Förderung der nordfriesischen<br />
Zwangsarbeitenden variierten<br />
zwischen relativ erträglicher<br />
Einzel-Unterbringung auf<br />
Bauernhöfen und wechselnden<br />
Arbeitseinsätzen von<br />
Barackenlagern aus bis hin zu<br />
menschenunwürdiger Quälerei<br />
im Broweglager oder in den KZ-<br />
Außenlagern in Schwesing und<br />
Ladelund. Weitere behandelte<br />
Aspekte waren etwa die verbotenen<br />
Beziehungen zwischen<br />
Deutschen und Zwangsarbeitenden<br />
und der Umgang mit<br />
den hier geborenen Kindern<br />
von Zwangsarbeiterinnen.<br />
Aussagen von Zeitzeugen<br />
liefern – sofern sie mit quellenkritisch<br />
gewonnenen wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen<br />
abgeglichen werden – wesentliche<br />
Beiträge zur Geschichte<br />
der Zwangsarbeitenden. Über<br />
Sprache drohe sonst bei „Rhetorik“<br />
und „Symbolik“ stehen<br />
zu bleiben, lautete das Fazit des<br />
Berliner Instituts.<br />
Als Experten hatten die Veranstalter<br />
Thomas Steensen<br />
vom <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong> eingeladen.<br />
In seinem Referat in der<br />
Tagungsstätte „Convitto della<br />
Calza“ schilderte er historische<br />
Grundzüge der friesischen<br />
Bewegung und Faktoren friesischer<br />
Identität, von denen<br />
er die Sprache als bei weitem<br />
wichtigsten herausstellte. Die<br />
in den letzten Jahren beschlossenen<br />
Gesetzeswerke hätten<br />
den Status des Friesischen<br />
deutlich angehoben.<br />
Red.<br />
Zwangsarbeitende in Nordfriesland 1939 bis 1945<br />
die Methodik und die korrekte<br />
Einordnung von individueller<br />
Erinnerung berichtete die Historikerin<br />
Eva Nowottny.<br />
Der Überlieferung nach<br />
war die von der britischen Besatzungsmacht<br />
im Mai 1945<br />
zur Unterbringung befreiter<br />
Zwangsarbeiter durchgeführte<br />
Räumung der Dörfer Ahrenviöl<br />
und Högel eine Strafaktion für<br />
die Hinrichtung des polnischen<br />
Zwangsarbeiters Jan Kasprzak<br />
1944 und für eine angeblich<br />
besonders starke NS-Prägung<br />
der Orte. Dies lässt sich aus<br />
den Quellen nicht belegen. Zu<br />
diesem Ergebnis kam Dr. Jens<br />
Owe Petersen, Projektmitarbeiter<br />
des <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong>,<br />
in seinem Vortrag. Die Auswahl<br />
der Dörfer folgte vielmehr praktischen<br />
Erfordernissen. Red.<br />
Von links: Dr. Jens Owe Petersen, Prof. Dr. Michael Ruck, Dr. Konrad Grunsky<br />
(Kulturamt des Kreises Nordfriesland), Eva Nowottny, Claus-Jürgen Andresen<br />
(Sparkassen-Kulturstiftung Nordfriesland)<br />
6 NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005<br />
Foto: Harry Kunz
Vergabe der Auszeichnung „Sprachenfreundliche Gemeinde“: von links Renate Schnack, Günter Fleskes, Thomas Steensen,<br />
Jens Christian, in Ostenfelder Tracht Antje Zietz und Christa Rohde, Helmut Wree und Frank Botter<br />
Sprachenfreundlich: Helgoland und Amt Treene<br />
Im Rahmen eines flotten vielsprachigen<br />
Programms im voll<br />
besetzten Versammlungssaal<br />
des Bredstedter <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong><br />
erhielten am 3. Februar<br />
2005 die Insel Helgoland und<br />
das Amt Treene die Auszeichnung<br />
„Sprachenfreundliche<br />
Gemeinde“. Der Wettbewerb<br />
war zum dritten Mal ausgetragen<br />
worden.<br />
Der Aktionsausschuss „Sprachenland<br />
Nordfriesland“, der<br />
mit der von ihm verliehenen<br />
Auszeichnung die Präsenz<br />
der Regional-Sprachen in der<br />
Öffentlichkeit stärken möchte,<br />
freut sich besonders darüber,<br />
dass die Idee auch in den Bundesländern<br />
Brandenburg und<br />
Sachsen aufgegriffen wurde,<br />
nämlich für die sorbische Sprache.<br />
Das hob Institutsdirektor<br />
Thomas Steensen in seiner Begrüßung<br />
hervor. Er dankte dem<br />
Gemeindetag Nordfriesland für<br />
die gute Zusammenarbeit bei<br />
dem Wettbewerb und erinnerte<br />
an die nachhaltig wirksame Anschubfinanzierung<br />
der Aktion<br />
„Sprachenland Nordfriesland“<br />
durch die Nord-Ostsee Sparkasse<br />
und die Spar- und Leihkasse<br />
zu Bredstedt AG.<br />
Mit der sprachlichen Vielfalt<br />
der Region Nordfriesland verfügt<br />
das Land Schleswig-Holstein<br />
über ein Alleinstellungsmerkmal,<br />
dessen Wert man<br />
auch in Kiel zu schätzen weiß,<br />
so Renate Schnack, Minderheitenbeauftragte<br />
der Ministerpräsidentin,<br />
in ihrem Grußwort.<br />
Das Land investiere in die<br />
Pflege und Förderung der regionalen<br />
Kultur, die aber ohne den<br />
großen dankenswerten Einsatz<br />
der Menschen für ihre eigenen<br />
Sprachen undenkbar wäre. Die<br />
regionalen Sprachen gehören<br />
zum Zusammenleben in den<br />
Dörfern, das betonte Helmut<br />
Wree, Kreispräsident des Kreises<br />
Nordfriesland. Bei allen<br />
Erfordernissen einer Effizienzsteigerung<br />
in der Verwaltung<br />
müsse doch die Dorfgemeinschaft<br />
als Kern der Identität<br />
erhalten bleiben.<br />
Die Auszeichnung für die<br />
Insel Helgoland übergaben Marie<br />
Tångeberg und Hans Otto<br />
Meier, Vorsitzender des Nordfriesischen<br />
Vereins, gemeinsam<br />
an Inselbürgermeister Frank<br />
Botter. In ihrer Laudatio hoben<br />
sie die große Bereitschaft von<br />
Verwaltung und Bevölkerung<br />
der Insel hervor, dem Halunder<br />
wo immer möglich Geltung zu<br />
verschaffen. In seiner Antwort<br />
erwähnte Frank Botter unter<br />
anderem den langjährigen<br />
Einsatz von Ritva und Prof. Nils<br />
Århammar für das Halunder.<br />
Amtsvorsteher Jens Christian<br />
nahm aus der Hand von Günter<br />
Fleskes vom Plattdüütsch<br />
Zentrum in Leck die aus einem<br />
Banner und einer Plakette<br />
bestehende Auszeichnung für<br />
das Amt Treene entgegen. Das<br />
Plattdeutsche sei hier überall<br />
präsent, die meisten Sitzungen<br />
der Gremien liefen zwei-<br />
Ged för‘t hood<br />
Musik an fresk<br />
sprachig ab, viele aber auch<br />
einsprachig auf Platt, so Jens<br />
Christian in seiner Dankrede.<br />
Für den Rahmen der Bredstedter<br />
Veranstaltung sorgten<br />
die Schülerin Jelina Jakobsen<br />
mit einem friesischen Gedicht<br />
von Albrecht Johannsen, die<br />
Sängerin Lone Krogh mit Liedern<br />
auf Dänisch und auf Synnejysk<br />
sowie die Schülergruppe<br />
„De Quietschvergnögten“, die<br />
unter Leitung der Lehrerin Susanne<br />
Dircks einen plattdeutschen<br />
Sketch aufführten.<br />
Die Versammlung sang das<br />
bekannte Lied „Wo de Nordseewellen<br />
trecken an de Strand“,<br />
und zwar auf Plattdeutsch,<br />
auf Bökingharder Frasch, auf<br />
Dänisch oder auf Halunder,<br />
jeweils in der Sprache, die einer<br />
bzw. einem jeden am nächsten<br />
lag.<br />
Günter Fleskes zog eine<br />
positive Bilanz. Auch für viele<br />
Gemeinden, die noch nicht<br />
mit dem offiziellen Prädikat<br />
der Sprachenfreundlichkeit<br />
versehen seien, bilde eine Bewerbung<br />
einen wesentlichen<br />
Impuls, sich mit der Stellung<br />
der regionalen Sprachen in der<br />
kommunalen Öffentlichkeit zu<br />
befassen. Auch in Zukunft werde<br />
man nach sprachenfreundlichen<br />
Gemeinden suchen. Red.<br />
Wan’m ual wurt, kön’m at praien faan a mensken ei muar<br />
gud uf. Ik hiar lefst bluat noch musik – an fresk.<br />
Jakob Tholund<br />
NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005 7<br />
Foto: Uta Knizia
Üt da friiske<br />
feriine<br />
Umfrage zu<br />
friesischen Traditionen<br />
Der Nordfriesische Verein hat<br />
einen Fragebogen entwickelt,<br />
mit dem Erkenntnisse über friesische<br />
Traditionen gesammelt<br />
werden sollen. Was ist „friesisch“?<br />
Was versteht man unter<br />
„friesischer Kultur“? Welche<br />
Traditionen sind noch präsent,<br />
welche verloren gegangen? So<br />
formuliert Vorsitzender Hans<br />
Otto Meier die Fragestellung.<br />
Erschöpft sich die Antwort in<br />
den gängigen Klischees, und ist<br />
beispielsweise friesische Baukultur<br />
nur noch in historischen<br />
Häusern sichtbar? So fragt er<br />
weiter. Sind die mit der friesischen<br />
Lebensweise verbundenen<br />
Sitten und Gebräuche<br />
der modernen Zeit zum Opfer<br />
gefallen, oder sind sie lediglich<br />
verschüttet und blühen im Verborgenen?<br />
Der Verein sucht mit seiner<br />
Aktion Menschen, die friesische<br />
Traditionen heute lebendig<br />
erleben, und Zeugen, die über<br />
vergangene Zeiten entsprechend<br />
Auskunft geben können.<br />
In dem Fragebogen sollen<br />
Vorgehensweisen und Abläufe<br />
angegeben werden, die als spezifisch<br />
friesisch gelten können<br />
und zum Tragen kommen bei<br />
folgenden Anlässen: Geburt,<br />
Kindtaufe, Konfirmation, Hochzeit,<br />
Todesfall und Beerdigung,<br />
bei allgemeinen Ereignissen<br />
wie Biikebrennen, Boßeln und<br />
Ringreiten, bei Vereinsfesten,<br />
Kirchgang, religiösen Feiern<br />
und Andachten im Haus, bei<br />
Schulveranstaltungen und<br />
Hausbau, in Gemeinde und<br />
Justiz, bei nachbarschaftlichen<br />
Zusammenkünften, bei Spielen<br />
von Kindern und Erwach-<br />
senen, bei Essen und Trinken<br />
allgemein sowie im Bereich<br />
von Hilfe und Vorsorge. Der<br />
Fragebogen kann angefordert<br />
werden bei der Geschäftsstelle<br />
des Nordfriesischen Vereins im<br />
Andersen-Haus, Klockries 64,<br />
25920 Risum-Lindholm, Tel.:<br />
(04661) 5873.<br />
Bauerntreffen erfolgreich<br />
Zum 45. Male hatte der<br />
Friesenrat zum friesischen<br />
Bauerntreffen gebeten. Das<br />
Treffen ist eine der stetigsten<br />
gemeinsamen Aktivitäten von<br />
Ost-, West- und Nordfriesen.<br />
Über 40 Friesinnen und Friesen<br />
aus den Niederlanden und aus<br />
Niedersachsen waren der Einladung<br />
gefolgt, vom 9. bis zum<br />
12. Februar 2005 nach Nordfriesland<br />
zu kommen. Auf dem<br />
Programm stand zunächst ein<br />
Besuch im Grünen Zentrum in<br />
Bredstedt, wo die Gäste von den<br />
nordfriesischen Organisatoren<br />
Helene Gravert, Hans Werner<br />
Paulsen und Karl-Friedrich<br />
Thormählen begrüßt wurden.<br />
Bei einem Besuch auf Sylt<br />
erkundete man der Norden der<br />
Insel im Bus. Präsentiert wurde<br />
die Sylter Austernzucht bei List.<br />
In Keitum informierte man sich<br />
über die Söl‘ring Foriining und<br />
ihre Arbeit und besichtigte das<br />
Friesenmuseum. Klaus Erichsen<br />
vom landwirtschaftlichen<br />
Hauptverein Tingleff hielt<br />
einen Vortrag über „Dänische<br />
Landwirtschaft nach der<br />
Agrarreform“. In Lütjenholm<br />
wurde der Milchviehbetrieb<br />
von Ingwer Martin Carstensen<br />
besucht.<br />
Die Geselligkeit kam nicht zu<br />
kurz, in der Bohmstedter Gaststätte<br />
Paulsen traf man sich zu<br />
einem Abschiedsabend. Traditionell<br />
waren die Gäste privat<br />
untergebracht. Die Landwirtschaft<br />
in den drei Frieslanden<br />
sieht sich jeweils ähnlichen<br />
Herausforderungen gegenüber.<br />
An gemeinsamem Gesprächsstoff<br />
herrschte kein Mangel.<br />
Thomas Heinsen<br />
Ehrenvorsitzender<br />
Thomas Heinsen, der nicht<br />
wieder für den Vorsitz des Ostermooringer<br />
Friesenvereins<br />
kandidierte, wurde auf der<br />
Mitgliederversammlung im<br />
Andersen-Haus am 5. Februar<br />
zum Ehrenvorsitzenden ernannt.<br />
Sein Nachfolger Hauke<br />
Friedrichsen, der als bisheriger<br />
Stellvertreter einstimmig zum<br />
neuen Vorsitzenden gewählt<br />
wurde, würdigte Heinsens<br />
jahrzehntelangen Einsatz für<br />
den Verein. 1983 hatte er dessen<br />
Leitung übernommen und<br />
ihn von unter 100 Mitgliedern<br />
auf inzwischen weit über 400<br />
geführt. Höhepunkt seines Wirkens<br />
war die Einrichtung des<br />
Andersen-Hauses. fp<br />
Zweisprachige Bahnhofsschilder<br />
Im sorbischen Sprachgebiet ist die zweisprachige Beschilderung der Bahnhöfe<br />
eine Selbstverständlichkeit, darauf hatte Nordfriesland in <strong>Nummer</strong> 137 im März<br />
2002 hingewiesen. Auf Anregung der Friisk Foriining hat der Frasche Rädj nun<br />
ein Projekt in Gang gesetzt, alle Bahnhöfe zwischen Husum und Westerland mit<br />
zweisprachigen deutsch-friesischen Tafeln zu versehen. Die Deutsche Bahn<br />
zeigte sich zugänglich, es galt lediglich, ihr die Kosten von der Hand zu halten.<br />
Der Anfang wurde in Niebüll gemacht.<br />
8 NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005<br />
Foto: Manfred Nissen
NORDFRIESLAND<br />
IM WINTER<br />
2. 12. 2004 - 4. 3. 2005<br />
n Fundsachen vom Strand<br />
dürfen nicht einfach behalten<br />
werden, teilte Jürgen Jungclaus,<br />
Vorsitzender des Amtsausschusses<br />
von Amrum, Ende November<br />
seinen Kolleginnen und<br />
Kollegen mit. Das Strandgut<br />
müsse dem Ordnungsamt als<br />
Fundsache gemeldet werden,<br />
sonst gelte der Straftatbestand<br />
der Unterschlagung. Anlass für<br />
die Aufklärung waren größere<br />
Mengen angespülten Holzes<br />
am Kniepsand. Hinzu kommt,<br />
so der hauptberufliche Zollbeamte<br />
weiter, dass für über See<br />
nach Amrum gelangtes Holz<br />
noch Zoll gezahlt werden muss,<br />
man sich also obendrein der<br />
Steuerhinterziehung schuldig<br />
machen kann. Meldet niemand<br />
Ansprüche an, geht das Strandgut<br />
nach einem halben Jahr in<br />
den Besitz des Finders über.<br />
n „Dat Water löppt ut de<br />
Wand“, freuten sich vor 40 Jahren<br />
die Menschen auf Pellworm<br />
und zapften ihr Trinkwasser<br />
fortan aus der Leitung. In enger<br />
Zusammenarbeit von Land,<br />
Kreis und Gemeinde sowie<br />
Marschenbauamt (heute Amt<br />
für ländliche Räume) und Wasserverband<br />
Nord wurde von<br />
Sommer bis Dezember 1964<br />
zwischen der Hamburger Hallig<br />
und Pellworm eine rund zehn<br />
Kilometer lange Wasserleitung<br />
durch das Watt verlegt. Die<br />
finanziellen Grundlagen bot<br />
das Programm Nord. Die Anbindung<br />
an das Festlandsnetz,<br />
inzwischen durch eine Leitung<br />
über die Hallig Nordstrandischmoor,<br />
verbesserte nicht nur die<br />
Lebensqualität der Insulaner.<br />
Auch Tourismus und Viehwirtschaft<br />
entwickelten sich durch<br />
die geregelte Wasserversorgung<br />
positiv.<br />
n Am 30. Dezember trat der<br />
Husumer Kirchenmusik-Direktor<br />
Jens Weigelt in den<br />
Ruhestand. Der gebürtige<br />
Hamburger kam 1970 zur Sankt<br />
Marien-Kirche nach Husum. In<br />
dreieinhalb Jahrzehnten trug er<br />
wesentlich dazu bei, die Haupt-<br />
kirche der Kreisstadt zu einer<br />
kulturell gefragten Adresse zu<br />
machen. Sommerkonzerte,<br />
Stadtkantorei und „collegium<br />
musicum“ sind heute weithin<br />
bekannte Einrichtungen und<br />
Veranstaltungen, die auf Initiative<br />
Weigelts aus der Taufe<br />
gehoben wurden. Zu den Höhepunkten<br />
seines Wirkens an<br />
St. Marien gehörten die Aufführungen<br />
von Werken Bachs und<br />
Händels sowie die des „Polnischen<br />
Requiems“ unter Leitung<br />
des Komponisten Krzysztof<br />
Penderecki.<br />
n Mit Dr. Claus Marten Brodersen<br />
übernahm am 1. Januar<br />
ein Nordfriese aus Risum-Lindholm<br />
das Amt des Geschäftsführers<br />
bei der Deutschen<br />
Landwirtschaftsgesellschaft<br />
(DLG) in Frankfurt am Main.<br />
Die DLG versteht sich als eine<br />
politisch und wirtschaftlich<br />
unabhängige Selbsthilfe-Organisation,<br />
bei der Wissenschaft,<br />
Beratung und Praxis zum<br />
Nutzen der Landwirtschaft<br />
zusammenfließen. Der 1966 in<br />
Niebüll geborene Agrar-Ökonom<br />
war bereits Mitarbeiter<br />
am Institut für landwirtschaftliche<br />
Betriebslehre an der Universität<br />
Gießen und seit 2001<br />
Geschäftsführer der Agrovision<br />
GmbH im Nordfriesischen<br />
Innovations-Center (NIC) in<br />
Niebüll. Als Spross einer bäuerlichen<br />
Familie im Herrenkoog<br />
hatte er zusammen mit<br />
Freunden 1991 den „Stäljmun“,<br />
den Herrenkoog-Triathlon, ins<br />
Leben gerufen.<br />
n In Anwesenheit vieler Ehrengäste,<br />
darunter Landessozialministerin<br />
Dr. Gitta Trauernicht,<br />
Kreispräsident Helmut<br />
Wree, Amtsvorsteher Hans-Jes<br />
Hansen vom Amt Viöl und<br />
Propst-Stellvertreter Matthias<br />
Krüger, wurde am 6. Januar<br />
in Haselund die landesweit<br />
erste „Betreute Wohnanlage“<br />
für Senioren eingeweiht. Jan<br />
Thormählen, Bürgermeister<br />
der Gemeinde, lobte den „von<br />
Praktikern geplanten“ Bau.<br />
„Jeder, der hier einzieht, kann<br />
gewiss sein, dass er seine Wohnung<br />
nicht wegen Krankheit<br />
verlassen muss“, so der Chef<br />
des ambulanten Pflegedienstes,<br />
Johannes Carstensen. Jeder<br />
Heimbewohner bestimme<br />
selbst die Art der Hilfe, die er in<br />
Anspruch nehme.<br />
n Kegelrobben-Babys fühlen<br />
sich am Strand bei Wittdün auf<br />
Amrum offensichtlich wohl.<br />
Bereits mit dem Sturm zum<br />
Jahresbeginn hatte ein Jungtier<br />
am Fähranleger Schutz gesucht<br />
und sich dort bis zum 9. Januar<br />
aufgehalten. Seinen Platz nahm<br />
anschließend eine andere<br />
Jungrobbe ein. Mitarbeiter der<br />
Schutzstation Wattenmeer<br />
sowie des Öömrang Ferian<br />
hatten in diesen Tagen weniger<br />
Probleme mit den Tieren, die<br />
gut genährt waren und sich<br />
erwartungsgemäß im Fellwechsel<br />
befanden, als mit unzähligen<br />
Besuchern, die oft wenig<br />
Verständnis für die Situation<br />
aufbrachten. So musste immer<br />
wieder erklärt werden, warum<br />
die jungen Kegelrobben durchaus<br />
keiner menschlichen Hilfe<br />
bedurften und warum Mensch<br />
und Hund gewisse Mindestabstände<br />
einzuhalten hatten.<br />
n Auf 70 Jahre erfolgreiche<br />
Bühnenarbeit kann die „Husumer<br />
Speeldeel“ zurückblicken.<br />
1935 übernahm das plattdeutsche<br />
Theater die Nachfolge der<br />
„Fidelen Geister“ mit geradezu<br />
triumphalen Aufführungen der<br />
Komödie „Sößtig Mark Kurant“.<br />
Seither wurden 126 Stücke<br />
gespielt, und etwa 150 Mitwirkende<br />
betraten die Bühne. 1947<br />
tauchte auf den Programmzetteln<br />
erstmals der Zusatz<br />
„Mitglied des niederdeutschen<br />
Bühnenbundes“ auf. Anfang<br />
der 1970er Jahre gingen die<br />
Besucherzahlen zwar drastisch<br />
zurück, nach relativ kurzer<br />
Zeit aber hatte sich der Verein<br />
erholt und trat wieder in der<br />
Kongresshalle und später im<br />
Theater-Neubau „Husumhus“<br />
auf. Im Jubiläumsjahr knüpfte<br />
die „Speeldeel“ mit dem Stück<br />
„En Milljonär in’t Hus“ an die<br />
alten Erfolge an.<br />
n Von sieben Preisträgern, die<br />
am 27. Januar in Kiel von Landtagspräsident<br />
Heinz-Werner<br />
Arens und Kultusministerin<br />
Ute Erdsiek-Rave das „Niederdeutsch-Siegel“<br />
erhielten,<br />
kamen drei aus Nordfriesland.<br />
Gewürdigt wurden die Kreisberufsschule<br />
in Husum, die<br />
Realschule mit Grund- und<br />
NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005 9
Foto: Bahne Bahnsen<br />
Hauptschulteil in Viöl und die<br />
Niebüller Realschule. In Viöl<br />
stehen seit einigen Jahren für<br />
die 3. und 4. Klassen regelmäßige<br />
Wochenstunden in Plattdeutsch<br />
auf dem Stundenplan.<br />
Außerdem rekrutiert sich ein<br />
großer Teil der Theatergruppe<br />
„Junge Lüüd ut Löwenstedt“<br />
aus dieser Schule. Das Husumer<br />
Fachgymnasium bietet seit<br />
1993/94 Plattdeutsch-Kurse für<br />
den 13. Jahrgang an. Die Note<br />
taucht im Abitur auf. In Niebüll<br />
arbeitet die Lehrerin Malene<br />
Gottburgsen bereits seit 25 Jahren<br />
für die aktive Sprachpflege.<br />
Sie ist inzwischen fest im Schulprogramm<br />
verankert.<br />
n Am 3. Februar wurden die<br />
bewohnten Halligen Gröde,<br />
Hooge, Langeneß, Nordstrandischmoor<br />
und Oland als<br />
Entwicklungszone des „Biosphärenreservates<br />
Schleswig-<br />
Holsteinisches Wattenmeer<br />
und die Halligen“ anerkannt.<br />
Aus den Händen von Gertrud<br />
Sahler, der Leiterin des MAB-<br />
Nationalkomitees (Man and<br />
the Biosphere), nahmen die<br />
Bürgermeister die Urkunde<br />
der Unesco entgegen. Nach<br />
langjährigen Vorarbeiten versprechen<br />
sich die Halligen nun<br />
Vorteile im Natur-Tourismus,<br />
bei der Vermarktung regionaler<br />
Produkte und auch im Rennen<br />
um internationale Fördergelder.<br />
Die Halligen stünden somit<br />
auf einer Ebene mit z. B. dem<br />
Ayers Rock in Australien, der<br />
Camargue in Frankreich oder<br />
den Everglades in Florida, hob<br />
Landesumweltminister Klaus<br />
Müller hervor.<br />
n Über 40 Jahre leitete Christian<br />
Hansen als erster Vorsitzender<br />
den SSW-Ortsverein<br />
Bredstedt. Auf der Jahresversammlung<br />
am 3. Februar in<br />
der Dänischen Schule gab<br />
der 70-Jährige nun sein Amt<br />
ab. Hansen war von 1966-86<br />
Stadtvertreter in Bredstedt und<br />
leitete bis 1982 den SSW auf<br />
Kreisebene. Zwischen 1982 und<br />
1986 war er Mitglied des Kreistags,<br />
von 1974-2000 arbeitete er<br />
im Hauptausschuss der Stadt<br />
Bredstedt mit. Der Südschleswigsche<br />
Wählerverband ist<br />
die politische Vertretung des<br />
dänischen Bevölkerungsteils<br />
in Schleswig-Holstein sowie<br />
der Friisk Foriining. Von der<br />
Mitgliederzahl her (rund 4 000)<br />
ist er die drittstärkste Partei des<br />
Landes.<br />
n Der Zwang zu Sparmaßnahmen<br />
macht auch vor den<br />
christlichen Kirchen nicht halt<br />
und wird zu einschneidenden<br />
strukturellen Veränderungen<br />
in Nordfriesland führen. Dies<br />
machte der evangelische Bischof<br />
Dr. Hans-Christian Knuth<br />
am 26. Februar bei der ersten<br />
Begegnungstagung der Kirchenkreis-Synoden<br />
aus Südtondern,<br />
Husum-Bredstedt und<br />
Eiderstedt unmissverständlich<br />
klar. In einem Grundsatz-Referat<br />
skizzierte er im Christian-<br />
Jensen-Kolleg in Breklum den<br />
Boysen-Treffen im September<br />
Am 11. September 2004 trafen sich<br />
in Wenningstedt auf Sylt mehr als<br />
30 Angehörige der friesischen Familie<br />
Boysen. Bis auf den Fahretofter Thede<br />
Boysen, der erstmals 1670 bezeugt<br />
ist, kann sich die bis nach Amerika<br />
verzweigte Sippe nach bisherigem<br />
Kenntnisstand zurückführen.<br />
Das Familientreffen war das vierte<br />
seiner Art, aber sicher nicht das letzte,<br />
so Organisator Bahne Bahnsen.<br />
Weg zu einem neuen Kirchenkreis<br />
Nordfriesland. Wichtigstes<br />
Reformziel sei die Bündelung<br />
aller Kräfte, um der christlichen<br />
Botschaft neue Schubkraft<br />
zu verleihen. Der Entwurf<br />
eines neuen Kirchengesetzes<br />
solle im Herbst 2005 vorliegen.<br />
Alle Kirchenkreis-Synodalen<br />
sind eingeladen, am Gesetzgebungsverfahrenmitzuwirken.<br />
Auch das katholische<br />
Erzbistum Hamburg verkleinerte<br />
die Zahl seiner Bistums-Gemeinden<br />
um rund 50 Prozent.<br />
Ab 1. April werden in Nordfriesland<br />
die beiden Gemeinden<br />
Niebüll/Leck und Föhr/Amrum<br />
zu einer großen Einheit namens<br />
St. Gertrud zusammengefasst.<br />
n Am 19. Februar verstarb in<br />
Schleswig im Alter von 88 Jahren<br />
der Autor August Wilhelm<br />
Vahlendieck. Er war ein Bewunderer<br />
des Helgolandfotografen<br />
Franz Schensky. Als dessen<br />
Mitarbeiter bei Ausstellungen<br />
und Filmvorträgen verbrachte<br />
er längere Aufenthalte auf der<br />
Hochseeinsel. 1965 erhielt er<br />
Kenntnis von einem weißen<br />
Kliff, das einst vor der Düne<br />
lag. Durch Steinbruchbetrieb<br />
wurde die Muschelkalk-Formation<br />
im 15. bis 17. Jahrhundert<br />
abgebaut. Es ist das Verdienst<br />
Vahlendiecks, in seinem vom<br />
<strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong> 1992 publizierten<br />
Buch „Das Witte Kliff<br />
von Helgoland“ den Beweis geführt<br />
zu haben, dass der Abbau<br />
keineswegs den Helgoländern<br />
zuzuschreiben ist. Harry Kunz<br />
10 NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005
Dietrich Werner:<br />
Christian Jensens<br />
Breklumer Mission<br />
Erinnerungen – Stationen – Denkanstöße<br />
In einem Dorf in der nordfriesischen<br />
Provinz erwuchsen aus starkem Glauben<br />
Anfänge eines globalen Bewusstseins.<br />
Woher kommt und wohin geht<br />
die Breklumer Mission?<br />
Ein Verband von christlich bestimmten Familien<br />
überwiegend bäuerlicher Herkunft,<br />
bei denen sich das Leben im Haus wie in der<br />
Arbeit, am Sonntag wie im Alltag, im Nahbereich<br />
wie im fernen Horizont durch das<br />
biblische Wort bestimmen und ausrichten<br />
lässt – diese Vision spürt heute noch, wer<br />
durch die engen Dorfstraßen von Breklum<br />
geht, die kleinen Häuser wahrnimmt, die<br />
Bibelsprüche an den Wänden und den weiten<br />
hohen Himmel darüber, der immer in<br />
Bewegung ist.<br />
Die Biographie des Landpastors und Missionsgründers<br />
Christian Jensen, die Martin<br />
Pörksen einmal herausgegeben hat, trägt<br />
den Untertitel: „Von der Weite eines engen<br />
Pietisten“. Beides, Weite und Enge, hat für<br />
ihn und für das Werk, das er ins Leben rief,<br />
eine wesentliche Rolle gespielt. Beides hat<br />
Menschen ebenso angestoßen wie bisweilen<br />
auch abgestoßen: Die Weite – der Welthorizont<br />
im Verständnis von Kirche und<br />
Mission. Und die Enge, die fast starrsinnige<br />
Konzentration des Christlichen auf wenige<br />
elementare Grundwahrheiten und die radikale<br />
Entschiedenheit und Strenge eines<br />
missionarischen Lebensstils.<br />
Auch die Gebäude des Kollegs heute<br />
spiegeln beides wider, eine gewisse Strenge<br />
des Alten und die Weite des Neuen. Beides<br />
gehört – übersetzt für die Gegenwart – auch<br />
heute zusammen: die Bestimmtheit eines<br />
christlichen Profils und der weite Welthorizont<br />
eines ökumenischen, das heißt globalen<br />
Verantwortungsbewusstseins.<br />
Christian Jensen stammt von der Lütjenswarft<br />
am friesischen Außendeich bei<br />
Fahrtetoft. Dort wurde er am 20. Januar<br />
1839 geboren. Harte Jahre prägen seine<br />
Kindheit und Jugend. Zugleich werden es<br />
die beständige Auseinandersetzung mit<br />
dem Leben am Wasser sowie den Gewalten<br />
von Wetter und Natur und auch die schwere<br />
körperliche Arbeit am Deich gewesen sein,<br />
die seine innere Natur mit unbeugsamer<br />
Hartnäckigkeit, rastloser Arbeitsamkeit und<br />
geheimer Sehnsucht nach Weite ausgestattet<br />
haben. 1856 ging er aufs Gymnasium<br />
nach Schleswig und dann nach Rendsburg.<br />
Ein Jahr vor dem Abitur, 1861, unternahm er<br />
eine biografisch sehr prägende Reise nach<br />
Madeira. Zum ersten Mal lebte er außerhalb<br />
der friesisch-deutschen Umgebung,<br />
sah Frankreich, den Ozean und die dort<br />
ganz andere Pflanzenwelt. Die Reise, als<br />
Begleitaktion eines schwer lungenkranken,<br />
zugleich frommen Freundes geplant, wurde<br />
zur tiefen Lebensschule. Beten, Zuhören<br />
und Aushalten am Bett eines Sterbenden<br />
prägten nachdrücklich den späteren Seelsorger<br />
Jensen, der bei unzähligen Menschen<br />
in Krankheit, Unglück und Elend ausgehalten<br />
und um Worte der Hoffnung gerungen<br />
hat. Nach dem Theologiestudium wurde<br />
Jensen 1867 zunächst zum Pastor im eiderstedtischen<br />
Uelvesbüll gewählt, dann 1873<br />
als Pastor in Breklum eingeführt.<br />
Jensen hat sich selbst als lutherischen Pietisten<br />
verstanden. Die Bindung an die lutherische<br />
Landeskirche war ihm wichtig. Er hat<br />
keine Freikirche gegründet, auch wenn er<br />
anfänglich viel Skepsis und Zurückweisung<br />
erntete. Doch hat er sich keinesfalls abhängig<br />
gemacht von der Zustimmung landeskirchlicher<br />
Autoritäten. Die Entstehung<br />
der Breklumer Mission war wesentlich eine<br />
NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005 11
Erneuerungsbewegung von unten, getragen<br />
von einem Netzwerk engagierter Einzelner<br />
und überwiegend einfacher Leute, keine<br />
bürgerliche, keine gebildete Bewegung. Jensen<br />
wollte eine lebendige Kirche, aber nicht<br />
als Selbstzweck oder machtvolle Institution,<br />
sondern als Gemeinschaft der „Reich-Gottes-Arbeit“,<br />
wie es damals hieß. Dazu gehörte<br />
sowohl die innere Mission oder kirchliche<br />
Erneuerung als auch die äußere Mission,<br />
also die Ausbreitung des Evangeliums jenseits<br />
des abendländischen Kulturkreises.<br />
„Lieber ein lebendiger Methodist als ein<br />
toter Lutheraner“ – dieser Ausspruch kennzeichnet<br />
Jensens innere Haltung, die an der<br />
persönlichen Glaubensfrömmigkeit und<br />
nicht an Konfessionalismus oder akademischem<br />
Diskurs interessiert war. Jensen war<br />
kein Wissenschaftler, erst recht kein systematischer<br />
Theologe. Die Breklumer Mission<br />
hatte keine entwickelte Missionstheologie.<br />
Er war nicht so sehr Kopf-, als vielmehr Herzensmensch.<br />
Gründerzeit<br />
Was in den nach 1873 folgenden 20 Jahren<br />
in den sich geradezu überschlagenden Neugründungen<br />
in der Breklumer Kirchenstraße<br />
geschah, kann man sicher nicht als das Werk<br />
eines einzelnen Menschen ansehen. Man<br />
kann dies nur aus der historisch einmaligen<br />
Begegnung des konservativ-charismatischen<br />
Visionärs und Einzelkämpfers Jensen<br />
mit einer aufbrechenden erwecklichen Bewegung<br />
in Nord-Schleswig und Schleswig-<br />
Holstein heraus erklären. Die Gründerperson<br />
und die Bewegung verbanden sich in<br />
Breklum folgenreich miteinander. Selbst<br />
wenn die extrem einseitige religiöse Sprache,<br />
die unduldsame Härte gegenüber aller<br />
Gottvergessenheit und allem moralischen<br />
Verfall seiner Zeit und die Schlichtheit der<br />
Urteile gegenüber der „modernen“, liberalen<br />
Theologie jener Jahre bisweilen fremd<br />
anmuten, kann uns hinter der Geschichte<br />
der Breklumer Gründungen – mit heutigen<br />
Augen interpretiert – ein erstaunlich ganzheitliches<br />
und anspruchsvolles Programm<br />
eines umfassenden Missionsverständnisses<br />
bzw. einer ökumenisch-diakonischen Kirchenvision<br />
entgegentreten. Es lohnt sich<br />
auch heute noch, sie im Ansatz zur Kenntnis<br />
zu nehmen, nicht zuletzt weil sie auf äußerst<br />
Christian Jensen.<br />
Gemälde von Hans<br />
Peter Feddersen<br />
anspruchsvolle und zugleich volksnahe Formen<br />
der christlichen Verkündigung setzte.<br />
Es lassen sich fünf Hauptmotive dieses<br />
ganzheitlichen Verständnisses von Mission<br />
bzw. einer frühen Form eines globalen<br />
Bewusstseins im christlichen Horizont klar<br />
benennen:<br />
1. Kirche existiert als Netzwerk gelebter Hoffnung<br />
und braucht deshalb besondere Orte<br />
von Einkehr, innerer Erneuerung und Gebet<br />
in globaler Verantwortung. Man kann Jensen<br />
einfältig nennen, sicher ist er vorrangig<br />
ein Pastor der einfachen Leute gewesen,<br />
zudem auch geprägt durch manche Stimmungen<br />
und Stereotype seiner Zeit. Aber<br />
man kann diesen Struktur-Konservativen<br />
und Werte-Progressiven auch so lesen, dass<br />
er einen an zentrale Dimensionen kirchlicher<br />
Erneuerung und gesellschaftlichen<br />
Aufbruchs heute erinnert. Dazu gehört, dass<br />
er ein große Hochschätzung für persönlich<br />
gelebte Spiritualität hatte. Das wichtigste<br />
Fundament kirchlicher Erneuerung war<br />
ihm das Gebet. „Er hat doch alles auf seinen<br />
Knien zusammengebetet“, sagten die Leute<br />
von ihm, die staunten, wie er für immer<br />
neue Gründungen das Geld aus privaten<br />
Spenden auftrieb. Der Betsaal, die Kirche<br />
und das Jahrestreffen war ihm wichtig als<br />
Stätte des Gebetes. Auf die Frage, was wir<br />
tun können, damit unsere Wünsche für die<br />
Zukunft der Kirche in Erfüllung gehen, hat<br />
Jensen geantwortet: „Wir können nur beten.<br />
Es wird viel zu wenig erkannt, was das Gebet<br />
wert ist. Wir meinen oft, durch Reden werde<br />
alles erreicht. Meine Teuren, die Stärke der<br />
Kirche Jesu Christi ist das Gebet. Der Herr<br />
soll alles geben. Die Kräfte kommen von<br />
oben und nicht von unten. Wenn wir nicht<br />
in der Kammer, im Verborgenen beten, so<br />
12 NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005
1883 wurde das<br />
Breklumer Martineum<br />
eingeweiht.<br />
haben wir keine Kraft. Der, welcher kein<br />
verborgenes Leben mit Jesus führt, ist im<br />
Kampfe für Jesum schwach und nichtig.“<br />
2. Kirche braucht moderne Kommunikation.<br />
1870 erschien das von Jensen gegründete<br />
Sontagsblatt für’s Haus, das bereits 1879<br />
mit 10 000 Exemplaren in ganz Schleswig-<br />
Holstein und weit darüber hinaus verteilt<br />
wurde. Es bringt biblische Orientierung für<br />
Menschen auf dem Lande, aber auch Nachrichten<br />
„Aus dem Reiche Gottes“ von anderen<br />
Missionsgesellschaften und aus anderen<br />
Teilen der Erde, ein beeindruckendes Zeugnis<br />
für die Orientierung am Welthorizont<br />
der christlichen Kirche, der die Grenzen der<br />
Ortsgemeinde weit übersteigt. 1874 folgte<br />
als politisches Organ die Neue Zeitung, die<br />
eine engagierte Stimme zu den politischen<br />
Vorgängen der Zeit darstellen und sich an<br />
die christliche Elite in der Gesellschaft richten<br />
wollte. 1875 wurde die eigene Breklumer<br />
Buchhandlung gegründet, die – auf privatwirtschaftlicher<br />
Basis – in den Räumen des<br />
Kollegs weiterhin besteht.<br />
3. Kirche braucht den Horizont der Völkerwelt.<br />
Dieser Grundgedanke war schon<br />
wiederholt im Sonntagsblatt aufgeklungen.<br />
Doch es war schwierig, dafür auch institutionell<br />
ausreichend Unterstützung zu finden.<br />
Lange fand sich kein geeigneter Vorstand für<br />
die geplante Gründung einer Missionsgesellschaft.<br />
Interessanterweise konkretisierte<br />
sich hier zuerst das Gebäude, danach der<br />
Verein. Ein Missionshaus sollte ursprünglich<br />
in Bredstedt gegründet werden, doch<br />
fand sich dort kein geeignetes Gebäude.<br />
Ende Februar 1876 wurde dann ein großes<br />
Bauernhaus, der ehemaligen „Lutherhof“ in<br />
der Kirchenstraße in Breklum samt einiger<br />
Ländereien für 13 200 Reichsmark erworben.<br />
Am 19. September 1876 gründeten im Breklumer<br />
Hauptpastorat 50 bis 60 „angesehene<br />
Männer aus allen Theilen des Landes“ – die<br />
Mitglieder des erweiterten Vorstands kamen<br />
unter anderem aus Altona, Bordesholm, Hadersleben,<br />
Rendsburg und Schleswig – eine<br />
der lutherischen Kirche angehörige und<br />
auf ihrem Bekenntnis stehende „Heidenmissionsanstalt“,<br />
die sich gleichzeitig der<br />
Volks- und der Weltmission widmen sollte.<br />
Neben dem „Sonntagsblatthaus“ wurde am<br />
10. April 1877 feierlich das Missionshaus geweiht<br />
und eröffnet. Mit einiger Symbolkraft<br />
wurden die ersten zwölf Zöglinge eingeladen,<br />
in das Seminar einzutreten und nach<br />
längerem Suchen fand sich ein Pastor Höber<br />
aus Eckernförde bereit, als erster Missionsinspektor<br />
beim Unterricht mitzuwirken.<br />
Von den zwölfen erwiesen sich am Ende aus<br />
der Sicht des Breklumer Vorstandes drei als<br />
geeignet zur Aussendung als Missionare. Es<br />
waren die Breklumer Indienmissionare Hermann<br />
Bothmann und Ernst Pohl sowie der<br />
Indonesien-Missionar Festersen.<br />
Das wichtigste Presseorgan der Missionsgesellschaft<br />
war das Schleswig-Holsteinische<br />
Missionsblatt, das seit 1876 als Beilage zum<br />
Sonntagsblatt und ab 1886 als selbstständige<br />
Monatszeitung erschien.<br />
NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005 13
4. Kirche und Gesellschaft brauchen eine<br />
ganzheitliche Bildungsbewegung. Jensen<br />
war erschüttert von der sozialen, geistigen<br />
und geistlichen Verwahrlosung seiner<br />
Zeitgenossen, vor allem auch der jungen<br />
Generation. 1882/1883 konnte er – bezogen<br />
auf diese Zielgruppe – sein Lieblingsprojekt<br />
verwirklichen, den Aufbau des Martineums,<br />
des ersten evangelischen Privatgymnasiums<br />
in Schleswig-Holstein. Die Berufung auf den<br />
Vornamen des großen Reformators war Programm:<br />
Man wollte biblische Orientierung,<br />
gründliche Bildung und Erziehung zur freien<br />
Verantwortung des Christenmenschen<br />
miteinander verbinden. Christliche Politiker,<br />
christliche Rechtsanwälte, christlich<br />
ausgebildete Ärzte sollten heranwachsen.<br />
Fast zwölf Jahre konnte das Gymnasium<br />
erfolgreich arbeiten, dann entzog ihm die<br />
preußische Regierung die Genehmigung<br />
aus Angst davor, dass das Modell der Privatgymnasien<br />
auch für die katholische Kirche<br />
Schule machen könnte.<br />
5. Die Gesellschaft braucht Heilung. Noch im<br />
Todesjahr Christian Jensens (1900) wurde<br />
das Sanatorium eröffnet, ein Zufluchtsort<br />
für Menschen mit seelischen und sozialen<br />
Belastungen und Krankheiten. Später wurde<br />
daraus die Fachklinik für psychiatrische<br />
Erkrankungen, die bis in die Gegenwart<br />
in direkter Verbindung mit dem landeskirchlichen<br />
Missionszentrum steht. Dass<br />
christliche Verkündigung auch etwas mit<br />
Gesundheit und Heilung zu tun hat, bleibt<br />
ein wichtiges Grundmerkmal der Breklumer<br />
Mission, die später wesentliche Impulse<br />
auch für die internationale Weiterentwicklung<br />
der Ärztlichen Mission im Ökumenischen<br />
Rat der Kirchen gegeben hat.<br />
Jensens Hingabe galt in tätiger Nächstenliebe<br />
und radikaler Entschiedenheit<br />
dem einzelnen Menschen. Es heißt, er habe<br />
sich sogar um die Arbeiter, die die neue<br />
Bahnstrecke in Breklum bauten, persönlich<br />
gekümmert. Damals hier tätige polnische<br />
Gastarbeiter haben ihm das – so wird berichtet<br />
– ein Leben lang nicht vergessen. Er<br />
war bis zur Unerträglichkeit rastlos in seinem<br />
Engagement für andere.<br />
Trotz dieses starken sozialen Sinnes und<br />
Verantwortungsgefühls konnte sich Jensen<br />
mit den politischen Neuerungsbewegungen<br />
seiner Zeit nicht anfreunden. Die Neue<br />
Zeitung, die er für kurze Zeit herausgab, ist<br />
voll von Polemik gegen die beginnende „Socialdemokratie“.<br />
Für Jensen war das Christentum<br />
keine Privatangelegenheit, sondern<br />
hatte eine soziale und politische Dimension:<br />
„Ich habe keine Ruhe in meinem Gewissen<br />
angesichts der Gleichgültigkeit und Glaubenslosigkeit<br />
in unserem Volke.“<br />
Jensens Frömmigkeit ist von einer extremen<br />
Einseitigkeit gekennzeichnet, die zugleich<br />
eine radikale Freiheit bewirkte: Jesus,<br />
die Verkörperung der Liebe Gottes in dieser<br />
Welt, ist das Zentrum, dem alles zu dienen<br />
hat. „Jesus allein macht zeitlich glücklich<br />
und ewig selig.“ Ein positives Verhältnis<br />
zu anderen nichtchristlichen Religionsgemeinschaften,<br />
was uns heute als Frage<br />
beschäftigt, war mit diesen Denkvoraussetzungen<br />
nicht vorstellbar. Zum Islam und<br />
zum Judentum gibt es nur Äußerungen im<br />
Sinne der Substitutionstheorie. Das heißt, in<br />
diesen in seinen Augen falschen Religionen<br />
fand Jensen nicht einmal Spuren der Erkenntnis<br />
Gottes. Das Christentum – dessen<br />
war er gewiss – werde sie überwinden.<br />
Die Kirche darf sich nicht auf sich beschränken,<br />
davon war Jensen überzeugt. Sie<br />
hat vielmehr die Aufgabe, das Evangelium<br />
im Welthorizont, das heißt auch im Horizont<br />
unterschiedlicher Kulturen zu leben<br />
und auszubreiten. Dabei dürfe sich Mission<br />
nicht von sekundären Zwecken bestimmen<br />
lassen: „Wir wollen Mission treiben, aber<br />
nicht, um etwa fremde Länder zu erforschen,<br />
nicht um europäische Bildung und<br />
Humanität den Heiden zu bringen, nein,<br />
unser Ziel ist, die Seelen von Sünde, Tod und<br />
ewiger Verdammnis zu retten.“<br />
Verbindung zu Nordschleswig<br />
Wohl der wichtigste und auch strategisch<br />
bedeutendste Teil des Hinterlandes der<br />
Breklumer Mission waren die deutschen<br />
Gemeinden in Nordschleswig sowie die<br />
dänisch-sprachige Erweckungsbewegung<br />
in der dortigen Region. Der Name Christian<br />
Jensen hat jahrzehntelang Deutsche und<br />
14 NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005
Dänen miteinander verbunden. Wichtige<br />
leitende Persönlichkeiten der Breklumer<br />
Mission kamen aus Nordschleswig wie<br />
etwa der aus Hadersleben gebürtige Rudolf<br />
Bahnsen und Detlef Bracker aus Apenrade.<br />
In Tingleff fand ab 1905 alljährlich ein Breklumer<br />
Missionsfest statt, das jeweils bis zu<br />
3 000 Menschen versammelte. Die Hauspostille<br />
Christian Jensens wurde wie auch<br />
verschiedene andere Missionsbücher ins<br />
Dänische übertragen. Eine stattliche Zahl<br />
der Breklumer Missionare kamen aus Nordschleswig,<br />
darunter Ole Jensen, der für ganz<br />
Ost-Jeypur zuständig war.<br />
Ohne den internationalen Breklumer<br />
Geist wäre während der schwierigen Zeit des<br />
Dritten Reiches und des Zweiten Weltkrieges<br />
keine Brücke geschlagen worden zwischen<br />
den Deutschen in Schleswig-Holstein und<br />
den Dänen und Deutschen in Nordschleswig.<br />
Diese frühe Kooperation bildete in den<br />
Kriegsjahren, als die Mission wegen der Devisenbestimmung<br />
von ihren überseeischen<br />
Gebieten praktisch abgeschnitten war, die<br />
Basis für eine Nordschleswiger Rettungsaktion.<br />
Die Dänen übernahmen die Finanzierung<br />
für die Missionsarbeit in Indien und<br />
China. Missionsdirektor Martin Pörksen sah<br />
sich dem Vorwurf ausgesetzt, dass „Breklum<br />
es in Nordschleswig mit den Dänen hält“.<br />
Wege in die Welt<br />
In den Jahren zwischen 1870 und 1890 wanderten<br />
Tausende von Deutschen aus Schleswig-Holstein<br />
und Nordfriesland aus und<br />
suchten neue Existenzmöglichkeiten in den<br />
USA und in Kanada. Es entstanden lutherische<br />
Gemeinden in zahlreichen US-Bundesstaaten.<br />
Auf einem Kirchentag in Hamburg<br />
rief 1878 der Pastor Späth aus Philadelphia<br />
in flammenden Worten dazu auf, den Eingewanderten<br />
deutsche Prediger zu senden.<br />
Christian Jensen gründete daraufhin eine<br />
Anstalt zur Ausbildung von Predigern für<br />
die Lutherische Kirche Amerikas. Johannes<br />
Paulsen rief gleichzeitig in Kropp im Mai<br />
1882 das Predigerseminar „Eben Ezer“ ins<br />
Leben. Von Breklum aus wurden die Prediger<br />
in die seit 1821 bestehende „Generalsynode<br />
der Lutherischen Kirche in Amerika“<br />
gesandt, von Kropp aus in das 1867 entstandene<br />
„Generalkonzil der Amerikanischen<br />
Lutherischen Kirche“. Von den im Laufe<br />
der Jahrzehnte insgesamt 487 im Breklumer<br />
Seminar aufgenommenen jungen Männern<br />
wurden an die 200 in Gemeinden Amerikas<br />
gesandt und versahen dort ihren Dienst<br />
als Präriepastoren, Reiseevangelisten, als<br />
Dorfpastoren in Blockhütten-Kirchen, als<br />
Stadtmissionare oder als Lehrer und Dozenten<br />
an den Seminaren von Chicago und<br />
Philadelphia.<br />
Auch nach Afrika zogen Breklumer Missionare<br />
Pastor Christian Jensen junior, Sohn des<br />
Gründers, führte nach dessen Tod im Jahre<br />
1900 die Arbeit fort. Im Mai 1919 wurde das<br />
Breklumer Predigerseminar, das während<br />
des Ersten Weltkrieges geschlossen werden<br />
musste, wieder eröffnet. Das war möglich<br />
mit einer großzügigen finanziellen Hilfe aus<br />
Amerika. In den 1920er Jahren bekamen sowohl<br />
Breklum als auch Kropp pro Jahr 4 500<br />
Dollar Unterstützung durch die amerikanischen<br />
lutherischen Kirchen. Ab 1920 gab<br />
Breklum den Kandidaten einen dreijährigen<br />
sprachlichen Vorbereitungskurs, Kropp war<br />
für den ebenfalls dreijährigen theologischen<br />
Aufbaukurs zuständig. Bis zum Jahre 1931<br />
wurden pro Jahr durchschnittlich 14 Kandi-<br />
NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005 15
daten für Amerika ausgebildet. Die amerikanische<br />
Generalsynode hielt von da an eine<br />
einheimische englische Pastorenausbildung<br />
für erforderlich. Doch es waren die Breklumer,<br />
die das jährliche Missionsfest als Sitte<br />
in den Mittelwesten Amerikas brachten. Der<br />
erweckliche amerikanische Protestantismus<br />
ist davon tief geprägt.<br />
Die Breklumer Mission war keine klassische<br />
Kolonialmission. Bei der Wahl von<br />
Missionsgebieten spielte die Frage, wo es<br />
ideale koloniale Schutzmächte gab, keine<br />
Rolle. Es ging vielmehr darum, wo der Bedarf<br />
an evangelistischer Erstverkündigung<br />
am stärksten war und wo die Ärmsten und<br />
Elendsten in der Welt der Völker zu finden<br />
waren. Der im Dienst des amerikanischen<br />
Generalkonzils stehende Missionar Schmidt<br />
aus Nordschleswig machte die Breklumer<br />
aufmerksam auf das indische Königreich<br />
Bastar, das noch fast völlig unberührt war<br />
von jedweder Missionsarbeit.<br />
So landete man bereits 1881/82 von Breklum<br />
aus in einer der entferntesten und abgelegensten,<br />
von niemand anderem bisher<br />
wahrgenommenen Region in Indien, nämlich<br />
im Bergland des zu Bastar gehörenden<br />
Fürstentums Jeypur in Nord-Ost-Indien.<br />
Die Bewohner des Landes waren mehrheitlich<br />
Adivasi-Ureinwohner, die innerhalb der<br />
indischen Kastengesellschaft von Hindus<br />
und auch unter den dortigen Muslimen zu<br />
den verachteten Gruppen gehörten. Die<br />
Berichte der beiden ersten Breklumer Indien-Missionare,<br />
Ernst Pohl aus Schlesien und<br />
Hermann Bothmann aus Dithmarschen, gehören<br />
zu den beeindruckendsten Zeugnissen<br />
der Breklumer Missionsgeschichte.<br />
Vielfältige Irrwege, unendliche Strapazen,<br />
Abweisung und Irreführung durch den regionalen<br />
hinterlistigen Raja und Konfrontation<br />
mit Raub und Überfällen kennzeichnen<br />
die ersten extremen Wochen der Ankunft.<br />
Das völlige Neuland der interkulturellen<br />
Begegnung, die ungeheure Opferbereitschaft<br />
und das Durchhaltevermögen wie<br />
ebenso die langsam wachsende Liebe und<br />
das wachsende Verständnis der Menschen<br />
dieser so weit entfernten indischen Kultur<br />
tritt einem darin entgegen.<br />
Der Erste Weltkrieg bedeutet für Breklum<br />
einen extremen Schock und einen ersten<br />
Bruch mit dem Optimismus der Anfänge.<br />
Vor 1916 waren an die 70 Missionare von<br />
Breklum aus in Indien, drei in Ost-Afrika,<br />
einige in China tätig. In Jeypur waren etwa<br />
16 000 Christen gesammelt – eine stattliche<br />
Zahl, hatte die Missionsarbeit dort doch erst<br />
1881 begonnen.<br />
Fast alle Missionare wurden nun repatriiert,<br />
die indische Erweckungsbewegung<br />
kam zum Erliegen, die Schüler- und Kostheime<br />
wurden geschlossen. Beim Jahresfest<br />
1916 waren fast alle Breklumer Missionare<br />
wieder in ihrer Heimat. Die drei aus Afrika<br />
kamen nach lebensgefährlicher Reise über<br />
Kongo und Frankreich erst 1917 zurück. Die<br />
verwaiste Mission in Jeypur wurde 1917 von<br />
der Amerikanischen Lutherischen Kirche<br />
übernommen. Die Amerikaner ordinierten<br />
1920 die ersten beiden indischen Evangelisten<br />
zu Pastoren.<br />
Erst 1926 wurden erstmals wieder vier<br />
Missionare und zwei Diakonissen nach Indien<br />
entsandt. Die Jeypur-Kirche entwickelte<br />
sich gut weiter. Am 28. Februar 1928 hielt<br />
sie ihre erste eigene Synode ab.<br />
Breklum im Kirchenkampf<br />
Die „Machtergreifung“ der NSDAP am 30.<br />
Januar 1933 wurde innerkirchlich durch die<br />
„Glaubensbewegung Deutsche Christen“<br />
gefördert. Die „DC“ suchte alle jüdischen<br />
Spuren in der christlichen Glaubenstradition<br />
zu eliminieren, das Alte Testament<br />
als Offenbarungsquelle abzuschaffen, die<br />
Bedeutung Jesu Christi zu relativieren und<br />
durch Anpassung an die nationalsozialistische<br />
Ideologie zu ersetzen. Am 12. September<br />
1933 trat in Rendsburg – durch unfreie<br />
Wahlen unter dem Druck der Deutschen<br />
Christen und der NSDAP zustandegekommen<br />
– eine neue Synode für Schleswig-<br />
Holstein zusammen, die unter dem Namen<br />
„Räubersynode“ in die Geschichte eingegangen<br />
ist. In seinem Grundsatzreferat sagte<br />
Pastor Adalbert Paulsen von der Lutherkirche<br />
in Kiel: „Heute ist das Volksleben beherrscht<br />
von einem einheitlichen Grundton.<br />
Die Farbe des deutschen Lebens ist braun,<br />
und der Heros der braunen Farbe ist unser<br />
Kanzler und Führer Adolf Hitler. Wir sehen<br />
auf ihn und seine braune Sturmabteilung<br />
(SA) mit unendlicher Dankbarkeit, denn<br />
ohne ihn und seine getreuen Mannen wären<br />
wir nicht hier.“<br />
Diese Synode legalisierte die Irrlehre der<br />
Deutschen Christen durch einen Beschluss,<br />
16 NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005
Umfrage zur Arbeit des <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong><br />
Liebe Leserinnen und Leser der Zeitschrift Nordfriesland!<br />
Liebe Mitglieder des Vereins Nordfriesisches Institut!<br />
Das <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong> besteht seit 40 Jahren. Wir möchten gerne mehr erfahren über Ihre<br />
Wünsche an das <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong> und über Ihre Einschätzung unserer Arbeit.<br />
Daher bitten wir Sie, diesen Fragebogen bis zum 8. April 2005 ausgefüllt zurückzusenden an<br />
das <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong>, Süderstraße 30, 25821 Bräist/Bredstedt, NF. Fax: (04671) 1333.<br />
Unter den Teilnehmenden verlosen wir drei Bücher aus dem <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong>.<br />
Zunächst erbitten wir einige Angaben zu Ihrer Person:<br />
Geburtsjahr _______ weiblich o männlich o Beruf (Sparte) ______________<br />
Ich spreche Friesisch o nein o ja, und zwar _______________________________(Dialekt/e)<br />
Ich kann Friesisch verstehen o nein o ja, und zwar ________________________ (Dialekt/e)<br />
Bei den Bewertungsfragen kreuzen Sie bitte<br />
jeweils eine „Schulnote“ von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) an:<br />
Welche Note erteilen Sie der Zeitschrift Nordfriesland?<br />
Wieviel Zeit widmen Sie durchschnittlich einer Ausgabe? ______________________________<br />
Gibt es Themen, die zu breiten Raum einnehmen?<br />
o nein o ja, und zwar _____________________________________________________________<br />
Gibt es Themen, die zu wenig berücksichtigt werden?<br />
o nein o ja, und zwar _____________________________________________________________<br />
Welche Note erteilen Sie dem Nordfriesischen Jahrbuch?<br />
Gibt es Themen, die zu breiten Raum einnehmen?<br />
o nein o ja, und zwar _____________________________________________________________<br />
Gibt es Themen, die zu wenig berücksichtigt werden?<br />
o nein o ja, und zwar _____________________________________________________________<br />
Nutzen Sie die Internet-Seite www.nordfriiskinstituut.de?<br />
o nein o ja, und zwar ________________________________ (Häufigkeit)<br />
Welche Note erteilen Sie der Internet-Seite www.nordfriiskinstituut.de?<br />
Haben Sie Vorschläge für ihre Verbesserung?<br />
o nein o ja, und zwar _____________________________________________________________
Welche Note erteilen Sie dem Fotokalender Jarling?<br />
Können Sie sich eine Veränderung des Jarling vorstellen?<br />
o nein o ja, und zwar _________________________________________________ (Vorschläge)<br />
Dem Institut als Arbeitsgruppe angeschlossen ist die Interessengemeinschaft Baupflege<br />
(IGB) Nordfriesland. Welche Note erteilen Sie der IGB-Zeitschrift Der Maueranker?<br />
Gibt es Themen, die zu breiten Raum einnehmen?<br />
o nein o ja, und zwar _____________________________________________________________<br />
Gibt es Themen, die zu wenig berücksichtigt werden?<br />
o nein o ja, und zwar _____________________________________________________________<br />
Hat eine Veranstaltung / haben Veranstaltungen des <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong> Sie besonders<br />
interessiert? Wenn ja, welche?<br />
__________________________________________________________________________________<br />
Hat eine Veröffentlichung / haben Veröffentlichungen des <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong> Sie besonders<br />
interessiert? Wenn ja, welche?<br />
__________________________________________________________________________________<br />
Welche Note erteilen Sie der Arbeit des <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong> insgesamt?<br />
Welche Schwerpunkte wünschen Sie sich in der künftigen Arbeit?<br />
__________________________________________________________________________________<br />
Sonstige Kommentare, Kritikpunkte, Vorschläge:<br />
__________________________________________________________________________________<br />
__________________________________________________________________________________<br />
__________________________________________________________________________________<br />
__________________________________________________________________________________<br />
__________________________________________________________________________________<br />
Vielen Dank für Ihre Mitarbeit! Foole tunk!
Das <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong> errichtet<br />
anlässlich seines 40-jährigen Bestehens den<br />
Tams-Jörgensen-Fonds.<br />
Tams Jörgensen war Mitbegründer und<br />
langjähriger Leiter des <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong>.<br />
Insbesondere für die sprachliche Arbeit<br />
hat er wichtige Grundlagen geschaffen. Mit<br />
großer Sorgfalt redigierte er zum Beispiel<br />
das Nordfriesische Jahrbuch. Gerade junge<br />
Menschen vermochte er für das Friesische zu<br />
gewinnen.<br />
Mitglieder und Freunde des <strong>Nordfriisk</strong><br />
<strong>Instituut</strong> bitten wir um Spenden, die im<br />
Tams-Jörgensen-Fonds gesammelt werden.<br />
Mit den Erträgen sollen alle zwei Jahre<br />
ausgewählte Veröffentlichungen oder<br />
Veranstaltungen gefördert werden.<br />
Spenden in jeder Höhe werden dankbar<br />
entgegengenommen. Wer 40 Euro oder mehr<br />
gibt, wird als Donator geführt; wer 400 Euro<br />
oder mehr spendet, gilt als Patron des Tams-<br />
Jörgensen-Fonds.<br />
Einzahlungen erbitten wir auf das Konto 737<br />
bei der Spar- und Leihkasse zu Bredstedt<br />
(BLZ 21750000) oder Konto 31161 bei der<br />
Nord-Ostsee Sparkasse (BLZ 21750000) mit<br />
dem Vermerk „Spende Tams-Jörgensen-<br />
Fonds“.<br />
gez. Thomas Steensen<br />
Direktor des <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong><br />
Tams Jörgensen<br />
(1924-1987)
Ein Missionar des Friesischen in Friesland<br />
Tams Jörgensen war ein Kind des schleswigschen<br />
Grenzlandes. In seinem Leben<br />
spiegelt sich dessen bewegte Geschichte. Als<br />
Sohn des Baumeisters Wilhelm Jürgensen<br />
und seiner Ehefrau Ilse geb. Tams wurde er<br />
am 11. März 1924 in Husum geboren. Er hat<br />
manches Mal darauf hingewiesen, am gleichen<br />
Tag Geburtstag zu haben wie Albrecht<br />
Johannsen, dessen Arbeit für das Friesische<br />
er für vorbildlich hielt. In Husum wuchs er<br />
auf. 1942 wurde er zum Kriegsdienst einberufen.<br />
Er wurde verwundet und geriet in<br />
sowjetische Kriegsgefangenschaft, aus der<br />
er 1945 mit einer Gelbsucht zurückkehrte.<br />
Seine Erfahrungen ließen ihn zu einem<br />
überzeugten Kriegsdienstgegner werden.<br />
Von 1946 an studierte er in Freiburg, Kiel<br />
und Kopenhagen Deutsch und Englisch.<br />
Seine ausgedehnten Studien schloss er mit<br />
glänzenden Examina ab. Als ein Ergebnis<br />
seiner mit Auszeichnung benoteten Spezialarbeit<br />
über die Mooringer Mundart konnte<br />
er bereits 1955 sein – in den nordfriesischen<br />
Farben eingebundenes – „Frasch-Tjüsch-<br />
Dånsch Uurdebök“ erscheinen lassen, das<br />
mehrfach neu aufgelegt wurde.<br />
Nach den Erfahrungen der NS-Diktatur<br />
auf der Suche nach volklicher Zugehörigkeit,<br />
fand er, dessen Vorfahren väterlicherseits<br />
von Alsen stammten, zur dänischen Sprache<br />
und Kultur. Stark beeinflusst wurde er<br />
von dem Gedankengut des dänischen Theologen<br />
und Philosophen N. F. S. Grundtvig<br />
(1783-1872). Dessen Idee der „folkelighed“,<br />
der Hinwendung zur Sprache und Kultur<br />
des eigenen Volkes und des gleichzeitigen<br />
Respekts für andere Volkskulturen hat Tams<br />
wie nur wenige andere geistig durchdrungen,<br />
verinnerlicht und gelebt.<br />
Die Gründung des <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong><br />
in Bredstedt 1964/65 geht in hohem Maße<br />
auf Tams Jörgensens Initiative zurück. Von<br />
den wissenschaftlichen Mitarbeitern war er<br />
der Mann der ersten Stunde. Gemeinsam<br />
mit Dr. Hans Christian Nickelsen (bis 1972)<br />
und Reimer Kay Holander prägte er das Institut<br />
zwei Jahrzehnte hindurch als für das<br />
sprachliche Gebiet zuständiger Lektor und<br />
– seit 1971 – als Institutsleiter.<br />
Tams betreute mit der ihm eigenen Sorgfalt<br />
und Gründlichkeit zahlreiche Veröffentlichungen<br />
zum Friesischen, redigierte von<br />
1968 bis 1985 als verantwortlicher Schriftleiter<br />
das Nordfriesische Jahrbuch, wirkte<br />
ab 1971 als Lehrbeauftragter für Friesisch<br />
an der Pädagogischen Hochschule in Flensburg<br />
und leitete friesische Sprachkurse.<br />
Die Verbindung mit Ost- und Westfriesland<br />
war ihm schon früh ein Anliegen. Er<br />
nahm in den 1950er Jahren an den ersten<br />
Friesenkongressen nach dem Krieg teil.<br />
Die interfriesischen „Studentenlager“, die<br />
seit 1965 jährlich abwechselnd in einem<br />
der Frieslande gehalten wurden, gehen<br />
großenteils auf seinen Einsatz zurück. Das<br />
Biikebrennen auf dem Stollberg, durch das<br />
dieses friesische Fest auf dem Festland neu<br />
belebt wurde, hätte es ohne ihn wohl nicht<br />
gegeben. Denn Tams verstand es, vor allem<br />
junge Menschen für das Friesische einzunehmen,<br />
ja zu begeistern, weil er ihnen<br />
mit seiner Weltsicht und Lebensauffassung<br />
nahe stand. Aufgrund seines Einfühlungsvermögens<br />
war er vielen ein wichtiger Gesprächspartner,<br />
der weiterhalf.<br />
Wo es um das Friesische ging, war Tams<br />
Jörgensen zur Stelle. Für viele war er geradezu<br />
die letzte Instanz in Fragen der friesischen<br />
Rechtschreibung und Grammatik. Seine<br />
Arbeit leistete er gewissenhaft, manchmal<br />
bis an den Rand der Erschöpfung. Häufig<br />
brannte spät abends noch Licht in seinem<br />
Zimmer im Institut.<br />
Das <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong> ist ihm nie allein<br />
Arbeitsstelle gewesen, es war ihm ohne<br />
Übertreibung eine Herzensangelegenheit.<br />
Für die Unabhängigkeit des Instituts, seine<br />
nationalpolitische Neutralität auf der<br />
Grundlage wissenschaftlicher Objektivität<br />
hat er sich immer mit aller Energie eingesetzt.<br />
Zwischen seinem persönlichen Bekenntnis<br />
zur dänischen Minderheit und der<br />
neutralen Ausrichtung des Instituts zog er<br />
stets einen klaren Trennungsstrich.<br />
Als Tams 1984 aus Krankheitsgründen<br />
aus dem Institut ausschied – er starb am<br />
Ostersonntag 1987 – nannte ihn der damalige<br />
Vorsitzende des Institutsvereins Jakob<br />
Tholund einen „Missionar des Friesischen<br />
in Friesland“.<br />
Aus: Thomas Steensen: Abschied von Tams<br />
Jörgensen. In: Nordfriesland 77/78 (Juni<br />
1987), S. 9-10.
der alle Befugnisse der rechtmäßigen Landessynode<br />
dem deutschchristlichen Landeskirchenausschuss<br />
übertrug. Festgelegt<br />
wurden zudem neue Bestimmungen über<br />
die Entlassung, Versetzung oder vorzeitige<br />
Pensionierung „nichtarischer“ und solcher<br />
Geistlicher, die sich nicht rückhaltlos zum<br />
nationalsozialistischen Staat und zur „neuen“<br />
Kirche bekannten.<br />
In Kiel, Flensburg und Altona sammelten<br />
sich daraufhin kleine Kreise bekenntnistreuer<br />
Pastoren, die sich gegen den wachsenden<br />
Druck nationalsozialistischer Gleichschaltung<br />
wehrten und in Rendsburg im Oktober<br />
1933 eine „Not- und Arbeitsgemeinschaft<br />
Schleswig-Holsteinischer Pastoren“ gründeten.<br />
Das „Altonaer Bekenntnis“ vom 11. Januar<br />
1933 war das früheste Widerstandsignal<br />
aus den Reihen der bekennenden Christen<br />
und diente den sich bildenden Kreisen der<br />
Verweigerung gegen die Gleichschaltung als<br />
Orientierungspunkt.<br />
Durch die erzwungene Eingliederung der<br />
evangelischen Jugendverbände in die Hitlerjugend<br />
Ende 1933 wurde der Rechtsnotstand<br />
immer bedrückender. Am 17. Juli 1935<br />
trat daraufhin die erste Bekenntnissynode in<br />
der Kieler St. Jürgen-Kirche zusammen.<br />
Breklum hatte während des beginnenden<br />
Kirchenkampfes in Schleswig-Holstein eine<br />
mehrfache Schlüsselbedeutung: Hier war<br />
das Zentrum einer trotz des wachsenden<br />
politischen Drucks intensiven volksmissionarischen<br />
Arbeit, die „Hilfsgeistliche“ in<br />
vielen Hausbesuchen und Bibelstunden in<br />
die Dörfer und Städte der Umgebung führte<br />
und die Bildung von Widerstand gegen die<br />
nationalsozialistische Ideologie ermutigte.<br />
Breklum war Sitz des späteren Amtes<br />
für Volksmission der Bekennenden Kirche<br />
unter dem Vorsitz von Pastor Johannes<br />
Lorentzen, Kiel. Rüstzeiten für die Pastoren,<br />
Evangelisationen in den Gemeinden<br />
und viele Hausbesuche gingen sogar in den<br />
Kriegsjahren weiter.<br />
Von Breklum wurden Flugblätter und<br />
Kleinschriften der Schriftenmission im<br />
Lande verteilt, die wesentlich die Stimme<br />
der Bekennenden Kirche zu Gehör brachten<br />
wie etwa „Um Kreuz und Altar“, „Beten“ oder<br />
„Blut und Boden – das gibt Blutvergiftung“.<br />
Breklum war – durch die Mission und<br />
die Verbindungen zum Internationalen<br />
Missionsrat (IMC) – ein Ort, an dem damals<br />
verbotene Beziehungen zu Ländern jenseits<br />
Pastor Martin Pörksen,<br />
Missionsdirektor<br />
in schwerer Zeit<br />
der deutschen Grenzen existieren konnten.<br />
So wurde 1938/39 mit der amerikanischen<br />
lutherischen Mission vereinbart, dass die<br />
Verbindung zur Jeypur-Kirche in Indien,<br />
die während des Krieges für Breklum abgeschnitten<br />
war, von Amerika aus fortgeführt<br />
und finanziert werden sollte.<br />
Breklum war ein zentraler Treffpunkt und<br />
Verknüpfungsort für die führenden Kreise<br />
der Bekennenden Kirche in Schleswig-<br />
Holstein. Der Bruderrat der Bekennenden<br />
Kirche traf sich häufig hier. Auch die Vorbereitung<br />
einer neuen Landessynode, die Sondierungen<br />
zur Wahl einer neuen Kirchenleitung<br />
für die Zeit nach Kriegsende und<br />
die Anfrage an Pastor Wilhelm Halfmann<br />
aus Flensburg, neuer Bischof zu werden,<br />
erfolgten auf einer Sitzung des Bruderrates<br />
in Breklum.<br />
Im Breklumer Sanatorium wurden Jahre<br />
hindurch behinderte und kranke Menschen<br />
aufgenommen, die vom Euthanasie-Programm<br />
der nationalsozialistischen Führung<br />
bedroht waren.<br />
Für Missionsdirektor Dr. Martin Pörksen,<br />
der ab Herbst 1937 als Nachfolger von Pastor<br />
Peter Piening die Gesamtverantwortung<br />
für die Mission daheim und draußen trug,<br />
waren die Kriegsjahre eine äußerst schwere<br />
Zeit. Drückende Schulden und eine restriktive<br />
staatliche Devisenbewirtschaftung<br />
drohten, alle Überseeaktivitäten zum Erliegen<br />
zu bringen. In einer ungeheueren Kraftanstrengung<br />
gelang es in Breklum, durch<br />
„Außerordentliche Missionstage“ in fast 400<br />
Gemeinden und durch Werbung von 6 000<br />
eingetragenen „Missionsfreunden“ die Gaben<br />
für die Weltmission um ein Viertel zu<br />
steigern. Statt Kräfte zurückzurufen, konnte<br />
Breklum 1938 noch einmal acht Missionare<br />
NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005 17
einschließlich der Ehepartnerinnen zum<br />
ersten oder zweiten Mal nach Indien und<br />
China abordnen. Bald danach aber waren<br />
durch den Zweiten Weltkrieg alle Türen<br />
nach draußen verschlossen.<br />
In Indien und China konnten die Frauen<br />
und die älteren Missionare noch bis 1943<br />
weiterarbeiten, dann wurden auch sie interniert.<br />
Die Mitarbeiter in der Heimat, Johann<br />
Schmidt und Dr. Hans Dunker, wurden zum<br />
Kriegsdienst eingezogen. Schriftenmission<br />
durfte nicht mehr stattfinden, und das Missionsblatt<br />
musste 1941 sein Erscheinen einstellen.<br />
Papier wurde für „kriegswichtige“<br />
Zwecke gebraucht. Die verwaisten Gemeinden<br />
in der Umgebung Breklums forderten<br />
den Dienst des Daheimgebliebenen. Im<br />
Jahresbericht 1944 schrieb Martin Pörksen:<br />
„Wir sind am Ende mit all unserer Weisheit,<br />
all unserem Denken, all unseren Kräften.<br />
Nun laßt Gott anfangen. Er hat tausend<br />
Möglichkeiten.“<br />
Neuanfang nach 1945<br />
Kaum war der Krieg zu Ende, da verhandelten<br />
Wilhelm Halfmann und er im Auftrag<br />
des Bruderrates mit Vertretern der damaligen<br />
Kirchenleitung über eine Neuordnung<br />
der Ämter und Gremien in der Landeskirche.<br />
Die erste freie Synode nach Kriegsende<br />
in Rendsburg im August 1945 beauftragte<br />
die Breklumer Mission mit der Einrichtung<br />
eines Katechetischen Seminars (ab 1948<br />
„Breklumer Seminar für missionarischen<br />
und kirchlichen Dienst“). Mitbegründerin<br />
und spätere Oberin war Gertrud Friedrich,<br />
geboren 1905 in Stettin. Ihre Flucht aus<br />
Schlesien im Winter 1945 endete zunächst<br />
in Hamburg, wo Volkmar Herntrich, der<br />
spätere Bischof der Hansestadt, sie an Pastor<br />
Pörksen wies, der als Missionsdirektor nach<br />
einem Menschen Ausschau hielt, der Reisedienst<br />
in die Gemeinden und Ausbildung<br />
kirchlicher Mitarbeiter vor Ort mit übernehmen<br />
könnte. Am 17. Oktober 1945 begann<br />
der erste Seminarkursus mit 16 Lernwilligen<br />
im Alter von 20 bis 42 Jahren.<br />
Durchgeführt wurden Lehrgänge für<br />
Gemeindehelferinnen und -helfer – mit<br />
Unterkursus, Praktikum und Oberkursus –,<br />
einer für Organisten sowie einer in Religionspädagogik<br />
für die Berufsschule. Leiter<br />
des Katechetischen Seminars war zwischen<br />
1961 und 1968 Pastor Klaus Goßmann. Die<br />
veränderten Anforderungen an die Gemeindehelferinnen<br />
und Gemeindehelfer führten<br />
bereits in den 1960er Jahren zu verstärkten<br />
Überlegungen, die Ausbildung auf eine neue<br />
Grundlage zu stellen. Die Tendenz ging verstärkt<br />
in die Richtung einer Fachschulausbildung<br />
auf wissenschaftlicher Grundlage. Das<br />
war in Breklum, so sah es die Kirchenleitung,<br />
nicht in hinlänglichem Maße möglich. 1970<br />
wurde das Seminar geschlossen. Seine letzten<br />
Schülerinnen und Schüler mussten nach<br />
Hamburg in das Rauhe Haus wechseln, das<br />
die Ausbildung der Diakone übernahm.<br />
Es ist erstaunlich, dass trotz umfassender<br />
Ein- und Zusammenbrüche, nicht zuletzt<br />
durch die Kriegsauswirkungen, aus der Breklumer<br />
Arbeit in Indien eine eigenständige<br />
Kirche entstanden ist, heute die älteste Partnerkirche<br />
der Nordelbischen Evangelischen<br />
Kirche. Im Herbst 1950 wählte sie erstmals<br />
einen aus Einheimischen bestehenden Kirchenrat,<br />
1964 vereinigten sich die Kirchen<br />
West-Jeypur und Ost-Jeypurs, im Jahre<br />
1967 trat dort Pastor Jacob Nag sein Amt als<br />
erster indischer lutherischer Bischof an. Im<br />
Jahre 1958 nahmen Breklumer Missionare<br />
außerdem die Arbeit in Tansania wieder<br />
auf, später kam die von der Leipziger Mission<br />
begonnene Arbeit in Papua Neuguinea<br />
hinzu.<br />
Die Breklumer Mission prägte die Entwicklung<br />
hin zur Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen<br />
Kirche mit. Ein Mann wie Reinhard<br />
Wester etwa, der nach dem Krieg eine<br />
prägende Rolle in Nordelbien spielte, hatte<br />
vor 1945 enge Verbindungen zur Breklum.<br />
Es wirkte nach, dass Breklum während der<br />
NS-Herrschaft ein vielleicht entscheidendes<br />
Zentrum der Bekennenden Kirche war.<br />
Ende der 1960er Jahre drängen Stimmen<br />
auf eine stärkere Integration von Kirche<br />
und Mission. Im November 1968 wurde<br />
die Einsetzung eines Nordelbischen Missionsbeirates<br />
beschlossen mit drei Vertretern<br />
der Schleswig-Holsteinischen, je zwei der<br />
Hamburger und der Lübecker, einem der<br />
Eutiner Kirche sowie zwei Vertretern der<br />
Breklumer Mission. Die außerordentliche<br />
Generalversammlung am 12. September<br />
1970 in Rendsburg rief ein Nordelbisches<br />
Zentrum für Weltmission und Kirchlichen<br />
Weltdienst ins Leben. Dies war eine Vorstufe<br />
der 1977 vollzogenen Bildung der Nordelbischen<br />
Kirche.<br />
18 NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005
Das zur Zeit Christian Jensens<br />
errichtete Martineum und seine<br />
Umgebung wurden für die Zwecke<br />
des Kollegs umgebaut und neu<br />
gestaltet.<br />
Christian Jensen Kolleg<br />
Einen wichtigen und nachhaltigen Neuaufbruch<br />
stellt die Gründung des Christian<br />
Jensen Kollegs im Jahre 2001 dar. Mit ihm ist<br />
an traditionsreichem Ort ein ökumenisches<br />
Begegnungs- und Tagungszentrum entstanden,<br />
das nicht nur Gruppen und Gemeinden<br />
der Nordelbischen Kirche zur Verfügung<br />
steht, sondern das auch für Gruppen und<br />
Veranstaltungen aus dem gesellschaftlichen<br />
und kulturellen Raum Schleswig-Holsteins<br />
und darüber hinaus offen steht.<br />
Zu den 17 Gesellschaftern des Kollegs<br />
gehören das Nordelbische Missionszentrum<br />
in Hamburg als Mehrheitsgesellschafter, die<br />
Nordelbische Kirche, die zehn Kirchenkreise<br />
des Sprengels Schleswig, die Kirchengemeinde<br />
Breklum, die Nordschleswigsche<br />
Gemeinde, der Verein der Breklumer Mission<br />
in Nordschleswig sowie als nichtkirchliche<br />
Gesellschafter die Gemeinde Breklum<br />
und der Schulverband Breklum.<br />
Zu den Themen des Kollegs gehören Mission,<br />
Ökumene und interreligiöser Dialog,<br />
Förderung und Unterstützung der haupt-<br />
und ehrenamtlichen Arbeit in der evangelischen<br />
Kirche, Seminare und Workshops im<br />
Bereich Theologie und Religionspädagogik,<br />
Konzeptentwicklung, Personal- und Gemeindeentwicklung,<br />
Leben und Arbeiten<br />
auf dem Land, Europa und das Leben in<br />
einer Grenzregion, Geistliche Einkehr sowie<br />
Urlaub für Gruppen, Dialog zwischen den<br />
Generationen und Fragen des Alterns.<br />
Mit Mitteln der Europäischen Union (40%)<br />
und der Bundesrepublik Deutschland sowie<br />
des Landes Schleswig-Holstein (zusammen<br />
10%) wurden in Breklum in den Jahren 2003<br />
und 2004 sämtliche vorhandenen Gebäude<br />
aus- und umgebaut. Die Außenanlagen wurden<br />
neu gestaltet. Zusätzlich sind zwei neue<br />
Gästehäuser entstanden. Das Bauvolumen<br />
betrug etwa 5,6 Millionen Euro.<br />
So ist das Kolleg mit seinem wunderschönen<br />
Parkgelände, insbesondere dem<br />
neugestalteten Innenhof, wesentlich auch<br />
ein Ort der Ruhe, der Einkehr, des Urlaubs<br />
in einer sehr reizvollen Naturlandschaft,<br />
des Dialogs mit den verschiedenen gesellschaftlichen<br />
Gruppen und Kulturträgern in<br />
der Region sowie des Verwöhntwerdens mit<br />
einer freundlichen Gastlichkeit und hervorragenden<br />
Küche.<br />
In der Erklärung zur Gründung heißt es:<br />
„Das Christian Jensen Kolleg ist als Ort umfassender<br />
Bildung dem christlichen Menschenbild<br />
verpflichtet. Es will Menschen<br />
dabei unterstützen, ihre Verantwortung als<br />
Mitgestalter des Lebens in Kirche und Gesellschaft<br />
wahrzunehmen und die Erfahrungen<br />
des Glaubens als jener Dimension, der<br />
wir unser Leben verdanken, zu vertiefen.<br />
Das bedeutet zugleich, das Menschen an<br />
diesem Ort in ihrer Geschöpflichkeit wahrgenommen<br />
werden, in ihrer Angewiesenheit<br />
auf die Gnaden des Lebens.“<br />
Dr. Dietrich Werner ist Theologe und Referent<br />
des Nordelbischen Missionszentrums im<br />
Christian Jensen Kolleg. Der für den Druck<br />
überarbeitete Text basiert auf einem am<br />
11. August 2004 im Rahmen des 14. Nordfriesischen<br />
Sommer-Instituts in Bredstedt<br />
gehaltenen Vortrag. (Adresse: Kirchenstraße,<br />
25821 Brääklem/Breklum, NF.)<br />
NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005 19<br />
Foto: Christian Jensen Kolleg
Manfred Wedemeyer:<br />
Erdlebenbilder<br />
Zur Gedächtnisausstellung für<br />
Dieter Röttger in Westerland<br />
Die schwerste und letzte Aufgabe<br />
des Künstlers ist die Darstellung<br />
des Gleichbleibenden, in sich<br />
Ruhenden, Stolzen, Einfachen, vom<br />
Einzelreiz weit Absehenden.<br />
Friedrich Nietzsche<br />
Aus der Biographie von Dieter Röttger ist<br />
bekannt, dass der 1930 in Hamburg geborene<br />
Künstler im Jahr 1960 nach Sylt kam. Es<br />
ist darüber gesprochen worden, warum er<br />
von seiner Heimatstadt auf die Insel umzog<br />
und was ihm die Insel bedeutete. Einer der<br />
Gründe, die ihn zum Umzug bewogen, war<br />
der damalige Wiederaufbau in Hamburg.<br />
Er brauchte den weiten Blick. In der Hansestadt<br />
war rundherum alles flachgebombt<br />
gewesen. Dann aber wurden vielstöckige<br />
Häuser hochgezogen, die die Sicht in die<br />
Weite versperrten. Das passte Dieter Röttger<br />
nicht. Als die Stadt Hamburg wieder wohnlich<br />
wurde, zog er weg. Es gibt auch eine<br />
einfache, plausiblere Erklärung für seinen<br />
Wegzug. Er folgte nämlich seiner späteren<br />
Frau Gunthild auf dem Fuße. Sie hatte sich<br />
für Sylt entschieden.<br />
In Hamburg schloss Dieter Röttger eine<br />
Lehre im graphischen Gewerbe ab, bei<br />
Broschek, damals ein geschätztes Unternehmen<br />
für Druck- und Bucherzeugnisse.<br />
Typographie und Schriftzeichen waren die<br />
Fachgebiete, die Dieter Röttger zeitlebens<br />
als sein Metier sah. Seine künstlerische Ausbildung<br />
erhielt er bei Arnold Fiedler, ebenfalls<br />
in Hamburg. Durch ihn kam er mit der<br />
informellen Kunst in Verbindung, mit dem<br />
„Informel“, einer Gruppe der gegenstandsfreien<br />
Malerei und Graphik, die sich seit<br />
1945 herausbildete. Sie lehnte abgegrenzte<br />
Formen und feste Kompositionsgesetze ab.<br />
Statt dessen bemühte sich die informelle<br />
Kunst darum, durch frei erfundene Zeichen<br />
und durch Rhythmus und Struktur ineinandergreifender<br />
Linien Bildideen, also Geistiges<br />
auszudrücken. Diese Auffassung sehen<br />
wir auch verwirklicht in den Bildern von<br />
Dieter Röttger – mit den Grundformen wie<br />
Spirale und Rosette als Abstraktionen von<br />
Naturformen. Diese Figuren sind aus dem<br />
Informel hervorgegangen.<br />
Zeichen für die informelle Kunst bietet<br />
die Insel Sylt in Hülle und Fülle, zum Beispiel<br />
am Strand die dünn auflaufenden und<br />
auslaufenden Wellen und die Muster, die sie<br />
in den Sand spülen und dann wieder wegwischen.<br />
Dieter Röttger war davon besonders<br />
fasziniert. Er hat auch auf Petrefakten, auf<br />
Versteinerungen den Blick gerichtet und<br />
kam ins Gespräch mit dem Hobby-Geologen<br />
Ulrich von Hacht, der den Künstler über<br />
Sylts reiche Fossilienwelt aufklärte und seine<br />
Sammlung versteinerter Schwämme zeigte.<br />
Überhaupt haben Geologie, Paläontologie,<br />
Vorgeschichte, Archäologie und Botanik das<br />
Röttgersche Weltbild nachhaltig geprägt.<br />
Versteinerungen gehörten zu den Sammlungen,<br />
die er in seiner Künstlerklause an<br />
der Munkmarscher Chaussee aufbewahrte<br />
und auch immer wieder in die Hand nahm.<br />
Es ist daran zu erinnern, wie der Künstler<br />
in seinem Keitumer Atelier lebte. Es war<br />
vollgestopft mit Glaskästen und Glasplatten,<br />
auf denen die gesammelten Gegenstände<br />
ruhten: Muscheln, Schnecken, anderes<br />
Seegetier, natürlich auch Bücher und Bilder.<br />
Afrikanische Masken, Figuren, Goldgewichte<br />
oder Ashantis zusammenzutragen, dazu<br />
hatte ihn eine dreimonatige Seereise um<br />
Afrika 1965 angeregt. Ebenso besaß er japanische<br />
Netsuke, kleine, durchlochte Figuren<br />
zum Tragen als Glücksbringer. Alles war so<br />
aufeinander getürmt, dass der Besucher,<br />
20 NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005
zum Sitzen aufgefordert,<br />
kaum Platz fand<br />
und im Sitzen oder<br />
Stehen ruhig ausharren<br />
musste, damit<br />
nichts umgestoßen<br />
wurde. Die Geschichte<br />
mit der Einladung<br />
zum Tee ist oft genug<br />
erzählt worden. Der<br />
Tee wurde versprochen,<br />
aber es gab ihn<br />
nicht, weil der Redefluss<br />
des Künstlers das<br />
Servieren<br />
zuließ.<br />
gar nicht<br />
Zwischen dem, was<br />
Dieter Röttger sammelte,<br />
und dem, was<br />
er malte, besteht eine<br />
enge Beziehung. Was<br />
er in der Natur fand,<br />
das hat er in seinem Vogelform. Mischtechnik 1980<br />
Kopf bewahrt und<br />
verarbeitet. Die genaue Beobachtung der einem Ausdruck von Carl Gustav Carus,<br />
Natur und Landschaft war die Grundlage dem Arzt und Zeitgenossen von Goethe, be-<br />
seines Schaffens. Was sein Lehrer Arnold schrieben in seinem Buch „Neun Briefe über<br />
Fiedler gesagt hat, gilt auch für ihn: „Meine Landschaftsmalerei“ in den Jahren 1815 bis<br />
Welt baue ich aus Abbildern der Wirklich- 1824. Das Erdlebenbild von Carus schwebte<br />
keit mit Traumvorstellungen und Erinne- auch Dieter Röttger vor, weit über alles Anrungen.“<br />
Tatsächlich sind Röttgers Bilder geschaute hinaus in einer Idee vom Kreis-<br />
Verbindungen von feinen Beobachtungen lauf, von Leben und Tod der Natur. Erdle-<br />
mit Träumen und Erinnerungen. Der Künstbenbilder als eine Chiffre, ein Ausdruck für<br />
ler verschmolz seine Eindrücke von Tier-, das Weltbild, das Dieter Röttger mit seinen<br />
Pflanzen-, Landschafts- und Wolkenformen Werken geschaffen hat.<br />
mit seiner Vorstellungskraft. Aufgrund der Die Arbeitsweise von Dieter Röttger, sein<br />
exakt beobachteten Wirklichkeit entstan- Suchen nach den Urideen, ist auch gekennden<br />
Ähnlichkeiten mit den tatsächlichen zeichnet vom Seriellen. Er produzierte oft<br />
Formen und Strukturen, wie sie die Natur nicht einzelne Bilder, sondern Bilderreihen<br />
aufweist. Dieter Röttger kehrte also vom zu bestimmten Motiven. Daran malte er Tag<br />
Informel wieder zurück zum Gegenständ- für Tag, Monat für Monat. Sein Herangehen<br />
lichen. Deshalb hat der Bildbetrachter den an ein Bildthema erinnerte an eine japa-<br />
Eindruck, das Urphänomen Sylt, die Urnanische Anekdote. Da beauftragt ein Kaiser<br />
turformen der Insel zu erkennen, wie Meer, einen Maler, einen Meister der Kunst, ihm<br />
Ufer, Horizont, Pflanzen, Tiere und Steine, einen Hahn zu malen. Nach einem Jahr<br />
ferner Rippelmarken am Strand, Küsten- schickt der Kaiser einen Boten mit der Fraformationen,<br />
Gestrüpp, Gräser im Wind, ge, wann endlich der Hahn geliefert werde.<br />
Dünen, Quallen, Schnecken, Fische, Wolken Antwort: Noch nicht fertig. Nach einem<br />
und Sonnenball.<br />
weiteren Jahr kommt der Kaiser persönlich,<br />
Wie andere Künstler vor ihm, sah Dieter und wieder lautet die Antwort: Noch nicht.<br />
Röttger seine Aufgabe nicht in der Natur- Allerdings zeigt der Meister ihm sein Atewiedergabe.<br />
Sein Weltbild, sein Kosmos war lier, und das sieht der Kaiser: Hunderte und<br />
umfassender. Sein Interesse an Landschaft Hunderte von Blättern mit Hähnen. Aber die<br />
und Natur im Entstehen und Vergehen Form, die er sucht, die Urform des Hahns,<br />
verdichtete sich zum Erdlebenbild – nach die hat er noch nicht gefunden.<br />
NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005 21
Phantastische Landschaft. Fliesenbild von 1976<br />
Ob Dieter Röttger seine endgültigen Urformen<br />
gefunden hat? Wir wissen es nicht.<br />
Endgültige Formulierungen eines Themas<br />
zu finden ist freilich schwierig, aber dennoch<br />
möglich. Vermutlich bieten die Erdlebenbilder<br />
von Dieter Röttger eher Annäherungen.<br />
Hinweise auf neue Wege zum Verständnis<br />
des Kosmos.<br />
Dieter Röttger wollte nie als Sylt-Maler<br />
bezeichnet werden. „Das einzige, was meine<br />
Aquarelle mit Sylt gemeinsam haben, ist das<br />
Wasser, mit dem sie gemalt sind“, pflegte er<br />
gern zu sagen. Aber das ist sicherlich eine<br />
Untertreibung, denn Sylt verdankt er viel.<br />
Die Inselnatur hat er geliebt. Auf Spaziergängen<br />
kam er ihr nahe. Er sah sie schon<br />
originär beim Ausblick aus seinem Atelierfenster.<br />
Einer Gruppe wollte er jedoch nicht<br />
angehören. Er war ein unorthodoxer Künstler,<br />
der sich weder den Gesetzen des Kunstmarkts<br />
noch einer bestimmten Stilrichtung<br />
unterordnete.<br />
Dieter Röttger lebte ziemlich isoliert, aber<br />
mehr deswegen, weil er ein Einzelgänger<br />
war, ein Einzelgänger mit einem geselligen<br />
Anschluss. Den Menschen war er zugewandt.<br />
Zur Freundschaft war er in hohem<br />
Maß fähig. So traf er regelmäßig seine Freunde<br />
vom Rotary Club Sylt-Westerland. Rotary<br />
betrachtete er als seine Familie und vertrat<br />
die Ziele dieser Vereinigung vorbildlich. Oft<br />
bewies er sein soziales Verhalten und seine<br />
Hilfsbereitschaft. Er war die treibende Kraft<br />
dafür, dass 1987 die Stadt Westerland eine<br />
Sammlung aus Bildern von zumeist in Nord-<br />
deutschland beheimateten Künstlern erhielt<br />
als Spende zur Ausstellung in der Öffentlichkeit<br />
für Einwohner und Kurgäste.<br />
Als Einzelgänger konnte Dieter Röttger<br />
seine Kunst nicht immer erfolgreich vermarkten.<br />
Die Kunstwelt beachtete eine Zeitlang<br />
seine Arbeitsweise und Bildersprache,<br />
seine Erdlebenbilder fanden jedoch nicht<br />
immer das Interesse, das ihren Eigenheiten<br />
und ihrer künstlerischen Originalität zukommt.<br />
Gleichwohl hat er den Mut nie sinken<br />
lassen und in Beharrlichkeit von seinem<br />
Schaffen in Ausstellungen immer erneut<br />
überzeugt.<br />
Dieter Röttger war auch ein Freund der<br />
Weisheit, ein Philosoph, der zu allen Themen<br />
Fundiertes beitragen konnte, redegewandt,<br />
streitlustig, aber immer versöhnlich.<br />
Wir gedenken des Künstlers und Freundes<br />
dankbar. Dieter Röttger war einer der charaktervollsten,<br />
in der Entfaltung seiner<br />
Arbeiten gradlinigsten Maler im Schleswig-<br />
Holstein der Gegenwart. Er starb am 18. August<br />
2003.<br />
Dr. Manfred Wedemeyer ist Volkswirt, von<br />
1971 bis 1998 leitete er die Akademie am<br />
Meer in Klappholttal auf Sylt. Der Wahl-<br />
Insulaner verfasste zahlreiche Bücher und<br />
Schriften zu Sylter Themen. Nordfriesland<br />
dokumentiert den Text seiner Einführungsrede<br />
zur Eröffnung der Gedenkausstellung<br />
für Dieter Röttger am 1. Februar 2005 in<br />
Westerland. (Adresse: Skelinghörn 18, 25980<br />
Muasem/Morsum, Sylt, NF.)<br />
22 NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005<br />
Abbildungen: Sammlung Manfred Wedemeyer
Thomas Steensen:<br />
Zwischen „Friesenklausel“ und<br />
europäischer Anerkennung<br />
Einige Bemerkungen anlässlich des 50-jährigen Jubiläums<br />
der Bonn-Kopenhagener Erklärungen<br />
Im deutsch-dänischen Grenzland wird<br />
im März 2005 der Bonn-Kopenhagener<br />
Erklärungen von 1955 gedacht.<br />
Was bedeuteten sie für die Nordfriesen?<br />
Dazu ein historischer Rückblick.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte der<br />
deutsch-dänische Grenzkampf in großer<br />
Schärfe wieder auf. Die prodänische Heimatbewegung<br />
Südschleswigs, die zeitweise<br />
von den meisten Einheimischen unterstützt<br />
wurde, drang mit ihrem Hauptziel – einem<br />
Anschluss des Gebiets an Dänemark – nicht<br />
durch. Das Königreich steuerte eine vorsichtige,<br />
weitsichtige Politik. Schon am<br />
9. Mai 1945 legte sich die dänische Regierung<br />
fest auf den Grundsatz: „Grænsen<br />
ligger fast.“ Die Grenze liegt fest. Auch die<br />
britische Besatzungsmacht hatte kein Interesse<br />
an einer Grenzverschiebung. Sie wies<br />
den Weg zu Verhandlungen zwischen der<br />
dänischen Minderheit und der Landesregierung<br />
Schleswig-Holsteins. Das Ergebnis<br />
war die „Kieler Erklärung“, die am 26. September<br />
1949 durch die damals von der SPD<br />
gestellte Landesregierung im Schleswig-<br />
Holsteinischen Landtag verkündet wurde.<br />
Sie gewährte der dänischen Minderheit<br />
bestimmte Rechte und enthielt die Kernaussage:<br />
„Das Bekenntnis zum dänischen<br />
Volkstum und zur dänischen Kultur ist frei.<br />
Es darf von Amts wegen nicht bestritten<br />
oder nachgeprüft werden.“ Im IV. Abschnitt,<br />
hieß es: „Die hier aufgestellten Grundsätze<br />
gelten sinngemäß auch für die friesische Bevölkerung<br />
in Schleswig-Holstein.“<br />
Vermutlich auf Drängen der Nationalen<br />
Friesen hatte die dänische Minderheit gegenüber<br />
der britischen Militärregierung<br />
eine „Sicherheitsklausel für Friesen und die<br />
friesische Sprache“ ins Gespräch gebracht.<br />
Zunächst hatten sowohl Regierung als<br />
auch dänische Minderheit offenbar daran<br />
gedacht, dass von den „dänisch gesinnten<br />
Friesen“ gesprochen werden solle. In der<br />
endgültigen Fassung wählte die Landesregierung<br />
dann jedoch die Formulierung „die<br />
friesische Bevölkerung in Schleswig-Holstein“.<br />
In der Begründung zum Abschnitt IV<br />
schrieb sie: „Die hier aufgestellte sogenannte<br />
Friesenklausel gibt die Möglichkeit, daß<br />
auch diejenigen Angehörigen der friesischen<br />
Bevölkerung, die sich zur dänischen Minderheit<br />
bekennen, deren Rechte genießen.<br />
Sie gewährleistet ferner auch den Gebrauch<br />
der friesischen Sprache in gleichem Umfang<br />
wie der dänischen.“<br />
Im Landtag erklärte Ministerpräsident<br />
Bruno Diekmann am 26. September 1949<br />
überdies: „Zur Vermeidung von Mißverständnissen<br />
sei darauf hingewiesen, daß<br />
die sogenannte Friesenklausel am Schluß<br />
der Erklärung nicht bedeutet, daß dieser<br />
Bevölkerungsteil als dänischer angesehen<br />
wird. Vielmehr soll dadurch lediglich zum<br />
Ausdruck gebracht werden, daß ihm die<br />
gleiche Entscheidungsfreiheit wie der übrigen<br />
Bevölkerung zusteht.“<br />
Aus diesen Formulierungen ergibt<br />
sich, daß die Landesregierung mit<br />
der „Friesenklausel“ gewiss nicht<br />
eine eigene friesische Minderheit<br />
anerkennen wollte. Andererseits stellt sich<br />
die Frage, weshalb überhaupt die Friesen<br />
erwähnt wurden, wenn nur ihre „Entscheidungsfreiheit<br />
wie der übrigen Bevölkerung“<br />
ausgedrückt werden sollte – was doch<br />
nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit<br />
darstellte. Die Formulierung in der „Friesenklausel“,<br />
die in der Kieler Erklärung aufgestellten<br />
Grundsätze sollten „sinngemäß<br />
NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005 23
auch für die friesische Bevölkerung“ gelten,<br />
legt eher die Annahme nahe, dass es sich<br />
hier um eine weitere Gruppe handle.<br />
Man war sich bei der Einschätzung des<br />
friesischen Bevölkerungsteils offenbar nicht<br />
völlig im Klaren. Einerseits gab es hier den<br />
Nordfriesischen Verein für Heimatkunde<br />
und Heimatliebe. Er hatte in den „Bohmstedter<br />
Richtlinien“ von 1926 festgestellt, dass er<br />
durchaus nicht als Minderheit angesehen<br />
werden wolle. Diese Haltung bekräftigte er<br />
1946 und danach mehrfach. Indes legte er<br />
doch Wert auf die Pflege der eigenen Sprache<br />
und Kultur. Aus dieser leiteten nun die<br />
Nationalen Friesen andererseits die Existenz<br />
einer eigenen friesischen Minderheit ab und<br />
erhoben die Forderung nach Anerkennung<br />
durch die Politik. Allerdings arbeiteten sie<br />
vor allem in den Jahren nach 1945 eng mit<br />
der dänischen Minderheit zusammen, so<br />
dass die Grenzen manchmal wohl schon<br />
fließend erschienen.<br />
Die Landesregierung unterstützte die<br />
nationalpolitisch deutsche Position des<br />
Nordfriesischen Vereins. Gleichzeitig wollte<br />
sie sich aber zu Zugeständnissen gegenüber<br />
der dänischen Minderheit und der britischen<br />
Besatzungsmacht bereit zeigen. Auch<br />
die dänische Minderheit verfocht indes in<br />
den Verhandlungen nicht die Position, die<br />
Friesen sollten als eigenständige Minderheit<br />
Berücksichtigung finden.<br />
Trotz der einschränkenden Zusätze<br />
durch die Landesregierung ließ<br />
immerhin die letztlich verkündete<br />
Formulierung, die aufgestellten<br />
Grundsätze sollten „sinngemäß auch für die<br />
friesische Bevölkerung“ gelten, alle Möglichkeiten<br />
offen. Die Nationalen Friesen nutzten<br />
aber diese Chance nicht. Sie bezogen sich<br />
kaum einmal auf diesen Abschnitt der Kieler<br />
Erklärung. Der Nordfriesische Verein tat<br />
dies ohnehin nicht, da er ja um keinen Preis<br />
mit Minderheitsbestrebungen identifiziert<br />
werden wollte. Immerhin hätte auch er<br />
aber einen Satz aus der von der Landesregierung<br />
gegebenen Begründung für seine<br />
Ziele nutzbar machen können, nämlich<br />
dass die Friesenklausel „den Gebrauch der<br />
friesischen Sprache in gleichem Umfang wie<br />
der dänischen“ gewährleiste. Hieraus hätten<br />
sich weitreichende Forderungen nach einer<br />
breit angelegten friesischen Sprachpflege<br />
ableiten lassen.<br />
Aber nichts von alledem geschah. Warum<br />
nicht? Wie die bekannten Kaninchen auf die<br />
Schlange, so starrten die friesischen Vereinigungen<br />
auf den deutsch-dänischen Grenzkampf.<br />
Was auch nur entfernt an „Minderheit“<br />
erinnerte, scheute der Nordfriesische<br />
Verein wie der Teufel das Weihwasser. Und<br />
die Nationalen Friesen verhielten sich in<br />
dieser Zeit geradezu lammfromm gegenüber<br />
der dänischen Minderheit. Sie wachten erst<br />
auf, als es zu spät war. So galt in der Praxis –<br />
wie es auch ursprünglich gedacht war und<br />
schon in der Bezeichnung „Erklärung der<br />
Landesregierung Schleswig-Holstein über<br />
die Stellung der dänischen Minderheit“ zum<br />
Ausdruck kam – die „Kieler Erklärung“ allein<br />
für die dänische Minderheit. Die friesischen<br />
Vereinigungen vertaten ob ihrer Uneinigkeit<br />
und Zerstrittenheit sowie ihrer Fixiertheit<br />
auf den Grenzkampf die Chance, für die<br />
Nordfriesen und das Friesische Fortschritte<br />
zu erreichen.<br />
Sechs Jahre später entfiel die Grundlage<br />
dafür ganz: Der Schleswig-Holsteinische<br />
Landtag hob am 13. September<br />
1955 durch einstimmigen<br />
Beschluss die „Kieler Erklärung“ auf. An<br />
ihre Stelle war die Bonner Erklärung der<br />
Bundesregierung getreten, mit der die<br />
Kopenhagener Erklärung der dänischen<br />
Regierung korrespondierte. Bundeskanzler<br />
Konrad Adenauer wollte die Zustimmung<br />
Dänemarks zum Beitritt der Bundesrepublik<br />
in den Nordatlantischen Verteidigungspakt<br />
NATO erreichen, und so war man auf<br />
deutscher Seite zu Zugeständnissen bereit.<br />
Sie betrafen insbesondere den Fortfall der<br />
Sperrklausel für den Südschleswigschen<br />
Wählerverband, der seit 1954 nicht mehr im<br />
Landtag vertreten war.<br />
In den Erörterungen zwischen beiden<br />
Staatsregierungen wurde das Thema „Friesen“<br />
überhaupt nicht berührt, was bei diesen<br />
Verhandlungen auf der zwischenstaatlichen<br />
deutsch-dänischen Ebene auch nicht<br />
überraschen kann. Nun gab es kein verbindliches<br />
staatliches Dokument mehr, in dem<br />
die Friesen als Gruppe wenigstens erwähnt<br />
wurden. Was die dänische und die deutsche<br />
Minderheit als wichtigen Markstein in ihrer<br />
Entwicklung betrachten konnten, bedeutete<br />
für die Friesen, namentlich die Nationalen<br />
Friesen in Schleswig-Holstein mithin ein<br />
Negativum.<br />
24 NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005
Fixiert auf die Ablehnung jeglicher Minderheitsbestrebungen,<br />
begrüßte der Nordfriesische<br />
Verein die Aufhebung sogar.<br />
Einstimmig beschloss er auf seiner Jahreshauptversammlung<br />
am 25. September 1955:<br />
„Wir Nordfriesen … danken alle[n] Fraktionen<br />
des Landtags sowie der Landesregierung<br />
für ihre Haltung in dieser Angelegenheit.“<br />
Die Formulierung „Wir Nordfriesen“<br />
erinnerte an die „Bohmstedter Richtlinien“<br />
von 1926 und konnte durchaus als Alleinvertretungsanspruch<br />
ausgelegt werden. Gleich<br />
am Tag nach der Versammlung teilte der<br />
Verein seinen Beschluss dem Ministerpräsidenten<br />
Kai-Uwe von Hassel brieflich mit,<br />
und dieser vermerkte darauf: „Danken“. Es<br />
entbehrt nicht der Ironie, dass ein Mitarbeiter<br />
des Ministerpräsidenten diese Entschließung<br />
veranlasst hatte. Hierin zeigte sich das<br />
enge Zusammenspiel zwischen dem Nordfriesischen<br />
Verein und der inzwischen von<br />
der CDU geführten Landesregierung.<br />
Die Nationalen Friesen – der Vereinsname<br />
lautete damals „Foriining for nationale<br />
Frashe“ – hingegen protestierten auf ihrer<br />
Generalversammlung am 12. November<br />
1955 „gegen die einseitige Aufhebung der<br />
Kieler Erklärung und gegen die damit zum<br />
Ausdruck kommende Mißachtung der<br />
national-friesischen Belange durch die<br />
schleswig-holsteinische Landesregierung“.<br />
Die „positive Haltung Dänemarks gegenüber<br />
der friesischen Frage“ hingegen wurde<br />
„lobend anerkannt“. Allerdings hatte sich<br />
„Dänemark“, also der dänische Staat bzw.<br />
dessen Regierung, hierzu gar nicht geäußert<br />
und ja gerade die „friesische Frage“ in den<br />
Verhandlungen auch gar nicht berührt. Gemeint<br />
waren wohl Verlautbarungen der dänischen<br />
Minderheit und einiger dänischer<br />
Publizisten und Politiker.<br />
Der Dank der Nationalen Friesen galt<br />
insbesondere dem dänischen Grenzverein.<br />
Dessen Vorsitzender Holger Andersen hatte<br />
sich überrascht und verwundert über die<br />
Aufhebung der Kieler Erklärung gezeigt und<br />
nicht zuletzt auf den Fortfall der „Friesenklausel“<br />
hingewiesen. Die Jahresversammlung<br />
der Nationalen Friesen sandte nun „die<br />
herzlichsten Grüße“ an den Grenzverein:<br />
„Gerade jetzt, da man uns Friesen in Kiel<br />
nicht mehr als ein selbständiges Volk anerkennt,<br />
ist Dänemarks positive Haltung uns<br />
gegenüber von größter Bedeutung, und wir<br />
nationalen Friesen werden uns dieser auch<br />
in Zukunft würdig erweisen.“ Der dänische<br />
Staatsminister H. C. Hansen hatte am<br />
20. Oktober 1955 in einer Rede vor dem dänischen<br />
Folketing der Aufhebung der Kieler<br />
Erklärung „keine größere praktische Bedeutung“<br />
beigemessen. Dem widersprach entschieden<br />
auch Flensborg Avis, die Zeitung<br />
der dänischen Minderheit. Die offizielle<br />
Stellungnahme der Landesregierung, die<br />
Kieler Erklärung decke sich mit der Bonner<br />
Erklärung und sei nun überflüssig, stimme<br />
nicht. Die Kieler Erklärung habe größere<br />
Verbindlichkeit, da sie im Gesetzblatt angezeigt<br />
worden sei. Sie sei in Verhandlungen<br />
zwischen der Landesregierung und der<br />
dänischen Minderheit zustande gekommen<br />
und dürfe nicht einfach einseitig aufgekündigt<br />
werden. Flensborg Avis vermutete, dass<br />
man mit der Kieler Erklärung auch einen<br />
Rest aus der britischen Besatzungszeit „los<br />
sein“ wollte. Besonders davon betroffen<br />
seien die Friesen. Denn im Abschnitt IV<br />
habe erstmals eine deutsche Regierung die<br />
friesische Bevölkerung als etwas für sich<br />
Bestehendes („som noget for sig“) anerkannt.<br />
Dies sei nun ersatzlos fortgefallen.<br />
Festzuhalten ist: Das Bekenntnis eines<br />
Teils der Nordfriesen zu einer<br />
eigenen Minderheit wurde durch<br />
die schleswig-holsteinische Landesregierung<br />
nicht anerkannt. Bei den Friesen<br />
vollzogen sich in den folgenden Jahrzehnten<br />
manche Veränderungen. Im Jahr 1955 war<br />
bei einem Friesenkongress im ostfriesischen<br />
Aurich das „Friesische Manifest“ beschlossen<br />
und verkündet worden, gedacht als<br />
eine gemeinsame Leitlinie für die Friesen<br />
in Nord-, in Ost- und im niederländischen<br />
Westfriesland. Deren Verbindungen wurden<br />
darin im Zusammenhang mit den europäischen<br />
Einigungsbestrebungen gesehen:<br />
„Die Zeit drängt nach größeren Zusammenschlüssen.<br />
Wir bejahen alle Bestrebungen,<br />
die zu einem vereinten Europa führen.“ Die<br />
interfriesische Kooperation milderte nun<br />
die nationalpolitischen Gegensätze in Nordfriesland.<br />
Ein Westfriese fragte 1952: „Geht es<br />
nun um Dänemark oder Deutschland oder<br />
um Nordfriesland selbst?“ Mehrfach baten<br />
West- und Ostfriesen die nordfriesischen<br />
Streithähne, nicht „das Gemeinfriesische“<br />
zu schädigen. Im 1956 neu gegründeten<br />
Friesenrat, der die Verbindungen zwischen<br />
den Frieslanden sicherstellen sollte, saßen<br />
NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005 25
die „feindlichen Brüder“ in Nordfriesland<br />
an einem Tisch.<br />
Das Land Schleswig-Holstein ließ der<br />
Arbeit für die nordfriesische Sprache und<br />
Kultur manche Förderung zukommen, auch<br />
wenn es die Friesen nicht als Minderheit sah.<br />
1964/65 wurde die Errichtung des <strong>Nordfriisk</strong><br />
<strong>Instituut</strong> in Bredstedt mit Landesmitteln gefördert.<br />
Es bildete wohl sogar einen Sonderfall<br />
im Grenzraum, denn aufgrund der nationalpolitischen<br />
friesischen „Vorgeschichte“<br />
flossen über die dänische Minderheit und<br />
die Nationalen Friesen auch Mittel des Königreichs<br />
Dänemark in diese unabhängige<br />
Einrichtung, deren Existenz dann allerdings<br />
manches Mal gefährdet erschien. Seit Ende<br />
der 1970er Jahre sorgte das Land Schleswig-<br />
Holstein für einen Ausbau des friesischen<br />
Schulunterrichts. 1978 wurde an der Universität<br />
Kiel eine Professur für Friesisch eingerichtet.<br />
1986 beschloss die Landesregierung<br />
die Einrichtung einer Friesisch-Professur an<br />
der Hochschule in Flensburg in Verbindung<br />
mit dem <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong>; sie diente vor<br />
allem der Lehrerausbildung. 1987 debattierte<br />
der Schleswig-Holsteinische Landtag ausführlich<br />
über die Situation der Friesen.<br />
Ministerpräsident Uwe Barschel,<br />
im Amt seit 1982, hatte gegenüber<br />
der dänischen Minderheit<br />
deutlich mehr Entgegenkommen<br />
gezeigt als sein Vorgänger Gerhard<br />
Stoltenberg. Ob und wann sich dieser Kurs<br />
auch auf die friesische Bevölkerungsgruppe<br />
erstreckte, kann ohne Einsicht in die Akten<br />
nicht entschieden werden. In jedem Fall wurden<br />
nach der Übernahme des Amtes durch<br />
Björn Engholm wesentliche Entscheidungen<br />
getroffen, die den Friesen erstmals einen<br />
eigenen Stellenwert in der Landespolitik<br />
zuwiesen. Im Jahre 1988 wurde auf einstimmigen<br />
Landtagsbeschluss ein „Gremium für<br />
Fragen der friesischen Bevölkerungsgruppe<br />
im Lande Schleswig-Holstein“ unter dem<br />
Vorsitz der Landtagspräsidenten eingesetzt.<br />
Die Minderheiten- und Grenzlandbeauftragten<br />
der Ministerpräsidenten – zunächst<br />
Kurt Hamer, seit 1991 Kurt Schulz und seit<br />
2000 Renate Schnack – sind seitdem auch<br />
für friesische Angelegenheiten zuständig.<br />
Als ein „Markstein“ wurde von friesischer<br />
Seite der 1990 neu gefasste Artikel 5 („Nationale<br />
Minderheiten und Volksgruppen“)<br />
in der Verfassung von Schleswig-Holstein<br />
gewertet. Erstmals wurde darin neben der<br />
dänischen Minderheit auch der friesischen<br />
Volksgruppe „Anspruch auf Schutz und Förderung“<br />
zugesprochen. Wohl um nicht den<br />
alten Streit zwischen den friesischen Vereinigungen<br />
zu beleben, hatte man sich für<br />
den Begriff „Volksgruppe“ entschieden. Zudem<br />
beschloss der Schleswig-Holsteinische<br />
Landtag 2004 ein eigenes Friesisch-Gesetz<br />
(vgl. Nordfriesland 148).<br />
Die Voraussetzung für diese politischen<br />
Weichenstellungen bildeten ein Nachlassen<br />
des innerfriesischen Gegensatzes als<br />
Folge der inzwischen beendeten staatlichen<br />
Grenzlandpolitik – wodurch gemeinsame<br />
Forderungen der friesischen Vereinigungen<br />
ermöglicht wurden – und neue Strömungen<br />
in Europa, die seit den 1970er Jahren zu einer<br />
positiveren Bewertung von – nichtstaatlichen<br />
– kleinen Sprachen und Regionen,<br />
kleinen Völkern und Minderheiten führten.<br />
Diese wurden nun meist nicht mehr vorrangig<br />
als Bedrohung der Nationalstaaten,<br />
sondern als kultureller Reichtum angesehen.<br />
Minderheiten-Organisationen hatten<br />
solche Gedanken schon lange vertreten. Die<br />
friesischen Vereine Nordfrieslands, namentlich<br />
die Nationalen Friesen, beteiligten sich<br />
bereits früh an dieser Arbeit, vor allem in der<br />
1949 gegründeten Föderalistischen Union<br />
Europäischer Volksgruppen (FUEV).<br />
Besondere Bedeutung für die friesische<br />
Volksgruppe in Schleswig-Holstein<br />
– und auch für die Saterfriesen<br />
in Niedersachsen – erlangten zwei<br />
Vertragswerke des Europarats, die in den<br />
1990er Jahren realisiert wurden: die Europäische<br />
Charta der Regional- oder Minderheitensprachen<br />
und das Rahmenübereinkommen<br />
zum Schutz nationaler Minderheiten.<br />
Mit der Charta sollen traditionell in einem<br />
Vertragsstaat gesprochene Sprachen als<br />
bedrohter Bestandteil des europäischen<br />
Kulturerbes geschützt und gefördert werden.<br />
Die Bundesrepublik gehörte am 5. November<br />
1992 in Straßburg zu den Erstunterzeichnerstaaten<br />
der Charta. Es zeigte sich<br />
jedoch, dass das Auswärtige Amt hierin nur<br />
zwei Minderheitensprachen berücksichtigen<br />
wollte: Dänisch und Sorbisch. Vertreter<br />
friesischer Vereinigungen und Einrichtungen<br />
wandten sich mit empörten Stellungnahmen<br />
an die Öffentlichkeit, die auch von<br />
der überregionalen Presse aufgegriffen und<br />
26 NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005
kommentiert wurden. Bereits kurz danach<br />
signalisierte Bonn einen Sinneswandel und<br />
gab „grünes Licht“ für die Aufnahme der<br />
friesischen Sprache in die Charta. Diese trat<br />
schließlich am 1. Januar 1999 in Deutschland<br />
in Kraft und gilt als Bundesgesetz.<br />
Das Rahmenübereinkommen des<br />
Europarates zum Schutz nationaler<br />
Minderheiten geht auf eine<br />
Übereinkunft der Staats- und<br />
Regierungschefs vom 9. Oktober 1993 zurück.<br />
Es enthält verbindliche Grundsätze<br />
zum Schutz der nationalen Minderheiten.<br />
Nach der Charta-Auseinandersetzung gab<br />
es über die Einbeziehung der friesischen<br />
Volksgruppe in dieses Dokument keinen<br />
Streit. Die Bundesrepublik Deutschland<br />
erklärte bei der Zeichnung am 11. Mai 1995:<br />
„Das Rahmenübereinkommen enthält keine<br />
Definition des Begriffs der nationalen<br />
Minderheiten. Es ist deshalb Sache der einzelnen<br />
Vertragsstaaten zu bestimmen, auf<br />
welche Gruppen es nach der Ratifizierung<br />
Anwendung findet. Nationale Minderheiten<br />
in der Bundesrepublik Deutschland sind<br />
die Dänen deutscher Staatsangehörigkeit<br />
und die Angehörigen des sorbischen Volkes<br />
mit deutscher Staatsangehörigkeit. Das<br />
Rahmenübereinkommen wird auch auf die<br />
Angehörigen der traditionell in Deutschland<br />
heimischen Volksgruppen der Friesen<br />
deutscher Staatsangehörigkeit und der Sinti<br />
und Roma deutscher Staatsangehörigkeit<br />
angewendet.“ Das Übereinkommen trat in<br />
Deutschland am 1. Februar 1998 in Kraft<br />
und gilt ebenfalls als Bundesgesetz.<br />
Nach der Vereinigung Deutschlands im<br />
Jahre 1990 gehörte zur Bundesrepublik mit<br />
den Sorben in der Lausitz eine weitere Minderheit.<br />
In der Verfassung der DDR hatten<br />
sie sich auf Minderheitenrechte beziehen<br />
können. Auch vor diesem Hintergrund ergriffen<br />
die Minderheiten in Deutschland,<br />
die bald nach Mauerfall und Wende eine<br />
Zusammenarbeit angebahnt hatten, die<br />
Initiative, im zu ändernden Grundgesetz<br />
Minderheitenrechte zu verankern. Dafür<br />
fand sich jedoch 1994 im Bundestag nicht<br />
die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit.<br />
Im deutschen Einigungsvertrag war den<br />
Sorben eine kontinuierliche Unterstützung<br />
auch durch den Bund zugesichert worden.<br />
Insbesondere gründete man zu diesem<br />
Zweck eine „Stiftung für das sorbische<br />
Volk“. In ihrem Bemühen um eine Förderung<br />
durch die Bundesrepublik schlugen die<br />
friesischen Vereinigungen Nordfrieslands<br />
1992 eine analoge Gründung für die Friesen<br />
vor. Langwierige Verhandlungen führten<br />
hier zwar nicht zu dem gewünschten Erfolg.<br />
Doch sagte der Staatsminister Dr. Michael<br />
Naumann, Beauftragter der Bundesregierung<br />
für Kultur und Medien, im Jahr 2000<br />
in Husum eine laufende Unterstützung<br />
von Projekten der friesischen Volksgruppe<br />
aus Bundesmitteln zu. Die friesischen Vereinigungen<br />
sind um eine Verstetigung und<br />
Erhöhung dieser Förderung bemüht, die<br />
sich im Vergleich mit anderen Minderheiten<br />
eher bescheiden ausnimmt. Der im Jahre<br />
2002 ernannte Beauftragte der Bundesregierung<br />
für nationale Minderheiten ist auch<br />
für die friesische Volksgruppe zuständig, seit<br />
Ende 2004 hat der SPD-Bundestagsabgeordnete<br />
Hans-Peter Kemper dieses Amt inne. In<br />
den letzten Jahren hat damit auch der Bund<br />
allgemein das Politikfeld „Minderheiten in<br />
Deutschland“ und speziell die Friesen „entdeckt“.<br />
Eine wesentliche Rolle spielte dabei<br />
das Bundesland Schleswig-Holstein.<br />
Die friesische Volksgruppe kann<br />
50 Jahre nach dem Tiefpunkt<br />
in der Folge der Bonner Erklärung<br />
als in der Bundesrepublik<br />
Deutschland voll anerkannte, wenn auch<br />
nur auf niedrigem Niveau geförderte Minderheit<br />
gelten.<br />
In zwei zum 50-jährigen Jubiläum der Bonn-<br />
Kopenhagener Erklärungen erscheinenden<br />
umfangreichen Büchern hat Thomas Steensen<br />
in zwei unterschiedlichen Beiträgen die<br />
Situation der Nordfriesen 1945-2005 ausführlicher<br />
behandelt, als es hier möglich war:<br />
„Die Nordfriesen 1945-2005“. In Jørgen Kühl<br />
und Robert Bohn (Hrsg.): Ein europäisches<br />
Modell? Nationale Minderheiten im deutschdänischen<br />
Grenzland 1945-2005. Institut<br />
for Grænseregionsforskning und Institut für<br />
schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte,<br />
Aabenraa und Schleswig 2005<br />
sowie in „Nordfriserne mellem Kiel, Bonn,<br />
København og Strasbourg.“ In: København-<br />
Bonn Erklæringerne 1955-2005. De dansktyske<br />
mindretalserklæringers baggrund,<br />
tilblivelse og virkning. Redigeret af Jørgen<br />
Kühl. Institut for Grænseregionsforskning -<br />
Syddansk Universitet, Aabenraa 2005.<br />
NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005 27
ferteel<br />
iinjsen!<br />
Den zweiten Preis beim Wettbewerb<br />
„Ferteel iinjsen!“, den<br />
die NDR Welle Nord auch 2004<br />
gemeinsam mit der Nord-Ostsee<br />
Sparkasse, der Spar- und<br />
Leihkasse zu Bredstedt AG und<br />
dem <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong> durchführte,<br />
erhielt Ellin Nickelsen<br />
mit der folgenden Geschichte<br />
über ein Föhringer Mädchen.<br />
Feerientidj<br />
Faan Ellin A. Nickelsen<br />
At wiar a letst skuuldai föör a<br />
somerfeerien. A skuuljongen<br />
skoow jo iin uun a bus, wat faan<br />
a süüdstrun dönen faan’t lun<br />
tüs auer a taarpen broocht. En<br />
skuulbus jeew at ei, an so stiigd<br />
a jongen uun en bus, wat al propenfol<br />
wiar mä baaselidj.<br />
Keike kaam noch jüst an jüst<br />
mä sak an pak a dör iin. Lik föör<br />
hör stään en baasemaan, laacht<br />
krilen, güül ostfriisennerts, aanj<br />
20. Hi harket ap, üüs hat mä<br />
Anke fering snaaket an wiar<br />
neiskirig, wat jo diar dach wel<br />
för en spriik brükt.<br />
Beeft Ödersem seed hi ham<br />
hen bi Keike. A miast jongen<br />
wiar al mä grat haloo ütjstegen.<br />
A iarst feeriendai! Feerien üüb’t<br />
aanj eilun! Wat en spoos.<br />
Neemen keerd wech – kaam’s<br />
dach ütj hial Tjiisklun heer<br />
hen an betaalet noch diarför.<br />
Üüb’t eilun kaam auer somer<br />
wat luas, an wan ’am ei alterföl<br />
uun a büürerei halep tost, küd<br />
’am feks mämaage bi a strunkurewpartiis,<br />
struatenfesten an<br />
diskoos bit at laacht wurd…<br />
Keike wiar al amkwartiaret,<br />
wenet auer somer bi ualmam<br />
an ualaatj uun a piisel. Hör aanj<br />
rüm wiar ferhüürd.<br />
„Huar skääl dü ütjstiig?“,<br />
fraaget de baasemaan beeft<br />
Dunsem. „Ik wene uun Olersem“,<br />
swaaret Keike en betj kek,<br />
„an wat skääl dü?“ „So’n tufaal<br />
uk dach“, griinet de maan, „ik<br />
wul uk efter Olersem. Meest mi<br />
ei din taarep wise?“<br />
Det taarep – na jaa, det tost<br />
hat nü jo ei geliks haa. Mä en<br />
baasegast troch’t taarep dwaale<br />
… Man hat hed feerien, hat hed<br />
tidj! An am hualew trii wul hat<br />
ham uun a bushalte meet.<br />
Aran wiar’s altermool tu fials,<br />
det paaset jo gud. Am hualew<br />
trii ging hat am tu’t haltesteed<br />
„Ual fering wiartshüs“, an diar<br />
seed’r uk al tu teewen uun san<br />
smok güül ostfriisennerts.<br />
„Leet’s ütj bi a dik!“, sluch hat<br />
föör an jo schauet at jaat deel<br />
bütjtaarep. „Ik het Reinhard“,<br />
saad hi an fertääld faan Münster,<br />
huar hi wenet, faan sin werk<br />
an dat hi alianing feerien maaget<br />
bi a Wik. Üüs hi hiard, dat<br />
hat Keike het, griinet hi. So’n<br />
nööm oober uk dach!<br />
Ji naier jo a dik kaam, ji naier<br />
kaam Reinhard. Lingd ens efter<br />
Keikes hun, fersoocht ens, en<br />
iarem amtuleien. Keike wiar<br />
smiicheld – so’n preuten maan<br />
foon ham gud! Huar hat dach<br />
arken maaren, wan hat uun a<br />
speegel luket, iarst ens a ääterblaanjen<br />
siig, wat auer naacht<br />
üüb braanj an nöös apbleud<br />
wiar.<br />
Wan Anke ham so sä küd!<br />
Oober uun a maask wiar neen<br />
mensk, wat ham siig. Auer bi<br />
Sörens wai wiar en büür uun’t<br />
sweesin, en laask stään huuch<br />
uun a loft. Hög kwiigen lep<br />
neiskirig bi’t pikwiar loongs, bit<br />
jo ei muar widjer küd.<br />
Bi Klantem dik ging jo auer.<br />
Bleew üüb a dik stunen tu lukin.<br />
At föörlun wiar brons mä<br />
haligruusen, hög schep geesigd<br />
bütjdiks, a locht wiar klaar.<br />
Üüb a kiming, so wiset Keike a<br />
baasemaan, küd am en tsuch<br />
auer a dam keeren sä. A wönger<br />
faan a autus blinket. Dön hüsing<br />
diarauer wiar Waasterlun.<br />
Ellin Nickelsen stammt aus Oldsum<br />
auf Föhr und ist eine der bekanntesten<br />
und erfolgreichsten Autorinnen<br />
in friesischer Sprache. (Adresse:<br />
Brahmsstr. 3, 27616 Beverstedt.)<br />
Reinhard luket wel uk, man sin<br />
toochter wiar ei bi a saag.<br />
„Leet’s deelsat“, trögeld hi.<br />
Man üüs hat do bi ham üüb’t<br />
gäärs seed, begand hi al weler,<br />
hör amtunemen, tjimd mä<br />
sin fangern troch hör hiar an<br />
bewonerd’s rocht wat. Hü smok<br />
hat wiar, hü so gans besonders,<br />
an wer hat en frinj hed an auerhood<br />
– so üüs hat ütjsiig, räänd<br />
a gaster hör dach was beeftuun<br />
an hat küd ham ei berig an beskias<br />
wost hat uk dach was auer<br />
maan an wüf an auerhood.<br />
Keike wurd det biletjen en<br />
betj ünhiamelk. Reinhard wiar<br />
aanj twuntig. En ualen maan<br />
för en skuulfoomen faan 15.<br />
Hat sproong amhuuch:<br />
„Leet’s dach ens deel üüb<br />
sunwaal luup“, rept hat lastig,<br />
man klangd al en betj künstelk<br />
diarbi, „diar jaft at gans apartig<br />
stian!“ An hat räänd fööruf an hi<br />
beeftuun.<br />
Auer de ual goodel hen ging’t<br />
üüb’t föörlun. An diar fing hi<br />
Keike iinhaalet an lai bial iarmer<br />
am hör. Hääl hör rocht<br />
wat feest an kaam mä’t hood<br />
gans nai deel. Keike dreid hör<br />
wech. „Fangern wech – ik mei<br />
det ei haa“, wul hat jüst rep, üüs<br />
diar üüb ian mool en spiktaakel<br />
kaam, en skriiken uun a loft, en<br />
skrekelk skriamin. Üüs en kalkuter<br />
schood diar en baker ütj<br />
a blä hemel deel, stört ham üüb<br />
28 NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005<br />
Foto: Dieter Wrege
Reinhard an jaaget „swisch“<br />
üüs en tornado uun tiiffluug<br />
auer san schuarel hen. A krilen<br />
floog man so.<br />
An knaap wiar de een fögel<br />
wech, kaam en ölern faan beeften.<br />
En halarem, üüs wan at am<br />
leewent an duas ging. A hiale<br />
loft wiar üüb’n mool laben. Gratem<br />
stemen faan letj fögler, wat<br />
splitjendol uun a hemel hinget<br />
an mä hörens suart letj hööd<br />
an skarep snoobler auer hörens<br />
fiind kaam üüs en laid. Ferduure,<br />
diar seed kaluun beeft.<br />
De aarem Reinhard. Üüb<br />
ham hed’s en pik! Hi smeed<br />
ham deel üüb a bük, man det<br />
holep uk ei. Dön bakern floog<br />
ianfach jiper. Huar hi uk krabeld,<br />
jo kaam’ar auer ham,<br />
floog „attacke“ , schood deel,<br />
toog jüst auer sin hood hen,<br />
do weler amhuuch, skriikt mä<br />
düüsen arig stemen. Det wiar<br />
üüs krich!<br />
Keike fing de maan mä meu<br />
an nuad turag üüb a dik bugsiaret,<br />
huar dön fögler godlof faan<br />
jo ufleet. Spirwitj am a nöös<br />
seed hi deel tu püstin. Hunen<br />
an breken fül faan schepluurter<br />
an klei.<br />
„Wat heest dü mä döndiar<br />
fögler maaget?“, fraaget hi benauet,<br />
gans letjem an baang,<br />
dat’s weler üüb ham tu kleets<br />
wul, „Det as jo ringer üüs Hitchcock!“<br />
Man Keike swiiget, wiar salew<br />
en betj ütj a püst. Hat toog bluat<br />
a skolern huuch an luket Reinhard<br />
ünskiljig mä grat uugen<br />
uun. „Det san motsenklauern,<br />
so du’s, wan jo bred“, wul hat<br />
noch swaare an küd ham en<br />
hiamelk griinin ei ferknip. Man<br />
Reinhard wiar al – raps – aueraanj<br />
an saner noch en wurd tu<br />
ferleesen, staapet hi a dik deel,<br />
hen üüb a maaskwai an straks<br />
tu’t taarep.<br />
Keike oober bleew üüb a dik<br />
saten, luket det güül jak beeftuun,<br />
wat uun a san skürnet üüs<br />
en ialtörn. Dreid ham do am an<br />
luket auer’t föörlun, huar brons<br />
a ruusen bleud an en skööl bakern<br />
turag tu neest ging, tufrees<br />
mä jo salew, nü, dat’s a güül<br />
gefoor so helisk fein her wurden<br />
wiar.<br />
bÜcher<br />
Historischer Atlas<br />
Schleswig-Holstein<br />
Eine Standardwerk zur Geschichte<br />
Schleswig-Holsteins<br />
erhielt nun seinen dritten Teil:<br />
Jürgen H. Ibs, Eckart Dege,<br />
Henning Unverhau (Hrsg.):<br />
Historischer Atlas Schleswig-<br />
Holstein. Vom Mittelalter bis<br />
1867. Herausgegeben im Auftrag<br />
der Gesellschaft für Schleswig-<br />
Holsteinische Geschichte. 174 S.<br />
35,00 Euro. Wachholtz Verlag,<br />
Neumünster 2004.<br />
Das Herausgeberteam hat<br />
sich mit seinen Werken rückwärts<br />
in die Geschichte bewegt.<br />
Nach den Bänden „Schleswig-<br />
Holstein seit 1945“ und „1867<br />
bis 1945“ fand nun die lange<br />
Periode seit der Herausbildung<br />
der historischen Kräfte ab dem<br />
9. Jahrhundert bis zum Übergang<br />
der Herzogtümer an das<br />
Königreich Preußen 1867 Berücksichtigung.<br />
An Beispielen werden die<br />
wichtigsten Epochen der wirtschaftlichen<br />
und gesellschaftlichen<br />
Geschichte anschaulich<br />
gemacht. Ein für die Marschenküste<br />
und damit auch für<br />
Nordfriesland wichtiges Kapitel<br />
bilden Küstenschutz und Landgewinnung.<br />
Anhand einer Karte<br />
werden die verschiedenen<br />
Phasen der Bedeichung gezeigt,<br />
wobei der aktuelle Stand der<br />
Forschung zugrunde gelegt ist.<br />
Einen Eindruck davon, wie<br />
etwa aus urkundlichen Überlieferungen,<br />
deren Auswertung<br />
hohe Sachkenntnis und einiges<br />
an Forscherfleiß erfordert,<br />
ökonomische Entwicklungen<br />
ablesbar gemacht werden können,<br />
bietet beispielsweise der<br />
Abschnitt über die „Einkünfte<br />
des Schleswiger Domkapitels<br />
von 1352 und 1437“. Die Gemeinschaft<br />
der Schleswiger<br />
Kirchenherren besaß auch<br />
im nordfriesischen Gebiet<br />
Ländereien. Am Rückgang<br />
der Einnahmen lässt sich eine<br />
wirtschaftliche Krise nachvollziehen.<br />
Ähnliches gilt für die<br />
Entwicklung des Landbesitzes,<br />
die durchschnittliche Größe<br />
von Bauernhöfen und den<br />
Einfluss der unterschiedlichen<br />
Herrschaftsformen – königlich,<br />
herzoglich, gutsherrlich, kirchlich<br />
– auf die Eigentumsverhältnisse.<br />
Jeweils auch für den<br />
nordfriesischen Raum werden<br />
eingehende Angaben geboten.<br />
Die Städte im Mittelalter sind<br />
ebenso Thema wie die große<br />
Agrarreform des 18. Jahrhunderts.<br />
Die Marktflecken des<br />
nordfriesischen Raumes sind<br />
in ihrer Entwicklung ersichtlich<br />
so wie beispielsweise auch<br />
die Stärke der Handelsflotte<br />
im 19. Jahrhundert. Unter der<br />
Überschrift „Kultur und Bildung“<br />
stehen die Schulen neben<br />
dem Zeitungswesen.<br />
Mit der Behandlung der<br />
Nordfriesen und der speziellen<br />
Gegebenheiten der nordfriesischen<br />
Geschichte, Sprache und<br />
Kultur wurde in diesem Band<br />
eine zuvor schmerzlich empfundene<br />
Lücke geschlossen. In<br />
einem von mehreren über die<br />
Epochengrenzen hinausführenden<br />
Längsschnitten durch<br />
die Geschichte gibt Thomas<br />
Steensen einen Überblick<br />
über die Herausbildung der<br />
unterschiedlichen und vielfach<br />
NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005 29
gegensätzlichen friesischen<br />
Positionen im 19. und 20. Jahrhundert.<br />
Zudem arbeitet er die<br />
historischen Bedingungen und<br />
Grundlagen der friesischen<br />
Spracharbeit und der friesischen<br />
Volksgruppe in der Politik<br />
heraus.<br />
Wie es sich für einen Atlas<br />
gehört, lebt das Werk von seinen<br />
Karten. Überzeugend und<br />
sehr anschaulich gestaltet, vermitteln<br />
sie sinnliche Eindrücke<br />
von Prozessen und Zuständen,<br />
die in komplexen Texten vieler<br />
anderer Werke dem Interessierten<br />
vielfach eher verborgen als<br />
dargeboten werden. Vor allem<br />
für den Schulgebrauch ist es<br />
empfehlenswert.<br />
Die großzügige Förderung<br />
durch die Sparkassenstiftung<br />
Schleswig-Holstein, die Stiftung<br />
Schleswig-Holsteinische<br />
Landschaft, die Kultur-Stiftung<br />
des Landes Schleswig-Holstein<br />
und die Possehl-Stiftung hat<br />
zudem einen angesichts der<br />
aufwändigen Gestaltung sehr<br />
günstigen Preis ermöglicht.<br />
Fiete Pingel<br />
Eine märchenhafte<br />
Biographie<br />
Das Leben des dänischen Märchendichters<br />
Hans Christian<br />
Andersen verlief selbst wie ein<br />
Märchen. Und über dieses erschien<br />
nun – rechtzeitig zum<br />
200. Geburtstag – eine märchenhafte<br />
Biographie:<br />
Jens Andersen: Hans Christian<br />
Andersen. Eine Biographie.<br />
806 S. 28,00 Euro. Insel Verlag,<br />
Frankfurt am Main und Leipzig<br />
2005.<br />
Der Autor, der ebenfalls den<br />
in Dänemark nicht gerade seltenen<br />
Namen Andersen trägt,<br />
arbeitet als Kulturredakteur<br />
der Kopenhagener Zeitung Berlingske<br />
Tidende. Seine Biographie<br />
erschien 2003 in dänischer<br />
Sprache und wurde hoch gelobt<br />
– mit Recht. Die deutsche Übersetzung<br />
dürfte ebenfalls Furore<br />
machen. Auf breiter Quellengrundlage<br />
und in anschaulicher<br />
Sprache wird H. C. Andersens<br />
Weg aus ärmlichen Verhältnissen<br />
zum weltberühmten Dichter<br />
beschrieben. Wir erfahren<br />
viel über die Gesellschaft, in der<br />
er sich behauptete, über seine<br />
Weltanschauung und auch<br />
über seine sexuellen Neigungen,<br />
über die viel gerätselt und<br />
geschrieben wurde.<br />
Natürlich geht es auch um<br />
Andersens Badereise 1844 nach<br />
Wyk auf Föhr auf Einladung<br />
des dänischen Königs Christian<br />
VIII., allerdings widmet der<br />
Autor dem Aufenthalt nur gut<br />
zwei Seiten. Es fehlt nicht das<br />
bekannte Zitat, über das sich jeder<br />
Freund der Insel Föhr freut:<br />
„Ich habe jeden Tag gebadet<br />
und muss sagen, es ist das unvergleichlichste<br />
Wasser, in dem<br />
ich je gewesen bin!“ Der Dichter<br />
erkundete das Wattenmeer<br />
und konnte diese Erfahrungen<br />
sodann in seinem Roman „De<br />
to Baronesser“ verwenden. Aus<br />
unerfindlichen Gründen wird<br />
dies in der Biographie nicht berücksichtigt.<br />
Sie bringt aber ein<br />
Gedicht über Föhr, das Hans<br />
Christian Andersen in zehn<br />
Minuten schrieb – und über<br />
das sich ebenfalls jeder Freund<br />
Föhrs freuen wird. Es endet:<br />
„Seht hin zum Land des Glücks,<br />
wie es da liegt im Licht, / Es<br />
schwimmt im Wasser, so wie<br />
mein Gedicht!“ Thomas Steensen<br />
Literatur<br />
im 19. Jahrhundert<br />
Die großartige Literaturgeschichte<br />
Schleswig-Holsteins<br />
aus der Feder des früheren<br />
Lehrstuhlinhabers in Flensburg<br />
Horst Joachim Frank haben<br />
wir in dieser Zeitschrift bereits<br />
gewürdigt. Nun liegt der voluminöse<br />
dritte Band – insgesamt<br />
mehr als 1200 Seiten! – vor:<br />
Horst Joachim Frank: Literatur<br />
in Schleswig-Holstein. Band<br />
3: 19. Jahrhundert. Erster Teil:<br />
Im Gesamtstaat. 708 S. Zweiter<br />
Teil: In Preußen und im neuen<br />
Reich. 510 S. Zusammen 60,00<br />
Euro. Wachholtz Verlag, Neumünster<br />
2004.<br />
Schriftsteller aus Nordfriesland<br />
und solche, die mit der<br />
Region in Verbindung standen,<br />
nehmen selbstverständlich<br />
breiten Raum ein. Ausführlich<br />
widmet sich Frank insbesondere<br />
dem Leben und Werk des<br />
Althistorikers und Nobelpreisträgers<br />
Theodor Mommsen,<br />
und noch mehr Raum gibt<br />
er dessen gleichaltrigem Na-<br />
mensvetter und Mitstudenten<br />
Theodor Storm: allein rund<br />
190 Seiten! Natürlich ist das,<br />
was Horst Joachim Frank zusammenträgt,<br />
nicht eigentlich<br />
„neu“, es findet sich zumeist<br />
verstreut in vielen verschiedenen<br />
Veröffentlichungen. Aber<br />
davon eine Gesamtschau zu geben,<br />
ist die besondere Leistung<br />
dieser Literaturgeschichte.<br />
Das Werk des „revolutionären<br />
Poeten“ Harro Harring<br />
aus Wobbenbüll bei Husum<br />
erläutert Frank auf immerhin<br />
25 Seiten. Sehr schön schildert<br />
er die Entdeckung Sylts durch<br />
Literaten wie Julius Rodenberg,<br />
Theodor Mügge oder Ernst<br />
Willkomm. Und er behandelt<br />
zum Beispiel die berühmten<br />
Balladen Detlev von Liliencrons<br />
„Trutz, blanke Hans“ und „Pidder<br />
Lüng“.<br />
Auch sonst klingen nordfriesische<br />
Themen in dieser opulenten<br />
Literaturgeschichte immer<br />
wieder an. Frank würdigt<br />
etwa Klaus Groths in Bredstedt<br />
und Umgebung spielende<br />
Verserzählung „De Heisterkrog“<br />
als „reifstes Erzählwerk“ des<br />
Begründers der neuniederdeutschen<br />
Literatur. In den beiden<br />
Kapiteln „Reisebilder“ vermisse<br />
ich allerdings die in meinen<br />
Augen schönste und trefflichste<br />
Reisebeschreibung über das<br />
Nordfriesland des 19. Jahrhunderts,<br />
nämlich „Die Marschen<br />
und Inseln der Herzogthümer<br />
Schleswig und Holstein“ von<br />
Johann Georg Kohl, erschienen<br />
1846 in drei Bänden. Prägnant<br />
behandelt Horst Joachim Frank<br />
die Literatur in nordfriesischer<br />
Sprache.<br />
Die Lektüre bereitet Vergnügen,<br />
zumal der Autor auch<br />
manche Episode einstreut, die<br />
der Schilderung Farbe gibt.<br />
Diese Literaturgeschichte lädt<br />
ein zum Schmökern, Entdecken<br />
und Weiterlesen.<br />
Thomas Steensen<br />
Suustern, Luustern,<br />
Smuustern<br />
Mit geübtem Blick hat der<br />
versierte heimatkundliche<br />
Buchautor Hans Otto Meier,<br />
Vorsitzender des Nordfriesischen<br />
Vereins, 18 Geschichten<br />
zusammengetragen:<br />
30 NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005
Hans Otto Meier: Suustern,<br />
Luustern, Smuustern. Geschichten,<br />
de dat Dörp vertellt.<br />
96 S. 6,90 Euro. Selbstverlag<br />
des Verfassers, Fahretoft 2004.<br />
In Kommission erhältlich beim<br />
<strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong>.<br />
Op Plattdüütsch gifft dat<br />
wat to „Suustern“ (Flüstern),<br />
„Luustern“ (Zuhören) un<br />
„Smuustern“ (Schmunzeln).<br />
Historische Kapitel aus der<br />
nordfriesischen Heimatkunde<br />
nehmen einen breiten Raum<br />
ein, wenn es um Grönlandfahrt,<br />
den Kriegsschauplatz Dagebüll<br />
im 19. und 20. Jahrhundert oder<br />
um den blinden friesischen<br />
Schulmeister Böle Bonken<br />
geht, an den sich Ältere noch<br />
erinnern.<br />
Volkskundliches klingt an in<br />
Texten über die sehr jungen<br />
Viehhirten, die bis ins 20. Jahrhundert<br />
hinein ihren Dienst<br />
taten, über die „Hygiene“ in<br />
vergangenen Zeiten und über<br />
Geistergeschichten und „Spijökenkram“,<br />
mit dem sich die<br />
Dorfsleute unterhielten, als es<br />
noch keine Horrorfilme gab.<br />
Den eindrucksvollen Abschluss<br />
bildet unter der Überschrift „De<br />
gode ole Tied“ – wobei „gode“<br />
in Anführungszeichen steht,<br />
eine Auflistung von vorzeitigen<br />
Todesfällen aus dem Dagebüller<br />
Kirchenbuch, die daran<br />
erinnert, wie wenig selbstverständlich<br />
etwa die heutige gute<br />
medizinische Versorgung ist.<br />
„Geschichten, de dat Dörp<br />
vertellt“ bietet anregende Informationen,<br />
Lustiges und Stoff<br />
zum Nachdenken. fp<br />
Meer – Insel – Schiff<br />
Neben den Friesen bilden auch<br />
die Sorben in den Bundesländern<br />
Brandenburg und Sachsen<br />
eine autochthone Sprachminderheit<br />
in Deutschland. In<br />
vielfältiger Weise arbeiten die<br />
beiden Gruppen kulturell und<br />
politisch zusammen. Nun erschien<br />
in der Lausitz ein Buchtitel,<br />
der auch einen friesischen<br />
Hintergrund vermuten lassen<br />
könnte:<br />
Kito Lorenc (Hrsg.): Das Meer.<br />
Die Insel. Das Schiff. Sorbische<br />
Dichtung von den Anfängen<br />
bis zur Gegenwart. 327 S. 24,90<br />
Euro. Verlag Das Wunderhorn,<br />
Heidelberg 2004.<br />
An den Anfängen der sorbischen<br />
Lyrik stehen überlieferte<br />
Volkslieder und Erinnerungen<br />
an ruhmreiche Vorväterschlachten.<br />
Renaissance und<br />
Barock brachten auch unter<br />
den Sorben, besonders unter<br />
den Pastoren, „manch kräftigen<br />
Dichter“ hervor, wie es der<br />
Herausgeber in seinem Vorwort<br />
formuliert. Die Zeit des erwachenden<br />
sorbischen Nationalgefühls<br />
im 19. Jahrhundert ist<br />
breit vertreten. Die Unterdrückung<br />
des Sorbischen während<br />
der NS-Zeit spiegelt sich wider.<br />
Schließlich führt der Weg zur<br />
aktuellen Poesie.<br />
Die Texte sind deutsche<br />
Übertragungen von sorbischen<br />
Originalen, von denen einige<br />
wenige aufgenommen sind,<br />
sowie auch deutsche Gedichte<br />
sorbischer Autoren. Zielgruppe<br />
ist also die nicht-sorbisch-sprachige<br />
Mehrheitsbevölkerung.<br />
Anhand der Hinweise auf die<br />
der Sammlung zu Grunde gelegte<br />
poetische und lyrikkundliche<br />
Literatur wird deutlich, in<br />
welch umfassendem Maße die<br />
sorbische Lyrik zu DDR-Zeiten<br />
gefördert und begleitet wurde,<br />
und welch hohen Rang sie auch<br />
heute einnimmt.<br />
Der Autor Peter Handke, der<br />
mütterlicherseits von Kärntner<br />
Slowenen abstammt, macht in<br />
seinem Geleit deutlich, wie ihm<br />
gerade die Lyrik einen Zugang<br />
zur Wahrnehmung der Welt aus<br />
der Sicht eines kleinen Volkes<br />
eröffnet. Das Meer, von dem<br />
im Titel die Rede ist, ist nämlich<br />
die Welt, so schreibt Kito<br />
Lorenc. Die sorbische Insel soll<br />
nicht vom Meer verschlungen<br />
werden. Es gilt, das Schiff der<br />
Sprache flott zu halten, um sicher<br />
das Meer zu befahren. fp<br />
Tod in der Marsch<br />
Es gilt einen Krimi anzuzeigen,<br />
der – jedenfalls den verwendeten<br />
Namen nach – in Nordfriesland<br />
angesiedelt ist:<br />
Hannes Nygaard: Tod in der<br />
Marsch. 240 S. 9,00 Euro. Emons<br />
Verlag, Köln 2004.<br />
Aus „Husum“ verschwindet<br />
eine Frau mit ihrer kleinen<br />
Tochter. Beide werden tot aufgefunden.<br />
Die Polizei macht<br />
sich – am Ende erfolgreich – auf<br />
die Mörderjagd. Zu den Er-<br />
mittlern zählen ein fähiger,<br />
bedachtsamer Kripo-Dienststellenleiter,<br />
ein raubeiniger<br />
„Bulle“, ein besonders diensteifriger<br />
Jungbeamter, eine auf<br />
ihren Doktor-Titel bedachte<br />
Pathologin, zu den Verdächtigen<br />
ein alter Jude und ein<br />
junger Türke, der dem Trunke<br />
zugeneigte Ehemann und Vater<br />
sowie einige dem Anschein<br />
nach identitätsstarke Leute<br />
vom Lande. So weit, so Tatort.<br />
Das Erzählstück könnte<br />
überall außerhalb der Großstädte<br />
spielen. Einen Ort wie<br />
das Roman-Husum, in dem zu<br />
einer bestimmten „Jahreszeit<br />
lediglich zweimal am Tag ein<br />
Schnellzug“ hält – solch eine<br />
Jahreszeit gibt es im realen<br />
Husum übrigens nicht –, lässt<br />
sich wohl öfter finden. Der Krimi<br />
ist recht unterhaltsam und<br />
nicht schlechter als andere, die<br />
„Verwurzelung“ ist Masche. fp<br />
Blutspur<br />
nach Sylt<br />
Der erste Roman eines Oberstudiendirektors<br />
i. R. ist dem<br />
Kriminalfach gewidmet.<br />
Karl-Wilhelm Gabbert: Blutspur<br />
nach Sylt. Oldenburg-Föhr-<br />
Sylt-Kriminalroman. 3. Aufl.,<br />
230 S. 12,80 Euro. Oldenburg 2004.<br />
Und recht blutrünstig, wie der<br />
Titel verspricht, geht es auch<br />
zu. Die niemals langweilige<br />
Geschichte, man liest die über<br />
200 Seiten leicht an einem Tag,<br />
führt von Oldenburg in Niedersachsen<br />
auf Deutschlands<br />
beliebteste Ferieninsel Sylt. Die<br />
nordfriesische Nachbarinsel<br />
Föhr, die im Untertitel angekündigt<br />
wird, bildet im Roman<br />
dagegen nur einen winzigen<br />
Nebenschauplatz, wie übrigens<br />
auch die dänische Insel Röm.<br />
Wie viele Sommerurlauber<br />
nutzen auch die Hauptpersonen<br />
im Krimi die Insel- und<br />
Halligwelt für Tagesausflüge<br />
von Hörnum bzw. von List aus.<br />
Wer hoffte, Einblicke in die<br />
Seele der Sylter, eventuell gar<br />
in innere Abgründe, werfen zu<br />
dürfen, sieht sich arg getäuscht.<br />
Sylt ist nur das Bühnenbild. Die<br />
im „Tatort“-Format entworfene<br />
Handlung könnte – wie auch<br />
die des genannten Husum-Krimis<br />
– überall spielen.<br />
Harry Kunz<br />
NORDFRIESLAND <strong>149</strong> – März 2005 31
eaktionen<br />
Sylt 1951<br />
Zu Manfred Wedemeyer: „An<br />
diesem erschütternden Meere<br />
habe ich tief gelebt“ (Thomas<br />
Mann). In: Nordfriesland 147.<br />
Ein anderer Künstler – einer<br />
von zahlreichen, die es auf die<br />
Insel zog –, Frido Witte (1881-<br />
1965), Maler, Graphiker und<br />
Designer aus Schneverdingen,<br />
bekannt geworden durch seine<br />
Radierungen und Aquarelle<br />
zum bäuerlichen Leben in der<br />
Lüneburger Heide, hinterließ<br />
ein Tagebuch, in dem er seine<br />
Eindrücke von einer Sylt-Reise<br />
im Jahre 1951 festhielt. Ein lesenswertes<br />
Zeitzeugnis. Witteschrieb<br />
unter anderem:<br />
Erst gegen Abend, nach<br />
Überquerung des Hindenburgdammes<br />
(bei Ebbe, eine ganz<br />
undramatische Angelegenheit!)<br />
kam ich in Westerland an. Der<br />
Badeort zeigte, dass er zur<br />
Großstadt geworden war.<br />
Früh am Morgen ging die<br />
Fahrt nordwärts, durch Wenningstedt,<br />
Kampen, vorbei an<br />
vielen neuen Siedlungen, die<br />
z. T. in gutem friesischen Charakter<br />
mit Reetdächern da standen,<br />
durch die Dünen nach List.<br />
nord<br />
friesland<br />
Diese letzte Strecke ist nicht<br />
lang, sie dauerte nur eine halbe<br />
Stunde, aber der Eindruck der<br />
öden, ausgedehnten Dünenwelt<br />
ist grandios, man denkt an<br />
arktische Länder. Ich hatte mir<br />
List still und einsam vorgestellt,<br />
jedoch es kam anders. Ein neues<br />
Dorf tauchte auf, das aus vielen<br />
modernen Friesenhäusern<br />
mit Reetdach bestand, alle gut<br />
proportioniert, solide gebaut,<br />
schön eingerichtet.<br />
Das Kur-Publikum war gut,<br />
man sah gute Gesichter, aber es<br />
gab kein eigentliches Verkehrszentrum,<br />
auch keine Vergnügungen<br />
besonderer Art, so dass<br />
trotz der vielen Menschen und<br />
Häuser doch durch die Weite<br />
der Anlage eine gewisse Einsamkeit<br />
für den einzelnen sich<br />
herausstellte.<br />
Grandios wirkte die Dünenlandschaft!<br />
Die weißen Wanderdünen<br />
mit den davorliegenden,<br />
bewachsenen Höhen und<br />
dazwischenliegender Heide<br />
sahen fast täuschend genau<br />
der Hochgebirgslandschaft<br />
ähnlich. Die Heide war dicht<br />
mit den Sträuchern der Krähenbeere<br />
bewachsen, an denen die<br />
Früchte in überquellender Fülle<br />
hingen. Auch Bickbeeren (Blaubeeren)<br />
gab es dazwischen und<br />
an einzelnen Stellen die reizvolle<br />
kleine Dünenrose, die schon<br />
ausgeblüht hatte und ihre<br />
rötlichen oder violettbraunen<br />
Hagebutten trug.<br />
Schmetterlinge gaukelten<br />
umher, im Sande krochen Käfer<br />
und Ameisen, allerlei kleine Vögel<br />
geisterten durch das Kraut<br />
und hoch oben ließen sich die<br />
großen, weißen Möwen mit<br />
dem Winde treiben.<br />
An der Nordspitze der Insel,<br />
dort, wo noch die wenigen<br />
alten Dorfhäuser ein bescheidenes<br />
Dasein neben modernen<br />
Zeitschrift für Kultur, Politik, Wirtschaft<br />
Herausgegeben vom <strong>Nordfriisk</strong> <strong>Instituut</strong><br />
Redaktion: Peter Nissen, Fiete Pingel und Thomas Steensen<br />
Schlusskorrektur: Harry Kunz<br />
Verlag: Verein Nordfriesisches Institut e. V.<br />
Süderstr. 30, D-25821 Bräist/Bredstedt, NF,<br />
Tel. 04671/60120, Fax 04671/1333,<br />
Bauten fristeten, war ein großes<br />
englisches Zeltlager. In den<br />
Dünen schoss die Artillerie und<br />
die Luft war fast stets vom Geräusch<br />
der Düsenjäger erfüllt,<br />
die bald aus unsichtbarer Höhe<br />
herniederstürzten, bald steil<br />
wieder emporschossen.<br />
Auch in den Dünen selbst<br />
war der verlorene Krieg und die<br />
Macht der Feinde zu spüren.<br />
Unzählige gesprengte Bunker<br />
großer und kleiner Art bedeckten<br />
die Höhen und Täler und<br />
offene Kellerlöcher, Eisen und<br />
Stacheldrahtreste machten den<br />
Weg unsicher.<br />
Trotz allem behauptet sich<br />
die Großartigkeit der Dünenlandschaft<br />
und des Wassers; an<br />
schlechten Tagen besonders, da<br />
spielen Licht und Farben wunderbar<br />
auf Sand und Heide und<br />
das Meer brüllt schwarzgrau<br />
mit weißer Brandung heran wie<br />
ein urweltliches Untier.<br />
Ich geriet nach „Abessinien“<br />
(so nennt man heutzutage den<br />
Nacktbadestrand). Man sah<br />
junge und wohlgebaute Menschen<br />
naturhaft unbefangen<br />
sich in der weiten reinen Landschaft<br />
bewegen.<br />
Ich fuhr auch nach Kampen,<br />
von dort vorbei am „roten Kliff“<br />
nach Wenningstedt. Beide Orte<br />
haben sich sehr verändert und<br />
erweitert, ja, die ganze weite<br />
Umgebung ist mit Häusern in<br />
friesischer Art überfüllt.<br />
Die Straßen wimmeln von<br />
Autos, Motorrädern, Omnibussen<br />
und Fahrrädern. Die neue<br />
Zeit ist mit Macht über die Insel<br />
hereingebrochen und die Reste<br />
der alten Inselkultur ducken<br />
sich unter den Neubauten bescheiden<br />
und resigniert. Durch<br />
den Damm ist der Verkehr mit<br />
dem Festland leicht geworden.<br />
Karl-Ludwig Barkhausen<br />
Kantweg 42, 29614 Soltau<br />
E-Mail: info@nordfriiskinstituut.de – Internet: www.nordfriiskinstituut.de<br />
Druck: Breklumer Druckerei Manfred Siegel KG, D-25821 Brääklem/Breklum, NF.<br />
Preis je <strong>Nummer</strong> 3,00 Euro, Jahresabonnement (4 <strong>Nummer</strong>n) 12,00 Euro.<br />
Für Mitglieder des Vereins Nordfriesisches Institut e. V. ist der Bezug der Zeitschrift im Jahresbeitrag enthalten.<br />
Bankverbindungen: Spar- und Leihkasse zu Bredstedt (BLZ 217 512 30) 737,<br />
Nord-Ostsee Sparkasse, Husum (BLZ 217 500 00) 31 161.<br />
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