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Einzelwagenladungsverkehr in Deutschland: - Regionalverband ...

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<strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />

Der unbemerkte Tod e<strong>in</strong>es Verkehrssystems<br />

Textversion des Vortrags beim Symposium „Zukunft der Schiene im Ländlichen Raum“<br />

des <strong>Regionalverband</strong>es Heilbronn-Franken am 28.06.2012 <strong>in</strong> Künzelsau<br />

<strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />

Der unbemerkte Tod e<strong>in</strong>es Verkehrssystems<br />

Anstoß zu e<strong>in</strong>er Diskussion über den <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> im Schienengüterverkehr<br />

INHALT<br />

Dr.-Ing. Christoph Bolay, Öhr<strong>in</strong>gen<br />

_________________________________________________________________<br />

1. E<strong>in</strong>leitung<br />

2. Arbeitshypothese<br />

3. Mobilität <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

3.1 Status quo und anstehende Entwicklung<br />

3.2 Ablauf und Art der öffentlichen Diskussion<br />

3.3 Aktuelle Probleme und Folgen <strong>in</strong> der Verkehrswelt<br />

4. Der <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> im Schienengüterverkehr<br />

4.1 Warum EW SGV?<br />

4.2 Probleme im EW SGV der Gegenwart<br />

4.3 Erfolgsfaktoren<br />

5. Was ist zu tun?<br />

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<strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />

Der unbemerkte Tod e<strong>in</strong>es Verkehrssystems<br />

Textversion des Vortrags beim Symposium „Zukunft der Schiene im Ländlichen Raum“<br />

des <strong>Regionalverband</strong>es Heilbronn-Franken am 28.06.2012 <strong>in</strong> Künzelsau<br />

1. E<strong>in</strong>leitung<br />

Das E<strong>in</strong>sammeln von Eisenbahnwaggons oder Waggongruppen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Region, der Güterzug quer<br />

durch <strong>Deutschland</strong>, unterwegs das mehrfache Sortieren der Waggons auf Rangierbahnhöfen und<br />

dann das Verteilen und Zustellen der Wagen <strong>in</strong> der Zielregion prägt noch immer bei vielen Bürgern<br />

das Bild des Schienengüterverkehrs.<br />

Doch wann haben Sie zuletzt e<strong>in</strong>en Landwirt gesehen, der am örtlichen Ladegleis des heimatlichen<br />

Bahnhofs se<strong>in</strong>en Düngerwagen entlädt?<br />

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Bahnwelt grundlegend geändert. Ganzzugverkehre<br />

prägen heute das Bild und die öffentlichen Fachdiskussionen. Die Investitionen fließen zum Beispiel <strong>in</strong><br />

Conta<strong>in</strong>erterm<strong>in</strong>als und die Politik bemüht sich, die notwendigen Kapazitäten für den Warenzu- und –<br />

abfluß der Seehäfen <strong>in</strong> den Griff zu bekommen. Aber was ist mit dem klassischen<br />

<strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> auf der Schiene (EW SGV)?<br />

Dieses Segment des Schienengüterverkehrs wird zunehmend verdrängt und die Kunden s<strong>in</strong>d<br />

unzufrieden. Die möglichen Ladestellen werden immer weniger und vielleicht ist auch die optimale<br />

organisatorische Form des EW SGV im Zeitalter der Nach-Bahnreform noch nicht gefunden.<br />

Für diesen Beitrag wird zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>e Arbeitshypothese aufgestellt, die nach und nach mit<br />

Argumenten unterlegt wird. Es wird schnell klar, daß für die Mächtigkeit des Themas die hier zur<br />

Verfügung stehende Zeit bzw. der Platz eigentlich nicht ausreicht. Die Beschreibung der heutigen<br />

Probleme im EW SGV wird gefolgt von e<strong>in</strong>igen Gedanken und Anstößen, was für den Erhalt des<br />

Verkehrsträgers zu tun ist. Es liegt auf der Hand, daß die notwendigen Maßnahmen nicht e<strong>in</strong>fach und<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt schnell umsetzbar s<strong>in</strong>d.<br />

Es ist aber genauso sicher, daß wir den <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> als Teil des<br />

gesamten Verkehrssystems brauchen – <strong>in</strong> der Zukunft vielleicht mehr als heute.<br />

2. Arbeitshypothese<br />

Der Autor ist langjährig im Bereich des Schienengüterverkehrs tätig. Aus der Sicht der täglichen Praxis<br />

ist festzustellen, daß der EW SGV immer schwieriger umzusetzen ist und für den Kunden immer<br />

teurer wird. Die Ursache liegt unter anderem im weiter fortschreitenden Rückbau von Ladegleisen,<br />

Rangier-, Ausweich- und Abstellgleisen begründet. Die Modernisierung von Bahnstrecken wird oftmals<br />

über Etats aus dem Bereich des öffentlichen Schienenpersonennahverkehrs bezahlt. Für den<br />

Güterverkehr ist da ke<strong>in</strong> Platz und Gedanken macht man sich bei der Planung auch nicht. Schließlich<br />

ist der Güterverkehr ja e<strong>in</strong> anderes Ressort.<br />

Zeitgleich stehen wir vor e<strong>in</strong>er erheblichen Zunahme der Verkehrsleistungen bei allen<br />

Verkehrsträgern, die fast immer bis zur Grenze der Belastungsfähigkeit geht. Die prognostizierte<br />

Entwicklung geht schnell, sie kommt teilweise heute schon <strong>in</strong> Ballungszentren und Bahnknoten zum<br />

Tragen und bee<strong>in</strong>flußt nach dem „Flaschenhalspr<strong>in</strong>zip“ den Verkehr im ganzen Land.<br />

Damit nicht genug. Wir haben erheblich zu tun, um die bestehende Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur überhaupt zu<br />

erhalten. So ist e<strong>in</strong> Großteil der Autobahnbrücken <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> mehr oder weniger<br />

sanierungsbedürftig. Geld ist dafür nicht vorhanden und e<strong>in</strong> Ausbau der Verkehrsträger ist nur<br />

punktuell möglich.<br />

Der politische Wille quer durch alle Parteien und Gruppierungen ist dem Verkehrsträger<br />

Schienengüterverkehr eigentlich gewogen. Der Slogan „Güter gehören auf die Bahn“ ist bei fast allen<br />

Bürgern bekannt und akzeptiert. Trotzdem geht der Rückbau der Eisenbahn<strong>in</strong>frastruktur weiter. Der<br />

nächste orkanartige Sturm kommt bestimmt. Dann wird man wieder fragen, wo man überhaupt das<br />

Sturmholz auf die Bahn verladen kann.<br />

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<strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />

Der unbemerkte Tod e<strong>in</strong>es Verkehrssystems<br />

Textversion des Vortrags beim Symposium „Zukunft der Schiene im Ländlichen Raum“<br />

des <strong>Regionalverband</strong>es Heilbronn-Franken am 28.06.2012 <strong>in</strong> Künzelsau<br />

Die Problemverschärfung im Verkehrssektor geht schneller vonstatten, als e<strong>in</strong>e mögliche Entlastung<br />

durch das System EW SGV wirksam werden kann. Das gilt auch, wenn man sofort beg<strong>in</strong>nen würde,<br />

umzusteuern.<br />

Denn alle Maßnahmen im EW SGV benötigen Zeit. Zeit, die wir nicht haben. Die volkswirtschaftlichen<br />

Folgen s<strong>in</strong>d von uns allen zu tragen.<br />

3. Mobilität <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

3.1. Status quo und anstehende Entwicklung<br />

Alle vorliegenden Studien zur Verkehrsentwicklung <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> gehen von e<strong>in</strong>er mehr oder<br />

weniger großen Steigerung bei allen Verkehrsträgern aus. Unterschiede gibt es <strong>in</strong> den Bewertungen,<br />

welcher e<strong>in</strong>zelne Verkehrsträger wieviel zulegt oder wo sich Anteile zwischen den unterschiedlichen<br />

Verkehrssystemen verschieben.<br />

Die absoluten Zahlen s<strong>in</strong>d für unsere Betrachtung nicht relevant. Kapazitätsprobleme <strong>in</strong> der<br />

Verkehrssituation <strong>Deutschland</strong>s werden so oder so auftreten. Um die Größenordnung der Entwicklung<br />

zu illustrieren, sei hier exemplarisch die Studie „Prognose der deutschlandweiten<br />

Verkehrsverflechtungen 2025“ der Clear<strong>in</strong>gstelle Verkehr der Deutschen Gesellschaft für Luft- und<br />

Raumfahrt vorgestellt, die <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit dem Bundesm<strong>in</strong>isterium für Verkehr, Bau und<br />

Stadtentwicklung entstand und im November 2007 veröffentlicht wurde [1].<br />

Diese Studie quantifiziert das Wachstum der Verkehrsleistung zwischen den Jahren 2004 bis 2025 bei<br />

verschiedenen Verkehrsträgern folgendermaßen:<br />

� Straßengüterverkehr: + 84 %<br />

� Eisenbahngüterverkehr: + 65 %<br />

� B<strong>in</strong>nenschiffahrt: + 26 %<br />

� Seehafenh<strong>in</strong>terlandverkehr: + 131 % (mehrere Verkehrssyteme)<br />

� PKW-Anzahl: +13 %<br />

Die Mobilitätsanforderung <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> wird weiter zunehmen. Obwohl e<strong>in</strong>ige Experten der<br />

demographischen Entwicklung im Land e<strong>in</strong>en dämpfenden Faktor zuschreiben, werden andere<br />

Entwicklungen diesen Faktor dom<strong>in</strong>ieren.<br />

Neben e<strong>in</strong>er höheren Individualmotorisierung, die natürlich Platz auf der Straße fordert und damit den<br />

Güterverkehr bee<strong>in</strong>flußt, geht die Globalisierung mit ihrer Arbeitsteilung und Verlängerung der<br />

Transportstrecken unverm<strong>in</strong>dert weiter. Die sich entwickelnden osteuropäischen Staaten und EU-<br />

Neumitglieder werden den Transitverkehr durch <strong>Deutschland</strong> befeuern.<br />

3.2 Ablauf und Art der öffentlichen Diskussion zum Thema EW SGV<br />

Der <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> im Schienengüterverkehr hat ke<strong>in</strong>e Lobby. Selbst auf der Ebene der<br />

Fachexperten ist dieser Zustand greifbar.<br />

Die „VDV-Statistik 2010“ des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen thematisiert den EW SGV<br />

nicht [2].<br />

Auch das Statistische Bundesamt weist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Internetauftritt ke<strong>in</strong>e Informationen zum<br />

<strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> auf [3]. Bei der Volltextsuche ergeben sich (Bed<strong>in</strong>gung „enthält“) für die<br />

Wortanteile „...waggon...“, „...wagenladungsverkehr...“ oder „...e<strong>in</strong>zelwagen...“ jeweils ke<strong>in</strong>e Treffer.<br />

Beim Wort „...schienengüterverkehr...“ erhält man immerh<strong>in</strong> 17 Treffer.<br />

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<strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />

Der unbemerkte Tod e<strong>in</strong>es Verkehrssystems<br />

Textversion des Vortrags beim Symposium „Zukunft der Schiene im Ländlichen Raum“<br />

des <strong>Regionalverband</strong>es Heilbronn-Franken am 28.06.2012 <strong>in</strong> Künzelsau<br />

In der öffentlichen Diskussion steht das Kurieren von Symptomen im Mittelpunkt. Immer wieder gibt es<br />

beispielsweise Vorschläge, Autobahnabschnitte auf drei Richtungsfahrstreifen auszubauen. Den sich<br />

anschließende Engpaßabschnitt beläßt man dann, weil der Um- oder Neubau e<strong>in</strong>er Talbrücke oder<br />

e<strong>in</strong>es Autobahnkreuzes nicht f<strong>in</strong>anzierbar ist. Das Gesamtvorhaben kosten dann nur Geld, br<strong>in</strong>gt aber<br />

ke<strong>in</strong>e Entlastung und ke<strong>in</strong>en besseren Verkehrsfluß.<br />

Sobald konkrete Projekte vor Ort diskutiert werden, regt sich Widerstand nach dem St. Florian-Pr<strong>in</strong>zip.<br />

Das gilt auch für Schienengüterverkehrsprojekte obwohl der Verkehrsträger Schiene <strong>in</strong> der<br />

öffentlichen Diskussion sehr positiv besetzt ist.<br />

3.3. Aktuelle Probleme und Folgen <strong>in</strong> der Verkehrswelt<br />

Der Straßengüterverkehr wird anerkanntermaßen stark wachsen. Aber gerade bei diesem<br />

Verkehrsträger wird e<strong>in</strong> Problem auftreten, das bislang nicht im Mittelpunkt der öffentlichen<br />

Wahrnehmung stand. Beim IHK-NRW-Verkehrskongreß am 12. März 2012 <strong>in</strong> Essen [4] wurden unter<br />

anderem auch Zahlen zum Sanierungsbedarf der Autobahnbrücken <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> vorgestellt.<br />

Von den 39.000 Autobahnbrücken <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> ist der größte Teil sanierungsbedürftig. Das<br />

durchschnittliche Brückenalter beträgt 40 – 50 Jahre und alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen werden derzeit<br />

80 Mio. EUR für die Instandhaltung der Autobahnbrücken jährlich <strong>in</strong>vestiert. Dieser Betrag müßte nach<br />

Ansicht der Experten m<strong>in</strong>destens verdoppelt werden, um mit dem Zerfall Schritt zu halten.<br />

Diese Entwicklung gilt natürlich nicht nur für die Autobahnbrücken, sondern auch für die<br />

Straßendecken, Stützmauern und Dammbauwerke. Bei Bundes-, Landes- und Kreisstraßen sieht es<br />

nicht anders aus.<br />

Es ist also ke<strong>in</strong>e Veranlassung für e<strong>in</strong> fröhliches „Weiter so“ <strong>in</strong> der Verkehrslogistik gegeben.<br />

Trotzdem läßt sich <strong>in</strong> vielen Firmen e<strong>in</strong>e absolute Unempf<strong>in</strong>dlichkeit gegenüber aufziehenden<br />

verkehrslogistischen Problemen systematischer Art feststellen. Auch wenn die Firmen aufgrund ihres<br />

Produktspektrums oder ihres Fertigungsprozesses existenziell von e<strong>in</strong>er guten Verkehrsanb<strong>in</strong>dung<br />

oder e<strong>in</strong>er leistungsfähigen Transportlogistik abhängen. Gegenwärtig regiert nur der billige<br />

Transportpreis als e<strong>in</strong>ziges Kriterium. Grundlegende Überlegungen stellt man nicht an, das kostet nur<br />

Geld und Zeit und steht dazuh<strong>in</strong> noch dem Tagesgeschäft im Wege.<br />

Der Risikofaktor, daß Just-<strong>in</strong>-Time-Konzepte <strong>in</strong> Schwierigkeiten geraten oder komplett scheitern,<br />

steigt. Auch werden alle Firmen, die ihre Lagerhaltung geschlossen und quasi auf die öffentlichen<br />

Verkehrsflächen verlagert haben, jeden kle<strong>in</strong>en Unfall mit Blechschaden im Prozeßablauf ihrer<br />

Produktion bemerken.<br />

Die problematischen Effekte werden deutlich früher spürbar werden, als die zeitlichen Endpunkte der<br />

Verkehrssteigerungsprognosen es vermuten lassen weil sich <strong>in</strong> Ballungsräumen und<br />

Bahnknotenpunkten die Entwicklung früher zuspitzt, als im ländlichen Raum.<br />

In der Unternehmenslogistik ist e<strong>in</strong> Paradigmenwechsel notwendig. Es wird ke<strong>in</strong>e „öffentliche Hand“<br />

mehr geben, die die anstehenden Probleme erschöpfend löst und e<strong>in</strong> „Weiter so!“ erlaubt.<br />

4. Der <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> im Schienengüterverkehr (EW SGV)<br />

4.1. Warum EW SGV?<br />

Der Schienengüterverkehr läßt sich <strong>in</strong> drei Bereiche gliedern, die das Bahngeschehen prägen:<br />

� Ganzzugverkehr<br />

Damit werden komplette Züge umschrieben, die unterwegs ohne Rangierbehandlung des Zuges vom<br />

Absender direkt zum Empfänger fahren. Die Züge s<strong>in</strong>d maximal 700 m lang und folgen komplett<br />

anderen verkehrslogistischen Regeln als der <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong>.<br />

� Komb<strong>in</strong>ierter Verkehr (KV)<br />

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<strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />

Der unbemerkte Tod e<strong>in</strong>es Verkehrssystems<br />

Textversion des Vortrags beim Symposium „Zukunft der Schiene im Ländlichen Raum“<br />

des <strong>Regionalverband</strong>es Heilbronn-Franken am 28.06.2012 <strong>in</strong> Künzelsau<br />

Der Transport vom Absender zum Empfänger verläuft mit Wechselbehältern oder Conta<strong>in</strong>er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Kette verschiedener Verkehrsträger.<br />

� <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong><br />

Sammeln und verteilen e<strong>in</strong>zelner Wagen oder Wagengruppen über Rangierbahnhöfe nach dem<br />

Knotenpunktpr<strong>in</strong>zip. E<strong>in</strong> dezentrales Netz von Verladepunkten dient als Start- und Zielbahnhof.<br />

Der <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> auf der Schiene ist historisch gewachsen. Er war früher e<strong>in</strong>mal die<br />

erste und e<strong>in</strong>zige Möglichkeit, Güter <strong>in</strong> großen Mengen über weite Entfernungen zu transportieren. Er<br />

war das treibende Element des Industrialisierung- und Entwicklungsschubes, den der Aufbau des<br />

Eisenbahnwesens <strong>Deutschland</strong> brachte.<br />

Aus dieser Zeit s<strong>in</strong>d noch zahlreiche Verladerampen, Ladegleise, Abstell- und Ausweichmöglichkeiten<br />

für Waggons <strong>in</strong> der Fläche vorhanden. Schon zur Zeit der Deutschen Bundesbahn wurden diese<br />

E<strong>in</strong>richtungen an vielen Orten zurückgebaut oder dem Verfall preisgegeben. Zur gleichen Zeit war bei<br />

der Deutschen Reichsbahn <strong>in</strong> der früheren DDR der <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> von Staats wegen<br />

e<strong>in</strong> bevorzugtes Verkehrssystem. Deshalb f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> den Bundesländern Mitteldeutschlands noch<br />

viele vorhandene Gleisanschlüsse, die sich bei Bedarf ohne großen Aufwand reaktivieren lassen.<br />

Diese historische Entwicklung war überall <strong>in</strong> Europa abgelaufen. Deshalb ist der EW SGV e<strong>in</strong><br />

Verkehrssystem, das europaweit anwendbar ist, dessen betriebliche Infrastruktur <strong>in</strong> ganz Europa<br />

allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten sich erheblich verkle<strong>in</strong>ert hat.<br />

Gerade die Deutsche Bahn hat – oftmals ohne technische oder betriebliche Notwendigkeit – Anlagen<br />

mit Aufwand zurückgebaut. Diese Rückbauten s<strong>in</strong>d nicht ohne große Investitionen und schon gar nicht<br />

<strong>in</strong> kurzfristigen Zeiträumen korrigierbar.<br />

Allgeme<strong>in</strong>er Geldmangel und e<strong>in</strong> komplexes Planungsrecht <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> verh<strong>in</strong>dern schnelle<br />

Ergebnisse.<br />

Trotzdem hat der <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> e<strong>in</strong>ige wesentliche Vorteile. Natürlich ist er für den<br />

Transport schwerer Lasten geeignet, auch für Lasten mit e<strong>in</strong>er sogenannten Lademaßüberschreitung.<br />

Der Schienenverkehr gilt auch als sehr sicher. Aus diesem Grund bestehen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> auch<br />

Vorschriften, nach denen Gefahrgut – sofern e<strong>in</strong> Bahnanschluß vorhanden ist – auch mit der Bahn<br />

transportiert werden muß.<br />

Der Schienengüterverkehr und damit auch der <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> nutzt auch diejenige<br />

Eisenbahn<strong>in</strong>frastruktur, auf der Personenzüge fahren. Diese Mitnutzung br<strong>in</strong>gt für diese Bahnanlagen<br />

e<strong>in</strong>en Deckungsbeitrag, auch wenn alle Berechnungen und Kalkulationen im<br />

Schienenpersonenverkehr davon ausgehen, daß sie alle<strong>in</strong>e auf der Welt s<strong>in</strong>d. Auch bei neuen<br />

Projekten im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs werden Deckungsbeiträge durch Mitnutzung<br />

der Gleise durch den Schienengüterverkehr nicht monetarisiert.<br />

Aus der Kundensicht br<strong>in</strong>gt der gut organisierte <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong>, der auf e<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>nvollen<br />

Eisenbahn<strong>in</strong>frastruktur abgewickelt wird, e<strong>in</strong>ige Vorteile. Flexible Be- und Entladungsprozesse<br />

entkoppeln den Transportvorgang und die <strong>in</strong>nerbetriebliche Logistik. Wichtig dabei ist jedoch die<br />

zuverlässige Planbarkeit des Wagenladungsverkehrs. Interessanterweise steht e<strong>in</strong> kurzfristiger Über-<br />

Nacht-Transport selten im Focus des Kunden beim EW SGV. Müssen Güter <strong>in</strong> kürzestmöglicher Frist<br />

transportiert werden, kommen andere Verkehrsträger zum E<strong>in</strong>satz.<br />

Abschließend sei noch e<strong>in</strong> Blick auf die zurückliegenden Orkanstürme <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> geworfen. Die<br />

drohende Verbreitung von Holzschädl<strong>in</strong>gen und das gleichzeitige und schnelle Erreichen der<br />

Kapazitätsgrenze bei den LKW-Holztransportern hat <strong>in</strong> allen Fällen den verzweifelten Ruf nach der<br />

Bahn zur Folge gehabt. So hat man im Sauerland nach dem Sturm Kyrill im Jahre 2007 krampfhaft<br />

nach Verladestellen für Holz gesucht. Teilweise wurden die Holzwagen dann auf freier Strecke<br />

verladen, um überhaupt die Holzmengen abfahren zu können.<br />

Der EW SGV und se<strong>in</strong>e betriebliche Infrastruktur s<strong>in</strong>d also auch für die staatliche Dase<strong>in</strong>sfürsorge<br />

wichtige Hilfsmittel. An dieser Tatsache ändert sich auch dann nichts, wenn die EU-Adm<strong>in</strong>istration <strong>in</strong><br />

Brüssel sich bemüht, das deutsche Verständnis staatlicher Dase<strong>in</strong>svorsorge aufzuweichen und <strong>in</strong>s<br />

rechtliche Abseits zu stellen.<br />

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<strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />

Der unbemerkte Tod e<strong>in</strong>es Verkehrssystems<br />

Textversion des Vortrags beim Symposium „Zukunft der Schiene im Ländlichen Raum“<br />

des <strong>Regionalverband</strong>es Heilbronn-Franken am 28.06.2012 <strong>in</strong> Künzelsau<br />

4.2. Probleme im EW SGV der Gegenwart<br />

In den bisherigen Betrachtungen ist schon angesprochen worden, daß der EW SGV nicht gerade zu<br />

den unkomplizierten und gebräuchlichen Verkehrssystemen gehört. Die <strong>in</strong> historischen Prozessen<br />

gewachsenen Ortsgüteranlagen liegen heute oftmals schlecht erreichbar <strong>in</strong> Ortsmittenlage und s<strong>in</strong>d<br />

nicht kont<strong>in</strong>uierlich ausgelastet. Der Erfolgsfaktor „Flächendeckung“ erweist sich als erheblicher<br />

Kostenfaktor, wenn se<strong>in</strong>e alle<strong>in</strong>ige Existenz vollständig dem Verkehrsträger EW SGV zugeschrieben<br />

wird.<br />

Bereits wiederholt wurde angesprochen, daß der EW SGV e<strong>in</strong> deckungsbeitragsorientiertes System<br />

ist. Sobald Stillegungen – wie beispielsweise das Programm „Mora C“ der damaligen DB Cargo –<br />

durchgeführt werden, steigt der Produktionsstückpreis der verbleibenden Verkehre. Dies zeigt, daß<br />

neue Modelle und Konzepte abseits ausgetretener Pfade gefordert s<strong>in</strong>d, wenn man die Zukunft des<br />

Verkehrsträgers EW SGV verbessern möchte.<br />

Die Art der Anforderungen an das Verkehrssystem EW SGV s<strong>in</strong>d vielfältig. Daraus folgt dann auch,<br />

daß die Zahl der Güterwagenarten, die benötigt wird, bunt und vielfältig ist. Nach der Bahnreform<br />

wurden abgeschriebene und auf Steuerzahlerkosten beschaffte Güterwagen verschrottet. Für die<br />

Waggons, die übrigblieben, s<strong>in</strong>d höhere Preise zu bezahlen und je nach Wagengattung hat sich die<br />

Verfügbarkeit passender Wagen als der Engpaßfaktor Nr. 1 herausgestellt.<br />

E<strong>in</strong>e sehr unselige Entwicklung ist, daß Modernisierung von Bahnstrecken, die vielfach von der<br />

Bereitstellung zeitgemäßer Nahverkehrsmodelle angestoßen wurde, <strong>in</strong> der überwiegenden Anzahl der<br />

Fälle e<strong>in</strong>en Rückbau von Neben- und Ladegleisen mit sich brachte. Unbemerkt und ohne, daß sich<br />

nennenswerte Kritik erhob, wurden ganze Bahnstrecken dem Schienengüterverkehr aus/<strong>in</strong> die Fläche<br />

entzogen. So beispielsweise die Gäubahn Stuttgart-S<strong>in</strong>gen, die über 172 km Steckenlänge zwischen<br />

Landeshauptstadt und Bodensee ke<strong>in</strong>en Platz mehr für den <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> hat.<br />

Das zentrale Konzept der Bahnreform <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>, Infrastruktur und Betrieb zu trennen und im<br />

Bereich des Bahnbetriebs Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Anbietern zu forcieren, unterstützt<br />

den EW SGV nicht. Im Vergleich zu den verschiedenen Paketdiensten, die nach der Postreform <strong>in</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> aufgebaut wurden und die alle landesweit tätig s<strong>in</strong>d, wird diese Art Wettbewerb im<br />

Bereich des <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong>s nicht möglich se<strong>in</strong>. Dazu s<strong>in</strong>d die Produktionskosten und<br />

der Druck der Deckungsbeitragsrechnung nach Stückzahl zu groß. Im Gegenteil, es muß festgestellt<br />

werden, daß das Vorhandense<strong>in</strong> vieler Anbieter <strong>in</strong> diesem Segments des Schienengüterverkehrs se<strong>in</strong><br />

entgültiges Verschw<strong>in</strong>den beschleunigen wird.<br />

Mittlerweile s<strong>in</strong>d zum<strong>in</strong>dest im Westen des Landes sechs Jahrzehnte vergangen, <strong>in</strong> denen die<br />

Raumplanung ohne besondere Berücksichtigung des Verkehrsträger <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong><br />

durchgeführt wurde. Auch deshalb fehlen dem EW SGV Start- und Zielpunkte im Land. Noch<br />

vorhandene aber stilliegende Firmen-Gleisanschlüsse lassen sich nicht ohne weiteres für den EW<br />

SGV wieder nutzbar machen. Sie täuschen lediglich verkehrliche Möglichkeiten vor, die es nicht gibt.<br />

Kunden marktbeherrschender Anbieter von Leistungen im <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> verbreiten<br />

selten den E<strong>in</strong>druck, daß sie sich gut bedient fühlen. Zugesagte Zeitfenster werden nicht e<strong>in</strong>gehalten,<br />

der Informationsfluß reißt ab, passende Güterwagenarten stehen entgegen der Zusage nicht zur<br />

Verfügung oder man läßt den Kunden spüren, daß er mit se<strong>in</strong>en 20.000 Jahrestonnen eigentlich e<strong>in</strong>e<br />

zu kle<strong>in</strong>e Nummer für die Veranstaltung ist.<br />

Private Bahngesellschaften werden sehr oft mit solchen Leidensgeschichten konfrontiert. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

muß auch festgestellt werden, daß die Kunden durch e<strong>in</strong>e zögerliche und kurzfristige<br />

Entscheidungspraxis oder durch ständig wechselnde Richtungsentscheidungen die Vorteile des<br />

Transports auf der Schiene (im Ganzzug- und E<strong>in</strong>zelwagenverkehr) nicht realisieren können. Auch auf<br />

der Seite des Kunden muß noch viel Informations- und Überzeugungsarbeit geleistet werden.<br />

E<strong>in</strong> Kunde ärgert sich über den Verkehrsträger Schiene und den marktbeherrschenden Anbieter auch<br />

dann, wenn er nach e<strong>in</strong>er arbeits<strong>in</strong>tensiven Anpassung der betrieblichen Logistik auf den<br />

Verkehrsträger Schiene, nach vielen Abstimmungs- und Vertragsgesprächen und e<strong>in</strong>em Abschluß mit<br />

„gutem“ Preis bereits nach e<strong>in</strong>em Jahr mit Preiserhöhungen im höheren zweistelligen Prozentbereich<br />

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<strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />

Der unbemerkte Tod e<strong>in</strong>es Verkehrssystems<br />

Textversion des Vortrags beim Symposium „Zukunft der Schiene im Ländlichen Raum“<br />

des <strong>Regionalverband</strong>es Heilbronn-Franken am 28.06.2012 <strong>in</strong> Künzelsau<br />

konfrontiert ist. Dump<strong>in</strong>g-Preisangebote führen nicht zur langfristigen Kundenb<strong>in</strong>dung, sondern zum<br />

Abwandern auf prozeß- und kostenstabilere Verkehrsträger.<br />

4.3. Erfolgsfaktoren des <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong>s<br />

Der <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> kann verbessert und se<strong>in</strong> Anwendernutzen gesteigert werden, wenn<br />

e<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>er Erfolgsvoraussetzungen E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong>s tägliche Bahnleben fnden. Diesen Erfolgsfaktoren<br />

wollen wir uns im folgenden zuwenden.<br />

Wiederholt wurde angesprochen, daß der Produktionsprozeß im EW SGV maßgeblich von der Anzahl<br />

der beförderten E<strong>in</strong>heiten abhängt, also deckungsbeitragsempf<strong>in</strong>dlich ist. Aus diesem Grund darf das<br />

Marktpotential für diesen Verkehrsträger <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> nicht auf viele E<strong>in</strong>zelanbieter aufgeteilt<br />

werden. Damit wäre der Untergang des Systems durch Kannibalisierung nur e<strong>in</strong>e Frage der Zeit.<br />

Das Vorhalten e<strong>in</strong>er ausreichenden Anzahl und Art von Güterwagen muß <strong>in</strong> diese Überlegungen mit<br />

e<strong>in</strong>bezogen werden. Im Bereich des Schienennahverkehrs hat man diesen Effekt auch schon bemerkt<br />

und darauf reagiert, <strong>in</strong> dem manche auftragsvergebende Landes-nahverkehrsgesellschaften auch das<br />

Fahrzeugmaterial bestellen und zur Verfügung stellen. Das Fahrzeugmaterial verbleibt im Besitz des<br />

bestellenden Verkehrsträgers und erlaubt die Focusierung des Wettbewerbs auf den idealen<br />

Bahnbetrieb.<br />

Planbarkeit und Zuverlässigkeit müssen <strong>in</strong> der Produktionsdurchführung oberste Prioriät haben und<br />

für den Kunden auch <strong>in</strong> schwierigen Situationen spürbar se<strong>in</strong>.<br />

Die Eisenbahn<strong>in</strong>frastruktur muß über e<strong>in</strong>e genügende Anzahl von Lade- und Abstellanlagen <strong>in</strong> der<br />

Fläche verfügen. Dazu kommt aber auch die Möglichkeit, langsamere Züge <strong>in</strong> Ausweichgleisen zu<br />

überholen. Die E<strong>in</strong>schätzung des früheren Bahnchefs Mehdorn, daß die Bahn ihre Infrastruktur<br />

ausschließlich an der Durchführung des planmäßigen Verkehrs ausrichtet, ist falsch und ursächlich für<br />

die heute übliche Verspätungslage. Nur Ausweich- und Überholgleise erlauben es, mit den<br />

vorhandenen täglichen externen Störgrößen des Bahnbetriebs (Wetter, Technik, Suizide, etc.) flexibel<br />

umzugehen und die Folgen abzumildern.<br />

5. Was ist zu tun?<br />

E<strong>in</strong>ige Erfolgsfaktoren des <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong>s wurden oben angesprochen. Die<br />

Notwendigkeit, die Lage dieses Verkehrssystems zu verbessern, liegt aufgrund der ebenfalls<br />

angesprochenen Problementwicklungen bei anderen Verkehrsträgern oder wegen der Steigerung des<br />

Verkehrsaufkommens auf der Hand.<br />

Alle<strong>in</strong> die Forderung, daß aus Gründen der bestmöglichen wirtschaftlichen Produktion nur e<strong>in</strong><br />

Unternehmen oder Portal den E<strong>in</strong>zelwagenverkehr <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> anbieten sollte, macht die Qualität<br />

der Aufgabe deutlich.<br />

Es muß die Diskussion geführt werden, wie weit e<strong>in</strong> staatlicher E<strong>in</strong>griff das freie Marktgeschehen<br />

korrigieren soll. Aspekte der Dase<strong>in</strong>sfürsorge und des Allgeme<strong>in</strong>wohls (Art. 87e GG) müssen dazu<br />

e<strong>in</strong>bezogen werden. E<strong>in</strong>e solche politische Diskussion setzt voraus, daß Konsens darüber besteht,<br />

e<strong>in</strong>e Kannibalisierung des Marktes im <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> aus Gründen der langfristigen<br />

Bestandserhaltung nicht zuzulassen.<br />

Wir haben hier also <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>e politische Fragestellung vorliegen. Wenn sich die<br />

Entscheidungsträger dazu positioniert haben, stellt sich sofort die juristische Frage: Ist das, was<br />

eigentlich dem Verkehrssytem aufgrund se<strong>in</strong>er spezifischen Art förderlich wäre, überhaupt vere<strong>in</strong>bar<br />

mit dem geltenden Recht? Wettbewerbsrecht, Kartellrecht, staatliche Förderung und EU-Recht bilden<br />

e<strong>in</strong> Dickicht, das qualifizierte Juristen für e<strong>in</strong>en zukunftssicheren Platz des Verkehrsträgers<br />

<strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> erst durchdr<strong>in</strong>gen müssen. Sie werden dazu die Mithilfe der Politik<br />

benötigen, die unter Umständen rechtliche Randbed<strong>in</strong>gungen wird ändern müssen.<br />

Wettberwerb ist dabei nicht ausgeschlossen und er soll auch nicht ausgeschlossen werden. Denkbar<br />

ist, daß e<strong>in</strong>e national tätige Struktur auf örtlicher Ebene Bedienverträge ausschreibt, dann allerd<strong>in</strong>gs<br />

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<strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />

Der unbemerkte Tod e<strong>in</strong>es Verkehrssystems<br />

Textversion des Vortrags beim Symposium „Zukunft der Schiene im Ländlichen Raum“<br />

des <strong>Regionalverband</strong>es Heilbronn-Franken am 28.06.2012 <strong>in</strong> Künzelsau<br />

auch die Bedienfähigkeit garantiert. Es müssen elastische Betriebsmodelle entwickelt werden, die es<br />

e<strong>in</strong>em Unternehmen erlauben, auch e<strong>in</strong>e verkehrsschwache Zone zu bedienen und dort den EW SGV<br />

neu zu entwickeln.<br />

Bei Streckenmodernisierungen müssen Lade-, Ausweich- und Abstellgleise ihren Platz <strong>in</strong> Planung und<br />

Ausführung haben. Neue Anschlußgleise oder Weichen mit Ausweichanschlußstellen müssen<br />

bezahlbar bleiben. Auch was die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die Leit- und Sicherungstechnik (Signaltechnik) der<br />

Eisenbahn angeht. Es kann nicht se<strong>in</strong>, daß heute im Computerzeitalter die Planung, Prüfung und<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>er neuen Weiche <strong>in</strong> die Signal- bzw. Stellwerkstechnik mehr kostet als die Hardware<br />

selbst.<br />

Marktbeherrschende Oligopole und e<strong>in</strong> schwach ausgeprägter Wille von Verantwortlichen bei<br />

Infrastrukturbetreibern zum E<strong>in</strong>satz von alternativen Produkten sorgt dafür, daß dieses Preisgefüge<br />

sich seit der Bahnreform nicht verändert hat.<br />

Neue Anschlußgleise zu vernünftigen Preisen müssen möglich werden. Diese Anschlüsse s<strong>in</strong>d dann<br />

so zu gestalten, daß e<strong>in</strong> vernünftiger Betriebsablauf bei der Bedienung möglich ist. Die Betriebskosten<br />

werden langfristig immer die Baukosten überflügeln. Mit anderen Worten: Es ist im Interesse des<br />

Verkehrsträgers nicht s<strong>in</strong>nvoll, z. B. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er abgelegenen Liegenschaft des Heilbronner Hafens e<strong>in</strong><br />

Conta<strong>in</strong>erterm<strong>in</strong>al zu bauen, das über drei nur ca. 130 m lange Bediengleise verfügt. Da<br />

Conta<strong>in</strong>erzüge heute durchweg 700 m lang s<strong>in</strong>d, wird mit der Bauausführung für lange Zeit<br />

erzwungen, daß e<strong>in</strong>e Rangierabteilung ständig anwesend ist, um die Wagen zu- und umzustellen. Das<br />

macht pro Schicht etwa e<strong>in</strong>en Kostensatz von 1800 EUR aus. E<strong>in</strong>e Weiche wird heutzutage für e<strong>in</strong>e<br />

Liegezeit von 80 Jahren e<strong>in</strong>gebaut. Besteht e<strong>in</strong>e Eisenbahn<strong>in</strong>frastruktur erst e<strong>in</strong>mal, wird sich so<br />

schnell daran nichts ändern.<br />

Neue Anschlüsse müssen <strong>in</strong> zeitlich vernünftigem Rahmen zügig umgesetzt werden können. Es<br />

empfiehlt sich, für die unterschiedlichen Arten und Größen der Gleisanschlüsse e<strong>in</strong> Programm mit<br />

normierten unterschiedlich großen, aber bundesweit immer gleich aufgebauten Anschlußgleisen<br />

aufzulegen. So wie vor 1920 die deutschen Länderbahnverwaltungen ihre Bahnhofsgebäude<br />

modulartig für verschiedene Größen def<strong>in</strong>iert haben. E<strong>in</strong> solches – vielleicht „Ausweichanschlußstelle<br />

´21“ genanntes Programm muß sowohl den Belangen der Bahn und der Eisenbahner als auch den<br />

Anforderungen der LKW und ihrer Fahrer (z. B. Sozialräume) genügen. Und es muß die Erreichbarkeit<br />

langfristig optimale Betriebskosten den Baukosten überordnen.<br />

Der <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> setzt das Knotenpunktpr<strong>in</strong>zip voraus. Der Zugang zu diesen Knoten<br />

muß also dem gesamten Aufkommen des Verkehrssystems EW SGV diskrim<strong>in</strong>ierungsfrei<br />

offenstehen. Da jeder e<strong>in</strong>zelne Wagen im Rangierbahnhof e<strong>in</strong>en Beitrag zum Deckungsbeitrag liefert,<br />

ist das auch s<strong>in</strong>nvoll.<br />

Auch dafür s<strong>in</strong>d neue Modelle zu erdenken. Der <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> hat Perspektive und<br />

kann unter anderem auch <strong>in</strong> Richtung KV-Verkehr weiterentwickelt werden. Verladesyteme wie ACTS<br />

oder AWILOG entlasten tatsächlich die Straßen und belegen dies e<strong>in</strong>drucksvoll.<br />

Kurzfristig ist es nötig, daß <strong>in</strong> Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit e<strong>in</strong> Bewußtse<strong>in</strong> geschaffen wird<br />

dafür, daß das Verkehrssytem <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> gefährdet ist.<br />

Falls es tatsächlich der politische Wille ist, daß Güter auf die Schiene gehören, muß bewußt gemacht<br />

werden, daß e<strong>in</strong> Neuaufbau des Systems langsam geht, <strong>in</strong>vestitions<strong>in</strong>tensiv ist und e<strong>in</strong>e entlastende<br />

Wirkung für die gesamte Verkehrslage erst langsam sich bemerkbar machen kann.<br />

Was <strong>in</strong> Jahrzehnten zurück- und umgebaut wurde, kann nicht <strong>in</strong>nerhalb von fünf Jahren aus dem<br />

Ärmel geschüttelt werden. Bedauerlicherweise richtig schnell s<strong>in</strong>d dagegen alle die Veränderungen,<br />

die uns im gesamten Verkehrssytem zunehmend Probleme bereiten.<br />

Dieser Beitrag wurde geschrieben, weil der Autor es für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> existenzielle<br />

volkswirtschaftliche Notwendigkeit hält, auf e<strong>in</strong> gesamtes Verkehrssytem mit möglichst vielen<br />

verschiedenen Verkehrsarten zurückgreifen zu können (Diversifizierung). Der<br />

E<strong>in</strong>zelwagengüterverkehr ist e<strong>in</strong>e Verkehrsart <strong>in</strong> diesem Gesamtsystem, die wir nicht leichtfertig<br />

aufgeben dürfen.<br />

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<strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />

Der unbemerkte Tod e<strong>in</strong>es Verkehrssystems<br />

Textversion des Vortrags beim Symposium „Zukunft der Schiene im Ländlichen Raum“<br />

des <strong>Regionalverband</strong>es Heilbronn-Franken am 28.06.2012 <strong>in</strong> Künzelsau<br />

Wir werden ihn brauchen – schneller, als es uns lieb ist.<br />

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<strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>:<br />

Der unbemerkte Tod e<strong>in</strong>es Verkehrssystems<br />

Textversion des Vortrags beim Symposium „Zukunft der Schiene im Ländlichen Raum“<br />

des <strong>Regionalverband</strong>es Heilbronn-Franken am 28.06.2012 <strong>in</strong> Künzelsau<br />

Zusammenfassung<br />

Der <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> im Schienengüterverkehr ist e<strong>in</strong>e Verkehrsart, auf die wir langfristig<br />

<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> nicht verzichten können. Trotz des durchgängigen Bekenntnisses der Politik über<br />

Parteigrenzen h<strong>in</strong>weg zur Schiene, hat der <strong>E<strong>in</strong>zelwagenladungsverkehr</strong> ke<strong>in</strong>e Lobby. Jede<br />

Modernisierung e<strong>in</strong>er Bahnstrecke verdrängt ihn, das Wettbewerbsrecht macht ihn zunehmend<br />

unattraktiv. Was übrig bleibt ist e<strong>in</strong> Ladungsverkehr, der den Begriff nicht mehr verdient und <strong>in</strong> der<br />

Fläche schon gar nicht mehr vertreten ist.<br />

Probleme bei anderen Verkehrsträgern durch Überlastung, Investionsstau oder Fahrermangel<br />

gefährden den Mobilitätsbedarf <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. Und die Probleme steigern sich schnell.<br />

Wenn also der Ladungsverkehr auf der Schiene dem Verkehr <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> Entlastung br<strong>in</strong>gen soll,<br />

dann s<strong>in</strong>d neue Konzepte und e<strong>in</strong> Bewußtse<strong>in</strong>swandel <strong>in</strong> Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit nötig.<br />

Abwarten geht nicht! Dieser Beitrag soll e<strong>in</strong> Anstoß dazu se<strong>in</strong>.<br />

KONTAKT ZUM AUTOR:<br />

Dr.-Ing. Christoph Bolay<br />

Position: Eisenbahnbetriebsleiter<br />

Organisation: EMN-EVU GmbH<br />

Anschrift: Postfach 12 10, D-70797 Kornwestheim<br />

Telefon: 07154/80117-100<br />

Telefax: 07154/80117-100<br />

E-Mail: christoph.bolay@emn-evu.de<br />

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