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Pathogenese und Pathomorphologie der Diphtherie

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<strong>Pathogenese</strong> <strong>und</strong> <strong>Pathomorphologie</strong> <strong>der</strong> <strong>Diphtherie</strong>1 DefinitionDie <strong>Diphtherie</strong> ist eine akute Infektionskrankheit, die durch toxinbildende Bakterienstämme <strong>der</strong> Gattung Corynebacteriumdiphtheriae ausgelöst wird. Charakteristisch für das Krankheitsbild sind lokale Infektionen (häufig des Rachenraumes)mit Bildung von typischen Pseudomembranen. Komplikationen können sich an an<strong>der</strong>en Organen durch hämatogeneStreuung des <strong>Diphtherie</strong>toxins ergeben.2 EpidemiologieDie <strong>Diphtherie</strong> ist eine <strong>der</strong> klassischen Seuchen <strong>der</strong> Medizin. Vor den 1950er Jahren trat die <strong>Diphtherie</strong> in großenWellenbewegungen (von etwa 30 Jahren Dauer) immer wie<strong>der</strong> in ausgedehnten Epidemien auf. Saisonale Höhepunktewaren vor allem im Winter <strong>und</strong> im Frühjahr zu finden. Seit Mitte des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts konnte in den Industrielän<strong>der</strong>ndie Zahl <strong>der</strong> Erkrankungen durch groß angelegte Impfaktionen erheblich gesenkt werden. Während beispielsweise inden USA um 1920 noch ca. 150 000 Fälle pro Jahr auftraten (mit ca. 15 000 Todesfällen), waren es von 1980 bis 1986nur noch 24 Fälle, davon 2 Fälle mit tödlichem Ausgang. Aktuell treten in Deutschland nur noch vereinzelte <strong>Diphtherie</strong>-Fälle auf (meist eingeschleppt aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n), zuletzt 1Erkrankungsfall 1999. In <strong>der</strong> Dritten Welt <strong>und</strong> in neuerer Zeit auchin den ehemaligen Sowjetrepubliken ist allerdings die Anzahl <strong>der</strong>Erkrankungen wegen nicht ausreichen<strong>der</strong> Impfprogramme aberimmer noch hoch.3 Ätiologie <strong>und</strong> <strong>Pathogenese</strong>Die Erreger Corynebacterium diphtheriae, grampositive Stäbchen,werden hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion von infiziertenPersonen übertragen; seltener, vor allem bei <strong>der</strong> Hautdiphtherie,durch Schmierinfektion. Die Inkubationszeit beträgt ca. 2 - 5 Tage,die Krankheit bricht bei ca. 20 % <strong>der</strong> infizierten Personentatsächlich aus.Corynebacterium diphtheriae wirkt pathogen allein durch dieFähigkeit zur Bildung von <strong>Diphtherie</strong>toxin. Die genetischeAbb. 1: PseudomembranenInformation für das Toxin befindet sich auf einem Bakteriophagen,<strong>der</strong> übertragen werden kann. Nur lysogene Stämme des Corynebacterium diphtheriae, die den Phagen besitzen, könnendas Toxin bilden <strong>und</strong> sind für den Menschen gefährlich. Das <strong>Diphtherie</strong>toxin besteht aus zwei Domänen: die B-Domänespielt vermutlich eine Rolle bei <strong>der</strong> Aufnahme des Toxins in die Zelle, die A-Domäne hemmt den eukaryontischenElongationsfaktor eEF2. Somit wird die Proteinsynthese in <strong>der</strong> Zelle gestoppt, es kommt zum Zelltod. Das am Ort <strong>der</strong>Infektion produzierte <strong>Diphtherie</strong>toxin kann über das Blut zu an<strong>der</strong>en Bereichen des Körpers gelangen <strong>und</strong> so Gewebe<strong>und</strong> Organe sek<strong>und</strong>är toxisch schädigen.4 <strong>Pathomorphologie</strong>LokalinfektionenDas akute Krankheitsbild <strong>der</strong> <strong>Diphtherie</strong> ist eine lokal begrenzte Infektion, in <strong>der</strong> Hauptsache <strong>der</strong> Fälle im Bereich desRachens als Rachendiphtherie. Weitere Manifestationen kommen z. B. im Bereich <strong>der</strong> Augen, des Nabels, desKehlkopfes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Nase vor (als Augen-, Nabel-, Kehlkopf- o<strong>der</strong> Nasendiphtherie).Am Beispiel <strong>der</strong> Rachendiphtherie als „klassischer“ Manifestation lassensich die charakteristischen Merkmale demonstrieren: Nach <strong>der</strong> Infektionkommt es zunächst zur Anschwellung <strong>der</strong> betroffenen Bereiche, späterbilden sich auf <strong>der</strong> Schleimhaut die typischen grau-bräunlichenPseudomembranen. Diese bestehen aus Fibrin, abgetötetenEpithelzellen, Erythrozyten, Leukozyten <strong>und</strong> Bakterien <strong>und</strong> sind fest mit<strong>der</strong> ödematös geschwollenen, darunter liegenden Schleimhautverb<strong>und</strong>en. Oft fällt ein süßlich-fauliger Geruch auf. Der Hals <strong>und</strong> dieLymphknoten <strong>der</strong> Region sind stark geschwollen, wodurch unterUmständen eine Intubation o<strong>der</strong> ein Tracheostoma nötig werdenkönnen. Nach Erreichen des Krankheitshöhepunktes nach etwa 5Tagen beginnt entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> Heilungsprozess o<strong>der</strong> es kommt zu einemsek<strong>und</strong>är-toxischen Verlauf mit systemischer Intoxikation <strong>und</strong>Organschädigungen.Abb. 2: HalsschwellungBeson<strong>der</strong>e Verlaufsformen sind die rasch fortschreitende <strong>Diphtherie</strong> <strong>der</strong>tieferen Atemwege (deszendieren<strong>der</strong> Krupp) <strong>und</strong> die maligne<strong>Diphtherie</strong>. Der deszendierende Krupp führt durch ein großes Ödem imBereich <strong>der</strong> Trachea <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bronchien rasch zu einer Verlegung <strong>der</strong>Atemwege. Im Falle <strong>der</strong> malignen <strong>Diphtherie</strong> kommt es bereits zuSeite 1


Beginn <strong>der</strong> Erkrankung zu Symptomen einer systemischenIntoxikation. Im Verlauf kommt es zu Myokarditis, Herz-Kreislauf-Versagen, Blutungen <strong>der</strong> Schleimhaut <strong>und</strong>Niereninsuffizienz.Eine weitere Son<strong>der</strong>form stellt die W<strong>und</strong>diphtherie dar, wobeisich Verletzungen <strong>der</strong> Haut durch Schmierinfektion mitCorynebacterium diphtheriae infizieren. Die W<strong>und</strong>diphtherie trittvor allem in tropischen Län<strong>der</strong>n <strong>und</strong> in sozialen Randgruppenauf.Systemische IntoxikationIn Folge einer akuten, lokal begrenzten Infektion kann es durchStreuung des <strong>Diphtherie</strong>toxins mit dem Blut zu einersystemischen Intoxikation mit Schäden an an<strong>der</strong>en Organenkommen (sek<strong>und</strong>är-toxischer Verlauf). Ein solcher Verlauf kannbei allen <strong>Diphtherie</strong>-Formen auftreten. Hierbei kann es zuAbb. 3: W<strong>und</strong>diphtherieSchäden z. B. an Herz, Nervensystem, Niere o<strong>der</strong> Leberkommen. Wichtige Spätschäden können vor allem eine Myokarditis (Herzmuskelentzündung), o<strong>der</strong> auch eine toxischeNephropathie (Funktionsverlust <strong>der</strong> Niere durch tubuläre Nekrose) o<strong>der</strong> eine Polyneuritis diphtherica (nervaleAusfallerscheinungen durch Demyelinisierung, insbeson<strong>der</strong>e als Lähmung des Gaumensegels) sein.5 DiagnoseAn erster Stelle <strong>der</strong> Verdachtsdiagnose steht das konkrete klinische Bild. Vor allem bei <strong>der</strong> häufig vorkommendenRachendiphtherie ist die Erkrankung an den charakteristischen, grau-braunen Pseudomembranen <strong>der</strong> infiziertenRachenbereiche <strong>und</strong> einem typischen, faulig-süßlichen Geruch zu erkennen. Hinzu kommen noch Schwellungen <strong>der</strong>regionalen Lymphknoten <strong>und</strong> des Halses <strong>und</strong> Anzeichen einer allgemeinen systemischen Vergiftung. Die Diagnose wirddurch mikrobiologische Untersuchungen eines Abstrichs gesichert: Nachweis des Erregers über eine Kultur, Nachweis<strong>der</strong> Fähigkeit zur Bildung des <strong>Diphtherie</strong>toxins durch einen Präzipitationstest, evtl. Nachweis <strong>der</strong> Toxin-Gene durch PCR.Ein Verdacht auf <strong>Diphtherie</strong> ist in Deutschland gr<strong>und</strong>sätzlich meldepflichtig.6 TherapieTherapie einer akuten <strong>Diphtherie</strong>-ErkrankungDie wichtigste Maßnahme bei Verdacht auf <strong>Diphtherie</strong> ist die sofortige Gabe von <strong>Diphtherie</strong>-Antitoxin, einemPferdeimmunserum. Das Antitoxin neutralisiert nur das freie, im Blut zirkulierende Toxin. Zweite Maßnahme ist die Gabevon Antibiotika (Penicillin G o<strong>der</strong> Erythromycin), um die weitere Ausbreitung <strong>der</strong> Bakterien zu verhin<strong>der</strong>n. Entsprechend<strong>der</strong> möglicherweise auftretenden Komplikationen können intensivmedizinische Maßnahmen nötig werden, z. B.rechtzeitige Intubation o<strong>der</strong> operative Entfernung <strong>der</strong> die Atemwege verlegenden Pseudomembranen.ProphylaxeDie <strong>Diphtherie</strong>-Impfung gehört zur „Standard“-Immunisierung im 1. Lebensjahr. Geimpft wird aktiv mit einem<strong>Diphtherie</strong>toxoid. Da <strong>der</strong> Impfschutz nicht komplett ist, kann eine akute Erkrankung nicht vollständig verhin<strong>der</strong>t werden,auf jeden Fall wird aber <strong>der</strong> Krankheitsverlauf gemil<strong>der</strong>t.7 LiteraturClassen, M. u. a.: Innere Medizin. Urban & Fischer, München, 5. Auflage, 2004, S. 957-959.Darai, G. u. a.: Lexikon <strong>der</strong> Infektionskrankheiten des Menschen. Erreger, Symptome, Diagnose, Therapie <strong>und</strong>Prophylaxe. Springer-Verlag, Berlin, 2. Auflage, 2003, S. 144-148.Löffler, G.; Petrides, P.: Biochemie <strong>und</strong> Pathobiochemie. Springer-Verlag, Berlin, 5. Auflage, 1997, S. 276.Nelson, D.; Cox, M.: Lehninger Biochemie. Springer-Verlag, Berlin, 3. Auflage, 2001, S. 297, 1152, 1162Robert Koch Institut: Ratgeber Infektionskrankheiten. <strong>Diphtherie</strong>. Internet: http://www.rki.de/infekt/d_links.htm, aufgerufenam 25.04.2004, 14:30 UhrWorld Health Organization: Diphtheria. Internet: http://www.who.int/vaccines-diseases/diseases/diphtheria_dis.shtml,aufgerufen am 25.04.2004, 14:15 Uhr.Abbildungen: www.vaccineinformation.org© Kristina Dehm, April 2004Seite 2

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