Diplomarbeit - Notfallseelsorge in Deutschland
Diplomarbeit - Notfallseelsorge in Deutschland
Diplomarbeit - Notfallseelsorge in Deutschland
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Markus Reuter <strong>Notfallseelsorge</strong><br />
Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter ist vielleicht das Beispiel, <strong>in</strong> dem zunächst<br />
die größte Parallele zur NFS zu erkennen ist. Schon von der dargestellten<br />
Situation her lässt sich e<strong>in</strong>e Parallele zu heute erkennen. Warum sollte nicht der unter<br />
die Räuber gefallene heute e<strong>in</strong> Verkehrsunfallopfer se<strong>in</strong>, an dem die Menschen<br />
vorüber gehen, ohne zu helfen? 118 Die Aufforderung, die das Gleichnis erhebt, ist die<br />
nach der sofortigen und spontanen Hilfe, das was jeder – nach se<strong>in</strong>en Möglichkeiten<br />
– tun kann und somit auch zum Tun verpflichtet ist. 119 Deshalb steht das Gleichnis<br />
auch an exponierter Stelle bei Lukas, direkt h<strong>in</strong>ter dem Doppelgebot der Liebe. 120<br />
Jedoch hat das Gleichnis vom barmherzigen Samariter e<strong>in</strong>e Schwierigkeit, wenn es<br />
<strong>in</strong> Zusammenhang mit der NFS gebracht wird. Der unter die Räuber Gefallene ist<br />
selbst der Geschädigte, er gehört also nicht zu dem primären Personenkreis, den die<br />
NFS <strong>in</strong> ihrer Aufgabenstellung ansprechen will 121 . Somit lässt sich das Gleichnis nur<br />
bed<strong>in</strong>gt auf die NFS übertragen. Die Kernaussage trifft nicht, da sie die konkrete Hilfe<br />
für den körperlich Geschädigten fordert.<br />
Jedoch können zwei Teilaspekte des Gleichnisses auch für die NFS von Interesse<br />
se<strong>in</strong>: Lässt sich der vorübergehende Priester aus Vers 31 mit e<strong>in</strong>em gehetztem<br />
Priester unserer Tage vergleichen, der zwischen Gitarrenunterricht und Vorstandssitzung<br />
gar nicht erkennt, dass se<strong>in</strong> seelsorglicher Bestand hier gefordert ist? Außerdem<br />
ist es e<strong>in</strong>e Aufgabe der NFS zum Abschluss ihres Tuns den Betroffenen – wenn<br />
nötig – an e<strong>in</strong>e andere E<strong>in</strong>richtung zu verweisen und eventuell den ersten Kontakt<br />
hierfür herzustellen. So wie es der Samariter im Gleichnis tut, wenn er den Wirt mit<br />
der weiteren Pflege beauftragt, weil se<strong>in</strong>e Möglichkeiten begrenzt s<strong>in</strong>d. Hier ist mit<br />
Möglichkeiten das Zeitfenster geme<strong>in</strong>t, das bei dem Samariter begrenzt ersche<strong>in</strong>t,<br />
denn er muss am nächsten Morgen weiter. Ähnlich ist es bei der NFS, die sich für<br />
ihre Tätigkeit bewusst e<strong>in</strong> Zeitfenster setzt. 122<br />
4.1.2 Matthäusevangelium 25,35f.40<br />
35 Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig,<br />
und ihr habt mir zu tr<strong>in</strong>ken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und<br />
ihr habt mich aufgenommen; 36 ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung<br />
gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis,<br />
und ihr seid zu mir gekommen. 40 Darauf wird der König ihnen antworten:<br />
Amen, ich sage euch: Was ihr für e<strong>in</strong>en me<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gsten Brüder getan<br />
habt, das habt ihr mir getan.<br />
118 Vgl. PERZUL: Chancen und Grenzen, S. 11.<br />
119 Sowohl moralisch, wie es von diesem Gleichnis gefordert wird und zusätzlich <strong>in</strong> der heutigen Zeit<br />
auch rechtlich – ‚Unterlassene Hilfeleistung‘ nach § 323c StGB.<br />
120 Vgl. PERZUL: Chancen und Grenzen, S. 11.<br />
121 Vgl. Kapitel 3.1 und 3.2.<br />
122 Vgl. Kapitel 3.2.<br />
54